Verdacht der Republikflucht bei Jugendlichen (3)
27. Januar 1956
Verdacht der Republikflucht bei Jugendlichen [Information Nr. M27/56]
In der Zeit vom 20.1. bis 24.1.1956 wurden laut Unterlagen der HVDVP folgende Jugendliche wegen Verdachtes der Republikflucht in die Lager Bärenklau und Bogensee eingeliefert:1
[Datum] | Bärenklau: | Bogensee: | insgesamt: |
---|---|---|---|
20.1.1956 | 50 | – | 50 |
21.1.1956 | – | 18 | 18 |
22.1.1956 | 2 | 22 | 24 |
23.1.1956 | 4 | 21 | 25 |
24.1.1956 | – | 41 | 41 |
Insgesamt: | 56 | 102 | 158 |
(Im gleichen Zeitraum nahmen die Organe der Transportpolizei und der Grenzpolizei insgesamt 267 Jugendliche fest.)
Bis zum 24.1.1956 wurden aus den beiden Lagern 74 Jugendliche (davon 2 in Haft) wieder entlassen, sodass noch 84 Jugendliche verbleiben.
Die bezirksweise Aufschlüsselung der bis 23.1.1956 eingelieferten Jugendlichen ergibt folgendes Bild:
- –
Halle 19
- –
Erfurt 16
- –
Leipzig 15
- –
Dresden 15
- –
Karl-Marx-Stadt 10
- –
Schwerin 9
- –
Magdeburg 9
- –
Cottbus 8
- –
Potsdam 7
- –
Neubrandenburg 3
- –
Gera 2
- –
Suhl 2
- –
Berlin 1
- –
Rostock 1
Aus dem Bezirk Magdeburg wird dazu Folgendes berichtet: Am 24.1.1956 wurden der FDJ-Bezirksleitung Magdeburg neun Jugendliche von Bärenklau übergeben. Die Jugendlichen wurden in einem offenen Lkw unter Bewachung von drei Volkspolizisten mit Mpi transportiert, was große Empörung unter den Jugendlichen auslöste. Ein Jugendlicher erklärte, dass es nicht richtig sei, sie wie Schwerverbrecher zu behandeln; das trage nicht dazu bei, sie von der Richtigkeit des Aufenthaltes in der DDR zu überzeugen. Über ihre versuchte Republikflucht gaben die Jugendlichen Folgendes an: Drei befreundete Jugendliche kamen aus dem Kreisbaubetrieb Halberstadt, wo sie als Tiefbauarbeiter beschäftigt waren. Sie wollten durch die Republikflucht einer Einstellung in die Volksarmee entgehen.2 Bei diesen drei Jugendlichen besteht der Verdacht der Abwerbung durch eine Halberstädter Einwohnerin. (Muss noch überprüft werden.)
Ein Jugendlicher aus dem »Karl-Marx-Werk« Magdeburg erklärte, dass er bereit wäre, in der DDR zu bleiben. Er will aber in einem anderen volkseigenen Betrieb arbeiten, um eventuellen Diskussionen in seinem Betrieb aus dem Wege zu gehen. Ein anderer Jugendlicher äußerte, dass er nach ca. fünf bis sechs Wochen doch republikflüchtig werden will.