Vorhaben kleinbürgerlicher Parteien zur Minderung des SED-Einflusses
17. September 1956
Information Nr. 207/56 – Betrifft: Hinweise auf Bestrebungen der kleinbürgerlichen Parteien – hauptsächlich der CDU – den Einfluss der SED zu mindern
Innerhalb der CDU gibt es immer wieder Beispiele, wo man sich gegen die führende Rolle der SED richtet. So äußerte sich z. B. der stellvertretende Bürgermeister und Leiter der BHG in Sarnow, [Kreis] Pritzwalk, [Bezirk] Potsdam (CDU): »Wir in Sarnow hätten schon längst einen Bürgermeister, wenn es nach der Meinung der Einwohner von Sarnow ginge. Aber der Bürgermeister muss ja unbedingt von der SED sein. Es werden meistens Bürgermeister aus der Stadt geschickt, die keine Ahnung von der Landwirtschaft und der Struktur des Dorfes haben, aber das ist ja nicht ausschlaggebend, die Hauptsache ist, er gehört der SED an. Die CDU und die DBD sind in unserem Dorf viel stärker als die SED und demnach müssten wir auch das Recht haben, einen Bürgermeister aus unseren Kreisen aufzustellen«.
Ähnlich ist es im Kreise Weißenfels.
Verschiedentlich treten auch Tendenzen gegen die SED auf, mit dem Ziele, diese zu verdrängen.
In Obermehler, [Kreis] Mühlhausen, [Bezirk] Erfurt, sind Bestrebungen im Gange, bei der Gemeindevertreterwahl die SED auszuschalten. Alle bürgerlichen Parteien wollen sich zusammenschließen zu einem Block und ihre Kandidaten aufstellen. Die Partei, die dann die meisten Stimmen erhält, soll den Bürgermeister stellen. Der Initiator dieser Zersetzung des Ortsblockes soll die CDU sein. Wenn die Kandidaten wie bisher von der Nationalen Front aufgestellt werden, will man die Wahl sabotieren, indem man nicht zur Wahl geht.
In Menteroda1, [Kreis] Mühlhausen, äußerte das CDU-Mitglied [Name], dass bei der nächsten Wahl eine geschlossene Front gegen die SED gebildet werden muss.
Ein Bäckermeister, ein Gastwirt, ein Zahnarzt aus Uder2, [Kreis] Heiligenstadt, [Bezirk] Erfurt, verlangen die Loslösung der CDU von der SED. Sie verfolgen das Ziel, die CDU auf der Linie von Kaiser zu bringen. Die gleichen Forderungen traten auch in Merksuhl, [Kreis] Eisenach, von vier Mitgliedern auf, welche ebenfalls eine Trennung von der SED fordern.
Andererseits gibt es auch Fälle, wo man mit allen Mitteln versucht, neue Mitglieder zu werben, wie beispielsweise in einigen Orten des Kreises Seehausen, [Bezirk] Magdeburg.
Der Vorsitzende der CDU in der Gemeinde Groß-Harz diskutiert mit den Bauern in der Form, dass sie doch Mitglied der CDU werden sollen, da sie dann auch in die Gemeindevertretung gewählt werden könnten. Weiterhin äußerte er, dass sie sich in nächster Zeit einen anderen Bürgermeister wählen werden (der jetzige ist Mitglied der SED).
Im Kreis Rostock erfolgte die Werbung besonders unter den alteingesessenen Bauern von Gnewitz und Barkvieren. Als Argument benutzte die CDU, dass es durch ihre Anregung und Initiative gelungen sei, das Ablieferungssoll für Schafwolle herabzusetzen. Tatsächlich wurde das Ablieferungssoll gesenkt, jedoch nicht auf Betreiben der CDU, sondern aufgrund der Überprüfung der Bodenverhältnisse durch Vertreter des Rates des Kreises Rostock.
Im Kreis Rügen konnte festgestellt werden, dass auch die DBD in einigen Gemeinden bestrebt ist, die stärkste Partei zu werden, um dementsprechend auch die Bürgermeisterstellen zu besetzen.