Westliche Rundfunk- und Presseberichte zum XX. Parteitag der KPdSU (2)
5. März 1956
Feindpropaganda zum XX. Parteitag der KPdSU [2. Bericht] [Information Nr. M47/56]
Die Stellungnahmen der Westberliner Zeitungen und Rundfunkstationen zum XX. Parteitag der KPdSU haben zahlenmäßig nachgelassen.1 Vereinzelt benutzt man noch die bereits bekannten Argumente, wobei vor allem das Problem der Kollektivität der Leitung behandelt wird.2
Jetzt geht man vonseiten der Sender verstärkt dazu über, gegen den Genossen Walter Ulbricht zu hetzen. Es wurden jetzt auch Hetzschriften mit ähnlichem Inhalt bekannt (z. B. »Der Tag«3 Wochenausgabe, Nr. 8, 9. Jahrgang). Es wird gehetzt, dass besonders die SED durch die »Kritik an Genossen Stalin« betroffen wurde und dass dies vor allem ein schwerer Schlag gegen Genossen Walter Ulbricht sei. Z. B. hetzt »Der Tag«: »Keine kommunistische Partei auf der ganzen Welt ist so starr und dogmatisch auf Stalins Lehren aufgebaut, wie die SED … In keinem außerrussischen Land wurde solch ein Stalinkult betrieben, wie im Machtbereich der SED …«4
Die Hetze gegen den Genossen Walter Ulbricht konzentriert sich hauptsächlich auf die Behauptung, dass Genosse Walter Ulbricht das Prinzip der Kollektivität der Leitung verletzt habe. Im »Tag« heißt es u. a.: »Ulbricht aber hat die Kollektivität der Leitungen innerhalb der SED bewusst zerschlagen und seine Mitregenten beseitigt. Die SED ist ein extrem zentralistisch aufgebauter Apparat, dessen Struktur im krassen Gegensatz zu den neuen Lehren aus Moskau steht.«5 Ein Sprecher des Londoner Rundfunks sagte am 29.2.1956: »Wenn Moskau also wirklich zum Marxismus-Leninismus zurückkehrt, dann würde ich glauben, dass der Sturz Ulbrichts über kurz oder lang unvermeidlich ist.«
Bei der Hetze gegen den Genossen Walter Ulbricht nimmt man auch Bezug auf frühere Maßnahmen zur Reinhaltung der Partei. Dabei stellt man die Frage nach der Rehabilitierung von Paul Merker6 und Franz Dahlem.7 Z. B. hetzt die Westberliner »Nachtdepesche«, dass Genosse Walter Ulbricht eine große Schlappe erleiden würde, wenn seine »Erzfeinde« wiederkommen. Die »Nachtdepesche« meldet dabei u. a., dass die Zentrale Parteikontrollkommission die früheren Vorgänge untersuche.8