Westliche Rundfunk- und Presseberichte zur III. Parteikonferenz (3)
5. April 1956
Feindpropaganda zur III. Parteikonferenz (3. Bericht) [Information Nr. M79/56]
Die Feindpropaganda zur III. Parteikonferenz der SED hat umfangmäßig etwas zugenommen,1 wobei jetzt die Westberliner Rundfunkstationen mehr in Erscheinung treten als die Zeitungen. Bei der Hetze beschränkt man sich nach wie vor auf einige Probleme, die bei der Bevölkerung der DDR besonders ansprechen sollen.
- I.
Ausführungen des Genossen Otto Grotewohl2 und »Vorschlag zur breiteren Entfaltung der Demokratie«3
- II.
Hetze gegen die Partei und den Genossen Walter Ulbricht
Zu anderen Fragen – z. B. 2. Fünfjahrplan4 – wird nur vereinzelt Stellung genommen. Aus den einzelnen Kommentaren sind folgende neue Argumente beachtenswert:
Hetze zu den Ausführungen der Genossen Grotewohl und Wollweber5 und zum »Vorschlag zur breiteren Entfaltung der Demokratie«
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»Entbehrungen und Improvisation bleiben zwangsläufig mit diesem Regime verbunden.« (»Der Tag« 30.3.1956)6
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»Nach den gemachten Ausführungen scheint es mit der Einhaltung der demokratischen Gesetzlichkeit in der Vergangenheit doch wohl nicht ganz gestimmt zu haben.« (SFB 3.4.1956)
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»Otto Grotewohls Kritik an Hilde Benjamin7 und Dr. Melsheimer8 kann man kaum ernst nehmen. Die Kommission zur breiteren Entfaltung der Demokratie hat die Aufgabe, eine Reinigungsaktion nach den neuesten Rezepten durchzuführen.« (London9 29.3.1956)
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»Hilde Benjamin und Dr. Melsheimer sollen sofort zurücktreten.« (SFB 29.3.1956)
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»Am Maßstab der eigenen Strafprozessordnung der Zone wird sich zunächst rein äußerlich messen lassen, ob Staatsanwaltschaft und Gerichte die Kritik des Ministerpräsidenten Grotewohl beachten werden oder nicht.« (SFB 29.3.1956)
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»Warum zieht Grotewohl aus der Kritik nicht für sich selbst die Konsequenzen und nimmt für die unter seiner Regierung begangenen Terrormaßnahmen die Schuld auf sich und wählt den einzig möglichen Weg des Abtretens und der Selbstanzeige?« (RIAS 29.3.1956)
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»SSD-Chef10 bestreitet Rechtsbrüche, gibt aber Verhaftungen Unschuldiger in der Sowjetzone zu.« (»Der Tag« 1.4.1956)11
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»Die Amnestien der DDR sind zum Unterschied von den Amnestien der SU Scheinamnestien gewesen.«12 (Herbert Wehner13 über den SFB 29.3.1956)
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Zum »Vorschlag zur breiteren Entfaltung der Demokratie« wird gefordert: In allen Städten und Gemeinden der Sowjetzone sind freie und geheime Wahlen zu den Stadtparlamenten bei Zulassung aller Parteien abzuhalten. (SFB 3.4.1956)
Hetze gegen die Partei und den Genossen Walter Ulbricht
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»Die ideologischen Konsequenzen wurden nur vorsichtig gezogen, personalpolitische sind noch nicht sichtbar … Ulbricht kann allein aus Moskau gestürzt werden, wenn man in der SU eingesehen hat, dass sie die Stalinisten in der Sowjetzone noch zu ihren Lebzeiten von ihren Sockeln stoßen muss, wenn die mit der Abkehr von Stalin begonnene Politik der Koexistenz in Deutschland Vertrauen schaffen soll.« (»Der Tagesspiegel« 1.4.1956)14
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»Keines der drängenden Probleme, von den man annehmen kann, dass sie in der SED gären, wurde auch nur annähernd erschöpfend analysiert … Keiner der Männer vom Schlage Dahlems,15 Herrnstadts,16 Zaissers17und Ackermanns18 wird aufgrund der Überprüfung der Kommission wieder in die alten Machtpositionen aufrücken …« (»Die Welt« 3.4.1956)19
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»Das Wort Freiheit war auf keinem Transparent zu finden und kam in keiner Rede vor, und natürlich fehlte auch der Begriff freie Wahlen.« (»Der Tagesspiegel« 4.4.1956)20
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»Die gewählte Kommission wird die Fragen zu erörtern haben, die auf der Parteikonferenz nicht aufgegriffen werden durften, da alle Anzeichen einer Krise der Partei sorgfältig vermieden werden sollten.« (»Der Kurier« 31.3.1956)21
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»Die Parteikonferenz war nicht mehr als der Versuch des 1. Sekretärs der Partei, Stalin zu opfern und sich selbst zu retten.« (»Der Kurier« 4.4.1956)22
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»Herbert Wehner zur Frage der Aktionseinheit:23 Die Forderung nach einer sogenannten Aktionseinheit zwischen der SED und der SPD wird von uns ohne jede Einschränkung abgelehnt, weil diese Aktionseinheit lediglich dem Zweck dient, die SPD, ihre Mitgliedschaft und diejenigen, die mit ihr sympathisieren und ihr das Vertrauen schenken, als Blutspender für die kommunistischen Aktionen zu missbrauchen.« (SFB 29.3.1956)
Hetze zu wirtschaftlichen Fragen
»Die Behauptungen über die Verbesserung der Lebensverhältnisse für die gesamte Bevölkerung und besonders für die Arbeiter sind falsch. Wertzahlen sind aufgebläht. Aufblähung aber heißt mit einem Fremdwort: Inflation.« (RIAS 31.3.1956)
»Rentenerhöhungen gibt es nur in einzelnen Wirtschaftszweigen, die von besonderer Bedeutung oder durch die Abwanderung von Arbeitskräften nach Westdeutschland gefährdet sind.« (RIAS 31.3.1956)