Westpresse zum XX. Parteitag und zur III. Parteikonferenz
22. Mai 1956
Feindpropaganda zu den Problemen des XX. Parteitages der KPdSU und der III. Parteikonferenz der SED [Information Nr. M107/56]
Bei der Hetze gegen den XX. Parteitag1 und die III. Parteikonferenz2 spielt in den Artikeln, Kommentaren und Sendungen der westlichen Zeitungen und Rundfunkstationen die Kritik an der Verletzung der leninschen Parteinormen sowie die Nichteinhaltung der demokratischen Gesetzlichkeit eine besondere Rolle. Deutlich zeichnet sich dabei die Linie ab, unter der Bevölkerung und vor allem unter den Parteimitgliedern Misstrauen gegen die Parteiführung und die Justizorgane zu säen, was in der Endkonsequenz zur Ablösung der Genossen Ulbricht, Benjamin3 und Melsheimer4 führen soll. Dabei bedient man sich der Meldungen über Rehabilitierungen in den Volksdemokratien und Freilassungen Amnestierter in der DDR.5 Nachstehende Argumente sind bemerkenswert:
1.) Hetze gegen die Parteiführung, besonders gegen den Genossen Walter Ulbricht
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»In den volksdemokratischen Ländern mussten führende Genossen abtreten oder kämpfen um ihre Position.6 Aber was geschieht in der Sowjetzone. Ist Walter Ulbricht, der Mann aus Moskau, der Mann Stalins, von der allgemeinen Entwicklung völlig unberührt?« (RIAS 8.5.1956)
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»Während die Parteimitgliedschaft, ganz besonders in Polen, in Erscheinung tritt und eine radikale Revision der bisherigen Politik verlangt, haben in der Sowjetzone bis zum heutigen Tage keinerlei personelle Veränderungen in der Führung der Partei oder des Staates stattgefunden.« (SFB 9.5.1956)
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»Das gegenwärtige Politbüro bemüht sich, besonders den Lesern der Parteiorgane deutlich zu machen, dass der Sturz Stalins nicht, wie es offenbar ein großer Teil der SED-Mitgliedschaft erwartet, auch die Ablösung der ›bewährten Arbeiterführer‹ nach sich ziehen müsse.« (»Kurier« 17.5.1956)7
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»Die Defensivtaktik der Ostberliner Zentrale wird allerdings dadurch erleichtert, dass die mit Ulbricht unzufriedenen SED-Mitglieder bisher noch keine Namen möglicher Nachfolger genannt haben, um sich nicht dem Verdacht der ›Fraktionsbildung‹ auszusetzen.« (»Die Welt« 18.5.1956)8
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Bemerkenswert ist zu diesem Problem die Meinung des Leiters vom Ostbüro der SPD »Stephan Thomas«9. Er äußerte: »Es ist gut, dass man auf der III. Parteikonferenz Ulbricht und Grotewohl nicht zum Teufel gejagt hat, denn sonst hätten wir Schwierigkeiten gehabt, wenn die Einheit kommt. Mit neuen Leuten weiß man nie woran man ist, wie z. B. bei Verhandlungen usw. Aber so können wir wenigstens weiter Propaganda treiben.«
2.) Hetze gegen die Rehabilitierung und gegen die erfolgte Amnestie in der DDR
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»Zur gleichen Zeit, in der die SED mit einer Teilamnestie10 ein politisches Geschäft machen will, haben die polnischen Kommunisten eine weitgehende allgemeine Amnestie erlassen, die etwa 30 000 Häftlingen die Freiheit bringen soll.«11 (RIAS 28.4.1956).
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»Die allgemeine Amnestie für die Politischen bleibt also die Forderung und wir müssen in diesem Zusammenhang wieder das polnische Beispiel nennen, denn in Polen wird offensichtlich ein ernst zu nehmender Anfang in dieser Richtung gemacht.« (RIAS 4.5.1956).
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»Diese unerwartete Amnestie lässt darauf schließen, dass der Anstoß von Moskau bzw. aus London gekommen ist, wo Bulganin12 und Chruschtschow sich sehr starker Kritik ausgesetzt sahen, als das Thema der politischen Gefangenen dank englischer Initiative zur Sprache gekommen war.«13 (»Der Tagesspiegel« 28.4.1956)14
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»Die SED hat einige ihrer Genossen, die vor Jahren von der Stalinschen Generallinie abgewichen sind und deshalb verurteilt wurden, von Pieck begnadigen lassen. Das ist völlig unbedeutend in Anbetracht der 20 000 unschuldigen Opfer der Stalin-Justiz, die keine SED-Mitglieder waren und noch heute in den Zonenzuchthäusern sitzen.« (»Tagesspiegel« 27.4.1956)15
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»Es geht nicht darum, einzelne Personengruppen freizulassen, weil sich die Kommunisten von einer begrenzten Aktion eine bestimmte Propagandawirkung versprechen, sondern es geht um Wiederherstellung des Rechtes an sich, um die Wiedergutmachung des Unrechts, das an allen aus politischen Gründen Festgenommenen begangen wurde.« (RIAS 27.4.1956)
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Arno Scholz:16 »Bei Gesprächen in der sowjetischen Botschaft und auch mit Politikern aus der Tschechoslowakei und aus Polen habe ich persönlich den Eindruck gewonnen, dass man sich auch in diesen Kreisen sehr wundert, wie saumselig die Sowjetzonenregierung die Opfer des Stalinismus freigibt.« (»Telegraf« 20.5.1956)
3.) Hetze gegen die Genossen Benjamin und Melsheimer
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»Das ist das Werk der roten Hilde«, raunten sich vielsagend die SED-Funktionäre zu, als ihr Justizminister M. Fechner gestürzt wurde und H. Benjamin an seine Stelle trat. Und so fragt man sich jetzt nach der Freilassung Fechners,17 ob weitere und wirkliche Konsequenzen gezogen werden gegen die Benjamin. (»Der Tag« 27.4.1956)18
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»Die Menschen in der Zone wollen nicht wissen, warum Ulbricht, Melsheimer und Benjamin noch in ihren Sesseln sitzen, sondern sie wollen wissen, wann sie verschwinden, wann endlich auch die SED über die eine oder andere Haftentlassung hinaus die personellen Konsequenzen zieht, die in Sofia, Prag und Warschau schon gezogen wurden.« (RIAS 26.4.1956)
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»Melsheimers Verbleiben im Amt, der Verzicht auf einen Personenwechsel im Justizministerium muss eher als eine Garantie für die Aufrechterhaltung der Rechtlosigkeit verstanden werden.« (RIAS 14.5.1956)