Zweiwochenbericht
7. Mai 1956
Informationsdienst Nr. 9 zur Beurteilung der Situation in der DDR
Zur Lage in Industrie und Verkehr
Politische Diskussionen
Der Besuch der sowjetischen Staatsmänner Chruschtschow und Bulganin1 wurde von den Werktätigen der Industrie- und Verkehrsbetriebe mit lebhafter Anteilnahme verfolgt.2 Die meist[en] geführten Diskussionen sind positiv und enthalten am häufigsten nachstehende Argumente:
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Die Englandreise wird zur weiteren Festigung des Friedens beitragen (mehrere Arbeiter der Maxhütte Unterwellenborn).
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Die SU unternimmt alle Anstrengungen, eine Entspannung der internationalen Lage herbeizuführen (zwei Arbeiter aus Großröhrsdorf, [Bezirk] Dresden).
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Der Besuch ist ein Beweis, dass die SU die Politik der Koexistenz verwirklicht (ein Ingenieur aus dem Fliesenwerk Boizenburg, [Bezirk] Schwerin).
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Bei der Beurteilung des Besuches muss man das Abhängigkeitsverhältnis Englands gegenüber den USA sehen. England wird sich aber die Gelegenheit, mit den Oststaaten Handel aufzunehmen, nicht entgehen lassen (mehrere Kollegen aus dem VEB PWS Schmölln, [Bezirk] Leipzig).
Bei den Diskussionen über die Englandreise der sowjetischen Staatsmänner wird vielfach auch die Meinung vertreten, dass es unverständlich sei, dass der Königin von England ein Besuch abgestattet wurde und außerdem ihr kostbare Geschenke gemacht wurden.
Hierzu einige Äußerungen:
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»Ich kann nicht verstehen, dass die sowjetischen Staatsmänner an einer Audienz der Königin Elisabeth3 teilnahmen, obwohl sie Gegner der Monarchie sind.« (ein Kollege aus dem VEB Stern-Radio Sonneberg, [Bezirk] Suhl)
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»Uns ist unverständlich, dass der englischen Königin ausgerechnet zwei Reitpferde geschenkt wurden. Man hätte doch Geschenke auswählen können, die dann der Öffentlichkeit zugutegekommen wären.« (einige Arbeiter aus dem VEB Ostthüringische Möbelfabrik Zeulenroda, [Bezirk] Gera)
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»Es ist empörend, dass Vertreter einer Arbeitermacht einer Königin zwei Pferde schenken, die das Volk bezahlen muss. So etwas dürfte eine Arbeiterregierung nicht tun.« (zwei Gütekontrolleure aus dem LEW Hennigsdorf,4 [Bezirk] Potsdam)
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»Warum hat man der englischen Königin so kostbare Geschenke überreicht, wo man gegen die Monarchie ist?« (mehrere Arbeiter aus dem Stahlwerk Silbitz, [Bezirk] Gera)
Bei den negativen bzw. feindlichen Stimmen, die nur in geringer Zahl bekannt wurden, handelt es sich meistens um Argumente, die von den Westsendern verbreitet wurden. Zum anderen beweisen sie eine negative Einstellung zur SU.
Hierzu einige Beispiele:
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Bulganin und Chruschtschow können ihre Freundschaft zu uns am besten beweisen, wenn sie die Ostgebiete zurückgeben. Bei jedem Dreck werden sonst die Volksmassen gefragt, aber eine Volksabstimmung über die Oder-Neiße-Grenze erfolgt nicht. (bei einer Diskussion über die Englandreise auf einem Heizerlehrgang in Finkenheerd, [Bezirk] Frankfurt/O.)
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Die Reise der sowjetischen Staatsmänner nach England ist als eine Schwäche der SU zu werten. (Diskussionen im VEB Tonzungenwerk,5 [Bezirk] Gera)
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Die Bevölkerung Englands hat gar keinen Anteil an dem Besuch genommen. Als die beiden in London ankamen, wurden sie gleich von einer großen Abteilung Kriminalpolizei empfangen. Bevölkerung war keine zu sehen. (ein Schlosser aus den RWN Neubrandenburg)
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Anlässlich dieses Besuches fand in London eine Trauerfeier statt bzw. wurde ein Schweigemarsch durchgeführt. An diesem Marsch beteiligten sich ca. 16 000 Emigranten. Obwohl von der Polizei Absperrungen vorgenommen wurden, wurde nichts gegen diese Provokationen unternommen. (unter der technischen Intelligenz der Mathias-Thesen-Werft in Wismar)
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Die beiden Staatsmänner sind, trotzdem sie sich den Anschein der Menschenfreundlichkeit geben, große Lumpen. Sie haben nur die Ausbeutung und Unterdrückung der Arbeiter im Auge. Es ist aber sicher, dass über kurz oder lang die Arbeiter in der DDR wieder frei werden. (ein Klempner aus den VEB Kraftwerk »Dimitroff« Leipzig)
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Die Parteien in England haben Gegenmaßnahmen getroffen. Da ist was los, das Volk macht Stunk. Man muss die Westsender darüber hören. (ein Arbeiter aus dem EFR Ruhla, [Bezirk] Erfurt)
Die geführten Diskussionen über die Entdeckung des amerikanischen Abhörtunnels in Altglienicke sind bis jetzt noch nicht sehr zahlreich, aber in der Mehrzahl positiv.6 Die Werktätigen bringen ihre Empörung über die Machenschaften der USA-Imperialisten zum Ausdruck, indem sie sagen:
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»Dies ist eine der gemeinsten Taten der USA-Imperialisten. Man kann dabei klar erkennen, dass dem Ami jedes Mittel zur Verstärkung des kalten Krieges in Europa recht ist.« (ein Angestellter aus Borgsdorf, [Bezirk] Potsdam)
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»Der Amerikaner hat erneut bewiesen, dass er keine Mittel scheut, unseren friedlichen Aufbau zu stören. Nur schade, dass man die Brüder nicht erwischt hat.« (in den Industriebetrieben wie VEB Kranbau,7 Britzer Eisenwerk,8 Walzwerk,9 Chemische Fabrik,10 EKM Finow im Kreis Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O.)
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»Mit solchen Unverschämtheiten können sie die Menschen nicht auf ihre Seite ziehen.« (ein Teil der Arbeiter des VEB Porzellanwerkes Neuhaus-Schierschnitz, [Bezirk] Suhl)
Von negativen Elementen wird diese Angelegenheit entweder als Propaganda hingestellt oder überhaupt an der Tatsache gezweifelt. Hierzu einige Argumente:
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»Die Angelegenheit mit dem Spionagetunnel ist sehr aufgebauscht und unlogisch. Man will dies nur als Propaganda für den 1. Mai benutzen.« (ein Privatunternehmer aus Zella-Mehlis, [Kreis] Suhl[-Land])
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»Ich glaube an die Sache, wie sie in der Zeitung steht, nicht. Es ist unglaublich, dass man einen solchen langen Stollen, ohne dass es gemerkt wurde, bauen konnte. Es ist bestimmt ein alter Stollen gewesen, den die Russen so eingerichtet haben, um diese Sache für sich politisch auszuschlachten.« (Ein Geschäftsmann aus Sonneberg, [Bezirk] Suhl)
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»Da versuchen sie, uns mal wieder für dumm zu verkaufen. Das ist alles Schwindel, was da gesagt wird, so etwas gibt es ja gar nicht. Das Ganze soll nur ein Vorwand sein, um jetzt alle Privat-Telefonleitungen im Osten zu sperren und nur noch die Amtsleitungen bestehen zu lassen.« (ein Arbeiter vom Stellwerk des Ostbahnhofes)
Ökonomische Fragen
Weiterhin spielen die Materialschwierigkeiten in den Betrieben der verschiedensten Industriezweige eine nicht zu unterschätzende Rolle. Die Hauptursachen dabei sind immer wieder die Nichteinhaltung der Termine durch die Zulieferbetriebe sowie verzögerte Importlieferungen. Nachstehend einige Beispiele, wo sich die Materialschwierigkeiten auf die Erfüllung der Exportprogramme auswirken.
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Z. B. fehlen dem VEB Emaillewerk Geithain, [Bezirk] Leipzig, Bleche für einen Exportauftrag von 50 000 Stück Kasserolle, der Mitte Juni ausgeliefert werden muss.
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Dem VTA Leipzig fehlt für die Produktion von Schwimm- und Pratzenkränen11 (Export) Walzmaterial. Das gleiche Material fehlt auch dem VEB Kirow-Werk Leipzig.12
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Für die termingemäße Fertigstellung der Exportverträge 10 000-Tonnen-Frachter fehlen im VEB ABUS Dessau, [Bezirk] Halle, Schmiedeteile und Halbfertigfabrikate.
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Im VEB Feuerungs- und Behälterbau Köthen, [Bezirk] Halle, kann ein im Monat Mai fälliger Exportauftrag für China nicht realisiert werden, weil es an 20-mm-Blechen, Kesselböden sowie an sämtlichen Armaturen für die Kesseleinrichtungen fehlt.
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Durch die DIA wurde dem VEB »Vorwärts« Webau,13 [Bezirk] Halle, mitgeteilt, dass die versprochene Menge an Erdöl aus der Volksrepublik Ungarn für das I. Quartal nicht geliefert werden kann. Dadurch muss der Export von Bitumen, besonders nach Westdeutschland, eingestellt werden. Außerdem sind von den Lieferungen an Bitumen aus dem VEB »Vorwärts« zehn Bauvorhaben im Kreis Schwerin abhängig.
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Im VEB Spreemag Spremberg,14 [Bezirk] Cottbus, gibt es aufgrund von Materialmangel Schwierigkeiten bei der Ausführung eines Exportauftrages für die Türkei. Da durch die Materialschwierigkeiten immer wieder Wartestunden entstehen oder Facharbeiter mit Nebenarbeiten beschäftigt werden müssen, wird die Stimmung der Werktätigen beeinträchtigt.
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Für die Einstellung vieler ist folgende Meinung charakteristisch: Die Kumpels erklären, dass sie es nicht verstehen können, dass es noch solche Schwierigkeiten in der Materialbeschaffung gibt. »Wenn es so bleibt, werden wir den 7-Stundentag15 nie erreichen, denn jetzt ist es gar nicht möglich, den Plan mit dem 8-Stundentag zu erfüllen.« (ein Arbeiter aus dem VEB VTA Leipzig)16
Ein anderer Grund, der zur Verärgerung unter den Werktätigen der Betriebe führt, ist die ungenügende Beachtung bzw. Bearbeitung von Verbesserungsvorschlägen, was nachstehende Beispiele zeigen:
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Im AWE Eisenach, [Bezirk] Erfurt, brachte ein Arbeiter bereits am 20.10.1955 einen Vorschlag zur Änderung des Riegelbolzens für das Türenschloss 311 ein. Einsparung: je 1,28 DM und 150 g Material. Dieser Verbesserungsvorschlag wurde zwar sofort angenommen, aber mit der Einschränkung, erst Ende Februar 1956 damit zu beginnen.
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In der Abteilung Mechanische Werkstatt im LEW Hennigsdorf, [Bezirk] Potsdam, ist seit einiger Zeit eine unzufriedene Stimmung unter den Kollegen. Der Grund dafür ist, dass gemachte Verbesserungsvorschläge nur sehr langsam bzw. schlecht bearbeitet werden. Ähnlich verhält es sich auch in der Abteilung Modelltischlerei des VEB WEMA Aschersleben, [Bezirk] Halle. Dort wird unter den Kollegen diskutiert, dass sie keine Verbesserungsvorschläge mehr machen werden. Sie sagen wörtlich: »Man soll uns noch einmal fragen, Vorschläge einzureichen. Von uns hören sie nichts mehr. Es ist doch erwiesen, dass unsere Vorschläge in den Papierkorb gewandert sind.«
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Im VEB Hydrierwerk Zeitz, [Bezirk] Halle, gibt es Schwierigkeiten bei der Realisierung von Verbesserungsvorschlägen, wenn dazu größere Ausgaben erforderlich sind. Dann müssen Kredite von der HV Kohlewertstoffe beantragt werden. Dort geht die Bearbeitung so schleppend voran, dass ständig drei bis vier Monate vergehen, bis die Genehmigung von der HV, Abteilung F. und E. erteilt wird.
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Im VEB ABUS Dessau, [Bezirk] Halle, besteht Unzufriedenheit über die Arbeitsweise der Abteilung für Vorschlags- und Erfindungswesen. Die Ausarbeitung von Patentschriften und Patentzeichnungen dauert bis zu sechs Monate. So wurden beispielsweise von 1954 bis heute 450 Verbesserungsvorschläge eingereicht, die aber nicht von der oben genannten Abteilung bearbeitet wurden. Über die gleichen Ursachen wird auch im VEB Werkzeugfabrik Königsee, [Bezirk] Gera, geklagt.
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Der Leiter der Abteilung Aufbau beim Rat des Kreises Bautzen, [Bezirk] Dresden, beschäftigt sich bereits über ein Jahr mit der Herstellung von Leichtbauplatten aus Xylit17 und Liyuiete.18 (Abfälle in der Braunkohlenindustrie.) Vom Rat des Kreises wurde zwar angeordnet, dass im Braunkohlenwerk Puschwitz diese Abfälle gesondert werden, aber sonst wurde nichts weiter unternommen. Daraufhin wandte sich der Genannte an den Rat des Bezirkes, bekam aber bis heute von dort noch keinen Bescheid. Durch diesen Vorschlag könnten jährlich ca. 2 Millionen Festmeter Holz eingespart werden.
Produktionsstörungen in der Zeit vom 21.4. bis 5.5.1956
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Durch Schäden an Maschinen und an Gleisanlagen hauptsächlich aufgrund von Witterungseinflüssen entstanden in den Braunkohlengebieten der Bezirke Leipzig und Halle folgende Ausfälle: 231 250 cbm Abraum, 22 992 t Rohkohle, 1 830 t Brikett.
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Der Tagebau Blumroda,19 [Kreis] Borna, [Bezirk] Leipzig, ist 1953 bei der Hochwasserkatastrophe ersoffen.20 Zur Sicherung der umliegenden Ortschaften und der Stadt wurde von der Bau-Union Brandenburg ein Damm aufgeschüttet. Dieser ist jetzt in einer Länge von 80 m abgerutscht. Bisher wurden fünf Tote geborgen.
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Am 27.4.1956 kam es im Kaliwerk »Ernst Thälmann« Merkers, [Bezirk] Suhl, zu einem Zugzusammenstoß. Sachschaden 50 000 bis 60 000 DM.
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Am 20.4.1956 wurde im VEB Kraftwerk Harbke, [Bezirk] Magdeburg, festgestellt, dass der Turbinengenerator im VEB »Clara Zetkin« nicht ordnungsgemäß überholt wurde, sodass Spannungsstörungen entstanden. Schaden: ca. 100 000 DM.
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Am 25.4.1956, 14.30 Uhr, fiel durch eine Fehlschaltung im E-Werk Saalfeld,21 [Bezirk] Gera, (vermutlich fahrlässige Handlung) die gesamte Energieversorgung im Kunstfaserwerk »Wilhelm Pieck« in Rudolstadt aus. Die letzten Abteilungen erhielten erst am 26.4.1956 morgens wieder Strom. Der Produktionsausfall: ca. 63 000 DM.
Brände entstanden
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Am 21.4.1956 ein Dachstuhlbrand in dem Verwaltungsgebäude des VEB Ingenieur-Tiefbau Brandenburg auf dem Flugplatz in Garz,22 [Bezirk] Rostock. Schaden: 40 000 DM.
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Am 24.4.1956 ein Dachstuhlbrand im VEB Diamant-Brauerei Magdeburg. Schaden: ca. 1 200 DM.
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Am 23.4.1956 brach in der Haargarnspinnerei Häfele23 (Treuhandbetrieb) in Gera ein Brand aus. Schaden: ca. 40 000 DM.
Versorgungslage
In der letzten Zeit haben sich in der Versorgung der Bevölkerung mit den wichtigsten Lebensmitteln keine größeren Schwierigkeiten ergeben. Die Belieferung auf Markenbasis ist im Allgemeinen sichergestellt.24
Der im letzten Bericht erwähnte Mangel an HO-Fleisch und -Fleischwaren besteht noch in einigen Bezirken. Das sind vor allem die Bezirke Magdeburg, Halle, Leipzig, Cottbus und Gera. Die Ursachen hierfür liegen in der ungenügenden Erfüllung der Aufkaufpläne.
Größere Schwierigkeiten gibt es augenblicklich in der Belieferung der Bevölkerung mit HO-Butter. Diese treten vor allem in den Bezirken Gera, Rostock, Karl-Marx-Stadt, Leipzig und Potsdam auf. In den Bezirken Leipzig und Karl-Marx-Stadt kam es deswegen vor einzelnen Geschäften zu Schlangenbildungen.
Stimmung zur Versorgungslage
Da die Versorgungslage allgemein zufriedenstellend ist, gibt es auch unter der Bevölkerung keine größeren Diskussionen darüber. So werden auch nur vereinzelte Diskussionen laut, die örtliche Schwierigkeiten beinhalten, wie z. B. mangelhafte Warenstreuung, ungenügende Belieferung bestimmter Orte usw.
So werden z. B. im VEB Mittweida,25 Kreis Hainichen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, negative Diskussionen über die schlechte Verteilung von Mangelwaren geführt. In diesem Betrieb ist keine Verkaufsstelle und in den Geschäften werden diese Waren oft schon früh verkauft, sodass die berufstätigen Frauen abends nichts mehr bekommen.
In der Gemeinde Lehnin, [Bezirk] Potsdam, ist unter der Bevölkerung durch die Maßnahme des Rates des Kreises, dass der Konsum das Fleisch nur noch auf Markenbasis verkaufen soll, eine starke Empörung hervorgerufen worden. Es wird erklärt, dass die Nationale Volksarmee alle Fleischwaren bekäme.
Überplanbestände
Immer wieder wird berichtet, dass im Handel erhebliche Überplanbestände vorhanden sind, die zum Teil noch ständig erhöht werden, weil die Handelsbetriebe gezwungen sind, die in Höhe der Warenbereitstellungspläne vertraglich gebundenen Waren vom Lieferbetrieb abzunehmen. So sind z. B. im genossenschaftlichen Handel des Kreises Haldensleben, [Bezirk] Magdeburg, folgende Überplanbestände vorhanden:
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Nahrungsmittel: für 238 000 DM;
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Genussmittel: für 224 000 DM;
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Schuhe: für 217 000 DM;
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Textilien: für 305 000 DM;
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sonstige Industriewaren: für 426 000 DM.
Außerdem lagern in diesem Kreis 15 t braune Bohnen, da einer Umsetzung in andere Bezirke vom Rat des Bezirkes nicht stattgegeben wird. Weiterhin sind Überplanbestände im Großhandelskontor Lebensmittel Zeitz, [Bezirk] Halle, vorhanden.
Ebenso gibt es noch Überplanbestände: Im Konsumkreisverband Wittenberg, [Bezirk] Halle – für 2½ Mio. Zigaretten, im Konsum Wittenberg, [Bezirk] Halle – für 40 000 DM Fotoapparate, in der Konsumgenossenschaft Riesa, [Bezirk] Dresden – für 180 Mio. DM.26 Es handelt sich hierbei vor allem um Schuhe, Textilien, Dauerbackwaren und Importzigaretten. Im Kreiskonsum Parchim, [Bezirk] Schwerin = 5 100 Dosen Ananas. In der HO Wismut gibt es Überplanbestände an Industriewaren in Höhe von 22 400 Mio. DM.27
In folgenden Waren bestehen besonders Absatzschwierigkeiten (in Mio. DM):28
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ca. 50 000 Konservengläser = 30;
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ca. 900 000 Rasierklingen = 90;
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ca. 15 000 Fahrraddecken = 135;
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ca. 14 000 Fahrradschläuche = 35;
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ca. 10 000 Nullsteinige Uhren29 = 200;
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ca. 500 Schreibmaschinen = 190;
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ca. 2 500 Spiegelreflex-Kameras = 1 400;
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ca. 3 300 Kleinbildkameras = 1 100;
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ca. 5 000 Rundfunkgeräte alte Produktion = 2 500;
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ca. 20 000 Rundfunkröhren = 320;
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saisonbedingte Sommerwaren = 2 700.
Im genossenschaftlichen Groß- und Einzelhandel Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, gibt es Überplanbestände in Höhe von 6 Mio. DM. Es handelt sich hier vor allem um Textilien und Schuhwaren. Im Großhandelskontor Textil Zwickau lagern für ca. 8 Mio. DM Herrenanzüge, Gardinen, Perlon-Strümpfe und Damennachthemden. Im Großhandelskontor Textil in Pößneck, [Bezirk] Gera, lagern 45 000 Paar Perlonstrümpfe 1. Wahl, die vom Handel nicht abgenommen werden, da die Bevölkerung fast ausschließlich 2. und 3 Wahl kauft.
Die Lage in der Landwirtschaft
In der Landwirtschaft stehen weiterhin die Probleme
- 1.)
Die Saatgutlage
- 2.)
Die Futtermittelversorgung und Viehhaltung
in dem Vordergrund.
1.) Saatgutlage
Die Hauptschwierigkeiten in der Frühjahrsbestellung liegen weiterhin im Fehlen der Saatkartoffeln. Trotz der durchgeführten Sammelaktion und der gegenseitigen Hilfe konnten die vorhandenen Fehlmengen nicht aufgebracht werden. In den Kreisen und Bezirken besteht noch keine Klarheit darüber, wie die Fehlmengen aufgetrieben werden sollen.
So fehlen z. B.
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im Bezirk Frankfurt/O.: 13 000 t;
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im Bezirk Leipzig: 1 000 t;
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im Kreis Tangerhütte, [Bezirk] Magdeburg: 1 000 t;
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im Kreis Neuruppin, [Bezirk] Potsdam: 1 800 t;
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im Kreis Rathenow, [Bezirk] Potsdam: 1 400 t;
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im Kreis Auerbach, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt: 200 t;
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im Kreis Sebnitz, [Bezirk] Dresden: 450 t
Saatkartoffeln.
Ähnliche Beispiele können aus den Bezirken Gera, Schwerin, Neubrandenburg, Suhl und Cottbus angeführt werden.
Aufgrund der vorrückenden Jahreszeit macht sich unter den Bauern immer mehr eine Missstimmung bemerkbar, da ihnen noch nicht bekannt gegeben worden ist, ob sie noch Saatkartoffeln erhalten, da verschiedentlich noch in den BHG größere Mengen Saatkartoffeln lagern, welche zzt. aber nur noch gegen Konsumkartoffeln ausgegeben werden.
So wurden z. B. in der BHG Herzberg, [Bezirk] Cottbus, Pflanzkartoffeln von besonders gutem Wert angeliefert, die aber nur gegen Austausch mit Konsumkartoffeln ausgegeben wurden. Bisher ist es dieser BHG nur gelungen, wenige Tonnen Kartoffeln umzusetzen, da ihnen vonseiten der Bauern die Gegenlieferungen fehlen. Das Bekanntwerden dieser Maßnahmen löste allgemeine Missstimmung unter den Bauern aus, denn ihnen ist unerklärlich, warum sie diese Kartoffeln nicht erhalten sollen, denn das Endresultat dieses Umtausches wäre doch, dass diese guten Saatkartoffeln zum Schluss als Konsumkartoffeln verkauft werden.
Die Frage des Maisanbaues nimmt zurzeit unter den Bauern ebenfalls einen breiten Raum der Diskussionen ein. Verschiedentlich mussten mit den Bauern eingehende Diskussionen geführt werden, um sie für den Maisanbau zu gewinnen. Als ein großer Teil sich nun bereit erklärte und Flächen für den Anbau bereithielt, trat in Erscheinung, dass kein Saatgut vorhanden ist. So äußerte sich ein Kleinbauer aus Burxdorf,30 [Bezirk] Cottbus: »Erst sollten wir Mais anbauen, obwohl wir nicht wollten und als man uns soweit hatte, dass wir welchen anbauen wollten und uns darauf vorbereitet hatten, gab man uns keinen. Nun liegt das Feld da und es ist zu spät, noch etwas anderes zu säen.«
Der Melkermeister aus der LPG Zschernitzsch, [Ortsteil von] Altenburg, erklärte: »Ich komme da nicht mehr mit, das ist eine große Schweinerei. Erst schreibt man sämtliche Zeitungen voll, dass genügend Mais angebaut werden soll. Jetzt bläst man es einfach ab. Ich möchte bloß wissen, was unsere Wissenschaftler getan haben.«
2.) Die Futtermittelversorgung und Viehhaltung
Der derzeitige Futtermangel wirkt sich besonders stark in den LPG und VEG aus, da die Futtergrundlagen bedeutend ungünstiger waren als bei den Einzelbauern. Dieser Mangel macht sich besonders auf die Viehhaltung negativ bemerkbar, da die z. T. geringe Fütterung die Ferkelsterblichkeit und das Befallen mit Seuchen erleichtert.
Einige Beispiele sollen zeigen, wie sich der Futtermangel auf die Viehhaltung auswirkt: So kamen in der LPG Bölsdorf, [Kreis] Tangerhütte, [Bezirk] Magdeburg, in den letzten 14 Tagen ca. 100 Tiere mit Ferkelgrippe und zum Teil Pestverdacht zur Notschlachtung. Die Tiere sind durch schlechte Futtergrundlage schwach und nach einer durchgeführten Schutzimpfung erkrankt. In der LPG Willerode, [Kreis] Hettstedt, [Bezirk] Halle, mussten elf Jungrinder wegen Unterernährung zur Notschlachtung gegeben werden. Wenn nicht bald Futter angeliefert wird, müssen noch weitere 20 Jungrinder notgeschlachtet werden. In der LPG Burkersroda, [Kreis] Naumburg, [Bezirk] Halle, ist die Futtergrundlage nicht gesichert. Es sind noch 230 Ztr. Weizen vorhanden, die nach Angaben des Vorsitzenden ebenfalls verfüttert werden sollen. In den letzten Wochen sind 14 Jungrinder zur Notschlachtung geliefert worden. Der reale Viehbestand der LPG beträgt ca. 50 % des Viehhalteplanes und wird bei der schlechten Futtergrundlage weiter absinken. Weitere Futtermittelschwierigkeiten werden noch aus den Bezirken Dresden, Potsdam, Neubrandenburg, Suhl, Erfurt und Leipzig bekannt.
Unzufriedenheiten werden aus den Kreisen Belzig und Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, gemeldet, da die Zuckerfabrik Ketzin, [Kreis] Nauen, [Bezirk] Potsdam, keine Trockenschnitzel für die bereits abgelieferten Zuckerrüben ausgibt. Der LPG Reinsdorf, [Kreis] Jüterbog, wurde von der Zuckerfabrik die Auskunft erteilt, dass die Ausgabe der Schnitzel durch das Staatssekretariat zzt. gesperrt sei. Da aber die Schnitzel eingeplant sind, ist die Futtergrundlage in der LPG gefährdet. Den Einzelbauern wurde aber gesagt, dass sie die Trockenschnitzel im IV. Quartal dieses Jahres erhalten. Die Bauern sind aber damit nicht einverstanden und erklären, dass sie dann wieder genügend Futter für das Vieh haben, jetzt aber die Schnitzel dringend benötigen.
Brände in der Zeit vom 21.4. bis 4.5.1956
In der Berichtszeit wurden insgesamt sieben Brände bekannt, davon drei [Mal] vermutliche Brandstiftung, zwei durch Fahrlässigkeit, zwei durch Kinderhand. Die drei Fälle vermutlicher Brandstiftung sind noch nicht überprüft und werden nach Klärung im nächsten Bericht nachgereicht.
Bezirk Potsdam
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ein Stall- und Scheunenbrand, LPG, vermutlich Brandstiftung;
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ein Stallbrand bei einem LPG-Mitglied, durch Kinderhand;
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ein Scheunenbrand bei einem LPG-Mitglied, durch Kinderhand;
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ein Stallbrand, Versuchsgut, Fahrlässigkeit.
Bezirk Magdeburg
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ein Scheunen- und Stallbrand, LPG, vermutliche Brandstiftung;
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ein Strohmietenbrand, LPG, vermutliche Brandstiftung.
Bezirk Gera
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ein Scheunenbrand, LPG, Fahrlässigkeit.
Ergänzung zu dem Bericht vom 21.4.1956:31
Die in der Berichtszeit vom 7.4. bis 20.4.1956 aufgeführten vermutlichen Brandstiftungen konnten als vorsätzliche Brandstiftung aufgeklärt werden. Bei dem Täter handelt es sich um einen Arbeiter dieses VEG, der durch Anstecken eines Strohballens und Reisig den Viehstall in Brand setzen wollte. Durch rechtzeitiges Bemerken durch den Wächter konnte der Brand im Entstehen gelöscht werden. Bei Gelingen des Vorhabens wäre ein Schaden von ca. 350 000 DM entstanden. Täter befindet sich in Haft.
Ereignisse von besonderer Bedeutung
Industrie und Reichsbahn
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Am 24.4.1956 musste der Drehofen 1 im Phosphatwerk Rüdersdorf, [Bezirk] Frankfurt/O., angehalten werden, da eine der beiden vor ca. drei Wochen neu eingebauten Laufwellen nicht mehr glatt war, sondern viele wulstartige Erhöhungen aufwies. Diese Erhöhungen hatten den Laufring des Drehofens mitbeschäftigt. Die genaue Ursache konnte bisher nicht geklärt werden. Es besteht die Möglichkeit, dass die Laufwellen zu harte Stellen aufzuweisen hatten oder das zwischen Laufring und Laufwelle Metallspäne geworfen wurden, die zur Beschädigung führten.
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Im VTA Leipzig macht sich in der letzten Zeit bemerkbar, dass des Öfteren Karussell-Drehbänke ausfallen, indem die Ölzufuhr unterbrochen wird. Diese Erscheinung tritt besonders dann auf, wenn in der Produktion Schwerpunkte vorhanden sind oder sich zeigen. Die Reparaturen dauern meist 10 bis 14 Tage.
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Im VEB Silikatwerk Bad Lausick, [Kreis] Geithain,32 [Bezirk] Leipzig, wurden ebenfalls in der letzten Zeit dreimal Störungen in dem neuerbauten Blechwalzwerk festgestellt. Die Ursachen dafür waren, dass einmal zwei Meißel, einmal Fundamentschrauben und beim dritten Mal eine Brechstange darin gefunden wurden.
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Am 24.4.1956 fiel im VEB Waggonbau Görlitz, [Bezirk] Dresden, in der Schmiede des Werkes II die Spindelpresse aus, da von unbekannten Tätern ein Stück Eisen in die Presse geworfen wurde, wodurch das Gesenk der Presse beschädigt wurde.
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Im VEB Waggonbau Görlitz, [Bezirk] Dresden, ist die Entwicklung eines elfteiligen Doppelstockgliederzuges vorgesehen, der in der Mitte einen Speisewagen erhalten soll. Unter den Konstrukteuren entstehen bei der Projektierung des Zuges erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Es ist bekannt, dass derartige Gliederzüge im kapitalistischen Ausland gebaut und wieder aus dem Verkehr gezogen wurden, da sie sich in der Praxis nicht bewährten. Der Chefkonstrukteur Müssig33 und einige andere Experten äußerten Bedenken dahingehend, dass man erst einmal dreiteilige Gliederzüge bauen sollte und diese erproben, da man nicht wissen kann, welche Schwierigkeiten auftreten können und dem Staat nur hohe finanzielle Verluste entstehen könnten. Angeblich hat die Staatliche Plankommission staatliche Gelder für Fertigstellung und Entwicklung von drei Gliederzügen genehmigt. Minister Kramer34 hat den Auftrag zum Bau eines elfteiligen Doppelstockgliederzuges erteilt, ohne dass Konstruktionsunterlagen vorlagen. Bei der Besprechung des Projektes im VEB Waggonbau Görlitz brachte er zum Ausdruck: »Wir müssen unbedingt etwas Neues bringen. Es ist vorgesehen, diesen elfteiligen Gliederzug auf der Leipziger Herbstmesse auszustellen.«35
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Am 1.5.1956 ist vermutlich durch Kurzschluss auf der Strecke Lauter – Aue – Karl-Marx-Stadt ein 30-kV-Mast der SDAG Wismut in Brand geraten.
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Am 1.5.1956 wurde im VEB Wolltuchweberei Crimmitschau36 Werk Ia und o die Stromzufuhr unterbrochen. Die Überprüfung ergab, dass durch Niederspannung einer Phase die Alu-Schiene durchgeschmort ist.
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Am 24.4.1956 wurde auf einer Sohle in einem Schacht der Wismut in Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, durch einen unbekannten Täter mittels Petroleum getränkten Papier ein Brand gelegt, der entdeckt und sofort gelöscht werden konnte, sodass kein Schaden entstand.
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Am 26.4.1956 stieß auf dem Bahnhof Wittenberge der in der Ausfahrt befindliche D-Zug 82 mit einer im Ausfahrtgleis stehenden Rangierlok zusammen. Einige Reisende erlitten dadurch Prellungen, konnten jedoch ihre Reise fortsetzen. Schuldig an diesem Unfall ist der Fahrdienstleiter, welcher nicht ordnungsgemäß den Fahrweg des Zuges vor der Ausfahrt überprüfte. Bei der schuldigen Person handelt es sich um einen jungen Eisenbahner, welcher am 10.3.1956 einen Unfall verhinderte und verletzt war.
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Am 26.4.1956 sind auf dem Bahnhof Zeitz, [Bezirk] Halle, am Ablaufberg drei Kesselwagen entgleist. Dabei wurde ein Kesselwagen zertrümmert und 30 000 l Benzin liefen aus. Die Ablaufgruppe bestand aus 50 Achsen und war nur mit einem Rangierer besetzt. Personalmangel liegt nicht vor.
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Am 23.4.1956 wurde bekannt, dass unbekannte Täter in der Ziegelei VEB Bruckdorf, [Stadtteil von] Halle, in ein Bohrloch eine Gleisbaumaschine und andere Gegenstände geworfen hatten. Die Grundwasserbohrungen werden von der Fa. Willi Klaus aus Zahna, [Kreis] Wittenberg, aufgrund eines Staatsauftrages durchgeführt.
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Am 2.5.1956 demonstrierten 70 Studenten der Musik-Hochschule Weimar mit einer 10-köpfigen Musikkapelle gegen den Komponisten Herbert Roth.37 Diesem Zug schlossen sich zahlreiche andere Jugendliche an, sodass sich ca. 300 Menschen vor dem »Theater des Friedens« befanden, wo Herbert Roth gastierte. Das Schnellkommando der VP wurde durch die SED-Kreisleitung verständigt und forderte die Studenten auf, auseinander zu gehen. Da dieser Aufforderung nicht Folge geleistet wurde, nahm das Schnellkommando die 10-köpfige Kapelle vorläufig fest, entließ sie jedoch nach kurzer Befragung ohne Festhaltung der Namen. In der Zwischenzeit hatte sich die Demonstration verlaufen. Die Absichten waren der SED-Kreisleitung bekannt, wurden aber trotz Aufklärung von einem Teil der Studenten durchgeführt.
Anlage vom 5. Mai 1956 zum Informationsdienst Nr. 9
Feindtätigkeit in der Zeit vom 21.4. bis 5.5.1956
Antidemokratische Tätigkeit
In der Berichtsperiode ist im verstärkten Maße antidemokratische Tätigkeit aufgetreten:
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Hetzlosungen gegen Funktionäre der SED wurden in Kemnitz, [Kreis] Löbau, Görlitz, [Bezirk] Dresden, Leipzig-Leutzsch, Themar, [Bezirk] Suhl, Gröden, [Bezirk] Cottbus, Pfiffelbach, [Bezirk] Erfurt, [gefunden] und an die Universitätsklinik Jena, [Bezirk] Gera, wurde mit roter Ölfarbe die Aufforderung »Streik 17. Juni« angebracht.
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Hakenkreuze wurden in Johnsbach, [Bezirk] Dresden, und in mehreren Fällen in Potsdam-Babelsberg angeschmiert.
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Fahnen wurden in Teschendorf, [Kreis] Oranienburg, [Bezirk] Potsdam, in Motzen,38 [Kreis] Königs Wusterhausen, in Kyritz und Bornstedt, [Bezirk] Potsdam, sowie in Gera abgerissen.
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In Königstein,39 [Kreis] Pirna, [Bezirk] Dresden, wurde ein Schaukasten der FDJ und der DSF zerschlagen.
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In Karl-Marx-Stadt wurde auf dem Stalinplatz ein Bild unseres Präsidenten in Größe 1,5 × 2 m mit Tinte bespritzt, sodass das Bild entfernt werden musste.
Bei der angeführten antidemokratischen Tätigkeit sind die Beispiele, die bereits im Bericht über den 1. Mai angeführt wurden,40 nicht enthalten.
In Burgstädt, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde Mordhetze gegen die Genossen Pieck, Grotewohl und Ulbricht angeschmiert. An der Eisenbahnstrecke Bautzen – Wilthen, [Bezirk] Dresden, wurden in den Morgenstunden des 29.4.1956 acht Telefonleitungen durchgeschnitten. Täter unbekannt.
Gerüchte
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In Magdeburg trat vereinzelt das Gerücht auf, dass neben der Ulrichskirche eine weitere Kirche gesprengt werden soll.41
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In Blankenburg, [Kreis] Wernigerode, [Bezirk] Magdeburg, kursiert das Gerücht, dass Blankenburg Braunschweig angegliedert wird42 und die ehemaligen Besitzungen des Herzogs von Braunschweig an dessen Sohn43 zurückgegeben werden (vermutlich über Schweizer Rundfunk bekannt gegeben).
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Durch [Name 1, Vorname] aus Leipzig wurde unter den Sportlern des Kraftwerkes Kulkwitz,44 [Kreis] Leipzig[-Land], das Gerücht verbreitet, dass der frühere Besitzer Herfurth45 seinen Besitz (Markkleeberg) wieder zurückerhält. Die Gartenbauausstellung in Markkleeberg46 und der Park in Zwenkau müssen geräumt werden, da H. seinen Besitz an die Amerikaner verkauft hat. (Gerücht taucht jedes Jahr auf)
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In Altenburg wird verbreitet, dass die Einführung der Geldmünzen (1,00 DM) die Vorbereitung für eine Währungsreform sei, die in Kürze kommen werde.
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In Schmiedeberg, [Kreis] Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden, wird das Gerücht verbreitet, dass in Dippoldiswalde der Bau der Wohnhäuser der Arbeiterwohnbaugenossenschaft eingestellt sei, weil kein Geld mehr vorhanden ist.
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In Halle wird von [Name 2, Vorname] verbreitet, dass es nicht mehr lange so weitergeht wie jetzt, und die Mitarbeiter des MfS werden bei dem »bevorstehenden Umsturz« alle ausgewiesen.
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In Johanngeorgenstadt, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, hatten sich am 1. Mai ca. 30 Frauen aus den Kreisen Marienberg und Karl-Marx-Stadt[-Land] eingefunden, da ihnen durch Gerüchte bekannt wurde, dass angeblich die Staatsgrenze DDR – ČSR am 1. Mai an diesem Punkt geöffnet sei. Seitens der Kreisleitung der SED wurden Agitatoren eingesetzt, um ein weiteres Ansammeln von Personen zu verhindern.
Feindtätigkeit in der Industrie
In besonders starkem Maße wurde die Feindtätigkeit in der Industrie wiederum in faschistischen Schmierereien, Beschädigung von Bildern und Büsten fortschrittlicher Personen und Anbringen von Hetzlosungen bekannt. Diese Erscheinungen wurden in folgenden VE-Betrieben festgestellt:
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Waggonbau Bautzen, [Bezirk] Dresden;
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Stahlwerk Riesa, [Bezirk] Dresden;
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Bahnhof Lohmen, [Bezirk] Dresden;
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Steinkohlenwerk Freital, [Bezirk] Dresden;
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Glaswerk Freital, [Bezirk] Dresden;
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Vieh- und Schlachthof Berlin;
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TRO Berlin-Oberschöneweide;47
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Zementwerk Göschwitz, [Bezirk] Gera;
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Kunstseidenwerk Elsterberg, [Bezirk] Gera;
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Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf, [Bezirk] Potsdam;
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Reglerwerk Teltow,48 [Kreis] Potsdam[-Land];
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Warnow-Werft Warnemünde, [Stadtteil von] Rostock;
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DHW Rodleben, [Bezirk] Halle;
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EK Finow, [Bezirk] Frankfurt/O.;
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Ventilatoren-Bau Erfurt;49
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»Ernst-Thälmann«-Werk, [Bezirk] Suhl;
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Kaliwerk »Einheit« Dorndorf, [Bezirk] Suhl;
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Kombinat »Otto Grotewohl« Böhlen, [Bezirk] Leipzig;
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Schacht 66 Aue/Wismut;
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Schacht 1 Johanngeorgenstadt/Wismut.
Besonders zu beachten sind folgende Hetzlosungen, die zum Teil innerhalb und zum Teil außerhalb der Werkgelände nachstehender VE-Betriebe angeschmiert wurden: Im Bau 700 des Karl-Marx-Werkes Magdeburg wurde mit Bleistift die Losung »Wir fordern Rücktritt der Regierung und freie Wahlen« angeschmiert. An der Umzäunung des Werkes Mifa-Sangerhausen, [Bezirk] Halle, wurde mit weißer Kreide die Losung »Freie Wahlen?« angeschmiert. Im VEB Geithainer Emallierwerk, [Bezirk] Leipzig, wurde die Losung »Warum keine freien Wahlen? Weil die Bonzen Angst haben um ihre Posten« angeschmiert. Im VEB Jenapharm Jena, [Bezirk] Gera, wurde die Losung »Wir fordern freie Wahlen« festgestellt.
Gerüchte
Im VEB Möbelwerk Heidenau, [Kreis] Pirna, [Bezirk] Dresden, verbreitete ein Arbeiter das Gerücht, dass auf den Genossen Bulganin in England ein Anschlag verübt worden wäre.
Diversion
In der Garage Johanngeorgenstadt/Wismut wurde von einem Kraftfahrer unter dem Übertragungswagen des Kreisvorstandes des FDGB, welcher in der Box stand, ein Sprengkörper am hinteren Teil des Wagens gefunden. Bei diesem Sprengkörper handelt es sich um einen von der »KgU«50 hergestellten Sprengkörper.
Im Schachtkombinat 241 Auerbach/Wismut wurden am 26.4.1956 an einem 100 000er-Ventilator, der Untertage für die Bewetterung steht, die Schrauben des Motors vom Fundament gelöst. Beim Einschalten des Ventilators wurden die Lager von der Wucht des sich drehenden Ventilators zur Seite geschleudert und stark beschädigt. Die Ventilationsschraube blieb mit ihrer starken Welle auf dem Eisengestell liegen. Am Motor selbst entstand kein Schaden, da die Kupplungsbolzen zum Ventilator abgerissen wurden. Durch das Außerbetriebsetzen des Ventilators konnten die einzelnen Betriebspunkte nicht genügend mit Frischluft versorgt werden. Die Temperatur stieg dadurch von 21 auf 27 Grad.
Bei der Durchführung eines Probealarms im Schacht 13 Aue/Wismut wurde festgestellt, dass die Feuerlöscher in der Garderobe mit Papierkugeln zugestopft waren, sodass sie sich nicht in einem einsatzfähigen Zustand befanden.