Zweiwochenbericht
7. Juni 1956
Informationsdienst Nr. 11 zur Beurteilung der Situation in der DDR
[Faksimiles der Verteiler-Angaben des Postausgangsbuchs]
Zur Lage in Industrie und Verkehr
Politische Diskussionen
Im Vordergrund aller Diskussionen stand der Beschluss der Regierung der UdSSR über die Demobilisierung von 1,2 Millionen Soldaten.1 Die Mehrzahl der dazu geführten Diskussionen ist positiv und zeigt, dass das Vertrauen für die Politik der SU damit weiter gefestigt wurde. Gleichzeitig damit wird der Wunsch ausgesprochen, dass die Westmächte und besonders Westdeutschland dem Beispiel folgen sollen, um durch eine allgemeine Abrüstung den Frieden zu erhalten. Nur vereinzelt wurden dazu negative Diskussionen bekannt, die jedoch mehr auf Unklarheiten und Zweifel beruhen. Charakteristisch für die positiven Diskussionen sind folgende Stellungnahmen:
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Im S-Bahn-Betriebswerk Berlin-Nordbahnhof erklärten Arbeiter: »Diese Maßnahme ist durchaus begrüßenswert, aber dieser Beschluss müsste nicht nur von der SU, sondern von allen Staaten gefasst werden. Ich hoffe, dass die kapitalistischen Staaten nach dem Vorbild der UdSSR handeln werden.« Weiter erklärten sie: »Diese Maßnahme hat auch für die DDR große Bedeutung, denn wenn 30 000 Mann der sowjetischen Streitkräfte in der DDR verringert werden, so werden ja auch die Besatzungskosten niedriger, was wiederum dem Staatshaushalt und darüber hinaus der gesamten Bevölkerung zugutekommt.«
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Im VEB Süd Hildburghausen,2 [Bezirk] Suhl, erklärte ein Meister: »Die SU zeigt der Welt, dass sie wirklich für eine Abrüstung der Großmächte ist. Sie beweist damit, dass sie stets für die Erhaltung des Friedens eintritt. Dieses Ereignis wird an den werktätigen Menschen nicht ohne Weiteres vorübergehen. Auch in den kapitalistischen Ländern werden sie, gestützt auf diese Maßnahme, dazu übergehen, von ihren Regierungen zu fordern, auch mit der Abrüstung zu beginnen.«
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Arbeiter im VEB Hydrierwerk Zeitz, [Bezirk] Halle, äußerten: »Wenn die SU auch 30 000 Mann aus der DDR demobilisiert, so erwächst daraus zur Sicherung unserer Republik für uns eine große Aufgabe. Jetzt wird man von Westdeutschland aus versuchen, diese Demobilisierung zu verstärkten Provokationen auszunutzen und da müssen wir wachsam sein.«
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Charakteristisch für die unklaren und zweifelnden Diskussionen ist Folgendes: »Na, da lassen sie ja wieder einen Propagandarummel los. Das kann doch keiner kontrollieren und es ist auch alles Schwindel. Die wollen doch nur die Leute verdummen.«
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Ein Arbeiter im VEB Textilveredelungswerk Greiz, [Bezirk] Gera, erklärte: »Ich habe wohl den Abrüstungsvorschlag der SU gelesen, habe aber noch einen gewissen Zweifel, ob das auch alles wahr ist.«
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Im VEB Schuhfabrik Knohoma Schmölln,3 [Bezirk] Leipzig, erklärten einige Mitglieder der Kampfgruppe:4 »Angesichts der Abrüstungsmaßnahmen der SU können wir es uns nicht gut erlauben, mit Koppel, Patronentaschen und Gewehr herumzulaufen. Dadurch wird bei indifferenten Menschen und auch im Ausland eine starke Kritik hervorgerufen, weil das dem Abrüstungsgedanken widerspricht.«
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Im VEB Zeiss Jena, [Bezirk] Gera, erklärten Arbeiter: »Dies bedeutet für uns gar nichts, denn solange auf den Kriegsschiffen noch die Kanonen bleiben, sind es immer noch Kriegsschiffe, ob sie außer Dienst gestellt sind oder nicht. Und die Truppenverringerung auf dem Gebiet der DDR muss nur deshalb durchgeführt werden, damit für die Volksarmee Platz gemacht wird.«5
Ähnliche positive, wie auch unklare und zweifelhafte Stellungnahmen wurden vereinzelt auch aus der Landwirtschaft und unter den Schichten der übrigen Bevölkerung bekannt.
Die Diskussionen über die Regierungserklärung vor der Volkskammer6 haben nicht den Umfang wie zur Frage der Demobilisierung. Trotzdem ist auch hierzu festzustellen, dass überwiegend positiv Stellung genommen wird und nur vereinzelt unklare oder zweifelnde Meinungen auftauchen. Charakteristisch für die positiven Stellungnahmen sind folgende Beispiele: Im VEB Röhrenwerk Neuhaus, [Bezirk] Suhl, erklärte ein Arbeiter: »Ich begrüße die Vorschläge des Ministerpräsidenten Otto Grotewohl an den Bonner Bundestag, welche die Regelung wichtiger Punkte zwischen beiden Teilen Deutschlands vorsehen. Hervorzuheben ist besonders das Nichteinführen der Wehrpflicht und [das] Verbot der Atom- und Wasserstoffbomben. Gelingt es, die in der Regierungserklärung vorgesehenen Punkte zu verwirklichen, dürfte die beste Voraussetzung zur baldigen Einheit Deutschlands geschaffen sein.« Im Kaliwerk Unterbreizbach, [Bezirk] Suhl, erklärte ein parteiloser Arbeiter: »Wenn Bonn jetzt eine Verhandlung mit der DDR ablehnt, dann hat Bonn kein Interesse an der Wiedervereinigung Deutschlands.«
Unklare und zweifelnde Stellungnahmen wurden Folgende bekannt: Im VEB Werkmaschinenwerk Zeulenroda, [Bezirk] Gera, erklärte ein technischer Angestellter: »Die Regierung der DDR hat in den letzten Jahren schon so viele Noten an die Regierung der Bundesrepublik gesandt und hat keine Antwort darauf erhalten. So ist es auch bei dieser neuen Regierungserklärung und bei der nächsten wird es auch nicht anders sein.« Mehrere Arbeiter sowie ein Meister desselben Betriebes äußerten: »An Verhandlungen zwischen den beiden deutschen Staaten glauben wir nicht mehr, denn die Einheit Deutschlands ist entfernter als je zuvor, dazu hat sich die Politik auf beiden Seiten zu sehr versteift.« In der Mathias-Thesen-Werft Wismar, [Bezirk] Rostock, erklärten zwei Meister: »Es ist alles ganz schön, was unsere Regierung macht, doch Entscheidendes ist nur von den Großmächten zu erwarten. Wenn die sich einig sind, dann werden auch wir bald vereinigt sein.« Ähnliche Stellungnahmen wurden auch aus der Landwirtschaft sowie aus Kreisen des Mittelstandes bekannt.
Über die in der DDR durchgeführte Haftentlassung ehemaliger SPD-Angehöriger wird weiterhin positiv diskutiert.7 Wesentlich neue Argumente, wie im letzten Bericht angeführt, wurden nicht bekannt.
Ökonomische Fragen
In der Berichtszeit wurden in stärkerem Maße wieder Materialschwierigkeiten aus den verschiedensten Industriegebieten bekannt, die sich nachteilig auf die Planerfüllung der Betriebe sowie die Stimmung der Beschäftigten auswirken. Besonders sind es wieder – wie schon im letzten Bericht mitgeteilt – die zwei Arten von Materialschwierigkeiten
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für die Produktion
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für die Instandhaltung des Maschinenparks
Die Hauptursache dafür sind wiederum die schlechte Belieferung durch die Zulieferbetriebe sowie zögernde Importeingänge.
So ist in den VE-Betrieben Draht- und Nagelwerk Wilischthal,8 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, VTA-Leipzig, Emaillierwerk Geithain, [Bezirk] Leipzig, Turbowerk Meißen, [Bezirk] Dresden, die schlechte Materiallage, die bereits in den Berichten vom 7.5. und 22.5.1956 mitgeteilt wurde,9 noch nicht behoben. Darüber hinaus gibt es eine Reihe Betriebe, wo neuerdings Materialschwierigkeiten auftreten bzw. entstanden. Darüber erfolgt Sonderinformation.10
Als Beispiel der Auswirkung wird der VEB Waggonbau Görlitz, [Bezirk] Dresden, angeführt. Aufgrund dessen, dass der VEB Gaselan Berlin seinen Verpflichtungen nicht nachkommt, können folgende Exportverpflichtungen nicht erfüllt werden:
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13 Vorortzüge an die Volksrepublik Polen – Wert 12 Mio. DM;
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ein Salonzug für die Volksrepublik China – Wert 8 Mio. DM;
- 3.)
ein Gliederzug an die Deutsche Reichsbahn – Wert 1,7 Mio. DM;
- 4.)
muss die Mehrzahl der Exportverträge aufgekündigt werden, da der Betrieb die Termine des DIA nicht einhalten kann;
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kann der technologische Ablauf nicht mehr eingehalten werden, wodurch dem Betrieb Wartezeiten und Mehrkosten entstehen.
Neben Materialschwierigkeiten wurden aus einigen Betrieben auch wieder Absatzschwierigkeiten bekannt. Dadurch, dass die Betriebe nicht in der Lage sind, ihre Produkte zur Auslieferung zu bringen, geraten sie in Schwierigkeiten, sowohl mit den Finanzinstitutionen als auch mit ihrer weiteren Produktion. Derartige Schwierigkeiten bestehen in folgenden VE-Betrieben:
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Rathenower Optische Werke, [Bezirk] Potsdam – Theatergläser, Fernglasbrillen, Sportgläser;
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Polierschiefergrube Seifhennersdorf, [Bezirk] Dresden – Polierschiefer;
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VdK Seifenfabrik Riesa, [Bezirk] Dresden – Waschseife;
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Frottier-Taschentuchweberei Großschönau, [Bezirk] Dresden – Frottierhandtücher;
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Grobgarnwerk Kirschau, [Kreis] Bautzen, [Bezirk] Dresden – Scheuertücher;
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Porzellanfabrik Kloster Veilsdorf, [Bezirk] Suhl – Futternäpfe;
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Porzellanfabrik Stadtlengsfeld, [Bezirk] Suhl – Porzellan;
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Bereich Weberei Vacha, [Kreis] Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl – [kein Produkt genannt];
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Keksfabrik Bad Liebenstein, [Bezirk] Suhl – Dauergebäck;
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Holzverarbeitungswerk Tangerhütte, [Bezirk] Magdeburg – Stahlmatratzen;
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Hydrierwerk Zeitz, [Bezirk] Halle – Benzin;
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Leunawerke »Walter Ulbricht«, [Bezirk] Halle – Waschmittel;
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EAW »J. W. Stalin«, Berlin-Treptow – Radiogeräte;
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Bekleidungswerke Glauchau,11 [Bezirk] Karl-Marx-Stadt – [kein Produkt genannt].
Aus dem demokratischen Sektor von Berlin wird bekannt, dass in den meisten Stadtbezirken Schwierigkeiten in der Unterbringung der Schulentlassenen in Lehrstellen bestehen. Auch fehlt es an geeigneten Arbeitsplätzen für diejenigen, die das Ziel der Schule nicht erreicht haben und aus der 6. bzw. 7. Klasse entlassen wurden.
Z. B. gibt es im Stadtbezirk Prenzlauer Berg insgesamt 2 826 Schulabgänger 1956; Arbeitsstellen und Lehrstellen konnten 2 324 vermittelt werden. Da bereits noch aus dem Jahre 1955 400 Schulentlassene nicht in Arbeitsverhältnisse untergebracht werden konnten, gibt es also insgesamt 902 Jugendliche ohne Arbeitsverhältnis. Im Stadtbezirk Pankow fehlen sogar 1 398 (1956 und 1955) Lehr- und Arbeitsstellen. Ähnliche Schwierigkeiten werden auch vom Rat des Kreises Bad Salzungen, [Bezirk] Suhl, Abteilung Arbeit, berichtet. Dort können im Kreismaßstab 400 Schulentlassene nicht in Arbeits- und Lehrstellen untergebracht werden. Im Kreis Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, hat ebenfalls eine große Anzahl Jugendlicher keine Lehrstelle, obwohl der Lehrstellenplan nur zu 70 % ausgelastet ist. Es sind zwar noch Lehrstellen vorhanden, die aber nicht freigegeben werden, da der Kreis Neuruppin noch Lehrstellen an andere Kreise abgeben soll. In Brieselang, [Bezirk] Potsdam, befindet sich ein Lehrkombinat des Vermessungsdienstes Halle. Obwohl das Kombinat nur zu 60 % ausgelastet ist, werden trotz vorliegender Bewerbungen keine Neueinstellungen vorgenommen. Der Vermessungsdienst Halle hat die Absicht, das Kombinat aufzulösen, was bisher nur an der Verlängerung der Lehrzeit scheiterte. Im Kreis Bautzen, [Bezirk] Dresden, kann ein großer Teil der Schulabgänger (5 000) keine Lehrstellen erhalten. Der VEB Waggonbau Bautzen erhielt seine Einstellungsziffern, die gekürzt wurden und sich um 35 bis 40 % der bisherigen Höhe bewegen.
Aus einigen Bezirken wird aus VE-Betrieben Arbeitskräftemangel bekannt, wodurch den Betrieben Schwierigkeiten in der Planerfüllung entstehen. Arbeitskräftemangel besteht nach vorliegenden Berichten:
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auf der Schwerpunktbaustelle Hirschfelde, [Kreis] Zittau, [Bezirk] Dresden, besonders Poliere und Bauarbeiter;
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im EKB Bitterfeld, [Bezirk] Halle, Alu-Werke;
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im VEB Abus Aschersleben, [Bezirk] Halle, besonders Dreher;
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im VEB Eisenwerk Tangerhütte, [Bezirk] Magdeburg – besonders 30 Maschinenformer;
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im RAW Cottbus – Arbeiter;
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im Stahlwerk Silbitz, [Bezirk] Gera – 25 Arbeiter sowie
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im VEB Heimichshall,12 [Bezirk] Gera – Arbeiter.
Produktionsstörungen in der Zeit vom 20.5. bis 6.6.1956
Durch Schäden an Maschinen und Baggern sowie Havarien im Zugverkehr entstanden in den Braunkohlenbetrieben der Bezirke Halle und Leipzig folgende Ausfälle: 69 670 cbm Abraum, 3 840 t Rohkohle, 435 t Brikett. Der finanzielle Schaden an Geräten, Maschinen und Produktionsausfall beträgt insgesamt 19 300 DM. Die Havarien erfolgten in folgenden Tagebauen: Borna, Großröda, Neukirchen, [Bezirk] Leipzig, und Pirkau, [Bezirk] Halle.
In anderen Industriezweigen wurden nachträglich und neuerdings folgende wesentliche Produktionsstörungen bekannt:
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am 17.5.1956 Ausfall des Infrarotofens infolge Festfahrens eines Lagers im VEB Motorradwerk Zschopau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt. Schaden 35 000 DM;
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Am 19.5.1956 Brand im Schacht V des Martin-Hoop-Werkes Zwickau – Ausfall täglich 450 Hunte;13
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am 30.5.1956 Störung im Kesselwerk des Kaliwerkes Unterbreizbach, [Bezirk] Suhl; infolge Kabelschadens an der Überlandleitung. Am 17.5.1956 Ausfall der Seilbahnmaschinen im Schacht 1 des Kaliwerkes Dorndorf, [Bezirk] Suhl;
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am 18.5.1956 Fabrik des Kaliwerkes Dorndorf, [Bezirk] Suhl, infolge Wellenbruchs ausgefallen. Zu allen drei Vorkommnissen ist der Schaden noch nicht festgestellt;
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am 23.4.1956 Ausfall eine Raupendrehkranes im VEB Granitwerk Häslich, [Kreis] Kamenz, [Bezirk] Dresden, infolge Bolzenbruchs. Ausfall ca. zehn bis zwölf Tage – Schaden täglich 400 DM;
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vom 18. bis 22.5.1956 Ausfall der Presskohlenanlage infolge Überalterung im BKW Puschwitz, [Kreis] Bautzen, [Bezirk] Dresden. Schaden insgesamt 4 400 DM;
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am 3.5.1956 Ausfall des 40-t-Gegenschlaghammers im VEB »Heinrich Rau« Wildau,14 [Bezirk] Potsdam, durch einen Riss in der Kolbenstange; am 19.5.1956 Ausfall des 20-t-Gegenschlaghammers aus gleicher Ursache. Schaden insgesamt 1 815 000 DM;
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am 16.5.1956 brach im Schacht 294 der Wismut in Auerbach, 3. Sohle – Querschlag 64a und 65 – das Streckenkreuz zusammen. Der Einsturz ereignete sich durch Schießen im Abbaublock 48. Dadurch fielen für eine Schicht acht Betriebsorte aus.
Brände entstanden
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am 25.5.1956 im Geräteraum des Bahnhofs Joachimsthal, [Kreis] Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O. Schaden: 10 000 DM;
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am 31.5.1956 ein Kohlenhaldebrand von ca. 60 bis 70 m Länge im Braunkohlenwerk Piskowitz, [Kreis] Kamenz, [Bezirk] Dresden;
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am 25.5.1956 brach im Schwesternheim des Bergbaukrankenhauses Eibenstock, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, ein Brand aus, der das Dachgeschoss und die darunter liegenden Stockwerke vernichtete. Schaden: 60 000 bis 70 000 DM;
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am 30.5.1956 brach im Schacht 352 – Ronneburg – ein Brand aus, wobei ein Schaden am Fahrtenturm und an der Bühne entstand. Der Produktionsausfall betrug 5½ Stunden.
Versorgung der Bevölkerung
Auch in dieser Berichtsperiode sind in der Versorgung der Bevölkerung mit den wichtigsten Lebensmitteln keine wesentlichen Veränderungen aufgetreten. Es mangelt weiterhin in verschiedenen Bezirken vor allem an Fleisch- und Fleischwaren sowie an Butter und Margarine auf HO-Basis.15
Fleisch- und Fleischwaren
Über die Versorgung mit Fleisch und Fleischwaren berichtet der Bezirk Rostock, dass in einigen Kreisen ein Mangel an Frischfleisch besteht. In Grevesmühlen wurden durch die geringe Bereitstellung die HO-Kontingente fast ganz gekürzt. Dem Bezirk Neubrandenburg stehen für das III. Quartal 3 412 t Fleisch- und Fleischwaren einschließlich 1 620 t aus Importen und Staatsreserve zur Verfügung. Nach Einschätzung der Handelsorgane reicht diese Menge nicht aus, da in diesem Jahr im Bezirk fünf anerkannte Kurort-Versorgungszentren vorhanden sind. Außerdem werden sich in diesem Jahr die Kinderferienaktion und die Zahl der Erntehelfer aus anderen Bezirken erhöhen. Der Anteil der Importe im Plan für das III. Quartal beträgt fast 50 %, was im krassen Widerspruch zum Ministerratsbeschluss vom 14.10.1955 steht, der für die Bezirke mit Eigenaufkommen nur einen Anteil von 10 % Importen vorsieht.16 Im Bezirk Magdeburg besteht im II. Quartal ein Fleischrückstand von 1 200 t.
Besonderheiten im Handel
Im Kreis VEAB Königs Wusterhausen, [Bezirk] Potsdam, lagern zurzeit 280 000 Eier. Bei längerer Lagerung besteht Gefahr des Verderbs. Im Kühlhaus des Schlachthofes Neubrandenburg lagern gegenwärtig ca. 1 200 kg Importrindfleisch, was nach ärztlichem Gutachten der Tierkörperverwertungsanstalt übergeben werden muss. Es soll sich hierbei um Importe aus Jugoslawien handeln.
Die Lage in der Landwirtschaft
In der Landwirtschaft stehen nach erfolgreichem Abschluss der Frühjahrsbestellung die Pflegearbeiten im Mittelpunkt der jetzigen Tätigkeit. Bei der Durchführung der Pflegearbeiten kommt es in fast allen Bezirken zu Schwierigkeiten, die auf folgende Ursachen zurückzuführen sind:
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mangelhafter Abschluss von Pflegeverträgen mit der MTS;
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Fehlen von Anbaugeräten, welche zu den Pflegearbeiten benötigt werden sowie
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Mangel an Pflanzenschutzmittel.
In den mangelhaften Abschlüssen von Pflegeverträgen zeigt sich, dass die Arbeit von den meisten LPG bzw. werktätigen Bauern unterschätzt wird. Ein ernster Mangel besteht auch darin, dass von einer großen Anzahl von Räten der Gemeinde keine konkreten Pläne zur Durchführung der Pflegearbeiten erarbeitet wurden, wie z. B. im Bezirk Karl-Marx-Stadt und Suhl. Besondere Schwierigkeiten bestehen darin, dass den MT-Stationen nicht im genügenden Maße die entsprechenden Pflegegeräte zur Verfügung stehen.
Aus fast allen Bezirken wird das Fehlen von Rübenverziehkarren gemeldet, wobei von verschiedenen LPG-Mitgliedern befürchtet wird, dass größere Rückstände in der Rübenernte eintreten werden. Diese Schwierigkeiten treten in den Bezirken Halle, Potsdam, Magdeburg und Gera auf.
Durch das Fehlen von Pflanzenschutzmitteln treten in Bezug der Pflegearbeiten Schwierigkeiten auf. Außerdem macht sich auch ein Arbeitskräftemangel bemerkbar, da die MT-Stationen noch nicht über genügend Großgeräte verfügen. So wird zum Beispiel die chemische Unkrautbekämpfung, welche im Kreis Hildburghausen, [Bezirk] Suhl, durchgeführt werden sollte, dadurch gehemmt, dass die notwendigen Spritzmittel, wie Hormit und Hedolit, nicht zur Verfügung stehen. Außerdem ergeben sich zzt. Schwierigkeiten bei der Beschaffung des Spritzmittels Cuprat, welches zur Bekämpfung der Krautfäule bei Kartoffeln notwendig ist. 1 000 ha Kartoffeln sind in diesem Kreis zur Bekämpfung vorgesehen.
Im Kreis Marienberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, bestehen in Bezug auf die Pflegearbeiten Schwierigkeiten, da das Unkrautbekämpfungsmittel »Stäube-Hormin« nicht zur Verfügung steht, obwohl der VEB Elektrochemisches Kombinat Bitterfeld mit einer Lieferung von 10 000 kg bis 30.4.1956 vertragsgebunden war. Zur Verfügung stand lediglich nur Spritz-Hormit. Dabei ist besonders zu beachten, dass »Stäube-Hormin« jeder Bauer selbst ausstäuben kann, während Spritz-Hormit durch die MTS mit Gespannspritzen ausgestäubt werden muss. Ähnliche Mängel gab es diesbezüglich auch im Kreis Rochlitz, da in den MTS zu wenig Bestellungsgeräte für Traktoren vorhanden sind.
Im Kreis Borna, [Bezirk] Leipzig, ist in der Schädlingsbekämpfung (Kartoffelkäferbekämpfung) eine schwierige Situation eingetreten. In diesem Kreis ist für die vorhandenen Pflanzenschutzgeräte kein Bedienungspersonal vorhanden, da keine Gerätewarte mehr eingestellt werden dürfen. Ähnliche Beispiele sind aus dem Kreis Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, bekannt.
Da bereits in einigen Bezirken größere Mengen Kartoffelkäfer gefunden wurden, wie im Kreis Meiningen, [Bezirk] Suhl, 7 000 bis 8 000 Stück, sowie größere Mengen in den Kreisen Meißen und Niesky, [Bezirk] Dresden, ist es unerlässlich, die Schädlingsbekämpfung mit allen Mitteln durchzuführen.
Zur Futtermittelversorgung und Viehhaltung werden weiterhin große Schwierigkeiten gemeldet. Besonders macht sich in der Rinderhaltung der langanhaltende Mangel an Raufutter bemerkbar, da jetzt die Tiere bei dem stark anfallenden Grünfutter häufig an Eiweißvergiftung erkranken. Gleichzeitig erhöht sich laufend die Tiersterblichkeit durch den Futtermangel, sodass teilweise die Tierkörperbeseitigungsanstalten nicht mehr in der Lage sind, den großen Anfall von Tieren zu verarbeiten. So sind z. B. im Kreis Stendal, [Bezirk] Magdeburg, seit Februar 1956 mehr Notschlachtungen durchgeführt worden (Rinder), als gesundes Vieh durch die VEAB abgeliefert wurde. Der größte Teil der notgeschlachteten Rinder wanderte zur Abdeckerei und Freibank. Bei diesen Notschlachtungen handelt es sich ausschließlich um Leberegelkrankheiten und Tuberkulose. Durch die schlechte Ernährung wirkte sich die Krankheit stärker aus. Auch aus dem Kreis Kalbe (Milde) wird ein Anwachsen des Verendens von Rindern gemeldet, was besonders in den LPG in Erscheinung tritt. So verendeten in der Gemeinde Bühne von 380 Rindern im I. Quartal 1956 111 Rinder und 27 mussten notgeschlachtet werden. Die Ursache war die starke Abmagerung sowie das Überfressen bei der ersten Weidefütterung.
Ebenfalls wirkt sich der Futtermangel auf die Milchleistung der Kühe aus. So wird z. B. von der LPG Bölkow, [Kreis] Güstrow, [Bezirk] Schwerin, berichtet, dass von 61 Kühen 37 Kühe eine Gesamtmilchmenge von 40 Liter pro Tag liefern und dass weitere 24 Kühe keine Milch geben.
Brände in der Zeit vom 20.5. bis 5.6.1956
In der Berichtszeit wurden insgesamt 36 Brände bekannt, davon sechs vermutliche Brandstiftungen, fünf durch Fahrlässigkeit, elf durch Kinderhand, acht Brandursache unbekannt, sechs durch Blitzschlag. Die sechs vermutlichen Brandstiftungen sind noch nicht aufgeklärt und werden nach Klärung im nächsten Bericht gemeldet.
Bezirk Potsdam
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ein Stallbrand, Mittelbauer, durch Kinderhand;
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ein Geräteschuppenbrand, Kleinbauer, durch Kinderhand;
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ein Strohmietenbrand, Kleinbauer, Brandursache unbekannt;
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ein Scheunenbrand, Kleinbauer, Brandursache unbekannt;
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ein Schuppenbrand, LPG, durch Fahrlässigkeit.
Bezirk Karl-Marx-Stadt
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zwei Scheunenbrände, Einzelbauern, durch Blitzschlag;
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zwei Scheunenbrände bei zwei Mittelbauern, Brandursache unbekannt;
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ein Strohmietenbrand, Einzelbauer, durch Fahrlässigkeit;
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ein Scheunenbrand, Mittelbauer, durch Kinderhand.
Bezirk Halle
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ein Stallbrand, LPG, durch Kinderhand;
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ein Mühlenbrand, privates Eigentum, durch Kinderhand;
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ein Scheunenbrand, Kleinbauer, durch Kinderhand.
Bezirk Gera
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zwei Scheunenbrände, Klein- und Mittelbauer, durch Blitzschlag;
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ein Scheunenbrand, Forstarbeiter, durch Kinderhand;
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sechs Scheunenbrände, Einzelbauern, vermutlich Brandstiftung.
Bezirk Schwerin
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ein Scheunenbrand, LPG, durch Kinderhand;
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ein Stallbrand, Mittelbauer, Brandursache unbekannt;
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ein Dachstuhlbrand, Kleinbauer, Brandursache unbekannt;
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ein Stall- und Waschhausbrand, Einzelbauer, durch Blitzschlag.
Bezirk Magdeburg
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zwei Scheunenbrände, Großbauer, Altstoffhändler, durch Kinderhand;
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ein Strohmietenbrand, Kleinbauer, durch Fahrlässigkeit.
Bezirk Frankfurt/O.
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zwei Scheunenbrände, LPG, Großbauer, Brandursache unbekannt.
Bezirk Rostock
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ein Scheunenbrand, LPG, durch Kinderhand;
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ein Waschhaus-, Scheunen- und Stallbrand, LPG, Brandursache unbekannt.
Bezirk Leipzig
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ein Scheunenbrand, Mittelbauer, durch Blitzschlag.
Bezirk Suhl
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ein Scheunenbrand, Mittelbauer, durch Fahrlässigkeit.
Ereignisse von besonderer Bedeutung
Industrie und Verkehr
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Am 28.5.1956 brannte im Stahlwerk Gröditz,17 [Bezirk] Dresden, der 5-t-Elo-Ofen mit 6/12 [sic!] flüssigem Stahl durch, sodass der Stahl in das Getriebe floss. Schaden ist noch nicht bekannt.
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Am 25.5.1956 ereignete sich im VEB Steinkohlenwerk Freital, Schachtanlage Paul-Ernst-Grube, ein Unfall. Der Parteisekretär erlitt eine Beckenfraktur, als beim Zusammenstoß zweier Hunte der eine aus dem Gleis sprang und den Sekretär dabei verletzte.
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Im VEB Motorradwerk Zschopau fiel in der mechanischen Abteilung eine Maschine aus. Die Ursache dazu ist nach bisherigen Feststellungen darin zu suchen, dass durch unbekannte Personen die Drähte umgewechselt wurden.
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Auf der Baustelle Sago,18 [Kreis] Potsdam[-Land], erkrankten vom 31.5. bis 1.6.1956 ca. 100 Personen der Gerätebewirtschaftung, Ursache sind vermutlich verdorbene Speisen.
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Am 12.5.1956 fiel in den Deutschen Solvay-Werken Westeregeln, [Bezirk] Magdeburg, eine Vakuumpumpe aus. Die Ursachen sind Spannungen in den gusseisernen Ständern, die Störungen erzeugen. Dieselben Pumpen werden vom Pumpenwerk Halle für den Export geliefert.
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Am 26.5.1956 fiel bei der DSU in Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt/O. ein Portalkran von VEB Kranbau Eberswalde aus. Nach der Montage stellte sich heraus, dass es eine Fehlkonstruktion sein muss, weil der Drehkranz auf dem Sockel wacklig ist und der Kran schief hängt. Außerdem sind die Nieten nicht 20 mm, sondern nur 16 mm stark.
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Am 17.5.1956 lief der Logger 4334, der bereits der sowjetischen Besatzung übergeben war, wieder in der Volkswerft Stralsund, [Bezirk] Rostock, ein, da sich im Zylinderkopf 7 der Hauptmaschine, im Motor und im Auspuffkrümmer Metallstücke befanden.
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Am 31.5.1956 stießen auf dem Südbahnhof in Gera zwei Güterzüge infolge falscher Weichenstellung zusammen. Sachschaden 60 000 DM.
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Am 19.5.1956 fuhr im Bahnhof Wittenberge, [Bezirk] Schwerin, eine Rangierlok einer Zuglock in die Flanke. Ursache: vorzeitiges Signal durch den Rangierleiter ohne Zustimmung des Weichenwärters. Schaden 8 500 DM.
Übrige Bevölkerung
Am 24.5.1956 wurde in dem Wald von Rastow, [Kreis] Schwerin[-Land], ein Munitionslager entdeckt. Die Untersuchungen sind zzt. noch nicht abgeschlossen. Vermutlich handelt es sich hier um ein Lager der ehemaligen faschistischen Wehrmacht. Die Gegenstände befinden sich zum Teil im guten Zustand. Bis jetzt wurden 200 Panzerfäuste, 15 Karabiner und 40 000 Schuss Munition sichergestellt. Weiter wurden noch Maschinepistolen, Eier- und Stielhandgranaten gefunden.
In der Nacht zum 19.5.1956 wurde auf der Hauptstraße Zeulenroda – Greiz, bei dem Ort Mehla, eine Straßensperre aufgebaut, indem Fahnenstangen, Holzklötze und Gartenzäune über die Straße gelegt wurden. Des Weiteren wurden auf der dortigen Straßenbaustelle Warnlampen zerschlagen und in den Dorfteich geworfen.
In den Gemeinden Gehrden und Güterglück, [Kreis] Zerbst, [Bezirk] Magdeburg, sind ca. 50 Personen an E-Ruhr erkrankt, Infektionsquelle ist noch nicht festgestellt.
Anlage vom 7. Juni 1956 zum Informationsdienst Nr. 11
Feindtätigkeit in der Zeit vom 21.5. bis 6.6.1956
In der Berichtszeit trat vorwiegend antidemokratische Tätigkeit und Gerüchteverbreitung in Erscheinung. Nur in einem Fall kam es zu einer Provokation. Hetzlosungen gegen Partei, Regierung und deren Funktionäre wurden in mehreren Fällen in Anklam, [Bezirk] Neubrandenburg (darunter auch die Hetzlosung »Es lebe der 17.6.1953«), Grimma, [Bezirk] Leipzig, und Leipzig selbst angeschmiert. Hakenkreuze wurden in Käßlitz, [Kreis] Hildburghausen, [Bezirk] Suhl, Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., und in Potsdam-Babelsberg (vermutlicher Täter festgenommen) angeschmiert. Schaukästen wurden in Pirna, [Bezirk] Dresden, Anklam, [Bezirk] Neubrandenburg, beschädigt bzw. abgerissen. In Barth, [Kreis] Ribnitz[-Damgarten], wurde ein VdN-Denkmal beschädigt. In Tharandt, [Kreis] Freital, [Bezirk] Dresden, wurden zwei Fahnen abgerissen. In Lauter, [Kreis] Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde auf der Anschlagtafel Stalinplatz durchgestrichen und »Platz des Irrtums« drübergeschrieben.
Gerüchte
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Unter den Taxifahrern [in] Stendal kursiert das Gerücht, dass aus dem VP-Stützpunkt Klietz 90 Personen entlassen wurden, weil sie die Verteidigung der Nationalen Volksarmee abgelehnt hätten.
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In Kehnert, Kreis Tangerhütte, ist das Gerücht im Umlauf, dass jeder, der aus der Haft entlassen wird (politisch Inhaftierte), einen Menschen angeben muss, der dann auch inhaftiert wird. Diese Verpflichtung werde dem Häftling bei der Entlassung abgenommen.
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Die Geschäftsinhaberin und Hausbesitzerin [Vorname Name 1] aus Tanna, [Kreis] Schleiz, [Bezirk] Gera, verbreitet das Gerücht, dass in Kürze alle schuldenfreien Häuser vom Staate übernommen werden. Sie diskutierte dahingehend, dass jetzt alle Hausbesitzer auf ihre Häuser Schulden machen sollen.
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In der Gemeinde Dobra und Tauscha, [Kreis] Großenhain, [Bezirk] Dresden, kursiert das Gerücht, dass die Dörfer Kleinnaundorf, Dobra und Tauscha geräumt werden müssten, weil dort ein Flugplatzgelände gebaut wird und der Truppenübungsplatz vergrößert werden soll.
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Im Kreis Sonneberg wird unter einem Teil der Bevölkerung das Gerücht verbreitet, wonach jetzt die Sperrzone wegfallen soll und die Menschen sich, ganz gleich, ob im 5-km- oder im 500-m-Gebiet, wieder frei bewegen könnten.19 Des Weiteren wird davon gesprochen, dass alle Besucher, die aus Westdeutschland kommen, ebenfalls sich in diesem Gebiet aufhalten können.
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Ein Fleischermeister aus Dresden verbreitete das Gerücht, dass in Dresden zur 750-Jahr-Feier sämtliche roten Fahnen sofort von den Häusern zu entfernen seien, weil ausländische Gäste da sind, auf die rote Fahnen abstoßend wirkten.
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Unter einem Teil der Bevölkerung der Gemeinde Heldburg, [Kreis] Hildburghausen, tritt das Gerücht auf, dass die blauen Uniformen der VP und die Uniformen der KVP nach Einführung der neuen Uniformen20 als Kleidung an die Zuchthäusler ausgegeben werden. Dies soll anstelle der blau-weiß gestreiften Sachen gegeben werden. Ähnliche Diskussionen traten auch unter einem Teil der Belegschaftsmitglieder des VEB Glaswerkes Gießübel,21 [Kreis] Hildburghausen, auf.
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In der Gemeinde Neurüdnitz, [Kreis] Bad Freienwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., wird das Gerücht verbreitet, dass »eine Regelung getroffen wird, dass das Land 50 km östlich der Oder von den Polen geräumt wird, und dass die ehemaligen Bewohner wieder nach dort zurück können«.
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Im Stadtgebiet von Jena-Ost ist ein Gerücht im Umlauf, wonach alle Jugendlichen, welche aus Westdeutschland in die DDR zu Besuch kommen, von der Grenzpolizei festgenommen werden und auf die Insel Rügen verschleppt würden.
Provokation
Ein Müllergeselle aus Hohenseefeld, [Kreis] Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, hetzte gegen die Genossen Walter Ulbricht, Otto Grotewohl und Max Reimann,22 weiterhin beschimpfte er einige LPG-Mitglieder aufs Gröbste. Den Bürgermeister beschimpfte er mit den Worten: »Es ist Zeit, dass ihr Kommunistenschweine verschwindet, ihr Kommunistenhunde seid die, die meinen Vater weggebracht haben.« Nach den Beschimpfungen griff der Müllergeselle den Bürgermeister tätlich an. Täter wurde inhaftiert.
Am 22.5.1956 wurde unter den Telefonistinnen des Fernmeldeamtes Magdeburg ein Zettel mit der Aufforderung »Kolleginnen, werft eure Arbeit nieder und streikt« herumgereicht. Der Schreiber ist bis jetzt noch nicht bekannt.
Feindtätigkeit in der Industrie
In der Berichtszeit wurden in einigen Betrieben wiederum faschistische Schmierereien bekannt. Diese Erscheinungen wurden festgestellt in folgenden VE-Betrieben:
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Schwerter-Emaille, Zweigwerk Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt;
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Weberei Werk 2 Mittweida, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt;
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Bahnhof Salzwedel, [Bezirk] Magdeburg;
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August-Bebel-Hütte Eisleben,23 [Bezirk] Halle;
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Kraftwerk Vockerode, [Bezirk] Halle;
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Fischkombinat Saßnitz, [Kreis] Rügen;
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Objekt 101 Zwickau/Wismut;
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Karriere »IV. Parteitag« Ronneburg/Wismut.
Hetzlosungen
Im VEB Simson Suhl wurde folgende Hetzlosung angeschmiert: »Die Parteimenschen werden alle aufgehangen. [Name 2] ist Verbrecher, hat die Ehrentafel heruntergenommen. Mein Vater.«
Gerüchte
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In der Berichtszeit wurden in besonders starkem Maße Gerüchte über den Sturz Gustav-Adolf Schurs während der Friedensfahrt verbreitet, die in einigen Bezirken bereits den Charakter einer Massenstimmung annahmen.24 Der Inhalt war reine Antisowjethetze, indem behauptet wurde, die sowjetischen Fahrer hätten Schur absichtlich zu Fall gebracht, um in aussichtsreiche Position zu kommen. Diese Gerüchte ließen erst nach, als im ND die Stellungnahme von Gustav-Adolf Schur veröffentlicht wurde. Ebenso verhält es sich mit den Gerüchten, Schur sei nach Italien, Westdeutschland, Westberlin geflüchtet. Diese Erscheinungen traten auf in folgenden Bezirken: Suhl, Karl-Marx-Stadt, Wismut, Gera, Dresden, Erfurt, Halle und Potsdam.
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Im Kraftwerk Breitungen, [Bezirk] Suhl, sowie in anderen Großbetrieben des Bezirkes Suhl wird das Gerücht verbreitet, dass Genosse Molotow »seiner Funktion enthoben wurde im Zusammenhang mit seiner stalin’schen Politik.«25
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In der Lehrwerkstatt des Kraftwerkes Finkenheerd,26 [Kreis] Fürstenberg, [Bezirk] Frankfurt/O., wird unter Lehrlingen das Gerücht verbreitet, dass die GST aufgelöst und Werbungen für die Volksarmee nicht mehr durchgeführt würden. Walter Ulbricht habe diese Ausführungen gegenüber einem ADN-Vertreter gemacht, indem er erklärte, die Wehrpflicht wird bei uns nicht eingeführt.
Feindtätigkeit in der Landwirtschaft
In der Nacht vom 30.5.1956 zum 31.5.1956 wurden an der Bekanntmachungstafel in der Gemeinde Retzow, [Kreis] Nauen, [Bezirk] Potsdam, ein handgeschriebener Zettel sowie ein runder Blechstempel (4 cm Durchmesser) angenagelt. Der Blechstempel trägt das Zeichen der NSDAP sowie die Aufschrift: »Landrat des Kreises Westhavelland in Rathenow«.27 Im Hetzzettel wurde der LPG-Vorsitzende grob beschimpft.