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Aktion »Friedensfest«

19. Oktober 1959
Information Nr. 756/59 – [Bericht über] die Aktion »Friedensfest«1

Bereits in der Zeit vor dem 10. Jahrestag der DDR war unter der Bevölkerung der DDR eine besonders aufgeschlossene Stimmung zu politischen Fragen festzustellen. Das zeigten die nachhaltenden Diskussionen über den Besuch des Gen. Chruschtschow2 in den USA,3 über die sowjetischen Abrüstungsvorschläge4 und vor allem über den erfolgreichen Start von Lunik II.5 Größtenteils unter diesem Aspekt der Entspannung und des friedlichen Aufbaus wuchs aber auch die Zahl der positiven Diskussionen, die sich mit dem Siebenjahrplan6 und den damit zusammenhängenden Problemen und besonders mit dem 10. Jahrestag der DDR beschäftigten. In den meisten Diskussionen wurden dabei die in der Vergangenheit errungenen Erfolge gewürdigt und die große Perspektive in der DDR anerkannt. Neben den positiven Diskussionen waren eine große Anzahl von realisierten und neuen Verpflichtungen, von sehr guter Ausschmückung und anderer Propagierung des 10. Jahrestages Ausdruck des Vertrauens zur Politik der Partei und Regierung der DDR.

Diese überwiegend positive Stimmung fand ihren Höhepunkt durch die besonders gute und begeisternde Beteiligung an den Kundgebungen und anderen Veranstaltungen am 7.10.1959 selbst. In den meisten Fällen übertrafen die Beteiligung und die Aufgeschlossenheit der Bevölkerung alle ähnlichen Feiern, Kundgebungen und Demonstrationen der Vergangenheit. Besonders erwähnenswert ist, dass dazu alle Bevölkerungskreise beitrugen, auch solche, die vorher eine reservierte bzw. betont abwartende oder vereinzelt auch negative Haltung einnahmen. So wurden zahlreiche Beispiele bekannt, wo Angehörige des Mittelstandes, der Intelligenz, kleinbürgerlicher Parteien usw. aktiv an der Vorbereitung und auch am 7.10.1959 selbst teilnahmen und durch positive Diskussionen in Erscheinung traten. (Personen, die sonst nie flaggten, kauften sich eine Fahne mit neuem Emblem7 usw.)

Als einzige Ausnahme bei der guten Beteiligung aller Bevölkerungsschichten konnte in verschiedenen Kreisen und Gemeinden fast aller Bezirke festgestellt werden, dass jedoch ein Teil der Einzelbauern sehr schlecht bzw. gar nicht an Veranstaltungen teilnahm. Ein großer Teil von diesen arbeitete am 7.10.1959 auf dem Feld. Demgegenüber traten unklare, negative oder direkt feindliche Äußerungen nur in verhältnismäßig geringem Umfange auf. Außer den direkt feindlichen und mitunter hetzerischen Äußerungen gab es dabei auch solche Auffassungen, die verrieten, dass man die Vorbereitung und Durchführung des 10. Jahrestages als übertrieben hinstellt und die großen Erfolge seit der Existenz der DDR als Selbstverständlichkeit betrachtet.

Bei dem anderen und größten Teil der negativen Stimmen ist es ebenfalls erforderlich, auf einige schon längere Zeit vor dem Jahrestag bestehende Erscheinungen hinzuweisen, die in großem Maße einmal Ursache oder unmittelbarer Anlass verschiedener Missstimmungen und Unzufriedenheit waren, die aber zum anderen auch von feindlichen Elementen zur Hetze gegen die DDR und zur Verherrlichung des Westens ausgenutzt wurden. So kam es in allen Bezirken der DDR zu Versorgungsschwierigkeiten, vorwiegend bei verschiedenen Lebensmitteln wie Butter, Sahne, Käse, aber auch bei Gemüse, Obst und vereinzelt auch bei Fleisch und anderen Nahrungsmitteln. Diese Schwierigkeiten waren örtlich verschieden und mehr oder weniger ernsthaft und konnten in den meisten Fällen bis zum 7.10.1959 behoben werden. Trotzdem riefen sie in allen Bezirken Verärgerung und negative Diskussionen hervor, die besonders in den Betrieben bis zu Äußerungen wie »… wir müssen wohl erst wieder mal streiken …« führten. In einzelnen Betrieben entstand beim Eintreffen von Butter für zigtausend DM8 Produktionsausfall, weil sich die Arbeiter nach Butter anstellten.

In diesem Zusammenhang ist typisch, wie feindliche Kräfte diese Situation ausnutzten. So wurde in Auerbach, Seeligstadt und Oberschlema, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, und in verschiedenen Orten des Bezirkes Dresden die Hetzlosung »Keine Butter, keine Sahne, aber auf dem Mond die rote Fahne!« verbreitet und zahlreiche andere abfällige und verleumderische Äußerungen gemacht, um damit den Nachweis zu erbringen, dass die DDR (aufgrund der Versorgungslage) ja gar keine Veranlassung hätte, den 10. Jahrestag zu feiern. Dabei wurden Gegenüberstellungen mit Westdeutschland benutzt, Westdeutschland verherrlicht und Zweifel an der Richtigkeit der Politik in der DDR – besonders an der ökonomischen Hauptaufgabe – geäußert. Außerdem wurden zahlreiche Gerüchte verbreitet:

  • dass in Zukunft Butter, Zucker und andere Lebensmittel wieder rationiert würden,

  • dass wegen der anhaltenden Trockenheit das Vieh in großen Mengen abgeschlachtet werden müsse.

Auf der gleichen Linie liegen eine große Anzahl von in allen Bezirken auftretenden Gerüchten, in denen auf eine große Preissenkung spekuliert wurde. Diese Vermutungen erstreckten sich auf fast alle Lebensmittel und Gebrauchsgüter einschließlich Kraftfahrzeuge. In diesem Zusammenhang wurde oft erklärt, dass die bereits durchgeführte Preissenkung für Weine und Kaffee (welcher minderwertiger sei) weniger wichtig gewesen wäre, wenn sie auch von der Mehrzahl begrüßt wurde. Außer diesen sich konkret auf die Versorgungslage beziehenden Gerüchten wurde noch eine Vielzahl anderer Gerüchte und Vermutungen in Umlauf gesetzt, die aber – bis auf die Spekulation einer zu erwartenden Rentenerhöhung – nicht diesen Umfang annahmen. Zum Beispiel:

  • dass in der DDR bald eine Geldentwertung vorgenommen würde,

  • dass die Staatsgrenze West geöffnet werde,

  • dass Verwandte aus Westdeutschland ohne Aufenthaltsgenehmigung einen Tag in der DDR zu Besuchen verbringen dürften,

  • dass zum 10. Jahrestag eine Amnestie käme,

  • dass von den Freunden das Sperrgebiet in Karlshorst übergeben würde,9

  • dass Kommissionen eingesetzt seien, die die Ausschmückung der privaten Häuser und Geschäfte kontrollieren würden und das Ergebnis bei eventuellen Anträgen auf PM 12a usw. mit entscheidend sei,10

  • dass am 6.10.1959 alle Betriebe um 12.00 Uhr bzw. 14.00 Uhr Arbeitsschluss hätten,

  • dass alle zwischen dem 1. und 7.10. geborenen Personen vom Staat ein Geschenk erhielten,

  • dass in Berlin die Zugführer streiken würden und

  • dass in den Leuna-Werken die »Fernseher« streiken wollten, weil sie keine Westsender mehr empfangen könnten.

Gegenstand weiterer negativer Diskussionen war die Vereidigung der Kampfgruppen,11 die neue Staatsflagge (wo man als hauptsächlichstes Argument anführte, dass die DDR dadurch die Spaltung Deutschlands vertiefe) und verschiedene Lohn- und Prämienfragen, die aber alle keinen so großen Umfang annahmen, wie es beispielsweise bei den Versorgungsschwierigkeiten der Fall war.

So gab es unter den Kampfgruppenmitgliedern in allen Bezirken vereinzelt Unklarheiten über das anlässlich des 10. Jahrestages der DDR abzulegende Gelöbnis.12 Die ungenügende Vorbereitung und ideologische Aufklärung der Kämpfer zeigte sich neben negativen Diskussionen auch in solchen Erscheinungen, dass einzelne Kampfgruppenmitglieder die Teilnahme an der Vereidigung ablehnten bzw. sich ihr durch einen Vorwand zu entziehen suchten. Oftmals wurde auch an dem Teil der Verpflichtung Anstoß genommen, der besagt, dass die Kämpfer geloben, die DDR unter Einsatz des Lebens zu schützen. In Einzelfällen kam es auch dazu, dass Mitglieder unter Angabe belangloser Gründe eine weitere Mitarbeit in der Kampfgruppe ablehnten. Bei den unklaren oder ablehnenden Diskussionen traten in der Hauptsache folgende Argumente auf:

  • »Wir sind schon öfters aufs Vaterland vereidigt worden und haben davon die Nase voll«.

  • »Ich gehöre zum Jahrgang 1922. In Westdeutschland wendet sich der Jahrgang 22 entschieden gegen eine militärische Ausbildung und ich wende mich auch hier dagegen«.

  • »Wenn ich das Gelöbnis ablege, unterstehe ich dem Militärgesetz und bin kein freier Mensch mehr«.

  • »Die Kampfgruppen nehmen immer mehr den Charakter von Partisanenverbänden an«.

  • »Müssen wir unter diesen Bedingungen (nach Abgabe des Gelöbnisses) im Falle kriegerischer Auseinandersetzungen auf unsere Brüder und Schwestern schießen«?

  • »Ist es nach den Vorschlägen des Genossen Chruschtschow vor der UNO noch nötig, Kampfgruppen bestehen zu lassen, da in Kürze sowieso die Militäreinheiten aufgelöst werden?«

  • »Ein solches Gelöbnis ist unnötig, denn die DDR arbeitet damit dem vorgeschlagenen Abrüstungsplan entgegen«.

Darüber hinaus gab es vereinzelt solche Diskussionen, in den Kampfgruppen kein Gewehr mehr anzufassen, da sie an Frau und Kinder denken müssten. In Einzelfällen gab es auch solche Meinungen, dass sie Angst hätten zur Verantwortung gezogen zu werden, »falls es einmal anders käme«.

In Lohn- und Prämienfragen gab es besonders seit der Erhöhung der Löhne und Gehälter für verschiedene Industriezweige und Berufsgruppen in größerem Umfange Diskussionen, die im Einzelnen verschiedene Ursachen haben und aufgrund der Vielfältigkeit nicht verallgemeinert werden können. Dabei wurden teilweise berechtigt aufgeworfene Lohnfragen von feindlichen Elementen als Unruheherd geschürt und zu provokatorischen Forderungen ausgenutzt. Verstärkt traten solche Erscheinungen unmittelbar vor dem 10. Jahrestag der DDR auf, wobei es teilweise zu Arbeitsniederlegungen oder zur Androhung von Arbeitsniederlegungen kam.

Umfangreiche Diskussionen zu Lohnfragen gab es insbesondere bei fast allen Dienststellen der Deutschen Reichsbahn, wo mit dem 10. Jahrestag der DDR Spekulationen über lohnerhöhende Maßnahmen verbunden wurden. Diese Diskussionen und Spekulationen wurden nicht zuletzt durch Äußerungen und Versprechungen leitender Funktionäre der Reichsbahn hervorgerufen bzw. begünstigt.

In der Industrie war ebenfalls vor dem 10. Jahrestag eine Zunahme an Lohndiskussionen zu verzeichnen, wobei direkte provokatorische Forderungen nur in Einzelfällen festgestellt wurden. Die Ursachen der Lohndiskussionen waren verschiedener Art, aber in den meisten Fällen darauf zurückzuführen, dass die Betreffenden sich gleichen oder ähnlichen Berufsgruppen gegenüber durch die Lohnerhöhung in anderen Industriezweigen benachteiligt fühlten. Diese Tatsache wird auch durch die Spekulationen dieser Arbeiter bestätigt, wonach von verschiedenen Berufsgruppen, die bisher keine Lohnerhöhung erhielten, mit Verbesserungen im Lohngefüge anlässlich des 10. Jahrestages gerechnet wurde.

Zu Forderungen mit provokatorischen Streikandrohungen bzw. zu Arbeitsniederlegungen kam es u. a. im VEB WEMA Aschersleben, [Bezirk] Halle,13 im halbstaatlichen Betrieb Plauener Baumwollspinnerei Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, (14 Arbeiterinnen),14 [im] VEB Bau-Union Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O., (eine Gleisbaubrigade drei Mann),15 im VEB Rotstern Saalfeld, [Bezirk] Halle (30 Arbeiterinnen).16 In allen Fällen wurden mit den Arbeitern Aussprachen geführt, in denen die aufgeworfenen Fragen geklärt werden konnten und die Arbeit wieder aufgenommen wurde. Größere Auswirkungen traten nicht ein. Bei der Aussprache mit den Arbeitern im VEB WEMA Aschersleben distanzierten sich diese von dem als Rädelsführer auftretenden Provokateur, sodass dieser festgenommen werden konnte.

Zur Verärgerung kam es im VEB Kreisbaubetrieb Neuhaus, [Bezirk] Suhl, wo anlässlich des 10. Jahrestages eine Mitteilung erfolgte, in der es unter anderem hieß: »Diejenigen Arbeitskollegen, die am 7.10.1959 nicht zur Demonstration erscheinen, haben keinen Anspruch auf Bezahlung dieses Feiertages.« Die Arbeiter äußerten dazu, dass dies doch ein gesetzlicher Feiertag sei und bezahlt werden müsse.

Andere Diskussionen zu Lohnfragen hatten vielseitige Ursachen, nahmen aber keinen größeren Umfang bzw. besonders ernsten Charakter an.

Zu Prämienauszahlungen anlässlich des 10. Jahrestages der DDR gab es in einer Reihe von Betrieben negative Diskussionen, die sich vor allem auf die Vorschläge zur Auszeichnung bzw. auf die Höhe der Prämie bezogen. In mehreren Fällen kam es dabei zu solchen Diskussionen, dass die Prämien »von oben bestimmt« würden, bzw. dass durch die Prämienzahlungen nur Unstimmigkeiten verbreitet wurden. Von einem großen Teil der Arbeiter wurde Kritik an der Aufschlüsselung der Prämiensummen geübt und der krassen Differenzierung wenig Verständnis entgegengebracht. In diesem Zusammenhang wurde vor allem bemängelt, dass die Angestellten entsprechend hohe Prämien erhielten und die Leitungsmitglieder bevorzugt wurden, während die Arbeiter, die die Pläne erfüllen, mit nur einem geringen Prämienanteil bedacht wurden. Diese Art der Prämienverteilung führte bei einigen dazu, dass sie ihre Prämie zurückwiesen bzw. äußerten, in Zukunft nicht mehr so viel zu arbeiten.

Ähnliche Meinungen gab es im geringen Umfange auch bei solchen Arbeitern, und Angestellten, die keine Prämie erhielten. In Einzelfällen führten die Ablehnung bzw. Verteilung der Prämien auch zu zeitweiligen Arbeitsniederlegungen. Zum Beispiel nahmen einige Traktoristen der 6. Brigade der MTS Guteborn, [Bezirk] Cottbus, am Vormittag des 8.10.1959 ihre Arbeit nicht auf, dass sie angeblich mit der Prämienverteilung in der MTS nicht einverstanden waren.17 In der LPG Hackelberg, [Bezirk] Frankfurt/O.,18 verweigerte der Genossenschaftsbauer [Name 2] die Arbeit. [Name 2] äußerte, dass durch seinen Anschluss an die Bewegung »Pro Kuh pro Tag ein Liter mehr Milch«, der LPG einen Nutzen von 13 000 DM gebracht habe und deshalb zur Auszeichnung vorgesehen war. Da diese nicht erfolgte, wollte er durch die Arbeitsverweigerung seine Unzufriedenheit ausdrücken. Im VEB Lederwerk Neustadt-Glewe, [Bezirk] Schwerin,19 brachten einige Arbeiter zum Ausdruck, dass sie in Zukunft nicht mehr so viel arbeiten wollen, da sie ja sowieso keine Prämien erhalten. Arbeiter aus der Gerberei äußerten: »Wir arbeiten nur noch so viel, dass wir unser Geld am Tage haben und dann ist Feierabend.« Im VEB Zellstoff- und Zellwollewerk Wittenberge, [Bezirk] Schwerin,20 gab es Unzufriedenheit über die Verteilung der Prämien. Nachdem die Arbeiter erfuhren, dass der Werkleiter 2 000 DM Prämie bekam und fast alle Arbeiter der Bleilöterei keine Prämien erhielten, kam es zu solchen Diskussionen wie: »Wir decken den Tisch und andere essen« oder »Die sind heute nicht anders wie die früher. Je mehr Pläne wir erfüllen, je weniger bekommen wir.« Im Bahnhof Quedlinburg, [Bezirk] Magdeburg, gaben drei Rangiermeister ihre Prämie zurück, weil ein anderer Rangiermeister 25,00 DM mehr erhielt als sie.

Andererseits wurden vereinzelt Tendenzen der Gleichmacherei bekannt, wo von den Arbeitern die Meinung vertreten wurde, dass alle Belegschaftsangehörigen ausgezeichnet werden müssten. Demgegenüber wurde von einigen Arbeitern der Fa. Knobloch Apolda, [Bezirk] Erfurt,21 die Meinung vertreten, »man soll endlich damit aufhören Prämien zu zahlen. Wenn genügend Geld vorhanden ist, soll man lieber die Löhne aufbessern. Damit wäre den Arbeitern geholfen und vielen bliebe der Ärger erspart.«

Mitunter führte aber auch das Verhalten von Staatsfunktionären zu Missfallensäußerungen der Bevölkerung. Zum Beispiel beteiligten sich in Königs Wusterhausen, [Bezirk] Potsdam, die Staatsfunktionäre nicht an der Demonstration, weil sie sich noch in der Festsitzung befanden. In Bülow, [Kreis] Gadebusch, [Bezirk] Potsdam,22 erschien der Bürgermeister nicht nur verspätet zur Festsitzung, sondern war auch total betrunken. Aber auch diese Erscheinungen hatten keinen großen Umfang.

Vereinzelt waren während der Vorbereitungszeit und auch zu den Feierlichkeiten selbst verschiedene organisatorische Mängel wie ungenügende Vorbereitung von Versammlungen und Veranstaltungen, defekte Lautsprecheranlagen und ähnliche Erscheinungen Anlass zeitweiliger Missfallensäußerungen unter der Bevölkerung, die aber die allgemeine positive Atmosphäre nicht ernsthaft beeinträchtigten.

Um den vielfältigen Charakter dieser Dinge zu zeigen, seien hier nur zwei Beispiele angeführt: In der Gemeinde Unterrißdorf, [Kreis] Eisleben, wurde für die Ansprache auf der Kundgebung bzw. Demonstration der selbstständige Malermeister [Name 3] (Mitglied der SED) bestimmt. Der Bevölkerung ist über [Name 3] bekannt, dass er in der Nazizeit keine gute Rolle gespielt hat, weshalb sie sich entrüstete, dass ausgerechnet dieser Mensch das Referat zum 10. Jahrestag der DDR hält. [Name 3] sprach ohne Vorlage und führte u. a. aus: »Wir feiern heute den 10. Jahrestag der Deutschen Republikanischen Republik … Die Umsiedler wurden aus den Ostgebieten, ihrer ersten Heimat, vertrieben … Wir haben bisher immer für Deutschland gestanden, wenn es gerufen hat und werden es auch weiter tun …« Es konnte beobachtet werden, dass seine Ausführungen bei ehemaligen aktiven NSDAP-Mitgliedern sichtbare Zustimmung fanden. In Eggesin, [Kreis] Ueckermünde, verkaufte man an Kinder als »Eintritt für das Volksfest« Ansteckblumen für DM 1,00, um damit die Unkosten zu decken. Die Reaktion darauf waren Äußerungen der Bevölkerung wie: »Dies soll der 10. Jahrestag sein und wir sollen dafür noch Eintritt bezahlen.« »Woanders gibt es das auch nicht – wir gehen einfach nicht hin.«

Ein größeres Ausmaß nahmen jedoch die Versuche der Kirche an, (besonders der evangelischen Kirche) bereits in der Vorbereitungszeit zu stören. Die reaktionären Kreise der evangelischen Kirche der DDR richteten z. B. ihre Störaktionen besonders darauf aus, Christen und Geistliche abzuhalten, durch die Teilnahme an den Veranstaltungen, durch Ausschmücken ihrer Gebäude oder durch persönliche Erklärungen ein Treuebekenntnis zur DDR abzulegen. Der Rat der evangelischen Kirchenleitung Magdeburg z. B. versandte an alle Pfarrer ein vom Propst Fleischhack23 und dem Angestellten [Name 1]24 unterzeichnetes Schreiben, in dem die Geistlichen aufgefordert wurden, sich nicht an den politischen Feierlichkeiten anlässlich des 10. Jahrestages zu beteiligen und auch keine mündlichen Äußerungen für diese Feierlichkeiten gegenüber der Presse abzugeben. Eine gleiche Aufforderung erging an die Pfarrer bereits während eines Sonderkonvents am 23.9.1959 im evangelischen Kirchenamt Halle.

Demselben Ziel dienten auch die in zahlreichen Fällen besonders aus den Bezirken Neubrandenburg, Frankfurt/O., Potsdam und Berlin bekannt gewordenen Beispiele, kirchliche Veranstaltungen zu Zeitpunkten anzusetzen und durchzuführen, zu denen Feierlichkeiten zu Ehren des 10. Jahrestages geplant waren und stattfanden. Dabei wurden durch die reaktionären Kreise der Kirche Forderungen an die staatlichen Stellen erhoben, wie z. B. im Kreis Beeskow, [Bezirk] Frankfurt/O., die geplanten Veranstaltungen zugunsten der Gottesdienste zum Erntedankfest auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen. Diese Erntedankgottesdienste wurden verschiedentlich zur Diffamierung der DDR benutzt, indem u. a. eine Geld- und Gabensammlung »für die hungernden Kinder« durchgeführt wurde. Dafür warben entsprechende Bildplakate in den Schaukästen der Kirche. In Biegen, [Kreis] Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., stand unter einem solchen Plakat geschrieben: »Wir geben unsere Gaben für das Stöckerheim in Frankfurt/O.«25

Diese feindliche Haltung reaktionärer Kirchenkreise gegenüber der DDR fand schließlich auch Ausdruck im offenen provokatorischen Auftreten einzelner ihrer Mitglieder. In Wutike, [Kreis] Kyritz, [Bezirk] Potsdam, z. B. betrat nach Abschluss der Kundgebung am 7.10.1959 die Krankenschwester [Name 4] die Rednertribüne und erklärte: »Nachdem der Staatsakt beendet ist, kommen wir zum kirchlichen Teil und singen gemeinsam »Nun danket alle Gott«.« Ein Teil der Anwesenden sang das Lied mit.

Am 5.10.1959 wurde der ehemalige Universitätsprofessor Dr. der Philosophie und jetzige Pfarrer Ottomar Wichmann,26 wohnhaft in Wedlitz, [Kreis] Bernburg, [Bezirk] Halle, durch einen Bürger gestellt, als er selbstgefertigte Hetzzettel, deren Inhalt sich gegen den Genossen W. Ulbricht27 richtete, anbringen wollte. Bei der Zuführung zum VPKA ergriff W. die Flucht. W. war bis 1945 als Professor und Dr. der Philosophie an der Universität Halle tätig. 1948 erhielt er von Dibelius28 die »freie Wortverkündung« und ist seitdem als Pfarrer, zuletzt in Wedlitz, tätig. W. ist seit seiner Flucht noch nicht wieder gesehen worden. Nach ihm wird noch gefahndet. Es wird angenommen, dass sich W. immer noch im Gebiet der DDR aufhält. Sein DPA29 und sein Fahrrad befinden sich bei der VP.

Neben den erwähnten feindlichen Diskussionen und Gerüchten wurden vom Gegner hauptsächlich noch folgende Methoden der gegen den 10. Jahrestag der Gründung der DDR gerichteten Feindtätigkeit angewandt:

  • verstärkte Grenzprovokationen

  • terroristische Handlungen und feindliches Auftreten jugendlicher Banden

  • Anschmieren von Hetzlosungen

  • Verbreiten selbstangefertigter Hetzschriften

  • Abreißen und Beschädigen von Fahnen, Transparenten, Plakaten usw.

  • Anonyme und offene Hetze

  • Auslegen von durch Ballon eingeschleuste Hetzflugblättern.

Grenzprovokationen:

Die Gesamtheit aller während der Vorbereitungszeit des 10. Jahrestages und am 7.10.1959 selbst von westlicher Seite inszenierten Grenzprovokationen bestätigen nachdrücklichst sowohl ihren Umfang als auch ihrer Methoden nach die bereits in unserem Bericht Nr. 705/59 vom 2.10.1959 signalisierten Pläne des Gegners, besonders in den Grenzgebieten die Feindtätigkeit unter größerer Einbeziehung der Bevölkerung zu aktivieren.30 Neben den schon bisher praktizierten Methoden, durch Hetze, Beschimpfung, Aufforderung zum Überschreiten der Grenze, Beschädigen und Zerstören von Grenzsicherungseinrichtungen der DDR zu provozieren und besonders das Verhalten der DGP in solchen Fällen zu prüfen und für die »Haltet den Dieb«-Methode auszunutzen, wurden auch eine Reihe neuer Methoden bekannt. So wurde in mehreren Fällen versucht,

  • durch Brandstiftung unmittelbar am 10-m-Kontrollstreifen,31 Grenzsicherungsanlagen zu zerstören,

  • durch Kinder Angehörige der DGP provozieren zu lassen und

  • durch verstärkte Kontrollen und Gerüchteverbreitung Unsicherheit im West-Ost-Verkehr hervorzurufen.

Offensichtlich soll damit aber auch gleichzeitig das von der Bonner Regierung gewünschte »Grenzbewusstsein« der Bevölkerung in den westdeutschen Grenzkreisen geschaffen werden.

Im Verlaufe der Aktion »Friedensfest« wurden insgesamt ca. 50 Grenzprovokationen bekannt, die entlang der gesamten Staatsgrenze, vorwiegend aber in den Bezirken Erfurt und Magdeburg verübt wurden. Außerdem wurden am 7.10.1959 eine Reihe sogenannter Mahnfeuer abgebrannt und andere Hetzveranstaltungen im Rahmen der von der CDU organisierten »Gesamtdeutschen Woche« durchgeführt. Neben den besonders starken Kontroll- und Sicherungsmaßnahmen durch den westdeutschen Zoll und BGS – u. a. wurden örtlich auch solche kleinen Straßen und Wege kontrolliert und mit Funkstreifen versehen, bei denen das sonst nie der Fall war – wurde auf westdeutschem Gebiet, besonders vor den Grenzübergängen Büchen-Schwanheide, das Gerücht verbreitet, dass die DDR diese Übergänge schließen würde.

Nachfolgend einige Beispiele der typischsten und krassen Grenzprovokationen: Bei Wendehausen Bezirk Erfurt wurden von westdeutschen Jugendlichen im Alter von 12 bis 16 Jahren mit Benzin gefüllte Flaschen angebrannt und in die Grenzsperren geworfen. Am 5.10.1959, gegen 16.15 Uhr, wurde von sechs westdeutschen Kindern am Kontrollpunkt Wendehausen an der Straße nach Treffurt, [Kreis] Eisenach, ein Feuer entfacht. Als das Feuer von unserem DGP-Posten gelöscht wurde, flüchteten die Kinder, kehrten aber nach kurzer Zeit zurück und wurden gegen 17.00 Uhr von erwachsenen Personen aus Westdeutschland zurückgeholt. In der Nähe von Jützenbach, Kreis Worbis und Frauenthal, [Kreis] Nordhausen,32 wurden jeweils sieben Grenzpfähle und der Stacheldraht umgerissen. Am 2.10.1959, gegen 10.30 Uhr, erschien am Schlagbaum Gotten/Gotthard ein Mannschaftstransportwagen des Bundesgrenzschutzes mit zehn amerikanischen Soldaten. Sie beobachteten das Gebiet der DDR und provozierten die Posten der Deutschen Grenzpolizei mit den Worten: »Posten kommt heraus. Ihr braucht nicht militärische Wachsamkeit durchzuführen, wir sind alles nur Deutsche. Lasst Euch fotografieren. Ihr habt die Chance in einer westdeutschen Zeitung zu erscheinen. Ihr könnt Filmstars werden, kommt heraus. Wir brauchen Nachwuchs, kommt heraus, Ihr bekommt westdeutsche Bonbons«.

Während der Aktion »Friedensfest« wurde auch eine beachtliche Anzahl terroristischer Handlungen gegen Funktionäre der Partei und Massenorganisationen, Bürgermeister, Angehörige der VP u. a. Personen des öffentlichen Lebens bekannt, was zusammen mit der Gleichartigkeit und Brutalität einzelner Überfälle ganzer Gruppen auf Mitglieder und Funktionäre der LPG sowie die Tatsache, dass in diesen Fällen die Täter nicht wie in anderen Beispielen im Zustand der Trunkenheit handelten, darauf hinweist, dass der Gegner mit der weiteren erfolgreichen sozialistischen Umgestaltung in der Landwirtschaft auch zum Mittel des individuellen Terrors greift. So wurde z. B. am 5.10.1959 das LPG-Mitglied [Name 5, Vorname] aus Weimar, Höhe Weimar-Siedlersfreud von fünf männlichen Personen überfallen, zusammengeschlagen, 2 km mitgeschleppt und in eine 1,50 m tiefe Grube gestoßen. Als sie ihn anschließend in der Ilm ertränken wollten, wurden sie durch einen Motorradfahrer gestört. Die Verbrecher wurden festgenommen und eine Überprüfung durch die BV Erfurt eingeleitet, da es sich vermutlich um eine organisierte Gruppe handelt. Im Bezirk Karl-Marx-Stadt wurde am 8.10.1959, gegen 19.00 Uhr, auf der Landstraße Grußbach33-Lindenau am Ortseingang von Lindenau, die Ehefrau des LPG-Vorsitzenden der LPG »Glück auf« in Schneeberg, [Name 6, Vorname], durch zwei unbekannte männliche Personen angefallen. Einer der Täter ergriff die [Name 6] vorn am Mantel und leuchtete ihr mit einer Taschenlampe in das Gesicht, während der 2. Täter von hinten mit der Faust auf den Kopf schlug. Dabei drohte er: »So, du Kommunistensau, jetzt bist du dran und anschließend dein Mann.« Durch ein entgegenkommendes Kraftfahrzeug wurden die Täter gestört und konnten unerkannt in dem zu beiden Seiten der Straße befindlichen Feld entkommen. Die [Name 6] ist Kandidat der SED und Gemeindevertreter.

Beachtenswert im Zusammenhang mit den Grenzprovokationen des Gegners und den terroristischen Handlungen während der Tage der Feierlichkeiten zum 10. Jahrestag ist das Auftreten organisierter Banden Jugendlicher, besonders im Bezirk Erfurt als Grenzbezirk. So beabsichtigte am 3.10.1959 eine größere Gruppe Jugendlicher der sogenannten »Presley« – Bande in Erfurt mit der Reichsbahn nach Eisenach zu fahren, um auf dem dortigen Volksfest Störaktionen zu unternehmen.34 Ferner beabsichtigten diese Jugendlichen in der Nacht vom 5.10.1959 illegal die Staatsgrenze zu überschreiten und bei den westdeutschen Behörden als Grund ihrer Republikflucht anzugeben, dass sie anlässlich des 10. Jahrestages der DDR gezwungen werden sollten, der NVA beizutreten. Zwölf Jugendliche, die die Absicht hatten nach Eisenach zu fahren und dort zu provozieren, wurden am 3.10.1959 festgenommen. In Bad Berka zog eine Gruppe von 13 Jugendlichen aus Weimar gemeinsam mit fünf Jugendlichen aus Bad Berka, [Bezirk] Erfurt, auf dem dortigen Marktplatz eine Rock’n’Roll-Veranstaltung auf. Um die dort dadurch entstandene Ansammlung Jugendlicher aufzulösen, musste das Schnellkommando des VPKA eingesetzt werden. Vier dieser Jugendlichen werden bereits einige Zeit schon operativ bearbeitet. In den Morgenstunden des 4.10.1959 wurde in Erfurt ein Leutnant der BDVP Erfurt von mehreren Jugendlichen angegriffen, mit Totschlagen bedroht und mit einem Messer niedergestochen. Die Jugendlichen hatten zuvor die Ehefrau des Offiziers belästigt, woraufhin dieser sich als Angehöriger der VP auswies und die Personalausweise der vier Hauptsprecher verlangte. Fünf Täter wurden festgenommen.

Bei den übrigen feindlichen Delikten haben sich besonders das Anschmieren von Hetzlosungen, die anonyme Hetze und das Abreißen von Fahnen verstärkt, was auch durch einen Vergleich mit anderen ähnlichen Anlässen (z. B. 1. und 8. Mai 1959) ersichtlich ist. Bei den vielen Fällen des Beschädigens und Abreißens von Fahnen muss man zwar sehen, dass gerade die Ausschmückung mit Fahnen zahlreicher war, doch darf man diese Tatsache für das Ansteigen keinesfalls überbewerten.

Der Inhalt der Hetzlosungen, der offenen Hetze und selbstangefertigten Flugblätter richtet sich in erster Linie gegen Partei und Regierung, insbesondere gegen den Genossen Walter Ulbricht und in vielen Fällen ist die bereits seit längerer Zeit festgestellte faschistische Tendenz dieser Hetze auch in der Feindtätigkeit gegen den 10. Jahrestag der DDR deutlich erkennbar.

Zum Beispiel trugen von insgesamt 125 während der Aktion »Friedensfest« bekannt gewordenen Hetzlosungen und Schmierereien 60 % faschistischen Charakter.

30 % aller Losungen und Schmierereien richteten sich gegen Partei und Regierung und deren Funktionäre, 6 % beinhalteten Hetze gegen die Sowjetunion und die LPG, die Forderung nach »Freiheit« wurde in fünf Losungen erhoben. Den größten Anteil haben die Bezirke Leipzig (17 %), Berlin (15 %), Halle (13 %) und Neubrandenburg (12 %). 34 % aller Hetzlosungen und Schmierereien wurden in Betrieben festgestellt, 66 % in öffentlichen Straßen, Gebäuden usw. Einige Beispiele: Am 3.10.1959 wurde auf dem S-Bahnhof Königs Wusterhausen in einem S-Bahn-Wagen fünf geklebte Hetzlosungen gegen den Gen. Walter Ulbricht und andere Partei- und Staatsfunktionäre festgestellt. In der Gemeinde Leisnig, Kreis Döbeln, [Bezirk] Leipzig, wurden am 7.10.1959 elf Hetzlosungen in Blockschrift mit verschiedenen Farbstiften an Häuserwänden angebracht. Zu bemerken ist, dass im Bekanntmachungskasten der »Jungen Gemeinde«35 in Leipzig die Beschriftung der Aushänge dieselben Farbtöne aufweist, wie die Hetzlosungen. Der Inhalt der Hetzlosungen richtet sich gegen die Politik der Partei und Regierung.

Selbstgefertigte Hetzschriften wurden in der Berichtszeit 62 sichergestellt, davon 56 allein im Bezirk Halle. Die sichergestellten Hetzschriften beinhalten in 46 Exemplaren Hetze gegen Partei und Regierung, in 13 Exemplaren wurde direkt gegen den 10. Jahrestag gehetzt und in drei Fällen wurden Lohnforderungen gestellt. Hierzu ein Beispiel aus dem Bezirk Halle: In der Zeit vom 5. bis 8.10.1959 wurden in der Stadt Querfurt 44 mit Handdruckkasten gefertigte Hetzschriften gefunden. Der Inhalt richtete sich gegen Partei und Regierung.

Das Abreißen und Beschädigen von Fahnen, Transparenten, Plakaten usw. wurde in 550 Fällen bekannt, davon

  • 335 Fahnen,

  • 184 Transparente und Plakate,

  • 22 Bilder,

  • 9 Wandzeitungen und Schaukästen.

Über die Hälfte der Täter waren Jugendliche und der größte Teil aller Täter war betrunken. 42 Personen wurden durch die Volkspolizei inhaftiert. Schwerpunkt ist der Bezirk Berlin (112). Dann folgen die Bezirke Halle (60), Magdeburg (47), Schwerin (47), Leipzig (44), Erfurt (44) und Neubrandenburg (41). Ein besonders krasses Beispiel wurde aus dem Bezirk Schwerin bekannt. In der Gemeinde Legde, [Kreis] Perleberg, wurden von 50 angebrachten Plakaten 20 beschädigt bzw. ganz abgerissen.

Anonyme Hetze und Versuche der Desorganisation:

Insgesamt wurden in der Berichtszeit 14 anonyme Briefe und neun anonyme Anrufe bekannt. In zwölf Fällen beinhalteten diese anonymen Briefe und Anrufe Hetze gegen Partei und Regierung und deren Funktionäre, in sechs Fällen anonyme Versuche der Desorganisation und in fünf Fällen wurde direkt gegen den 10. Jahrestag und die Versorgung mit Butter gehetzt. Schwerpunkte sind die Bezirke Halle (6), Dresden (4) und Rostock (4). Zum Beispiel erhielt der Kreisvorstand des DFD in Querfurt, [Bezirk] Halle, einen anonymen Brief mit Hetze gegen den Gen. W. Ulbricht. Das Druckgaswerk des VEB Meßgerätewerkes Quedlinburg, [Bezirk] Halle,36 und der Pförtner des Rates der Stadt Blankenhain, [Bezirk] Erfurt, erhielten je einen anonymen Anruf, mit der Aufforderung, mittels der Sirene Feueralarm auszulösen, da es brennen würde.

Die offenen feindlichen Äußerungen sind im Vergleich zu ähnlichen Anlässen nicht angestiegen. Es wurden 20 derartige Vorkommnisse bekannt, davon zwölf Hetze gegen Partei und Regierung, vier faschistische Hetze (Singen faschistischer Lieder) und vier gegen Angehörige der NVA und der Volkspolizei gerichtete Hetze. Der größte Teil der Täter waren Jugendliche und Arbeiter. Neun Personen wurden durch die VP inhaftiert. Während der Übertragung der Rede des Gen. Ulbricht vor der Volkskammer37 wurde z. B. von einem Arbeiter im VEB Sägewerk Weimar, [Bezirk] Erfurt,38 geäußert: »Was will denn der Ziegenbart, stellt den doch ab.« Daraufhin wurde auch abgeschaltet. Vier Jugendliche aus Mühlhausen, [Bezirk] Erfurt, beschimpften einen Genossen mit: »SED – Ihr Lumpen, habt die längste Zeit da oben gesessen.«

Insgesamt wurden 130 durch Ballon eingeschleuste Hetzschriften in Straßen und Häusern ausgelegt. Allein im Bezirk Erfurt wurden 127 Hetzschriften gefunden. Alle Hetzschriften stammen von der ZOPE.39

Außer den erwähnten feindlichen Handlungen gibt es noch andere ähnliche Erscheinungsformen der Feindtätigkeit, die aber sehr gering sind. Zum Beispiel: Im Kreis Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg, an der Wegstrecke nach Kandelin wurde am 7.10.1959 eine selbstgefertigte Hakenkreuzfahne an einer Birke angebracht. In Wittenberg, [Bezirk] Halle, wurde auf einer unter Denkmalschutz stehenden Windmühle durch noch unbekannte Täter eine dunkelgrüne Fahne (altes Tischtuch) gehisst, die mit einem weißen Totenkopf und zwei gekreuzten Knochen beschmiert war.

Die gegnerische Tätigkeit kommt aber auch in der während der Aktion »Friedensfest« bekannt gewordenen hohen Zahl von 37 Bränden und 23 Havarien zum Ausdruck, welche allein durch vorsätzliches Handeln entstanden sind bzw. wo vorsätzliche Handlungsweise vermutet wird. Von den 37 Bränden entfallen zwölf mit ca. 725 000 DM Schaden auf den sozialistischen Sektor, acht mit ca. 75 800 DM Schaden auf den privaten Sektor der Landwirtschaft., neun mit ca. 270 000 DM Schaden auf die sozialistische Industrie und acht mit ca. 106 000 DM Schaden auf volkseigene Handels-, Erfassungs- und Aufkaufbetriebe.

Das beweist, dass es den feindlichen Kräften vor allem darauf ankam, den sozialistischen Sektor der Industrie, des Handels und der Landwirtschaft zu schwächen. Anzahl und Charakter der betroffenen Objekte lassen die Schlussfolgerung zu, dass dadurch beabsichtigt war, solche Objekte zu treffen, die sowohl gegenwärtig als auch zukünftig für die Verbesserung der Lebenslage der Bevölkerung von Bedeutung sind. So handelt es sich bei den 20 Bränden in beiden Sektoren der Landwirtschaft nur um Scheunen- bzw. kombinierte Stall-Scheunen- und Stroh- und Neudiemenbrände.40

Diese allein während der Aktion registrierte Zahl der vorsätzlichen bzw. vermutlich vorsätzlichen Brandstiftungen, ist mit geringen Differenzen genauso hoch wie die jeweils monatlichen Brandstiftungen gleichen Charakters im Juli bzw. August oder September 1959. Die Art der geschädigten Objekte sowie die Tatsache, dass seit Juli 1959 in zunehmendem Maße Brandstiftungen an diesen Objekten in der Landwirtschaft festzustellen sind, lässt die Schlussfolgerung zu, dass dadurch die Futterbasis unserer Landwirtschaft geschmälert werden soll, um in der Folgezeit die Viehbestände zu verringern und die Versorgung der Bevölkerung zu gefährden.

Gleiches ergibt sich auch aus einer Betrachtung der bei volkseigenen Handels-, Erfassungs- und Aufkaufbetrieben entstandenen Brände. Hier richtete sich die Brandstiftung ebenfalls gegen eingelagerte Futtermittel, gegen Bestände der Staatsreserve bzw. gegen hochwertige Industriewaren. Nach noch unvollständigen Meldungen wurden durch die in den genannten Sektoren entstandenen Brände, neben den Gebäuden, folgende Werte vernichtet:

  • ca. 3 600 dz Heu und andere Futtermittel

  • ca. 4 900 dz Stroh für Futterzwecke

  • ca. 80 dz ungedroschenes Getreide

  • 6 Kühe

  • 10 Jungrinder

  • 6 Pferde

  • 6 Schweine

  • 5 Stück Kleinvieh

Auch im volkseigenen Sektor der Industrie entstand ein großer Teil der neun Brände in Werken, die für den Export bzw. für den Bedarf der Bevölkerung produzieren.

Anders dagegen verhält es sich mit den 23 Havarien, die vorsätzlich herbeigeführt wurden, oder wo diese Vermutung ziemlich naheliegt. Bei diesen Havarien ergibt sich, dass im Gegensatz zu früheren Aktionen, in denen die Havarien der Braunkohlenwerke dominierten, acht in Chemiebetrieben, fünf bei der Reichsbahn, vier in Kraftwerken, vier in Stahlwerken und je eine in Maschinenbau- bzw. Kohlebetrieben entstanden. Darum ist zu erkennen, dass der Gegner seine Tätigkeit auf diesem Gebiet auf Schwerpunkte des Siebenjahrplanes konzentriert, zumal die Havarien in den Kraftwerken größere Störungen in der Stromversorgung (Klingenberg) herbeiführten.41 Im Kraftwerk Zschornewitz,42 aber auch im VEB Farbenfabrik Wolfen43 waren neu eingeführte oder geplante Arbeitsmethoden Anlass für die gegnerischen Kräfte, in den betreffenden Abteilungen Havarien auszulösen. Zum Beispiel fielen im Salzbetrieb von Wolfen einige Motorenlager aus, als sich die Arbeiter dazu verpflichtet hatten, zum 110er Tempo überzugehen. Nachdem der neue Wofatitbetrieb vorfristig in Betrieb genommen wurde, waren plötzlich vier Relais defekt usw.44

In Zschornewitz wurden von elektrischen Leitungen Sicherungen und Sicherungsklappen entfernt und dadurch die Stromzufuhr gestört.

Festnahmen:

In der Zeit vom 4. bis 10.10.1959 wurden im Zusammenhang mit der Aktion »Friedensfest« 276 Personen inhaftiert, sechs Festnahmen erfolgten davon durch das MfS, während weitere 17 Personen vom MfS von der VP übernommen wurden. Die Gesamtzahl der Festnahmen schlüsselt sich nach folgenden Delikten auf:

  • 2 Festnahmen wegen Spionage,

  • 3 Festnahmen wegen staatsgefährdender Gewaltakte,

  • 1 Festnahme wegen Angriff gegen örtliche Organe der Staatsmacht,

  • 78 Festnahmen wegen Hetze und staatsgefährdender Propaganda,

  • 66 Festnahmen wegen Staatsverleumdung,

  • 2 Festnahmen wegen Abwerbung,

  • 21 Festnahmen wegen Verstoß gegen das Passgesetz,

  • 29 Festnahmen wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt,

  • 1 Festnahme wegen Aufruhr,

  • 11 Festnahmen wegen Landesfriedensbruch,

  • 45 Festnahmen wegen Verletzung inländischer Hoheitszeichen,

  • 6 Festnahmen wegen illegalem Waffenbesitz,

  • 11 Festnahmen wegen Brandstiftung.

Für die vom MfS festgenommenen bzw. von der VP übernommenen Personen sind folgende Angaben charakteristisch: Wegen Terror, Überfall auf Funktionäre und fortschrittliche Bürger wurden zehn Täter inhaftiert. Wegen Zerstören von Transparenten wurden zwei, wegen Verbreiten von Hetzschriften und Hetze gegen Funktionäre der Partei und Regierung ebenfalls jeweils zwei Personen inhaftiert. Wegen Brandstiftung wurde ein Täter festgenommen, während vier Personen wegen Verdacht der Brandstiftung inhaftiert wurden. Von den 23 festgenommenen bzw. übernommenen sind allein 19 Personen im Alter zwischen 16 und 27 Jahren. Nach der sozialen Gliederung handelt es sich um zwei Angestellte, einen Studenten und 20 Arbeiter, wovon zwölf Personen ohne erlernten Beruf sind.

  1. Zum nächsten Dokument Waldbrände im Übungsgelände der Sowjetarmee und der DDR

    4. November 1959
    Information Nr. 800/59 – [Bericht über] Waldbrände im Übungs- bzw. Sperrgelände der Sowjetarmee und der Nationalen Volksarmee (NVA)

  2. Zum vorherigen Dokument Situation im Ministerium für Handel und Versorgung

    13. Oktober 1959
    Information Nr. 740/59 – [Bericht über] einige Probleme zur Situation im Ministerium für Handel und Versorgung (MfHuV)