Diskussionen zu Lohn- und Prämienfragen
29. September 1959
Information Nr. 698/59 – [Bericht über] Diskussionen zu Lohn- und Prämienfragen in einigen Betrieben der DDR
Nach vorliegenden Informationen treten in der letzten Zeit in einigen Betrieben der DDR verstärkt Diskussionen zu Lohnfragen auf. Die bisherigen Ermittlungen lassen erkennen, dass es sich dabei hauptsächlich um Einzelerscheinungen handelt, wobei jedoch auch zunehmend Vergleiche bestimmter Berufsgruppen zur Entlohnung in anderen Betrieben und Industriezweigen den Anlass zu Missstimmungen und Lohnforderungen bilden.
Oftmals stehen diese Diskussionen in engem Zusammenhang mit administrativ durchgeführten lohnpolitischen Maßnahmen, wobei in den häufigsten Fällen ersichtlich ist, dass die entsprechenden Maßnahmen ohne Aufklärung und Aussprache mit den Arbeitern erfolgten. Dafür einige Beispiele:
Im VEB Chemische Werke Buna1 besteht seit der Einführung des neuen Gehaltskataloges in der Abteilung Arbeitsnormung eine ständige Unzufriedenheit.2 Die Ursache liegt darin, dass bei der Einstufung nicht vom Leistungsprinzip ausgegangen wurde, sondern die Einstufung der Kalkulatoren nach einem Schema erfolgte. Von den Normern wurde deshalb in verstärktem Umfange eine Überprüfung der Tätigkeitsmerkmale gefordert, um eine gerechtere Gehaltseinstufung zu erhalten.
In der Hebewerkzeugstatt F 107 des gleichen Werkes kam es unter den Schmierern zu Unstimmigkeiten in Lohnfragen. Die Schmierer bekommen die Lohngruppe IV und 15 % Zuschlag für den Leistungslohnausfall. Sie fordern ihre Einstufung in Lohngruppe V oder 35 % Zuschlag.3
Wie bereits in der Information 649/59 vom 10.9.1959 mitgeteilt wurde, ist auf der Baustelle des VEB Elektromontagen Leipzig im Buna-Werk eine Resolution verfasst und von 76 Personen unterschrieben worden, worin ebenfalls Lohnforderungen erhoben wurden. In der Resolution wurde verlangt, die Löhne der Elektromonteure den Löhnen in der Chemie anzupassen. In einer zur Klärung durchgeführten Versammlung vertraten sie damals die Meinung, dass es sich nicht um »Lohnforderungen« handelte, sondern um die Bitte einer Lohnerhöhung.
Weitere Lohnunstimmigkeiten bestehen im Betrieb 13 des Ernst-Thälmann-Werkes Magdeburg4 in der Hobo-Abteilung5 sowie in der Fräserei. Der Rückgang in der Bearbeitung von größeren Werkstücken und in der Durchführung von Lohnintensivarbeiten hat bei einem großen Teil der dort Beschäftigten zu einem geringeren Verdienst geführt. Im Karl-Marx-Werk,6 Dimitroff-Werk,7 Karl-Liebknecht-Werk8 und in der Werkzeugmaschinenfabrik Magdeburg9 liegen die Normen für gleichgelagerte Arbeiten günstiger. Diese Situation führte dazu, dass mehrere Arbeiter des Ernst-Thälmann-Werkes kündigen wollen.
Im MTS-Reparaturwerk Erfurt werden folgende Diskussionen geführt: »Wann werden unsere Löhne erhöht? Alle Betriebe sind schon in der Lohnfrage bedacht worden, nur wir noch nicht.« Die Schlosser äußerten dazu, dass es doch ungerecht sei, sie bei gleichen Arbeiten wie in anderen Industriebetrieben geringer zu entlohnen, nur weil für sie der Tarif des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft gültig sei.
Zu unzufriedenen Äußerungen kam es auch unter den Kraftfahrern des Hufeland-Krankenhauses in Berlin-Buch. Als Begründung wird angeführt, dass sie trotz häufiger Versprechungen bei den umfangreichen Lohnerhöhungen im Gesundheitswesen nicht berücksichtigt worden sind. Wie dazu weiter bekannt wird, tragen sich einige Kraftfahrer mit Kündigungsabsichten, um in Betriebe mit besseren Verdienstmöglichkeiten überzuwechseln. Ähnliche Diskussionen gibt es auch unter den Kraftfahrern der Zentralwerkstatt des BKW »Einheit« in Bitterfeld, [Bezirk] Halle.10
In der letzten Zeit häufen sich auch unter den Angehörigen des Betriebsschutzes die negativen Diskussionen zu Lohnfragen. Da durch die Lohnerhöhungen für bestimmte Berufsgruppen der Lohn für den überwiegenden Teil der Belegschaften verbessert wurde, wird oft die Meinung vertreten, dass auch beim Betriebsschutz eine Gehaltsaufbesserung erfolgen müsste. Solche Diskussionen gibt es z. B. unter den Betriebsschutzangehörigen des BKW »Einheit« Bitterfeld, [Bezirk] Halle, im VEB Fernheizwerk Berlin und in allen Braunkohlewerken des Kreises Altenburg, [Bezirk] Leipzig.
Große Unzufriedenheit über die Entlohnung besteht auch unter den HO-Gaststättenleitern im Kreisgebiet Aschersleben, [Bezirk] Halle. Nach den letzten Lohnerhöhungen würden die Bedienungskräfte das gleiche Gehalt wie die Objektleiter erhalten, obwohl letztere eine weitaus höhere Verantwortung zu tragen haben. Da auch Rücksprachen der Objektleiter bei der Leitung des Kreisbetriebes bisher ohne Erfolg verliefen, haben zwei Objektleiter gekündigt und mit weiteren Kündigungen ist zu rechnen.
Über Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit Prämienzahlungen wurde vor allem aus dem VEB EHW Thale, [Kreis] Quedlinburg, berichtet.11 Hier sind die Arbeiter darüber empört, dass die Angestellten auch bei Nichterfüllung des Planes regelmäßig ihre Prämien erhalten, während die Arbeiter nicht berücksichtigt werden. Von den Arbeitern des Betriebes wird zur Prämienzahlung erklärt, »dass es Zufall sei, wenn man einmal Geld bekommt, und nicht der Beste wird prämiiert, sondern der Glücklichere«.