Einsatz von polizeilich nicht zugelassenen Traktoren und Zugmaschinen
24. November 1959
Information Nr. 843/59 – [Bericht] über den Einsatz von polizeilich nicht zugelassenen Traktoren und Zugmaschinen im privaten Sektor der Landwirtschaft
In letzter Zeit machten zahlreiche Informationen auf den Einsatz polizeilich nicht zugelassener Traktoren und Zugmaschinen im privaten Sektor der Landwirtschaft der DDR aufmerksam.
Durchgeführte Überprüfungen des gesamten Traktorenbestandes der privaten Landwirtschaft in den einzelnen Bezirken ergaben folgende noch unvollständige Übersicht: Demnach sind im privaten Sektor der Landwirtschaft insgesamt ca. 20 000 Traktoren und Zugmaschinen vorhanden, darunter ca. 16 000 für den Straßenverkehr polizeilich zugelassene. Für 3 609 Traktoren und Zugmaschinen wurde bisher keine polizeiliche Genehmigung erteilt, obwohl nur 606 dieser Traktoren nicht einsatzbereit seien. Ferner würden bei den Volkspolizeikreisämtern 160 Anträge vorliegen, in denen um Zulassung ersucht werde.
Nach vorliegenden Berichten sind die Mehrzahl aller Traktoren und Zugmaschinen ältere Fabrikate und Typen aus den Jahren von 1920 bis 1945 und größtenteils seit dieser Zeit bereits Eigentum der Bauern. In 178 bekannten Fällen wurden Traktoren durch die Besitzer selbst bzw. durch private Kfz- und Reparaturwerkstätten, Landmaschinenbaubetriebe, Autoschlosser und dergl. in den Jahren 1954 bis 1958 und auch noch Anfang 1959 aufgebaut. Wie aus Informationen hervorgeht, erhielten dabei die Bauern, Werkstätten, Landmaschinenbaubetriebe usw. Hilfe durch die volkseigenen Handelszentralen DHZ Schrott, die ohne Bedenken zum Verschrotten vorgesehene Traktoren an diese Kreise verkauften.1 In verhältnismäßig großem Umfang soll in den genannten Jahren auch der Kauf und Verkauf derartiger Maschinen in den Bezirken von Kreis zu Kreis und im Gebiet der DDR von Bezirk zu Bezirk erfolgt sein. So z. B. aus den Bezirken Rostock und Potsdam nach dem Bezirk Dresden.
Gefördert wurden diese Kauf- und Verkaufsabschlüsse vielfach durch das Verhalten der Mehrzahl der LPG, die von neu eingetretenen Bauern diese Traktoren wegen ihres Alters nicht mit übernahmen bzw. später an Einzelbauern verkauften. Den Berichten zufolge, wurden bisher nur 115 derartiger Traktoren und Zugmaschinen in LPG übernommen. Mehrfach blieben durch dieses Verhalten der LPG auch neugeworbene LPG-Bauern im Besitz ihrer Traktoren und verschafften sich damit durch Lohnfuhren einen Nebenverdienst.
In allen Fällen erfolgten die Kauf- und Verkaufsabschlüsse unabhängig davon, ob der neue Besitzer die Zulassung erhielt oder nicht. Wurde sie versagt, richteten die Bauern wie im Bezirk Frankfurt/O. Beschwerden an übergeordnete Dienststellen der VP und des Staatsapparates mit dem Ergebnis, dass sie oftmals durch diese Dienststellen die Zulassung erhielten. Durch diese Möglichkeiten, Traktoren zu beschaffen, wurden in fast allen Bezirken die Mittel- und Großbauern ökonomisch erheblich gestärkt und die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft gehemmt.
Nach vorliegenden Informationen sind im Bezirk Dresden z. B. insgesamt 2 363 Traktoren vorhanden, davon 1 976 polizeilich zugelassene und 387 nicht zugelassene. Alle 2 363 Traktoren und Zugmaschinen seien jedoch einsatzbereit. Im Bezirk Karl-Marx-Stadt wurden insgesamt 1 948 Traktoren ermittelt, von denen 1 585 polizeilich zugelassen und 363 nicht zugelassen wären. Insgesamt seien darunter 1 773 einsatzbereite Traktoren und Zugmaschinen. Ähnliche zahlenmäßige Angaben berichten die Bezirke Potsdam, Schwerin, Magdeburg, Erfurt, Gera, Halle und Leipzig. Dabei wird hervorgehoben, dass die Mehrzahl aller Traktoren und Zugmaschinen im Besitz von Mittel- und Großbauern ist. Diese Kreise sollen sich auch dann nicht vom Einsatz ihrer Traktoren und Zugmaschinen abhalten lassen, wenn ihnen die polizeiliche Zulassung versagt wird. Dabei sei ein Teil durch die Lage der Gehöfte begünstigt, weil sie keine öffentlichen Verkehrswege benutzen müssen. Wo dies nicht möglich sei, würden die Bauern sich anderweitig helfen. So z. B. durch Unterstellung der Traktoren in vorhandenen Feldscheunen oder den Bau von Schuppen und Garagen direkt auf ihren Feldern, wodurch sie keine öffentlichen Straßen befahren müssen bzw. durch den Umbau auf langsam fahrende Fahrzeuge eine polizeiliche Zulassung entfällt. Ein großer Teil der Besitzer treten jedoch provokatorisch in Erscheinung und ziehen die nicht zugelassenen Traktoren und Zugmaschinen mithilfe von Pferde- und Ochsengespannen über die öffentlichen Verkehrswege auf die Felder.
In allen Bezirken sollen diese privaten Traktorenbesitzer die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft wesentlich erschweren, indem von diesen Kräften nicht nur eigene, sondern auch Felder anderer Bauern mit diesen Traktoren bearbeitet werden. In den Kreisen Pirna und Freital, [Bezirk] Dresden, z. B. würden Großbauern mit ihren Traktoren sogen. Arbeitsgemeinschaften betreiben, um dadurch werktätige Bauern vom Eintritt in die LPG abzuhalten. In Diskussionen erklären die Mittel- und Großbauern, durch die Nichtzulassung der Traktoren wolle man sie zwingen, in die LPG einzutreten. Im Kreis Wittstock, [Bezirk] Potsdam, hätten deshalb bereits Besitzer solcher Traktoren Beschwerden an die Volkskammer und das Ministerium für Justiz gerichtet.
Nach vorliegenden Informationen sind die örtlichen Staatsorgane grundsätzlich der Meinung, dass dieses Problem nur durch den Eintritt der Bauern in die LPG gelöst werden kann, wobei in den Bezirken Karl-Marx-Stadt, Rostock, Frankfurt/O., Magdeburg, Erfurt und Leipzig folgende Einzelvorstellungen über die Beschleunigung dieses Prozesses bestehen:
Durch die VP alle noch vorhandenen, nicht zugelassenen Traktoren – auch die zzt. nicht genehmigungspflichtigen sogen. Langsamfahrer – letztmalig zuzulassen, wenn sie den technischen Bedingungen entsprechen, um dadurch ein weiteres provokatorisches Auftreten der Bauern und den Entzug von Baumaterialien für den Bau von Schuppen und Garagen auf den Feldern dieser Einzelbauern zu verhindern. Diese Zulassung müsste bis zu einem bestimmten Stichtag abgeschlossen sein, wobei bereits strengste Maßstäbe bei der technischen Überprüfung angelegt werden sollten.
Private Traktorenbesitzer der Landwirtschaft mit einer Gewerbesteuer zu belegen, wenn sie für andere Betriebe Arbeiten ausführen lassen bzw. ihre Traktoren ausleihen, ohne im Besitz einer Gewerbegenehmigung zu sein. Dadurch würde vielen Bauern der Nebenverdienst durch Lohnfahren genommen und eine gegenseitige Unterstützung der Einzelbauern mit Traktoren wäre nicht mehr möglich.
Durch den Entzug der Zulassung infolge aufgedeckter technischer Mängel und Fehler bei jährlichen Überprüfungen der VP, allmählich auf administrativem Wege den Gesamtbestand an privaten Traktoren in der Landwirtschaft zu reduzieren.
Der DHZ Schrott den Aufbau und Verkauf zum Verschrotten vorgesehener Traktoren und Fahrzeuge oder Teile davon zu untersagen. Dadurch würde eine der wesentlichsten Quellen wegfallen, aus der die Einzelbauern, private Kfz- und Reparaturwerkstätten, Landmaschinenbaubetriebe, Autoschlosser und dergleichen bisher Ersatz- und Aufbauteile für Traktoren und Zugmaschinen bezogen.
Diesen privaten Kfz- und Reparaturwerkstätten, Landmaschinenbaubetrieben u.dgl. zu untersagen, Traktoren und Zugmaschinen herzustellen, aufzubauen oder mit Teilen davon zu handeln. Verstöße dagegen müssten mit hohen Steuereinziehungen geahndet werden.
Die LPG anzuweisen, Traktoren neu gewonnener Mitglieder mit zu übernehmen, um einen Verkauf an Einzelbauern bzw. Nebenverdienste der Genossenschaftsbauern auszuschalten. Vor der Übernahme müsste jedoch eine Wertschätzung durch die VP nach strengsten Maßstäben erfolgen, um den Inventarbeitrag nicht zu hoch zu belasten. Der Verkauf davon betriebsunfähiger Traktoren und Zugmaschinen durch die LPG dürfte nur an die DHZ Schrott erfolgen. Den LPG sollte dafür ein erhöhter Schrottpreis gezahlt werden.
Den Verkauf von Traktoren und Zugmaschinen in andere Bezirke begründet zu untersagen, um dadurch eine ständige Kontrolle über den Gesamtbestand in der privaten Landwirtschaft der Bezirke zu ermöglichen.