Entstellte Presseinformation in der »Ostsee-Zeitung«
30. Juni 1959
Information Nr. 444/59 – Bericht über eine entstellte Presseinformation in der »Ostsee-Zeitung«
Am 13.6.1959 erschien in der »Ostsee-Zeitung« unter der Überschrift »Seenothilfe verweigert – Dänischer NATO-Zoll setzte DDR-Fischer der Lebensgefahr aus« ein Artikel, in dem die dänischen Zollbehörden einer Zuwiderhandlung gegen die internationalen Seerechtsbestimmungen bezichtigt werden, weil sie zwei Fischereifahrzeuge der DDR trotz schlechter Witterungsbedingungen und Sturmwarnungen aus dem Hafen Nexö1 auf Bornholm, den die deutschen Boote als Nothafen anliefen, ausgewiesen hätten.2 Als Begründung wurde in dem Artikel auf den Umstand hingewiesen, dass Nexö zur gleichen Zeit von einem Flottenverband der britischen NATO-Kriegsmarine angelaufen worden sei.
Dieser Artikel beruhte auf den Aussagen der Besitzer der Kutter »Stralsund 2« und »Stralsund 17«, Kapitän [Vorname Name 1] und Kapitän [Name 2], die sie nach ihrer Rückkehr auf dem Kontroll-Passierpunkt der Deutschen Grenzpolizei3 machten, von wo aus diese Mitteilung über den Rapport der 6. Grenzbrigade an die Bezirksleitung der SED Rostock weitergegeben und – ohne dass der ganze Sachverhalt auch nur von einer Stelle überprüft worden wäre – in der »Ostsee-Zeitung« veröffentlicht und auch im Schweriner Rundfunk gesendet wurde.
Eine Überprüfung durch das MfS ergab jedoch folgenden Sachverhalt: Die bereits genannten Kapitäne, die seit Kurzem der Fischerei-Produktionsgenossenschaft angehören, sind als Schieber und Spekulanten bekannt und haben auch bei den dänischen Fischern und Hafenbehörden einen schlechten Leumund. Sie haben schon wiederholt versucht, auf dänischem Territorium Schwarzhandel mit Fischen zu treiben und verkauften Edelfische unter den in Dänemark zulässigen Marktpreisen, sodass sie bereits einmal von einem Fischmeister aus dem Hafen Hesnis bei Grönsund4 verwiesen wurden. Das Verhalten der beiden Kapitäne hatte deshalb schon lange die schädliche Auswirkung, dass die dänischen Fischer ungern Kutter der DDR in dänischen Häfen sehen, weil sie Schwarzhandel befürchten.
Nach Angaben der Seewetterdienststelle Warnemünde bestand am 27.5.1959, jenem Tag, wo die beiden Kapitäne Nexö anliefen, keine zwingende Notwendigkeit dafür, weil die Sicht überall gut, die Windstärke 3 bis 4 und der Seegang 2 bis 3 war, während es für einen Kutter von der Bauart der betroffenen Boote erst ab Windstärke 6 ratsam ist, einen Hafen anzulaufen.
Auch die Angaben der beiden Kapitäne, dass zwei dänische Offiziere in ihrer Ausweisungsbegründung gesagt hätten, dass auf Beschluss der dänischen Regierung »ostdeutsche Schiffe nichts in dänischen Häfen zu suchen haben«, sind stark zu bezweifeln. Eine solche dänische Anordnung bestand wohl, wurde aber bereits 1950 aufgehoben und es gab seit dieser Zeit auch keinerlei Beanstandungen in diesen Fragen. So wurden nach unseren Feststellungen die beiden Kapitäne vor der Ausweisung auch befragt, ob sie Kranke an Bord hätten, ob ihnen Proviant fehle oder ob sie Maschinenschaden hätten. Erst als diese Fragen verneint werden mussten, erfolgte die Ausweisung.