Ergänzung zum Bericht über die Organisierung der Republikflucht
21. Mai 1959
Information Nr. Nr. 323/59 – Ergänzung zum Bericht über die Organisierung der Republikflucht als wesentlicher Bestandteil der aggressiven NATO-Politik vom 22. Oktober 1958
Nachstehend einige konkrete Beispiele zur neuerlichen Beweisführung der im Bericht vom 22. Oktober 1958 analysierten Feindtätigkeit auf diesem Gebiet.1
Abwerbung durch Ausnutzung persönlicher Kontakte
Das Beispiel des festgenommenen Werner Pose2 aus Düsseldorf zeigt mit besonderer Eindringlichkeit, wie sich die westlichen Geheimdienste der Abwerbung von namhaften Wissenschaftlern aus der DDR als einer Hauptform der Feindtätigkeit bedienen.
Pose war während seiner Kriegsgefangenschaft in der SU bis 1953 u. a. im Forschungsinstitut Obninsk3 bei Moskau4 als technischer Laborant tätig, wo auch sein Bruder, der Wissenschaftler Prof. Dr. Heinz Pose5 als Physikalischer Leiter arbeitete, der jetzt als international bekannter Kernphysiker ständiger Vertreter der DDR im Vereinigten Kernphysikalischen Institut in Dubna ist.
Zu Werner Pose wurde nach seiner ordnungsgemäßen Rückkehr nach Westdeutschland im November 1953 bereits im Lager Friedland6 vom englischen Geheimdienst Kontakt aufgenommen, nachdem schon vor seiner Rückkehr Mitarbeiter des englischen Geheimdienstes bei seiner Frau vorsprachen.
Mister Candlin7 vom englischen Geheimdienst verlangte Spionageangaben über das sowjetische Forschungsinstitut und vor allem über die Tätigkeit und Lage seines Bruders, Prof. Dr. Heinz Pose, die zur Vorbereitung einer Abwerbung dienen sollten und die Pose gegen Bezahlung und andere berufliche Vergünstigungen auch machte.
Mit dem gleichen Ziel traten in der Folgezeit auch der Bonner Bundesnachrichtendienst und die Mitarbeiter Greer8 und Löwe9 vom amerikanischen Geheimdienst an Pose heran und von Löwe erhielt Pose die konkreten Aufträge zur Abwerbung seines Bruders. Um bei dieser feindlichen Tätigkeit beweglicher sein zu können, erhielt er zur Umgehung geschäftlicher Schwierigkeiten ein hohes Darlehen und monatliche Zuschüsse, sodass er insgesamt von den feindlichen Geheimdiensten bereits vor der geplanten Abwerbung ca. 25 000 DM West erhielt.
Unter Ausnutzung des verwandtschaftlichen Verhältnisses und unter dem Vorwand, seinen Bruder wiedersehen zu wollen, suchte Pose diesen mehrere Male in Berlin, Frankfurt/M. und in Genf auf, um seinen Bruder zur Republikflucht zu veranlassen. Obwohl allen diesbezüglichen Aufforderungen zur Republikflucht von seinem Bruder entschieden entgegengetreten wurde, versucht Pose im Juni 1958 anlässlich einer wissenschaftlichen Tagung in Genf, seinen Bruder mit dem Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes, Löwe, der deshalb ebenfalls nach Genf kam, in Verbindung zu bringen, unter dem Vorwand, es handle sich bei Löwe um einen Vertreter des Weißen Hauses, der bevollmächtigt sei, einen Vertrag mit seinem Bruder abzuschließen. Dabei wurde ihm eine Professur in den USA unter erstklassigen Bedingungen für sich und seine Familie versprochen.
Als auch dieser Versuch der Abwerbung misslang, weil Prof. Dr. Pose ablehnte, versuchte Pose Ende Oktober 1958 in Berlin im Auftrage des amerikanischen Geheimdienstes seinen Bruder zu Angaben über einige Forschungsarbeiten in der SU zu bewegen, offensichtlich, um ihn bei Gelingen dieser Provokation unter Druck zu setzen und ihn auf diese Weise abzuwerben.
Ausnutzung Republikflüchtiger zur Spionage- und Agententätigkeit gegen die DDR
Der Jugendliche [Vorname Name 1] aus Frankfurt/O., [Straße, Nr.], verließ 1957 die DDR und meldete sich in Westberlin im Jugendlager Berlin-Kladow. Von hier wurde er mit dem Engländer »Thomas« in Verbindung gebracht und von diesem – obwohl er erst 15 Jahre alt war – zur Spionagetätigkeit für den englischen Geheimdienst angeworben.
Im Auftrage des englischen Geheimdienstes unternahm [Name 1] 20 Spionagefahrten in die DDR und führte seinen Freund [Vorname Name 2] zur Anwerbung zu.
Des Weiteren erhielt er vom englischen Geheimdienst den Auftrag, den Reichsbahnangestellten [Vorname Name 3], der mit der Mutter des [Name 1] einen gemeinsamen Haushalt führte, zur Anwerbung nach Westberlin zuzuführen.
Zur Tarnung seiner Spionageinformationen erhielt [Name 1] vom englischen Geheimdienst eine Streichholzschachtel, in der sich unter einem doppelten Boden nummerierte Abbildungen sowjetischer Waffen befanden, sodass [Name 1] in seinen Spionageberichten lediglich die Nummer und Anzahl der festgestellten Waffen anzuführen brauchte.
Die inhaftierte [Vorname Name 4] wurde nach ihrer Republikflucht im Januar 1958 im Flüchtlingslager Berlin-Marienfelde vom englischen Geheimdienst zur Spionage- und Agententätigkeit gegen die DDR angesprochen.
In der Westberliner Gaststätte Schmelzer wurde sie unter dem Decknamen »Edeltraud Fuhrmann« vom englischen Geheimdienst angeworben und in die DDR zurückgeschickt.
Von dem Mitarbeiter des englischen Geheimdienstes »Baron« erhielt sie den Auftrag, in den Städten Oranienburg, Strausberg, Teltow und Potsdam intime Verhältnisse zu Angehörigen der bewaffneten Kräfte der DDR anzuknüpfen und sie zur Flucht nach Westberlin zu veranlassen.
Nach der Flucht sollte sie diese Personen dem englischen Geheimdienst zuführen.
Gleichzeitig wurde sie beauftragt, in verschiedenen Grenzorten am Ring um Berlin Schleusungspunkte zu erkunden.
Der festgenommene [Vorname Name 5] aus Kaltenwestheim, [Straße], Bezirk Suhl, wurde Ende 1958 zum dritten Mal republikflüchtig. In Bad Neustadt10 erhielt er Verbindung zum amerikanischen Geheimdienst.
Unter dem Decknamen »Buby« wurde [Name 5] zur Agententätigkeit für den amerikanischen Geheimdienst verpflichtet und in die DDR zurückgeschickt.
Vor seiner Rückkehr in die DDR wurde [Name 5] in der amerikanischen Geheimdienststelle von dem Mitarbeiter Büchel11 geschult und im Pistolengebrauch ausgebildet.
Vom amerikanischen Geheimdienst erhielt er den Auftrag, den Schacht des Kaliwerkes »Marx-Engels« in Unterbreizbach, [Bezirk] Suhl, unter Wasser zu setzen. Zu diesem Zweck erhielt er die Anweisung, weitere Personen für die Durchführung dieses Auftrages zu gewinnen.
Des Weiteren erhielt er vom amerikanischen Geheimdienst in Bad Neustadt den Auftrag, nachts das Gebäude des Kommandos der Deutschen Grenzpolizei in Kaltennordheim in Brand zu setzen und die im MTS-Stützpunkt Kaltennordheim stationierten Traktoren durch Einstreuen von Sand in die Ölwannen unbrauchbar zu machen.
Nach der Ausführung dieser Aufträge sollte [Name 5] sofort die DDR verlassen.
Nachdem der Republikflüchtige [Vorname Name 6], ein kriminelles Element, wohnhaft gewesen in Zella-Mehlis, bereits im Westberliner Flüchtlingslager Marienfelde von drei Mitarbeitern des amerikanischen Geheimdienstes zu Spionageangaben militärischer Art und besonders über die Produktion von Schreib-, Rechen- und Buchungsmaschinen aufgefordert wurde, brachte man ihn dann in einen Nebenraum einer Bier- und Weinstube auf dem Kurfürstendamm in Westberlin mit weiteren Angehörigen des amerikanischen Geheimdienstes in Verbindung, von denen er zur Feindtätigkeit gegen die DDR angeworben wurde und den Decknamen »Paul Rose« erhielt.
Nach einer kurzen Schießausbildung im amerikanischen Armeelager in Berlin-Grunewald, wurde er zur Ausbildung auf die Agentenschule Nagold/Schwarzwald geschickt. Dort wurde er zusammen mit weiteren Agenten des amerikanischen Geheimdienstes in mehreren speziellen Kursen geschult, wie Schreib-, Rechen- und Buchungsmaschinen zu zerstören sind, wobei er bis ins Kleinste gehende Erläuterungen, wie Öl auf die Gummiwalzen schütten, verchromte Teile durch Salzsäure zerstören, und andere detaillierte Hinweise für seine zukünftige Diversionstätigkeit erhielt. Außerdem begann dort seine Ausbildung im Funken.
Nach Beendigung der Kurse erhielt [Name 6] den Auftrag, in die DDR zurückzukehren und weitere konkrete Aufträge jeweils in Westberlin in der bereits bezeichneten Bier- und Weinstube vom amerikanischen Geheimdienst entgegenzunehmen, was [Name 6] auch tat.
Er wurde dort beauftragt, Spionage- und Diversionstätigkeit in der DDR durchzuführen und sollte zu diesem Zweck im »Mercedes« – Hauptwerk in Zella-Mehlis12 arbeiten, um dort vor allem für den Export in die SU bestimmte Buchungs- und Rechenmaschinen zu zerstören und Zeichnungen und Kataloge von Buchungs- und Rechenmaschinen sowie Zählwerke und Motoren solcher Maschinen an den amerikanischen Geheimdienst auszuliefern. Dabei wurde schon genau festgelegt, wie er einen neu entwickelten Motor für Rechenmaschinen, der erstmalig auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1959 gezeigt werden sollte, entwenden und an den amerikanischen Geheimdienst übergeben sollte.
Später sollte er die Arbeitsstelle wechseln und im VEB Simson Suhl13 Motoren und speziell deren Kolben unbrauchbar machen.
Für die Durchführung dieser feindlichen Aufträge sollte er 500 DM West erhalten.
[Name 6] wurde festgenommen.