Feindtätigkeit gegen den Staatsapparat der DDR
1. August 1959
Information Nr. 555/59 – [Bericht über] die Feindtätigkeit gegen den Staatsapparat der DDR und innerhalb des Staatsapparates einschließlich deren Auswirkungen und anderer gefährlicher Erscheinungen
Inhalt:
I. Feindliche Ziele, Pläne und Maßnahmen zur Störung der Arbeit des Staatsapparates S. 1–17
II. Auswirkungen feindlicher und schädlicher Einflüsse innerhalb des Staatsapparates auf die Wirtschaft der DDR S. 18–42
III. Feindliche und schädliche Erscheinungen auf weiteren Gebieten des Staatsapparates, deren Ursachen und Auswirkungen S. 43–60
I. Feindliche Ziele, Pläne und Maßnahmen zur Störung der Arbeit des Staatsapparates
Der nachstehende Bericht gibt eine Einschätzung der Feindtätigkeit gegen den Staatsapparat der DDR und innerhalb des Staatsapparates einschließlich deren Auswirkungen und anderer gefährlicher Erscheinungen. Es handelt sich hier nicht um eine Gesamteinschätzung der Tätigkeit des Staatsapparates, und um einen Vergleich des Verhältnisses zwischen positiver und negativer Arbeit, sondern der Bericht ist nur unter dem Gesichtspunkt der Feindtätigkeit abgefasst.
Aus vorliegenden Materialien und Untersuchungsergebnissen geht hervor, dass ein wesentlicher Teil der Feindtätigkeit gegen die DDR darauf gerichtet ist, die Tätigkeit des sozialistischen Staates als Hauptinstrument des sozialistischen Aufbaues – gegenwärtig besonders der sozialistischen Rekonstruktion – zu stören und für die Verwirklichung der feindlichen Ziele auszunutzen. Dabei ist ersichtlich, dass das Hauptziel der gegnerischen Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Bevölkerung in einen Widerspruch zum Staatsapparat zu bringen, den Staatsapparat von der Bevölkerung zu isolieren sowie im Staatsapparat selbst geeignete Stützpunkte für die Feindtätigkeit zu schaffen. Die feindliche Tätigkeit reicht dabei von Maßnahmen zur Verleumdung und Diffamierung des Staatsapparates, über Versuche zu seiner Unterminierung und Desorientierung, bis zu offenen Forderungen zur Liquidierung des sozialistischen Staates. Während in der Feindtätigkeit der vergangenen Jahre in erster Linie von der Spekulation ausgegangen wurde, dass ein baldiger wirtschaftlicher und staatlicher Zusammenbruch der DDR bevorstehe, ist jetzt festzustellen, dass sich die Feindzentralen in ihrer Tätigkeit gegen die DDR auf eine auf weite Sicht berechnete systematische Unterminierung und politisch-ideologische Zersetzung des Staatsapparates orientieren.1
Die vorliegenden Materialien und Informationen zeigen, dass sich dabei im Interesse der Durchsetzung der feindlichen Pläne die führenden politischen Kräfte in Westdeutschland – von den reaktionärsten Konzern- und Regierungsvertretern bis zur rechten SPD- und Gewerkschaftsführung – darin einig sind, wenn auch teilweise mit unterschiedlichen Spekulationen und Absichten, dass die Störung der Tätigkeit des Staatsapparates der DDR einen wesentlichen Teil der Feindtätigkeit zur Beseitigung der Regierung der DDR einnehmen müsse. Auf der vom »Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen«2 organisierten Jahrestagung des »Kuratoriums Unteilbares Deutschland«3 vom 26. bis 28.9.1958 haben sich z. B. die teilnehmenden Vertreter der Bundesregierung, der Konzerne und Unternehmerverbände, führende Politiker der Bonner Parteien und des DGB sowie Vertreter verschiedener Agentenorganisationen auf solche Forderungen geeinigt wie
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Die Schaffung einer »Volksbewegung« zur Gewährleistung des »Selbstbestimmungsrechtes« der Bevölkerung der DDR;
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die verstärkte propagandistische Auswertung der Republikflucht;
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die Durchführung eines Volksentscheides in der DDR zur Ablösung der Regierung der DDR.
Kreise der rechten SPD-Führung und des SPD-Ostbüros4 haben – getarnt als »sozialistische Opposition in der DDR« – in ihrer in die DDR eingeschleusten Hetzschrift »der dritte Weg« die »Veränderung der Machtverhältnisse in der DDR« gefordert.5 Im Einzelnen werden u. a. folgende Forderungen erhoben:
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»Entstalinisierung und Demokratisierung der DDR. Ablösung des stalinistischen Systems durch sozialistische, von Moskau unabhängige Kräfte, die vom Vertrauen der Mehrheit der Bevölkerung getragen werden.
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Herstellung der Rechtssicherheit in der DDR, Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit und der Geheimjustiz. Bildung eines freien Parlaments, Sicherung der Freiheit von Kunst und Wissenschaft, Autonomie für die Universitäten.
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Zulassung sozialistischer und demokratischer Parteien, die von der SED unabhängig sind. Einführung einer sozialistischen Presse- und Koalitionsfreiheit, Durchführung einer Justizreform, durch die eine sozialistische Gesetzlichkeit gesichert wird. Freiheit der Wissenschaft, der Forschung und des kulturellen Schaffens.
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Bildung unabhängiger Gewerkschaften, die vom Parteidiktat befreit sind und die Interessen der Werktätigen gegenüber dem Staat und den Betriebsleitungen vertreten.
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Freie Entscheidung der Bevölkerung der DDR über ihren wirtschaftlichen und politischen Status durch einen Volksentscheid, womöglich unter Kontrolle der UNO. Diese Entscheidung muss von der Bundesrepublik im Rahmen einer Konföderation als verbindlich anerkannt werden.
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Liquidierung des stalinistischen SED-Apparates, Wiederherstellung der innerparteilichen Demokratie und Zulassung der SPD in der DDR.«
Neben der Ausnutzung von Mitarbeitern des Staatsapparates für die feindliche Spionage- und Sabotagetätigkeit, versucht der Gegner auch in zunehmendem Maße, Mitarbeiter des Staatsapparates für die systematische Unterminierung der DDR, zur Untergrabung der Rolle des Staatsapparates und des Vertrauens der Bevölkerung zum Staat auszunutzen. Er konzentriert sich dabei insbesondere auf klassenfremde, korrumpierte und faschistische Elemente, auf politisch unerfahrene, mit starken bürgerlichen Auffassungen behaftete und schwankende Mitarbeiter und auf solche, die sich nur formell zu den Beschlüssen von Partei und Regierung bekennen, die die führende Rolle der Partei in ihrer Tätigkeit im Staatsapparat nur formell oder überhaupt nicht anerkennen und Auseinandersetzungen um die Durchsetzung notwendiger Maßnahmen im Interesse der sozialistischen Entwicklung aus dem Wege gehen wollen. Eine Reihe von Missständen, ungenügende politische und fachliche Qualifizierung der Mitarbeiter, Gleichgültigkeit usw. werden dabei vom Gegner geschickt ausgenutzt, sowohl als Ausgangspunkt für die Organisierung bestimmter Maßnahmen als auch zur Verleumdung der Arbeit des Staatsapparates.
So gibt es z. B. im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Anzeichen dafür, dass der amerikanische Geheimdienst versucht, mithilfe bereits dort tätiger Agenten ein größeres Spionagenetz aufzubauen. Der CIA hatte z. B. innerhalb kurzer Zeit von internen Unterlagen des Ministeriums Kenntnis. Die feindlichen Versuche zur Verstärkung der Spionagetätigkeit werden dadurch erleichtert, dass die ideologische Diversionstätigkeit bei einigen Mitarbeitern nicht ohne Erfolg blieb, was z. B. in der Orientierung auf westliche Veröffentlichungen bei der Beantwortung bestimmter Fragen seinen Ausdruck findet.
Ähnliche Beispiele sind aus den Objekten des Post- und Fernmeldewesens bekannt. Eine gewisse Konzentrierung des Feindes auf diese Objekte ergibt sich aus der zunehmenden Bedeutung des Nachrichtenwesens für die Spionage und aus dieser Tatsache, dass die Mitarbeiter des Post- und Fernmeldewesens, aufgrund ihrer Funktion und Tätigkeit, gut als Nachrichtensammler, Übermittler und Kuriere geeignet sind. Diese Feststellungen wurden durch Vernehmungen eines im Mai dieses Jahres inhaftierten langjährigen Agenten des amerikanischen Geheimdienstes erneut bestätigt.
In der letzten Zeit zeigen sich auch Anzeichen dafür, dass der Gegner im Rahmen seiner Spionagetätigkeit verstärkt auf die Erkundung sogenannter schwacher Stellen Wert legt, bei denen die Informationen zur Sabotage, Störung der Tätigkeit des Staatsapparates bzw. für seine Hetzpropaganda zur Diffamierung des Staatsapparates ausgenutzt werden können. Das trifft auch besonders auf die Räte und Verwaltungen im Kreis- und Stadtmaßstab zu. Neben den allgemein bekannten Tatsachen, dass vonseiten des »Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen« verschiedene Maßnahmen zur Auskundschaftung solcher sogenannter schwacher Stellen getroffen wurden und die Vernehmung der Republikflüchtigen u. a. auch diesem Zweck dient, gibt es Beispiele, die beweisen, dass besonders der westdeutsche Geheimdienst seine Tätigkeit auf diesem Gebiet verstärkt hat. So wurden z. B. interne Materialien des Volksbildungsministeriums im RIAS propagandistisch ausgewertet, besonders in der Sendung über das Schulgesetz. Der »Ostspiegel« des SPD-Ostbüros6 verwandte in einem Artikel internes Material von Verwaltungsstellen der DDR über die Republikflucht und deren Bekämpfung. Andere Beispiele zeigen, dass Auszüge aus Protokollen von Bezirkstagssitzungen schon einen Tag nach Stattfinden der Sitzung in Hetzartikeln der westlichen Presse erschienen.
Neben bereits existierenden Konzentrationen feindlicher und schwankender Elemente im Staatsapparat, die für die Feindtätigkeit ausgenutzt werden, versucht der Gegner im verstärkten Maße direkt in den Staatsapparat einzudringen bzw. geeignete Leute einzuschleusen. Hierbei ist besonders auffällig, dass eine gewisse Konzentrierung auf frühere SPD-Mitglieder erfolgt, die in verantwortliche Positionen eingeschleust und für die Wühltätigkeit ausgenutzt werden sollen. Eine besondere Rolle spielt hierbei das SPD-Ostbüro, das in zunehmendem Maße versucht, seine V-Leute in einflussreiche Funktionen zu schleusen. Der hauptamtliche Mitarbeiter des Ostbüros von Loefen7 alias Lau erklärte z. B., dass es die Aufgabe des Ostbüros in der nächsten Zeit sei, »in bestimmte Verwaltungsstellen Kuckuckseier zu legen und von innen heraus eine zersetzende Tätigkeit durchzuführen«. In einem anderen Falle wurde bekannt, dass ein hauptamtlicher Mitarbeiter des Ostbüros V-Leute unterhält, die den Auftrag haben, in bestimmten Ministerien einflussreiche Funktionen einzunehmen. Für diese Zwecke werden vom Ostbüro auch die sogenannten Heimatkreise der SPD ausgenutzt. Der »Leipziger Heimatkreis« der SPD hat sich in Zusammenarbeit mit dem Ostbüro z. B. die Aufgabe gestellt, die im Bezirk Leipzig wohnenden ehemaligen SPD-Mitglieder zu erfassen, ideologisch zu beeinflussen und zur Wühltätigkeit auszunutzen.8
Im Kreis Glauchau wird zzt. eine Gruppe leitender Mitarbeiter des Kreisrates, die früher der SPD angehört und sich im Sinne der Direktiven des Ostbüros betätigen, bearbeitet. Sie vertreten den Standpunkt, dass sie sich im Interesse der Erzwingung bestimmter Veränderungen zusammenfinden müssten. Sie lehnten die Durchführung der Beschlüsse des ZK ab und trafen Maßnahmen zur Sabotage einer schnelleren ökonomischen Entwicklung. Aus einem weiteren Beispiel geht hervor, dass ehemalige SPD-Mitglieder im Rat einer Stadt alle wichtigen Positionen besetzt haben, von dort aus Zersetzungsarbeit leisten, politisch nicht offensiv auftreten, die Mitarbeiter nicht auf die Durchsetzung der Beschlüsse orientieren und in der Parteileitung Fehlerdiskussionen bevorzugen.
In ähnlicher Richtung wie das SPD-Ostbüro orientieren auch andere Agentenorganisationen ihre Agenten dahingehend, in den Staatsapparat einzudringen. Der »UfJ«9 hat z. B. seine Agenten angewiesen, gute fachliche Arbeit zu leisten, um in möglichst hohe Dienststellungen zu gelangen und als sicher und zuverlässig zu gelten.
Von westdeutschen Konzernen gehen umfangreiche Bestrebungen aus, Angestellte des Staatsapparates zu korrumpieren, um sie dann für die Verwirklichung ihrer Ziele auszunutzen. Durch die Festnahme einer größeren Anzahl von Mitarbeitern des Staatsapparates wurde dabei bekannt, dass für diese Zwecke bereits erhebliche Bestechungssummen bereitgestellt bzw. ausgegeben wurden. In den meisten Fällen hat sich gezeigt, dass die schädliche Tätigkeit in dieser Richtung durch fehlende Kontrolle der übergeordneten Räte und Leitungen begünstigt und vom Feind ausgenutzt wird.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen über den westdeutschen und Westberliner Rundfunk sowie in Hetzschriften verbreiteten Appelle an die Mitarbeiter des Staatsapparates, sich der Durchsetzung von Partei- und Regierungsbeschlüssen sowie von Weisungen der übergeordneten Leitungen vor allem in ökonomischen Fragen im Interesse der »Vermeidung von Ungerechtigkeiten und Härten« zu widersetzen, bestimmte Weisungen unkorrekt durchzuführen, die »Bevormundung durch die SED« nicht zu dulden usw. In teils offener, teils versteckter Form werden oft Hinweise gegeben, wie bestimmte Gesetze und Verordnungen umgangen werden können. Eine besondere Aktivität in dieser Richtung entwickelt der »UfJ« neben seiner sogenannten Rechtsberatung für Bürger der DDR in Westberlin in seinen Hetzblättern. Eine vom »UfJ« herausgegebene und in die DDR eingeschleuste Hetzschrift »Der Umlauf – Informationsblatt für Staatsfunktionäre«,10 die die Demokratisierung in der DDR verächtlich zu machen und zu verleumden versucht, gibt z. B. auch juristische Ratschläge zur Umgehung bestimmter Gesetze und Verordnungen. In einer Ausgabe dieser Hetzschrift werden z. B. Ratschläge erteilt, wie die »Komitees für gesamtdeutsche Arbeit« und die Angestellten in den Gemeinde-und Stadtverwaltungen bestehende Bestimmungen über den gesamtdeutschen Reiseverkehr umgehen, ergangene Weisungen »breit auslegen« und in vielen Fällen »Härten vermeiden« können. Um eine möglichst breite Einschüchterung und Unsicherheit zu erzeugen, sind die Appelle und Aufforderungen zur unkorrekten Arbeit nicht mehr mit den namentlichen Drohungen wie früher verbunden, sondern häufig mit der allgemeinen und in der Wirkung offensichtlich auf größere Kreise berechneten Androhung, dass »Linientreue« einmal zur Verantwortung gezogen werden.
Ein wesentlicher Teil der Feindtätigkeit gegen die Arbeiter- und Bauernmacht ist zwar nicht direkt gegen den Staatsapparat gerichtet, verfolgt aber das Ziel, die Staats- und Gesellschaftsordnung zu diskreditieren und damit auch den staatlichen Organen erhebliche Schwierigkeiten zu bereiten. Die Maßnahmen zur Organisierung der Republikflucht, mit denen das Ziel verfolgt wird, besonders die wirtschaftliche Entwicklung der DDR zu stören, wurden nach dem V. Parteitag der SED11 aufgrund eines Vorschlages von Lemmer12 in der CDU-Bundestagsfraktion erheblich verstärkt und als wesentlicher Bestandteil der Bonner Pläne zur Störung der ökonomischen Entwicklung der DDR eingeschätzt. Zur Diskreditierung der Arbeiter-und-Bauernmacht wird in diesem Zusammenhang das »Argument« gebraucht, dass die Republikflucht ein Ausdruck der Verschärfung der Widersprüche zwischen Bevölkerung und Staatsmacht sei und deshalb vor allem auch solche Personen die DDR verlassen, die aufgrund ihres Wissens und ihres Überblickes in der Lage seien, die Aussichtslosigkeit der Entwicklung der DDR zu übersehen. Durch Steigerung der Hetzkampagnen soll der Boden für die Republikflucht aufgelockert werden mit dem Ziel, die allgemeine Flüchtlingsbewegung zu verstärken und die gezielte Abwerbung durch Konzerne, staatliche westdeutsche Einrichtungen und andere Institutionen ideologisch vorzubereiten. Die Orientierung erfolgt dabei vor allem auf die Abwerbung solcher Spitzenkräfte, deren Flucht für die Wirtschaft der DDR besonders schädliche Auswirkungen hat, die staatliche Planung erschwert und die außerdem in Westdeutschland im Rahmen der NATO-Aufrüstung und der Lage auf dem Arbeitsmarkt überhaupt dringend benötigt werden. Das trifft insbesondere auf solche Industriezweige zu, die im Rahmen der Wirtschaftsplanung der DDR besonders stark entwickelt werden und auf solche Betriebe, deren Erzeugnisse für den Außenhandel und die Wirtschaft in der DDR von besonderer Bedeutung sind. Als Schwerpunkte der Abwerbetätigkeit gelten die chemische Industrie, die Energiewirtschaft, die feinmechanische und optische Industrie, der Landmaschinenbau sowie Physiker, Techniker, Ärzte und Lehrer. Charakteristisch für die Feindtätigkeit sind auch die Versuche, ganze Schwerpunktinstitute lahmzulegen und besonders solche Institute zu schädigen, die wissenschaftlichen Nachwuchs ausbilden. Diese Machenschaften und die in der letzten Zeit zunehmende Konzentrierung auf Jugendliche sind gleichzeitig mit der Spekulation verbunden, dass es den staatlichen Einrichtungen der DDR aufgrund der jetzt kommenden geburtenarmen Jahrgänge und den Umstellungen in Verbindung mit der Neuordnung des Schulwesens nicht gelingen wird, dem Arbeitskräftebedarf zu decken. In diesem Zusammenhang sind auch die Bestrebungen des Gegners zu sehen, in den Staatsapparat einzudringen und von zentralen Stellen geeignetes Material über bestimmte Objekte und Personen und sogenannte schwache Stellen zu bekommen, auf die eine Konzentration der Abwerbetätigkeit erfolgen soll.
Aufgrund der Veränderung des internationalen Kräfteverhältnisses zugunsten des Sozialismus und in Deutschland aufgrund der ständigen Festigung und Stärkung der DDR ist zu erkennen, dass die politisch-ideologische Diversionstätigkeit zu einer der wichtigsten Voraussetzungen für die Wirksamkeit der gesamten Feindtätigkeit geworden ist. In ihr kommt die Neuorientierung eines großen Teils der Feindtätigkeit auf die systematische und auf weite Sicht berechnete Unterminierung und Aufweichung der DDR besonders deutlich zum Ausdruck. In Verfolgung seiner Pläne zur Störung der sozialistischen Entwicklung und des Friedenskampfes sowie zur Schaffung von Voraussetzungen für die Auslösung von Provokationen, versucht der Gegner, die Einheit und Geschlossenheit der SED und das einheitliche Handeln der in der Nationalen Front13 zusammengeschlossenen Kräfte zu untergraben, das Vertrauen der Bevölkerung zu Partei und Staatsapparat zu erschüttern, Misstrauen und Unsicherheit zu verbreiten und die Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins zu hemmen.
Aufgrund der Erfolge der DDR auf allen Gebieten – besonders auf ökonomischem Gebiet – steht in der Hetzpropaganda nicht mehr das Argument im Vordergrund, die DDR werde mit ihren Schwierigkeiten – vor allem ökonomischen – nicht fertig, sondern das Schwergewicht wird auf solche Argumente gelegt, wie z. B. in der DDR herrsche eine »stalinistische Diktatur«, »geistiger Terror« und »ein dem Deutschtum art- und wesensfremdes Regime«. Besonders vom Lemmer-Ministerium14 wurde nach offensichtlichem Scheitern seiner »Kontaktversuche« die Hetzpropaganda dahingehend orientiert, verstärkt die »Aufdeckung des Terrors und der Unterdrückung« in der DDR zu fordern und zu publizieren. Diese Linie wurde erstmals in größerem Maßstab bei der Hetzpropaganda und Organisierung anderer feindlicher Maßnahmen zur Störung der letzten Volkswahlen in der DDR angewandt.15 Während der Gegner bei früheren Wahlen die Bevölkerung aufforderte, die Wahlen zu boykottieren und auf diese Weise gegen die Verhältnisse in der DDR zu demonstrieren, stand bei der Hetzpropaganda anlässlich der Volkswahlen 1958 die allgemeine Diffamierung der DDR und der Wahlen im Vordergrund. Dabei wurde offensichtlich, dass der Gegner annimmt, sich durch ein solches elastischeres Vorgehen genügend Möglichkeiten für künftige Hetzkampagnen offen gehalten zu haben, zumal die früher verbreiteten Parolen nicht befolgt und damit künftige Hetzkampagnen erschwert worden wären. Die zwischen den führenden westdeutschen Politikern und Agentenorganisationen festgelegte feindliche Argumentation, auf die bei geeignet erscheinenden Gelegenheiten heute noch zurückgegriffen wird, beinhaltete im Wesentlichen folgende Schwerpunkte:
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die Wahlen in der DDR sind ungesetzlich, da sie gegen die Verfassung der DDR verstoßen;
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das Ergebnis der Wahlen liegt schon vorher fest;
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da das Wahlresultat mit 99 % festliegt, lohnt es sich nicht, Bürger der DDR anlässlich der Wahlen zu gefährden;
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nur wer glaubt, seinem Gewissen folgen zu müssen und sich dabei nicht besonders gefährdet, soll versuchen, seine ablehnende Haltung bei der Wahl zu bekunden.
Mit der Parole, dass sich Bürger der DDR nicht gefährden sollen, sollte offensichtlich die »menschenfreundliche« Haltung und die »Sorge« und damit die »Verantwortlichkeit« der Bonner Regierung für die Bürger der DDR demonstriert werden.
In einer Reihe von Berichten und Einschätzungen – vor allem von Hausagitationen und Versammlungen – kam zum Ausdruck, dass die Konzentration der Feindpropaganda auf solche Argumente wie z. B. »in der DDR fehlt eine wirkliche Opposition«, »Wahlen sind nur Theater«, »Die Regierung verhindert den gesamtdeutschen Reiseverkehr« usw. nicht ohne Auswirkung geblieben ist.
In diesem Zusammenhang sind auch die Bestrebungen zu sehen, in Westdeutschland selbst eine breite Basis für die Hetze gegen Partei- und Staatsapparat in der DDR zu schaffen. Mit einer Vielzahl von Broschüren und anderen Propagandamaterialien – im Vordergrund stehen die Materialien des »Bundesministeriums für gesamtdeutsche Fragen« und seines »Büros Bonner Berichte«16 – wird versucht, den Staatsapparat der DDR als etwas Importiertes und Wesensfremdes, als ein Instrument zur Unterdrückung jeder freiheitlichen Regung und zur Unterdrückung der Wiedervereinigungsbestrebungen darzustellen. Es handelt sich z. B. um solche als wissenschaftliche Arbeiten bezeichnete Titel wie »Unrecht als System«, »Dokumente des Unrechts« oder um solche neutral erscheinenden Titel wie »Das Erziehungswesen in der SBZ«, »Die Justiz in der SBZ«, usw. oder um Ausstellungen wie »Der Kampf des SED-Staates gegen Kirche und Religion«, die unter Anführung verleumderischer Behauptungen, Verdrehung der Tatsachen, Überbetonung vorhandener Missstände usw. eine wüste Hetze gegen die Gesellschaftsordnung und den Staatsapparat der DDR beinhalten. Häufig ist in den Hetzschriften die Behauptung zu finden, dass die Verfassung der DDR gar nicht so schlecht sei, aber von dem in der DDR herrschenden Regime gar nicht eingehalten werden könne, um daraus einen Widerspruch zwischen den Worten und Taten der Regierung der DDR zu konstruieren.
Neben Aktionen zur allgemeinen Beeinflussung der westdeutschen Bevölkerung gegen die DDR sowie zur Aufwiegelung der Bevölkerung der DDR gegen den Staatsapparat, gibt es auch gezielte, auf bestimmte Bevölkerungskreise ausgerichtete Hetzkampagnen. So wird z. B. die von Lemmer vor etwa einem Jahr erhobene Forderung, Wissenschaftler, Künstler und Studenten speziell zu beeinflussen, nach wie vor als Richtlinie und Anweisung betrachtet. Im Vordergrund stehen dabei die Argumente, dass das in der DDR herrschende System keine freie Entfaltung der Wissenschaft und Kultur erlaube, dass aufgrund des Druckes des Staates keine freie Lehre usw. möglich sei, demzufolge die Wissenschaftler diesem System nicht länger dienen könnten usw. Solche Erscheinungen, dass Partei- und Staatsfunktionäre Wissenschaftler, die mit bürgerlichen Vorstellungen behaftet sind, verschiedentlich falsch behandeln, verschiedene Wissenschaftler sich angeblich politisch neutral verhalten wollen und mitunter die Auffassung vertreten, in ihrer freien Willensäußerung beengt zu sein, werden dabei geschickt ausgenutzt. In verschiedenen Objekten tarnten Kreise der Intelligenz, in Auswirkung der feindlichen Hetztätigkeit, ihre ablehnende Haltung gegenüber bestimmten staatlichen Anordnungen mit der Behauptung, dass in den leitenden Gremien Parteimenschen und keine Fachleute sitzen würden.
Die Bonner CDU schleust über das CDU-Ostbüro17 Hetzschriften in die DDR ein, mit denen das Ziel verfolgt wird, Unzufriedenheit zu erzeugen, die bis zu einer Opposition gegen alle Maßnahmen des Staatsapparates gesteigert werden und zur Isolierung von Partei und Regierung vor der Bevölkerung führen sollen. Unter Verdrehung und Verfälschung der Tatsachen wird z. B. gegen den Justizapparat und den Strafvollzug in der DDR gehetzt, werden verlogene Darstellungen gegeben, um Mitleid zu erregen, werden die Angehörigen der Häftlinge zur Einreichung von Gnadengesuchen veranlasst, um gleichzeitig die Justiz und Volkspolizei von anderen Aufgaben abzulenken und die Arbeit zu desorganisieren usw. Durch falsche Darstellungen z. B. der Lage im Bauwesen, sollen die Bauarbeiter dahingehend beeinflusst werden, in einen anderen Wirtschaftszweig überzuwechseln bzw. ihre Arbeitsergebnisse zu reduzieren. Hetzartikel dieser Art werden ergänzt durch üble Berichte über führende Staatsfunktionäre und über den angeblichen Kampf des Staates gegen die Kirche.
Von der Vielfalt der Argumente und Methoden zeugen auch die bereits angeführten Forderungen der SPD zur Veränderung des Staatsapparates – verbunden mit Spekulationen zur Schaffung einer sozialdemokratischen Basis in der DDR – sowie die von der rechten DGB-Führung geförderte Hetzpropaganda gegen die DDR. In der Hetzschrift »Die kleine Tribüne«,18 die als »Kampf-und Informationsblatt der Arbeiteropposition im FDGB« deklariert und in die DDR eingeschleust wird, wird z. B. gegen Maßnahmen des Staatsapparates, vor allem zur Verwirklichung der ökonomischen Hauptaufgabe, gehetzt. Die in diesen Blättern erhobenen Forderungen der sogenannten FDGB-Opposition sollen als Richtlinien zur Störung der wirtschaftlichen Entwicklung und zur Verhinderung der Festigung der Staatsmacht der DDR dienen. In einer Ausgabe dieser Hetzschrift wird z. B. die sozialistische Rekonstruktion mit der schon »weitgehendst abgeschlossenen und viel geschmähten Rationalisierung in Westdeutschland« gleichgesetzt, wobei der Unterschied vor allem darin bestünde, dass sie in der DDR nur »sehr viel später und unter größeren Opfern« als in Westdeutschland vor sich gehen würde.19 In einem anderen Zusammenhang wird in geschickter Form der Rat erteilt, dass die Arbeiter in der DDR die Einführung der Fünf-Tage-Woche fordern sollen. In einem weiteren Artikel wird die Forderung erhoben, die Frauenarbeit zu »vermenschlichen«. Im Einzelnen wird gefordert
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den Männern solche Löhne zu geben, damit die Frauen nicht aus wirtschaftlichen Gründen mitarbeiten müssten;
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die »gut genährten Planbürokraten« in die Produktion zu schicken und Frauen an die Schreibtische zu holen;
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die bewaffneten Organe zu reduzieren, damit nicht »junge Menschen für deren Unterhaltung schuften« müssten usw.
Die Auswirkungen dieser feindlichen ideologischen Diversionstätigkeit zeigen sich im Staatsapparat in solchen Erscheinungen, wie z. B. der Ablehnung der führenden Rolle der Partei und der nicht konsequenten Durchsetzung der Parteibeschlüsse, des Ersetzens politischer Überzeugungsarbeit durch administrative Maßnahmen, der Durchsetzung eines sogenannten weiteren Kurses und in der verhältnismäßig weit verbreiteten Stimmung, aus der Tätigkeit des Staatsapparates auszuscheiden. Führende Mitarbeiter des Kreisrats Glauchau gingen z. B. auftretenden Schwierigkeiten in der Frage der Regelung des Arbeitskräfteeinsatzes aus dem Wege und arbeiteten eine Stellungnahme aus, um negative Auffassungen entsprechend begründen zu können.
Die Auswirkungen der feindlichen ideologischen Diversionstätigkeit gingen so weit, dass Staatsfunktionäre im Bezirk Neubrandenburg die »freie Wirtschaft« des Westens verherrlichten, Bauern vom Eintritt in die LPG abhielten und feindliche Ratschläge befolgten, größere Investitionssummen fehlzuleiten, sogenannte weiche Pläne aufzustellen usw. Der am 11.7.1959 inhaftierte Kaderinstrukteur des Rates des Bezirkes Erfurt, [Vorname Name 1], hat an einen bestimmten Kreis von Angestellten im Rat des Bezirkes Hetzbriefe geschrieben, mit dem Ziel, bei den Angestellten Unruhe zu verursachen und zersetzend zu wirken. Die Hetzbriefe wurden von ihm unterzeichnet mit »Umsiedlerstab beim Rat des Bezirkes« oder »Komitee zur Befreiung der Ostzone beim Rat des Bezirkes«. Die Empfänger wurden aufgefordert, aktiv gegen Beschlüsse von Partei und Regierung zu arbeiten.
Eine wichtige Rolle im Rahmen der ideologischen Diversionstätigkeit ist den Kirchen zugedacht, um die Kirchen in einen Gegensatz zum Staat zu bringen und die gläubigen und konfessionell gebundenen Menschen gegen den Staatsapparat in der DDR aufzuwiegeln. Besonders seit dem vorigen Jahr ist festzustellen, dass die westlichen Rundfunkstationen in ihren Hetzsendungen die Bevölkerung auf den angeblich größer werdenden Gegensatz zwischen Staat und Kirche zu orientieren versuchen. Neben weiteren allgemein bekannten Tatsachen über die Hetze und den sogenannten Kirchenkampf, der Wühltätigkeit des Jesuitenordens20 usw. gibt es neuerdings Anzeichen für eine Verstärkung politisch-klerikaler Störaktionen, die einer Aufforderung der Adenauer-Regierung21 an leitende Kreise beider Kirchen entsprechen, die Angriffe aggressiver und wirkungsvoller zu gestalten. Veränderte Formen der kirchlichen Tätigkeit gegen die sozialistische Ordnung wurden »notwendig«, nachdem die Konzeption von Dibelius22 zu sehr diskreditiert wurde und die Rolle Westdeutschlands in der NATO auch gewisse Veränderungen der Kirchenpropaganda erforderlich machten. Sie zeigen sich im Wesentlichen in folgenden Formen:
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straffere Organisierung der religiösen Organisationen in der DDR zum Ausbau eines Zentrums der legalen Opposition und Schaffung einer »Einheitsfront« auf der Ebene der niederen und mittleren Geistlichkeit beider Konfessionen zur Entwicklung einer breiteren Basis für die Angriffe gegen die Staatsordnung in der DDR;
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Ausbau der Nebeneinrichtungen der Kirchen zu politisch-theoretischen Zentren für die ideologische Diversion, wobei die evangelischen Akademien und Ausbildungsstätten, das Katechetische Oberseminar Naumburg23 und das Priesterseminar Neuzelle24 eine Hauptrolle spielen sollen;
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Konzentrierung der Angriffe auf Prinzipien der staatlichen Ordnung, weltanschaulich getarnt und verstärkte Orientierung auf Unterwanderungsversuche.
Wegen des Umfanges und der Vielseitigkeit der Feindtätigkeit und der feindlichen und schädlichen Einflüsse gegenüber dem Staatsapparat bitten wir zu beachten, dass in der vorgenannten Einschätzung nur die wesentlichsten Pläne, Methoden und Mittel der gegnerischen Tätigkeit angeführt werden konnten.
II. Auswirkungen feindlicher und schädlicher Einflüsse innerhalb des Staatsapparates auf die Wirtschaft der DDR.
Im Staatsapparat zeigen sich eine Anzahl Erscheinungen feindlichen und schädlichen Einflusses, die besonders in ihren Auswirkungen auf die Wirtschaft zu erheblichen Schädigungen führen und andererseits das Vertrauen der Werktätigen zur Leitungstätigkeit der Staatsorgane untergraben. Dabei ist festzustellen, dass der Gegner verstärkt Versuche unternimmt, um in die zentralen Organe des Staatsapparates einzudringen, von denen aus eine umfangreiche Spionage und insbesondere auch Schädlingstätigkeit auf dem Gebiete der Wirtschaft möglich ist. Diesen Bestrebungen kommt die oftmals schädliche Leitungs- und Kontrolltätigkeit der Staatsorgane entgegen, die den feindlichen Kräften ein verhältnismäßig leichtes Eindringen und Tätigwerden ermöglicht.
Neben dem direkten Einfluss feindlicher oder negativer Elemente ist die Ursache schädlicher Erscheinungen aber zum größten Teil auf die teilweise ungenügende politische Klarheit einer großen Anzahl von Mitarbeitern, ungenügende fachliche Kenntnisse und auf eine völlig unzureichende Festlegung und Abgrenzung der Aufgabenbereiche zurückzuführen.
Verstärkte Einflussnahme westdeutscher Konzerne auf die Staats-und Wirtschaftsorgane der DDR.
Mit Unterstützung der imperialistischen Geheimdienste werden von den westdeutschen und ausländischen Konzernen verstärkt Anstrengungen unternommen, über die zuständigen Staats- und Wirtschaftsorgane Einfluss, besonders auf die Industrie der DDR, zu gewinnen. Zu diesem Zweck versuchen sie, ihre teilweise bestehenden Verbindungen zu den Organen der DDR dazu auszunutzen, einzelne Mitarbeiter und vereinzelt auch ganze Arbeitsgebiete durch Korrumpierung der verschiedensten Art gefügig zu machen, um dann mithilfe dieser Personen in den Besitz wichtiger Spionageinformationen zu gelangen und auf dieser Grundlage im Interesse ihres Profits gegen die Industrie der DDR zu arbeiten.
In der Regel handelt es sich darum, durch die Nichtentwicklung und Vernachlässigung bestimmter Industriezweige oder durch ungenügende Abstimmung mit den anderen Ländern des sozialistischen Lagers, den Konzernen Einfluss durch Lieferung entsprechender Waren, Betriebsbesuche usw. zu sichern und auf dieser Basis die vielfältigsten Methoden zur Störung der Industrie der DDR anzuwenden. Besonders hervorzuheben ist dabei noch die Ausnutzung dieser vielfältigen Beziehungen zur Abwerbung von Fachkräften aus den einzelnen Zweigen der Industrie.
Zum Beispiel hat der ehemalige Leiter für Produktion und Technik der VVB Feuerfest-Industrie in Meißen, [Bezirk] Dresden, Lorenz, Erich,25 unter dem Einfluss westdeutscher Konzerne stehend, einen großen Teil der für die Entwicklung der Feuerfest-Industrie der DDR bereitgestellten Investitionsmittel fehlgeleitet und dadurch die notwendigen Kapazitätserweiterungen der Feuerfest-Industrie entgegen dem Bedarf der Stahl-, Chemie-, Gas- und Glasindustrie der DDR gehemmt. Er hat gleichzeitig verhindert, dass diese Industriezweige von Importlieferungen durch westdeutsche Konzerne unabhängig und damit dem Einfluss der Didier- sowie Annawerk-Konzerne entzogen wurden.26 Durch die Handlungsweise des Lorenz entstanden der Volkswirtschaft der DDR ca. 10 Mio. DM27 Schaden.
Der Tierarzt und Hauptreferent im Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Vogel, Wilfried28 und der ehemalige Leiter der Zentralstelle für Veterinärbedarf in Berlin, [Name 2, Vorname], waren für die Beschaffung und Verteilung von Tierarzneien und Instrumenten sowie antibiologischer Futtermittel29 verantwortlich. Sie unterhielten offizielle Verbindungen zu westdeutschen Konzernen, die Tierarzneimittel und tierärztliche Instrumente in die DDR exportieren. Durch ihre feindliche Einstellung und Zuwendungen des Konzerns Ankermann30 förderten sie ungerechtfertigt den ehemaligen als zum Konzern gehörenden Privatbetrieb »Vitamin-Chemie«, der im demokratischen Sektor Berlins liegt. Sie bedachten diesen Betrieb mit hohen Produktionsauflagen, stellten zinslose Kredite zur Verfügung und nahmen für andere Betriebe bestimmte und notwendige Rohstoffe bis zur Verarbeitung in die operative Reserve des Ministeriums auf, um sie dann dem Betrieb zur Verfügung zu stellen. Zur Erweiterung der Kapazität des Betriebes »Vitamin-Chemie« wurde eine Ultraviolett-Bestrahlungsanlage eingeführt. Anstatt die volkseigene Industrie zu entwickeln, übertrugen sie dem »Vitamin-Chemie« Aufträge zur Herstellung neuer Präparate, wodurch dieser Betrieb in der Herstellung von Tetracyclin-Präparaten eine Monopolstellung in der DDR erlangte.31 Im Zusammenwirken mit Vogel beabsichtigte der Ankermann-Konzern im demokratischen Sektor von Berlin eine Tetracyclin-Anlage zu errichten, wozu Vogel als zukünftiger Betriebsleiter vorgesehen war.
Der Leiter der Abteilung Materialversorgung der VVB Glas, Dresden, [Name 3, Vorname], ermöglichte den Konzernvertretern der Didier-AG und der Annawerk-AG eine negative Einflussnahme auf die Leitung der Produktionsbetriebe der glaserzeugenden Industrie und der volkseigenen Feuerfest-Industrie. [Name 3] unterstützte zugunsten der Konzerne erhobene Importforderungen, forderte selbst glaserzeugende Betriebe der DDR zum Bezug von Konzern-Erzeugnissen auf und verhinderte den stärkeren Einsatz von Erzeugnissen der Feuerfest-Industrie der DDR, der ČSR und der Volksrepublik Ungarn in der Glasindustrie. Durch detaillierte Angaben über Bedarfszahlen der Glasindustrie der DDR sowie seine anderen feindlichen Handlungen untergrub er die Tätigkeit der Außenhandelsorgane der DDR und begünstigte die Bestrebungen der Konzerne, auf den Außenhandel der DDR in Bezug auf Preise und Qualitätsforderungen einzuwirken. Für diese feindliche Tätigkeit erhielt [Name 3] bei illegalen Zusammenkünften in Westberlin von den Konzernvertretern größere finanzielle Zuwendungen.
Der ehemalige Leiter der VVB Textilveredlung, Körner,32 unterhielt Verbindungen zu den Farbkonzernen BASF, Cassella, Höchst u. a. Diese Beziehungen bestanden auch nach seinem Arbeitsplatzwechsel zum Ministerium für Außen- und Innenhandel, wo er als Abteilungsleiter tätig war. Unter Ausnutzung seiner Funktionen verschaffte er den Konzernvertretern Einreisegenehmigungen in die DDR, um diesen die Verbindungsaufnahme mit VEB zu ermöglichen. Unter anderem händigte er einem Vertreter eines Westberliner Unternehmens Dienstunterlagen des MAI aus, wodurch dieser nach Kenntnis des Inhalts der Unterlagen Verhandlungen mit den Staatsorganen der DDR zu seinen Gunsten beeinflussen konnte. Für seine Tätigkeit im Interesse der Konzerne erhielt er außer Geschenken, von den Farbwerken Höchst bzw. Cassella für seine Frau drei achttägige Urlaubsreisen nach Frankfurt/M. finanziert.
Feindliche und schädliche Einflüsse in der Leitungstätigkeit der Staatsorgane zur Verwirklichung der ökonomischen Aufgaben
Nach vorliegenden Hinweisen ist bei einem großen Teil der Fachabteilungen der Räte der Bezirke und Kreise eine äußerst mangelhafte und oftmals schädliche Leitungs- und Kontrolltätigkeit festzustellen, besonders hinsichtlich der Erfüllung der ökonomischen Aufgaben. Dies äußert sich vor allem in der Unterschätzung oder Missachtung der entsprechenden Beschlüsse und gesetzlichen Grundlagen und in einer völlig mangelhaften Arbeitsorganisation. Die Beschlüsse der Partei und Regierung werden ungenügend zur Grundlage der täglichen Arbeit genommen, sondern häufig nur kampagnemäßig behandelt und ausgewertet. Das führt auch dazu, dass unzureichend auf die Erfüllung der ökonomischen Schwerpunktaufgaben orientiert wird und nicht selten derartige Schwerpunkte wie z. B. die Ausarbeitung des Siebenjahrplanes,33 die sozialistische Rekonstruktion und das Chemieprogramm34 in den Arbeitsplänen usw. kaum ihren Niederschlag finden.
Erhebliche Missstände treten auch durch die ungenügende Zusammenarbeit mit anderen Abteilungen und durch mangelhafte Anleitung und Kontrolle der nachgeordneten Abteilungen und Betriebe auf. In den Abteilungen Planung und Örtliche Wirtschaft des Rates des Bezirkes Gera hat sich z. B. die Berichterstattung vervielfacht, sodass den Mitarbeitern nur wenig Zeit zur operativen Arbeit in den Betrieben bleibt. Unter anderem musste durch die schlechte Anleitung der Staatlichen Plankommission35 die Direktive zum Siebenjahrplan dreimal ausgearbeitet werden.
In der Abteilung Planung wurden des Öfteren Nacht- und Sonntagsarbeiten gefordert, sodass Mitarbeiter den Wunsch äußerten, aus dem Staatsapparat auszuscheiden.
Beim Rat des Bezirkes Potsdam entspricht die kadermäßige Besetzung der Abteilung Bezirksgeleitete und Örtliche Industrie nicht den Erfordernissen. In dieser Abteilung besteht kein Überblick über die sozialistische Rekonstruktion im Bezirk. Außerdem fehlt es auch hier – wie in anderen Bezirken – an einer engen Zusammenarbeit der Abteilung Planung mit den anderen Abteilungen. Die in der Planung für die einzelnen Wirtschaftszweige verantwortlichen Mitarbeiter erarbeiten losgelöst von den Fachabteilungen den Plan. Diese Mängel zeigen sich auch in den Plankommissionen der Kreise, denen vonseiten der Bezirke nur ungenügende Unterstützung gegeben wird.
In der Abteilung Planung des Bezirkes Magdeburg ist die Koordinierung der Planung der Industrie lediglich einem Mitarbeiter übertragen. Ähnliche Erscheinungen gibt es auch in der Arbeit der Plankommissionen der Kreise. Das Gremium der Plankommission des Kreises Staßfurt, [Bezirk] Magdeburg, arbeitet sporadisch und hat für das III. Quartal 1959 keinen konkreten Arbeitsplan. Auch die Teilnahme und Mitarbeit der Mitglieder ist äußerst ungenügend, da zu den Beratungen oft 30 % der Mitarbeiter fehlen. So wurde z. B. zu Fragen des Bauwesens Stellung genommen, ohne dass der Kreisbaudirektor als Mitglied der Plankommission anwesend war.
Ferner gibt es solche Erscheinungen, dass leitende Angestellte die Mitarbeit der ihnen unterstellten Mitarbeiter und breitester Kreise der Bevölkerung bei der Lösung der Aufgaben des Staatsapparates unterschätzen oder behindern und dadurch Missstimmung erzeugen und das Vertrauen zum Staatsapparat untergraben. Typisch dafür ist die Meinung des Vorsitzenden der Plankommission des Kreises Staßfurt, Zurek,36 »er sei der Einzige, der über die notwendige Qualifikation verfügt. Deshalb könne er sich nicht auf seine Mitarbeiter stützen.«
Weitere Anzeichen schädlicher Einflüsse zeigen sich auch bei der Ausarbeitung von Plänen, in denen die gestellten ökonomischen Ziele und die Beschlüsse der Partei und Regierung nicht oder unzureichend berücksichtigt werden, den nachgeordneten Organen bei der Ausarbeitung ihrer Pläne ungenügende Unterstützung zuteil wird und vor allem bei der sozialistischen Rekonstruktion eine völlig falsche Orientierung auf hohe Investitionsforderungen erfolgt. Zum Beispiel erarbeitete die Abteilung Planung beim Magistrat von Groß-Berlin den Vorschlag zum Siebenjahrplan mit Planzahlen, die nicht den ökonomischen Zielen bis 1961 entsprechen. Obwohl dieser Fehler bekannt war, wurde der Vorschlag dem Büro der Bezirksleitung vorgelegt. Durch die dadurch notwendige nochmalige Überarbeitung entstand ein unnötiger Zeitverlust.
Im Kreis Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, gaben die Mitarbeiter der Plankommission den Gemeinden keine Unterstützung bei der Erarbeitung des Siebenjahrplanes, trotzdem sie über die bestehenden Schwierigkeiten informiert wurden. Da die Pläne nicht termingemäß fertiggestellt wurden, mussten vom Rat des Kreises Brigaden zur Unterstützung der Gemeinden zusammengestellt werden. Um die Versäumnisse der Plankommission zu bereinigen, wurde dadurch ein großer Teil der Mitarbeiter von der Lösung anderer Aufgaben abgezogen.
Bei der Ausarbeitung des Rekonstruktionsplanes wirkte sich die ungenügende Zusammenarbeit der einzelnen Abteilungen aus und es fehlte oft an einer Abstimmung der verantwortlichen Abteilungen des Wirtschaftsrates mit der Abteilung Finanzen. Besonders beim Rekonstruktionsprogramm gab es Tendenzen, sich stark auf Investitionen zu stützen, ohne in genügendem Maße die technisch-organisatorischen Maßnahmen als wesentlichen Teil der Rekonstruktion zu berücksichtigen. Dies ist offensichtlich mit auf die falsche Orientierung im Rekonstruktionsprogramm der Berliner Industrie zurückzuführen, wo es u. a. wörtlich heißt: »Das Ziel, die vorgesehene Steigerung der Produktion bei gleichbleibender Anzahl von Arbeitskräften zu erreichen, konnte nicht gesichert werden, weil hierzu die verfügbaren Investitionsmittel zur Anschaffung der erforderlichen modernen Ausrüstungen nicht ausreichen.« In Auswirkung dessen wurde in Berlin versucht, die vorgesehenen ökonomischen Kennziffern für Investitionen mit 12 Mio. DM zu überziehen. Die Auswirkungen schädlicher Einflüsse zeigen sich im Berliner Rekonstruktionsprogramm weiterhin darin, dass bis 1961 nur ungenügend Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Programms und damit auch zur Erfüllung der Planziele festgelegt wurden.
Besonders nachteilig wirkt sich bei der Aufstellung der Rekonstruktionspläne die ungenügende Anleitung der nachgeordneten Organe und Betriebe aus. So gibt es noch eine Anzahl Betriebe, in denen durch die mangelhafte Unterstützung der Staatsorgane noch keine klare Vorstellung über die Ausarbeitung des Rekonstruktionsplanes für ihren Betrieb besteht. Diese Feststellung trifft insbesondere für den Rat des Bezirkes Suhl zu, wo u. a. in den Oberflächenveredlungsbetrieben Benshausen und der Werkzeug-Union Steinbach37 zzt. noch keine Klarheit über die Ausarbeitungen zum Rekonstruktionsplan ihrer Betriebe besteht.
Entstellungen und Überspitzungen in der Tätigkeit des Staatsapparates zur Einbeziehung der Mittelschichten in den sozialistischen Aufbau.
Nach uns vorliegenden Informationen wird die Tätigkeit der örtlichen Staatsorgane zur Gewinnung der Mittelschichten für den sozialistischen Aufbau als ungenügend und unplanmäßig eingeschätzt. Dabei sind eine Reihe von Entstellungen und Überspitzungen bekannt geworden, die das Verhältnis des Staatsapparates zur Bevölkerung negativ beeinflussen und in Fragen der staatlichen Beteiligung u. a. dazu führten, dass sie sich auf die Gewinnung weiterer Privatunternehmer für die staatliche Beteiligung negativ auswirkten.
Zum Beispiel versuchte Anfang des Jahres 1959 der Kreisbaudirektor von Fürstenwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., Eichberg,38 den teilstaatlichen Betrieb (Baubetrieb) Georg Clemens KG, Erkner, ohne Einwilligung des Komplementärs in Volkseigentum zu überführen und ihn in einen Nebenbetrieb des Kreisbaubetriebes zu verwandeln. Dabei ist zu beachten, dass die staatliche Beteiligung bereits schon 83 % beträgt.
Vom Leiter der Abteilung Örtliche Wirtschaft beim Rat des Kreises Strausberg, Hänchen,39 wurde im Juni 1959 ohne Befragung und Einwilligung der Komplementärin der Rüdersdorfer Brunnen KG in Hennickendorf ein Geschäftsführer eingesetzt, der bereits vor Aufnahme der staatlichen Beteiligung in diesem Betrieb beschäftigt war, aber dann wegen unzureichender Zusammenarbeit mit der Komplementärin von sich aus diese Tätigkeit aufgegeben und als selbstständiger Unternehmer einen gleichartigen Betrieb gepachtet hatte. Diesem Vorgehen lag die Absicht des Rates des Kreises zu Grunde, den Betrieb auf administrativem Wege in einen volkseigenen zu verwandeln. Im Siebenjahrplan war er deshalb bereits unter der Kategorie der volkseigenen Betriebe eingeplant.
Im Kreis Neuruppin trat der 1. Stellv. des Vorsitzenden des Rates des Kreises an einen privaten Fleischereibesitzer heran, dieser solle sein Grundstück mit der HO tauschen. Als der Besitzer nicht zusagte, wurde ihm das Betreten des Schlachthofes verboten. Weiter wurde ihm angedroht, dass er keine Schlachtmöglichkeit mehr erhalten wird, wenn er seinen Betrieb nicht freiwillig abgibt.
Andererseits gibt es aber auch Unklarheiten, die dazu führen, dass Mitarbeiter des Staatsapparates dem Mittelstand Perspektiven einräumen, die nicht der Politik der Partei entsprechen.
Im Rat des Kreises Finsterwalde, Abt. Handel, sind solche Erscheinungen vorhanden, dass der private Einzelhandel gegenüber dem staatlichen und genossenschaftlichen Handel zum Teil bevorzugt wird. Der Abteilungsleiter Handel und Versorgung und der stellvertretende Vorsitzende des Rates des Kreises legen den Schwerpunkt auf den Mittelstand und lehnen es ab, den staatlichen und genossenschaftlichen Handel wirksamer zu unterstützen. Auch von der Kommission Handel und Versorgung des Rates des Kreises Eberswalde, [Bezirk] Frankfurt/O., wird die Meinung der besonderen Förderung des privaten Handels vertreten. Die entsprechenden Maßnahmen führen dazu, dass sich Privatgeschäftsleute unter dem Deckmantel des Kommissionsvertrages bzw. der staatlichen Beteiligung zu größeren kapitalistischen Unternehmen entwickeln und den staatlichen Handel auf speziellen Gebieten verdrängen.
Zum Beispiel konnte sich der Inhaber eines Textilgeschäftes in Eberswalde (Mitglied der NDPD und Kreistagsabgeordneter) aufgrund seiner Funktion und mit der Billigung des Staatsapparates einen großen geschäftlichen Vorteil verschaffen, indem ihm die Möglichkeit eingeräumt wurde, sein Geschäft so zu reorganisieren, dass er nur noch auf Herrenkonfektion spezialisiert ist. Diese und andere Maßnahmen führten dazu, dass das in der Nähe liegende HO-Warenhaus durch den Rückgang im Umsatz der Herrenkonfektion größere Verluste erlitt.40
Wie aus weiteren Beispielen ersichtlich ist, wird von den staatlichen Organen beim Abschluss von Kommissionsverträgen oder bei der staatlichen Beteiligung ungenügend auf die vom Partner verfolgten Ziele geachtet, wodurch häufig dessen spekulative Absichten unterstützt werden. Bezeichnend für eine Reihe solcher Ansichten ist die Äußerung der Ehefrau eines mit staatlicher Beteiligung arbeitenden Bauunternehmers: »Wir machen jetzt staatliche Beteiligung und vergrößern dadurch unser Anlagevermögen. Der Sozialismus wird nicht bleiben und bei einem künftigen Umsturz wird man nicht nach der Herkunft der Mittel fragen, sodass wir unser Vermögen dann vergrößert haben.« Diese und ähnliche Erscheinungen werden nur ungenügend zum Anlass politischer Auseinandersetzungen genommen und finden in den meisten Fällen kaum Beachtung bei der Festlegung der sich aus der staatlichen Beteiligung ergebenden Maßnahmen.
Auswirkungen feindlicher und schädlicher Einflüsse innerhalb des Staatsapparates auf die Planung, Projektierung und Arbeitsorganisation der Bauindustrie.
In der Bauindustrie der DDR gibt es nach vorliegenden Hinweisen eine Reihe erheblicher Missstände und Störungen, die offensichtlich durch feindliche und schädliche Einflüsse innerhalb des Staatsapparates – besonders der entsprechenden Fachabteilungen und Projektierungsbüros – hervorgerufen werden. Obwohl zum größten Teil bei den bekannt gewordenen Beispielen eine direkte Feindtätigkeit nicht nachgewiesen werden konnte, ist jedoch aus den objektiven Umständen, die zu diesen Erscheinungen führten erkenntlich, dass auf diesem Gebiet erhebliche feindliche Einflüsse wirken, die oftmals ihren Ursprung in einer negativen Einstellung der dafür verantwortlichen Mitarbeiter des Staatsapparates haben. Begünstigt wird diese Situation häufig durch Maßnehmen zentraler staatliche Organe, die diese in Unkenntnis der örtlichen Verhältnisse und Sachlage und ohne Abstimmung mit den örtlichen Organen einleiten.
Zu den für die Volkswirtschaft schädlichsten Erscheinungen in der Bauindustrie gehört die in größerem Umfange angewandte sogenannte gleitende Projektierung, die durch ständige Veränderungen der Projekte, Umbauten usw. zu erheblichen Verlusten führt.41 Dabei ist festzustellen, dass vielfach – selbst durch die Staatliche Plankommission – Genehmigungen für die Anwendung der gleitenden Projektierung erteilt werden, ohne die Notwendigkeit zu prüfen.
So nehmen allein im Bezirk Frankfurt/O. die Bauvorhaben mit gleitender Projektierung noch 32 % der gesamten Bausumme ein, obwohl sich auch darunter eine Reihe von Projekten befindet, für die keine Notwendigkeit zur Anwendung der gleitenden Projektierung vorliegt. Zum Beispiel wurden alle Schwerpunkte für das Jahr 1959 – wie das Cordwerk Fürstenwalde,42 Alaun-Werk Freienwalde43 u. a. – in gleitender Projektierung errichtet. Dabei handelt es sich fast ausschließlich um zentrale Projekte, deren Planträger Ministerien, VVB usw. sind. Da die Staatliche Plankommission trotz der wiederholten Beschwerden und der Kenntnis der durch die gleitende Projektierung hervorgerufenen Mängel ständig Sondergenehmigungen erteilt, wird die gleitende Projektierung von Funktionären des Staatsapparates als »staatlich anerkannte Sabotage« bezeichnet. Die Auswirkungen dieser Projektierung zeigen sich u. a. im Alaun-Werk Freienwalde darin, dass wegen Unklarheit über die Ausrüstung der Objekte die Maschinen zu spät bestellt wurden und die Inbetriebnahme um ein Jahr verzögert wird.
Es gibt auch eine Reihe von Beispielen direkter Fehlprojektierungen die durch schädliche und den objektiven Umständen nach oftmals feindliche Einflüsse hervorgerufen werden. Zum Beispiel wurde vom Bezirksbauamt Rostock ohne Untersuchung der Rohstoffbasis ein Kalksandsteinwerk für Barth projektiert und die erforderlichen Maschinen bestellt.Nach Fertigstellung des Projektes musste dieses verworfen werden, da nach eingeleiteten Untersuchungen festgestellt wurde, dass keine Rohstoffbasis vorhanden ist.
Im Kreis Doberan, [Bezirk] Rostock, können die im landwirtschaftlichen Bauwesen geplanten Bauten im Werte von 1,5 Mio. DM nicht fertiggestellt werden, da die bereits begonnenen Bauten weit höhere Kosten beanspruchen als geplant war. In der Projektierungsgruppe ist eine Konzentration ehemaliger Faschisten und Rückkehrer vorhanden.
Andererseits gibt es auch solche Erscheinungen, dass Angestellte des Staatsapparates unberechtigte Projektierungsarbeiten für Privatunternehmer ausführen, diesen unberechtigt Baugenehmigungen erteilen und bewirtschaftetes Baumaterial zur Verfügung stellen.
Der Sachbearbeiter für Lizenzen und Investitionen bei der Abteilung Aufbau beim Rat des Kreises Finsterwalde, [Bezirk] Frankfurt/O., [Name 4, Vorname], hat seit mehreren Jahren unberechtigt 158 bautechnische Unterlagen für Privatpersonen gefertigt. Zur Verschleierung dieser Tätigkeit hat er private Bauunternehmer zur Urkundenfälschung angestiftet und sich dadurch Vermögensvorteile von 18 000 DM verschafft. Er nahm ferner falsche Eingruppierungen von Bauvorhaben vor und veranlasste die Entnahme bewirtschafteter Baumaterialien zugunsten von Privatpersonen. Zur Tarnung seiner Verbrechen übermittelte er regelmäßig falsche Quartalsberichte an den Rat des Bezirkes.
[Name 5, Vorname], Bautechniker im Entwurfsbüro für Hochbau Fürstenwalde, [Bezirk] Cottbus, bewilligte nicht zulässige Privatbauvorhaben und nahm wissentlich Falschbeurkundungen vor. Für die von ihm unrechtmäßig bewilligten nicht zulässigen Privatbauvorhaben bestätigte er Materialbedarfslisten, wodurch den Planbauten bewirtschaftete Baumaterialien entzogen wurden. Dem Haushalt des Kreises fügte er beträchtlichen Schaden zu, indem er Baukosten zu niedrig errechnete und nur wenige Baugebrauchsabnahmen durchführte. Dadurch wurden keine bzw. nur geringe Steuern und Gebühren erhoben.
Weitere schädliche Erscheinungen zeigen sich darin, dass von staatlichen Organen unberechtigt Projektierungsaufträge an private Ingenieurbüros vergeben werden. In diesem Zusammenhang gibt es eine Reihe von Hinweisen, wonach von Mitarbeitern der staatlichen Organe diese Auftragserteilungen mit Spekulationen verbunden werden. Zum Beispiel werden von der Abteilung Wasserwirtschaft beim Rat des Bezirkes Neubrandenburg Projektierungsaufträge an private Ingenieurbüros vergeben. Diese Projekte werden anschließend von den Ingenieuren der Wasserwirtschaft nochmals überarbeitet und mit dem Ziel einer Prämiierung als Verbesserungsvorschläge eingereicht. Vom Direktor des Kreisbauamtes Sternberg, [Bezirk] Schwerin, wurden in kurzer Zeit Aufträge im Werte von 100 000 DM an Privatprojektanten vergeben.
Zur Arbeit der Bezirks-, Kreis- und Stadtbauämter wird allgemein eingeschätzt, dass sie ihren Aufgaben nicht im vollen Umfange gerecht werden. Bei einem großen Teil der Bezirks- und Kreisbauämter wird die Arbeit nur ungenügend mit der Abteilung Planung und den anderen Abteilungen koordiniert. Es fehlt an einer intensiven Leitungs- und Kontrolltätigkeit und verschiedentlich besteht durch häufige Veränderungen der Baupläne keine Übersicht über die Bauvorhaben im Bezirk oder Kreis. Die Arbeitspläne enthalten nicht immer die tatsächlichen Aufgaben für den Planablauf im Bauwesen und befassen sich oft mit nebensächlichen Dingen. Dadurch werden vorhandene Maschinen nicht voll ausgenutzt, unsachgemäße Materialbestellungen vorgenommen und andere schädliche Erscheinungen objektiv begünstigt.
Die Auswirkungen der mangelhaften Arbeit im Bauwesen werden besonders in Leipzig deutlich, wo 1959 1 000 geplante Wohnungseinheiten nicht gebaut werden können, weil der Rat der Stadt und das Stadtbauamt es nicht verstanden haben, den Wiederaufbau der Stadt unter eine zentrale Leitung zu stellen. Gegenwärtig bestehen über 30 Baustellen und 30 Bauleitungen, die zu einer Zersplitterung der vorhandenen Technik und der Baustoffversorgung führen.
Auch im Kreis Quedlinburg, [Bezirk] Halle, kann ein großer Teil der geplanten Wohnungen nicht gebaut bzw. nicht fertiggestellt werden, da die Planzahlen nicht mit der Baustoffkommission abgestimmt und daher falsch erarbeitet wurden. Im Kreis Rügen gibt es eine ständige Änderung der Baupläne. Allein für das ländliche Bauwesen wurde der Plan in diesem Jahr zum 3. Male geändert, was sich schädigend für die Weiterentwicklung einiger LPG auswirkt. Im Bezirk Dresden wurde das ländliche Bauwesen darauf orientiert, 1959 in einem Kreis 34 Offenställe zu bauen. Kurze Zeit später erfolgte eine Neuorientierung, bei der nur 21 Ställe genehmigt wurden. Da das Kreisbauamt der Ansicht war, dass diese Anzahl endgültig sei, wurden sofort mit den entsprechenden Firmen die Materialien vertragsgemäß gebunden. Nach einiger Zeit wurde die Zahl der zu bauenden Offenställe aber auf elf reduziert, sodass Schwierigkeiten entstanden, die bereits abgeschlossenen Verträge für die Lieferung des Materials rückgängig zu machen.
Andererseits zeigen sich auch negative Einflüsse in der Form, dass bewusst überhöhte Mengen Material angefordert werden, obwohl sie für die planmäßigen Objekte nicht benötigt werden. Diese überschüssigen Materialien werden durch ungerechtfertigte Lagerhaltung der Volkswirtschaft entzogen und ohne Planauflagen an private Unternehmer abgegeben. Zum Beispiel wurden für eine Baustelle in Eisenach 215 t Zement angefordert. Trotzdem das zuständige Kreisbauamt die Lieferung auf 135 t kürzte, ergab eine weitere Überprüfung, dass nur ein tatsächlicher Bedarf von 83 t vorlag.
Des Weiteren gibt es im Bauwesen Erscheinungen, ohne Beachtung der natürlichen Voraussetzungen (Wasserversorgung, Zweckmäßigkeit usw.) und der entsprechenden Vorschriften mit den Bauvorhaben zu beginnen, was zu erheblichen Veränderungen in den Projekten, zusätzlichen Kosten für Aufschließungsarbeiten usw. führt.
Zum Beispiel wurde in Richtenberg, [Bezirk] Rostock, ein Volkseigenes Gut gebaut und zu diesem Bau nur das ingenieur-geologische Gutachten angefordert. Nachdem die Bauarbeiten abgeschlossen waren, sollte die Wasserversorgung gewährleistet werden. Die Bohrungen ergaben, dass keine Wasservorräte vorhanden sind und eine 5 km lange Wasserleitung gebaut werden musste. In Friedenshorst Kreis Neuruppin wurde ein Rinderoffenstall gebaut, der bei durchschnittlichen Witterungsverhältnissen ständig unter Wasser steht. Im Bezirk Magdeburg wurden bei 16 Bauten die Kühldecken nicht nach den gesetzlich vorgeschriebenen Maßen angelegt, sodass diese Decken wieder eingerissen und neu gebaut werden mussten. Die Ursachen liegen darin, dass die Kreisbauämter sich nicht an die vorgeschriebenen und notwendigen Maße hielten, sondern auf der Grundlage bereits überholter Anweisungen projektierten.
Ein besonders hoher Schaden entstand beim Bau des Schlachthofes in Pasewalk. Hier wurden neben unnötigen Bauten verschiedene Einrichtungen so unzweckmäßig angelegt, dass eine Kapazitätssteigerung nicht möglich ist. Der Schlachthof wurde im Werte von 12 Mio. DM geplant, wobei dieses Objekt nach den heutigen Ergebnissen 24 Mio. DM kosten wird. Berechnungen durch das PKM Berlin ergaben, dass bei einer Tagesleistung von 50 t Fleisch ein jährlicher Verlust von 80,5 TDM eintritt. Nebenbei wird erwähnt, dass dieser Betrieb rentabel werden kann, wenn die Schlachtkapazität erhöht wird. Dieses ist jedoch nicht möglich, da das Objekt vollkommen verbaut ist. Man begann mit dem Bau der Nebenanlagen, sodass jetzt zu wenig Platz für die Schlachthallen übrig blieb. Demzufolge kann die bewährte Technologie des Schlachthofes Leipzig in Pasewalk nicht angewandt werden, und es macht sich die Entfernung bestimmter Teile dieser Technologie notwendig, damit die Taktstraße langsamer läuft. Zu diesem Objekt gehört ebenfalls ein Pferdeschlachthaus. Die eingebaute Technologie entspricht der dem Jahre 1930. Hierdurch trat ein zu hoher Stahlverbrauch ein. Das Seuchenschlachthaus besitzt eine tägliche Kapazität von 160 Schweinen. Dieses Schlachthaus hat keine Berechtigung, da im Bezirk ein solches vorhanden ist. Ferner wurde ein Stall gebaut, indem zwei- bis dreitausend Schweine untergebracht werden können, obwohl täglich nur 400 Stück zur Schlachtung kommen. Die Schlachtstraße für Schweine wurde so geplant und projektiert, dass ihre Inbetriebhaltung nur für 5½ Stunden täglich vorgesehen ist, bei der Rinderschlachtstraße sind es nur 2½ Stunden täglich. In der nächsten Zeit sollen erneut Änderungen in der Projektierung vorgenommen werden, wozu weitere Investitionen nötig sind.
Auswirkungen feindlicher und schädlicher Einflüsse im Staatsapparat auf die Landwirtschaft der DDR.
In der Landwirtschaft der DDR treten ebenfalls eine Anzahl feindlicher oder schädlicher Erscheinungen auf, aus denen ersichtlich ist, dass sie ihre Ursachen in direkten feindlichen Einflüssen im Staatsapparat haben oder aber auf eine völlig mangelhafte Arbeitsweise einzelner Mitarbeiter und Fachgebiete zurückzuführen sind.
Bereits zu der kaderpolitischen Zusammensetzung einiger Abteilungen Landwirtschaft bei den Räten der Bezirke und Kreise muss festgestellt werden, dass sie nicht den politischen und fachlichen Anforderungen entsprechen und daher keinen oder nur ungenügenden Einfluss auf die nachgeordneten Organe nehmen. Durch die schlechte kaderpolitische Besetzung und die häufig anzutreffende ungenügende Arbeitsorganisation in den Abteilungen Landwirtschaft ist zu verzeichnen, dass in vielen Fällen unsystematisch und unplanmäßig an der Realisierung der Aufgaben gearbeitet wird. Es erfolgt kaum eine Orientierung auf die wesentlichsten Probleme, wodurch wichtige Fragen erst dann beraten und entschieden werden, wenn eine Lösung von übergeordneten Organen dringend gefordert wird.
Begünstigt durch die teilweise ungenügende fachliche Qualifikation der Mitarbeiter mangelt es auch besonders an der Kontrolltätigkeit, sodass in verschiedenen Abteilungen kein Überblick über den Stand der Erfüllung der gestellten Aufgaben besteht. Diese Situation hat erhebliche Auswirkungen dahingehend, dass gegenwärtig vonseiten des Staatsapparates dem sozialistischen Sektor nur unzureichend Unterstützung gewährt wird und keine oder kaum wirksame Maßnahmen zur weiteren Einbeziehung von Einzelbauern in die sozialistische Umgestaltung getroffen werden. Einige charakteristische Beispiele zur Kadersituation:
Im Sektor Volkseigene Güter sind noch zwölf ehemalige Gutsbesitzer, 41 ehem. Inspektoren und 33 ehemalige NSDAP-Mitglieder als Direktoren in den VEG tätig, die z. T. offen oder getarnt gegen die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft auftreten, die Güter nach alten kapitalistischen Methoden leiten und offensichtlich Desorganisation und Missstände herbeiführen oder dulden.
In der Abteilung Landwirtschaft beim Rat des Bezirkes Potsdam ist der ehemalige Gutsverwalter [Name 6] als Unterabteilungsleiter tätig. [Name 6] übt keine Kontrolle aus und verfügt über keinen Überblick in seinem Arbeitsbereich. So wurde z. B. bei der Hühnerhaltung angegeben, dass 5 000 Legehennen fehlen, diese Meldung dann wieder dahingehend verändert, dass 212 000 mehr vorhanden sind. Eine konkrete Überprüfung ergab dann jedoch, dass im Bezirk 20 000 Legehennen fehlen.44
In der Abteilung Landwirtschaft des Kreises Jüterbog, [Bezirk] Potsdam, konnte bei einer Arbeitsbesprechung nicht ein einziger Mitarbeiter konkrete Auskunft über den Inhalt der LPG-Statuten geben.
Auch in den Anweisungen und anderen Maßnahmen staatlicher Organe und Institutionen zeigen sich zum Teil feindliche oder schädliche Tendenzen, die offen oder versteckt auf eine Schädigung des sozialistischen Sektors der Landwirtschaft hinzielen. Insbesondre trifft diese Feststellung auf die Planung zu, wo eine Reihe von Hinweisen vorliegen, wonach versucht wird die Beschlüsse der Partei zu missachten, sie als unreal hinzustellen und dementsprechende Veränderungen der Planzahlen vorzunehmen.
Der Leiter der Abteilung Landwirtschaft des Rates des Bezirkes Gera trug Zweifel über die Richtigkeit von Parteibeschlüssen unter seine Mitarbeiter, obwohl er als Kandidat der Bezirksleitung die Beschlüsse mit gefasst hatte. Unter seiner Leitung wurden die von der Partei vorgesehenen Planzahlen für das Jahr 1959 in der Fischwirtschaft von 400 t und 158 t herabgesetzt. Ähnliche Kürzungen der Planzahlen wurden auch bei anderen Positionen vorgenommen. Dieses Beispiel wirkte sich auch negativ auf die Kreise aus, wodurch die Meinung vertreten wurde, dass die Beschlüsse der Partei und Regierung hinsichtlich der Ablieferungspflicht unreal und zu hoch wären. Im Kreis Greiz, [Bezirk] Gera, wirkten sich diese Diskussionen dahingehend aus, dass es in diesem Jahr noch zu keiner LPG-Neugründung kam.
Auch in anderen Bezirken, insbesondere Potsdam und Rostock, lagen die Produktionspläne für das landwirtschaftliche Aufkommen im Jahre 1959 wesentlich unter den Forderungen des Staatsplanes und konnten erst jetzt durch energisches Einschreiten der Partei korrigiert werden. Im Bezirk Potsdam wurden von einem Mitarbeiter der Unterabteilung Planung die bestehenden Produktionspläne entgegen den Richtzahlen der Partei willkürlich geändert, sodass in den Produktionsbetrieben Unklarheiten und Verärgerungen hervorgerufen wurden.
In den VEG des Bezirkes Neubrandenburg ist ein wesentlicher Rückgang im Kartoffelanbau eingetreten, da der Rat des Bezirkes die sogenannte »Rentabilitätstheorie« vertritt, wonach Intensivkulturen wie z. B. Kartoffeln für die Betriebe nicht rentabel wären. Durch diese mangelhafte Planung ist der Kartoffelanbau von 1956 bis 1958 um 8 404 ha zurückgegangen. Eine rückläufige Tendenz ist auch in der Gesamtackerfläche des Bezirkes festzustellen. Von 1956 bis 1959 ist sie um 11 819 ha zurückgegangen. Durch Aufhebung des Gesetzes über die Anbauplanung nehmen die Räte der Kreise umfangreiche Abschreibungen von Ackerflächen vor, wobei die Belange der Volkswirtschaft nur ungenügend berücksichtigt werden.
Darüber hinaus gibt es noch eine Reihe anderer Maßnahmen örtlicher Staatsorgane, die sich negativ auf unsere Volkswirtschaft auswirken und zur Verärgerung der Bevölkerung führen. Der Rat des Kreises Sangerhausen erhielt nach den gesetzlichen Bestimmungen für solche LPG, die 1959 herrenlose Flächen übernommen hatten, eine Sollfreigabe für 1 100 ha Land. Der Rat des Kreises wandte diese Maßnahme aber so an, dass auch die LPG Sollfreigaben erhielten, die bereits in den vergangenen Jahren herrenlose Flächen übernommen und somit keinen Anspruch auf Sollfreigaben hatten. Durch die steigende Zahl der LPG verringerte sich die Fläche der Sollfreigaben für die LPG, denen die Freigabe für 1959 zustand. Diese Maßnahme führte zu erheblichen Missstimmungen unter den LPG-Bauern.
Im Kreis Neuruppin, [Bezirk] Potsdam, wurde eine elektrische Melkanlage für ca. 100 Kühe eingerichtet, trotzdem zzt. in dieser Gegend nur 30 Kühe vorhanden sind und aufgrund der Bodenstruktur für die nächste Zeit auch keine Erhöhung des Rinderbestandes geplant ist.45
Im Kreis Greiz, [Bezirk] Gera, kümmerte sich der Rat nicht um den Beschluss zur Sicherung ausreichenden Lagerraumes für landwirtschaftliche Produkte, sodass der VEAB Greiz nur zu 70 % aufnahmefähig ist und die Bauern, die ihrer Ablieferungspflicht nachkommen wollen, ihre Produkte wieder mitnehmen müssen.
Verschiedentlich werden den Bauern vonseiten der Staatsorgane auch Versprechungen gemacht, die nicht eingehalten werden und sich dann negativ auswirken. Zum Beispiel wurden der LPG Weißen, [Kreis] Rudolstadt 300 Enten zur Mast versprochen, die bis heute noch nicht geliefert wurden. Eine Vielzahl ähnlicher Beispiele liegt vor.
Größere Missstände in der Tätigkeit der staatlichen Organe zeigen sich besonders bei der Lösung der Aufgaben zur sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft. Dies äußert sich neben Erscheinungen der direkten Begünstigung des privaten Sektors im Zurückweichen vor der Überzeugungsarbeit mit den starken Mittelbauern bzw. in versteckten oder offenen Stellungnahmen gegen den sozialistischen Sektor und dessen weitere Entwicklung.
In vielen Fällen wird von den verantwortlichen Funktionären der Räte, von Bürgermeistern, Gemeinderatsvorsitzenden und Gemeindemitgliedern eine ablehnende Haltung zur sozialistischen Umgestaltung eingenommen. Dabei wird es abgelehnt, in Versammlungen über dieses Thema zu sprechen oder Einsätze zur Werbung für die LPG durchzuführen. Sondereinsätze, die zur Klärung landwirtschaftlicher Fragen durchgeführt wurden, werden nicht oder nur mangelhaft ausgewertet und Hinweise über aufgetretene Schwierigkeiten werden nur wenig beachtet.
Besonders kennzeichnend für die feindliche Einwirkung ist das Verhalten der Gemeindevertreter in Allmosen, [Bezirk] Cottbus, die in der Gemeindevertretersitzung den Perspektivplan nicht bestätigten, weil darin die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft enthalten war. Darüber hinaus gibt es auch vereinzelt solche revisionistischen Auffassungen wie in Rathewalde46 und Saupsdorf, [Bezirk] Dresden, »dass der Kurs der Partei zu hart sei und andere Wege eingeleitet werden müssten, um Klein- und Mittelbauern für die LPG zu gewinnen«, oder »das Mittel der Überzeugung sei bei dieser Kategorie zwecklos«.
Die Tätigkeit zur Unterstützung des privaten Sektors der Landwirtschaft durch örtliche Staatsorgane geht u. a. aus folgenden Beispielen hervor: Im Bezirk Erfurt wurden durch den Reparaturwerkstattbesitzer [Name 7] unter Umgehung der gesetzlichen Bestimmungen und mit Unterstützung staatlicher Stellen, darunter leitender Angestellter der VHZ Schrott, eine größere Anzahl Traktoren wieder aufgebaut und dem kapitalistischen Sektor der Landwirtschaft zugeführt. Eine häufig anzutreffende Erscheinung ist auch die, Großbauern und anderen Besitzern privater Traktoren ungerechtfertigt hohe Kraftstoffzuteilungen zu geben. So erhielt ein Großbauer aus Krossen für seinen Traktor und eine 22 ha große landwirtschaftliche Nutzfläche 1 260 l Benzin, die für 40 ha ausreichen würden.
Ähnliche Erscheinungen der Bevorzugung des Privatsektors gibt es auch auf dem Gebiet der Tierhaltung. Im Kreis Langensalza, [Bezirk] Erfurt, wurden in der Zeit vom 1.1.1959 bis 30.4.1959 insgesamt 1 277 Ferkel und Läuferschweine aufgekauft, wovon allein 1 000 Stück an den privaten Sektor abgegeben wurden. Im Kreis Eisenach, [Bezirk] Erfurt, wurden von 64 Pferden 63 an private Betriebe verkauft. Im Kreis Heiligenstadt, [Bezirk] Erfurt, gingen von 73 Pferden 68 an private Unternehmen.
Andererseits gibt es Fälle, wo landwirtschaftliche Nutzflächen an Einzelbauern in Pacht gegeben werden, obwohl diese Flächen der LPG zur Sicherung ihrer Futtergrundlage bzw. zur Erfüllung ihrer Pläne an landwirtschaftlichen Produkten fehlen. So wurden in Papenhagen, [Bezirk] Rostock,47 Wiesen an Einzelbauern verpachtet, obwohl die Futtergrundlage der LPG nicht gesichert war.
Die schädliche Einstellung von Angestellten des Staatsapparates gegenüber der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft zeigen auch folgende Beispiele:
Der Kaderleiter des Rates des Kreises Schmalkalden, [Bezirk] Suhl, Wiegandt,48 war als Instrukteur für die Bildung von LPG eingesetzt. Er verfügt selbst über Land und weigert sich der LPG beizutreten.
In Eichow, [Bezirk] Cottbus, versuchen der Bürgermeister und der Gemeinderatsvorsitzende durch Intrigen die bestehende LPG in ihrer Entwicklung zu hemmen und treten gegen Baumaßnahmen der LPG usw. auf.
In verschiedenen Gemeinden gibt es solche Erscheinungen, dass z. T. Gemeindevertreter Sitzungen oder Versammlungen, welche die Fragen der sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft behandelten, verließen.
Im Kreis Calau, [Bezirk] Cottbus, wird der Beschluss zur Durchführung von n zur sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft49 vonseiten des Rates des Kreises nur unqualifiziert und formal durchgeführt. Ein Teil der für diese Einsätze verantwortlichen Mitarbeiter beteiligt sich nicht daran, mit der Begründung, keine Zeit dafür zu haben.
Im Kreis Jessen, [Bezirk] Cottbus, kamen auch solche Mitarbeiter zum Einsatz, die selbst über die sozialistische Umgestaltung der Landwirtschaft noch keine Klarheit hatten, sodass die Bauern diese Einsätze des Staatsapparates als lächerlich bezeichneten.
Zur Überspitzung bei der Bildung von LPG kam es u. a. im Bezirk Cottbus, wo teilweise ausschließlich schlechte Landwirtschaftsbetriebe zu LPG zusammengefasst wurden.
In Sachsenburg, [Bezirk] Halle, wurden im Zusammenhang mit der Bildung eines vollgenossenschaftlichen Dorfes50 alle Besitzer von Kleinstflächen in kurzen Aussprachen aufgefordert, ihre Landflächen an die LPG zu übergeben. (In der Mehrzahl handelt es sich dabei um Arbeiter). Diese Anweisung wurde durch den Abteilungsleiter Landwirtschaft beim Rat des Kreises Artern gegeben.
III. Feindliche und schädliche Erscheinungen auf weiteren Gebieten des Staatsapparates, deren Ursachen und Auswirkungen
In erster Linie durch die teilweise mangelhafte ideologische Klarheit verschiedener Angestellter des Staatsapparates werden in den verschiedensten Einrichtungen des Staatsapparates eine Reihe feindlicher und schädlicher Erscheinungen hervorgerufen bzw. begünstigt, die in ihrer Gesamtheit gesehen objektiv die Tätigkeit des Staatsapparates behindern und den Beschlüssen der Partei und Regierung entgegenstehen. Zweifellos ist der größte Teil dieser Erscheinungen aber auch gleichzeitig eine Auswirkung der ideologischen Diversion und anderer feindlicher Einflüsse, wobei ersichtlich ist, dass derartige Vorkommnisse in vielen Fällen durch eine gute Aufklärung und Erziehungstätigkeit der Parteiorganisationen verhindert werden könnten. Dies trifft sowohl für die staatlichen Stellen auf Gemeinde-, Kreis- und Bezirksebene bis hinauf zu den Ministerien wie auch für die einzelnen Fachrichtungen des Staatsapparates zu, wo es den Parteiorganisationen nicht in jedem Falle gelingt, die führende Rolle zu spielen. Diese Erscheinungen sind äußerst vielfältig und reichen von den verschiedensten Fehlern und Schwächen in Kaderfragen über kritikloses und unkämpferisches Verhalten, moralischen Verfehlungen bis zur Unterschätzung der Parteibeschlüsse und zu Überspitzungen und Entstellungen und stellen insgesamt gesehen, neben dem direkt daraus entstehenden politischen und materiellen Schaden, ständig neuen günstigen Boden für weitere feindliche Beeinflussungen dar.
Die nachstehenden Beispiele stellen deshalb auch nur einen Teil der uns bekannten Tatsachen dar und sollen die am weitverbreitesten und typischsten Erscheinungen charakterisieren, wie sie in fast allen Einrichtungen des Staatsapparates auftreten. In ihren Auswirkungen hemmen sie die ordnungsgemäße Tätigkeit des Staatsapparates, gefährden z. T. die politischen und ökonomischen Aufgaben in der DDR und untergraben verschiedentlich das Vertrauen der Bevölkerung zum Staat und zur Politik der Partei und Regierung. Die Beispiele beweisen aber auch gleichzeitig, dass die schädlichen Erscheinungen nicht nur von unteren und mittleren Angestellten, sondern auch von führenden Funktionären des Staatsapparates zum Teil hervorgerufen, auf alle Fälle aber geduldet werden, was den Schluss zulässt, dass sie über die tatsächliche Lage ungenügend informiert sind, ober aber die Gefährlichkeit dieser Erscheinungen nicht richtig erkennen.
Die Unterstützung feindlicher und schädlicher Einflüsse durch mangelhafte Kaderauswahl, Bildung bestimmter Konzentrationen usw.
Ähnlich wie auf dem Gebiete der Landwirtschaft, wo beispielsweise in den VEG zahlreiche ehemalige Gutsinspektoren, NSDAP-Mitglieder u. a. eng mit den Junkern verbunden gewesene Personen in verantwortliche Stellungen eingesetzt wurden, gibt es auch in den verschiedenen Stellen direkt im Staatsapparat Konzentrationen von ehemaligen NSDAP-Mitgliedern, ehemaligen faschistischen Offizieren und Unteroffizieren. Überwiegend weist die gesamte soziale Zusammensetzung einen zu geringen Anteil aus der Arbeiterklasse auf. Wichtige Stellen und Abteilungen, besonders bei den Räten der Kreise und Bezirke, werden nicht mit den für die jeweiligen Aufgaben erforderlichen Kadern besetzt und z. T. gänzlich vernachlässigt. Verschiedentlich wird eine »Freundschafts(kader)politik« getrieben und sich auf Kosten fähiger bzw. auch politisch bewusster Mitarbeiter gegenseitig in Funktionen vorgeschlagen. Diese Verhältnisse erleichtern dem Gegner, feindlichen Einfluss zu nehmen und es sind auch Hinweise bekannt, wo er solche Personen und Verhältnisse für eine direkte Feindtätigkeit, für Infiltration und Hetze ausnutzte.
In verschiedenen Kaderabteilungen wird auf eine operative Tätigkeit verzichtet und stattdessen ein Arbeitsstil praktiziert, bei dem die nachstehend geschilderten Schwächen gar nicht ausbleiben können, indem u. a. Personen mit Aufgaben betraut werden, die gar nicht fähig sind diese zu erfüllen.
Von den Stellvertretern des Ratsvorsitzenden im Bezirk Cottbus waren vier ehemalige NSDAP-Mitglieder, von denen zwei ihre Mitgliedschaft verschwiegen hätten (einer dieser Stellvertreter wurde inzwischen abgelöst). In den Abteilungen Gesundheitswesen und Land- und Forstwirtschaft sind 12 % ehemalige NSDAP-Mitglieder beschäftigt. In der Abteilung Gesundheitswesen waren darüber hinaus 50 % der Mitarbeiter ehemalige Offiziere und Unteroffiziere der faschistischen Wehrmacht. Ähnlich ist es auch bei den Räten der Kreise im Bezirk Cottbus. Der Bezirksdurchschnitt ehemaliger NSDAP-Mitglieder unter den Bürgermeistern liegt bei 11 %, im Kreis Jessen gar bei 35 %, während es im Kreis Herzberg 12 % sind und 23 % der anderen Mitarbeiter schon während des Faschismus im Staatsapparat tätig waren. Unter anderem waren auch allein in der Abteilung Innere Angelegenheiten des Rates des Bezirkes Cottbus drei Personen beschäftigt, von denen sich eine 1943 freiwillig zur SS meldete, eine andere wegen Raubüberfall vorbestraft, republikflüchtig und später verhaftet war, während die Dritte vor Jahren bereits aus der SED austrat, weil sie mit deren Zielen nicht einverstanden sei, Mitglied der LDP wurde, aber auch dort bereits 1952 wieder austrat.
Mehr oder weniger stark treten diese u. a. Schwächen in Kaderfragen auch in allen anderen Bezirken und Einrichtungen auf.
Beim Rat des Kreises Rochlitz, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, wurde z. B. eine ehemalige SS-Angehörige, die in Rochlitz Juden beaufsichtigte, eingestellt.
Während z. B. beim Rat des Kreises Döbeln in der Abteilung Finanzen 28 Angestellte verwandtschaftliche Verbindungen 1. Grades nach Westdeutschland haben und bei 13 Angestellten Verdachtsmomente der Republikflucht bestehen (bisher wurden fünf Mitarbeiter republikflüchtig), sind beim Rat des Kreises Torgau 48 % aller dort Beschäftigten kirchlich gebunden, u. a. auch die Sekretärinnen der wichtigsten Abteilungen und der Kaderleiter selbst ist erst aus der Kirche ausgetreten. (Bei einer Beratung zwischen dem Vorsitzenden des Rates des Kreises, dem Kreisstaatsanwalt und dem Leiter des VPKA über Kirchenfragen wurde eine Protokollantin eingesetzt, die selbst kirchlich gebunden und deren Bruder Diakon ist.)
Beim Rat des Kreises Schmölln, [Bezirk] Leipzig, ist ein großer Teil der Mitarbeiter verwandt und verschwägert und viele waren früher Mitglied der SPD und vertreten heute noch deren Auffassungen, u. a. auch der Parteisekretär, der als Versöhnler auftritt und keinem seiner »alten Bekannten« weh tun möchte, obwohl sie ihren Aufgaben nicht gerecht werden. Im Kreis Kyritz müssten z. B. 25 Bürgermeister abgelöst werden, weil sie nicht die politischen und fachlichen Voraussetzungen haben.
Durch verschiedene Hinweise wurde uns bekannt, dass eine Reihe Mitarbeiter des Ministeriums für Justiz die Meinung vertreten, dass dort an Stelle einer richtigen Kaderpolitik weitgehendes Intrigenspiel herrsche. Wirklich qualifizierte Kräfte würden nicht berücksichtigt, sondern befreundete Gruppen schlügen sich gegenseitig für leitende Funktionen vor. Personen, für die man sich vor ihrer Einstellung einsetzte, würden abgeschoben, sobald sie »unbequem« werden, genauso wie gegen zuverlässige Genossen »geschossen« würde. Bezeichnend ist, dass diese negativen Kräfte hinter der Forderung der Partei nach einem neuen Arbeitsstil versuchen, die Instrukteure der Kaderabteilung in die von ihnen beeinflusste Hauptabteilung Rechtsprechung einzugliedern, um sie dort unter Kontrolle zu haben.
In der Kaderabteilung beim Rat des Bezirkes Dresden ist die Anleitung durch den Leiter, Neuhof (SED),51 sporadisch und unkonkret. In den letzten Monaten wurden von der Kaderabteilung hauptsächlich Berichte und Thesen ausgearbeitet und dabei Mitarbeiterinnen, die bis zu 700 DM Gehalt beziehen, als Stenotypistinnen eingesetzt. Die operative Tätigkeit, die Beschaffung von Kaderreserven u. a. wurde vollkommen vernachlässigt. Die Kaderstatistik wurde von N. frisiert, um die nötige Prozentzahl des Anteils von Arbeitern zu erhalten. Bei seinen Aufträgen schiebt er den Vorsitzenden des Rates des Bezirkes vor, Dienstwagen benutzt er für Privatfahrten und während der Arbeitszeit sammelt er Briefmarken. Er verkehrt mit ehemaligen Mitgliedern der SPD.
Nach Ansicht zahlreicher Mitarbeiter des Rates der Stadt Dresden wäre der Oberbürgermeister von Dresden, Gute (SED),52 offensichtlich seinen Aufgaben nicht gewachsen. Er erkenne nicht die Schwerpunkte und verzettele sich in Kleinigkeiten. Seine Arbeitsorganisation sei mangelhaft und er übernehme nicht gerne eine Verantwortung. Arbeiten, die er erledigen müsste, schiebe er den Sachbearbeitern zu und erledige stattdessen Dinge, die den Sachbearbeitern zukämen. Zu den Ratstagungen erscheine er nur selten. In Aussprachen sei er wenig prinzipienfest und spräche meist so, wie es seinem Gesprächspartner angenehm ist, erst hinterher äußere er seine wirkliche Meinung. Teilweise ziehe er das Privatleben seiner Arbeit vor. Aufgrund dieser Tatsachen sei er nicht in der Lage, sich gegenüber seinen Mitarbeitern durchzusetzen.
Schwächen in der Einstellung zur Arbeit, zur Rolle der Partei und zur Arbeitsweise im Staatsapparat.
Eine weitere ebenfalls in den meisten staatlichen Einrichtungen festzustellende Erscheinung ist das mangelnde Vertrauen eines Teiles der Mitarbeiter in die Richtigkeit der verschiedenen Maßnahmen der Partei und Regierung, meist als eine Folge ideologischer Unklarheit, zum großen Teil hervorgerufen durch die feindliche Hetze und die Tätigkeit feindlicher Personen, die sich besonders damit befassen, den Staatsapparat und dessen Aufgaben sowie die führenden Funktionäre der Partei und Regierung zu verleumden, um Verwirrung zu schaffen. Seitens der Mitglieder der SED mangelt es oft an Parteiverbundenheit und Klarheit über die Rolle der Partei im Staatsapparat. Demzufolge fehlt sehr oft die Bereitschaft, mit aller Kraft für die Durchführung der Beschlüsse der Partei und Regierung einzutreten. Obwohl dies in den seltensten Fällen direkt ausgesprochen wird, zeigt sich dies u. a. in unkämpferischem und kritiklosem Verhalten, Schwächen im Arbeitsstil, Paschatum, unmoralischem Verhalten, Nichtbeachten der Partei- und Regierungsbeschlüsse und ähnlichen Erscheinungen. Das zeigt sich aber auch in der Unterschätzung der gesellschaftlichen Arbeit und im Drang, aus dem Staatsapparat auszuscheiden.
So zeichnet sich z. B. übereinstimmend besonders in den Bezirken und Kreisen die Tendenz ab, die Tätigkeit im Staatsapparat aufzugeben und in der Industrie oder anderen Stellen zu arbeiten. Die Begründung dafür ist verschiedenartig. So wird angeführt (unter Bezugnahme und in »Auswertung« der Einsätze in der Produktion), dass man in der Produktion mehr leisten könne und wüsste, was man getan habe, dass man pünktlich Feierabend und nicht diese Arbeitsüberlastung und zusätzliche Belastung mit gesellschaftlichen Arbeiten habe, dass durch die schlechte Arbeitsorganisation und den schlechten Arbeitsstil verschiedener Vorgesetzter die Lust an der Arbeit im Staatsapparat genommen würde usw.
Diese Einstellung zur Arbeit im Staatsapparat führt in verschiedenen Fällen zur Resignation und Gleichgültigkeit. So wollten z. B. 30 Mitarbeiter der Plankommission beim Rat des Stadtbezirks Lichtenberg in Groß-Berlin während der Erarbeitung des Siebenjahrplanes im Mai/Juni 1959 kündigen. Von Mitarbeitern des Rates des Kreises Naumburg wird argumentiert: »Wir haben die Gelegenheit verpasst und hätten schon vor zwei bis drei Jahren aus dem Staatsapparat ausscheiden sollen. Es wird zu viel gesellschaftliche Arbeit verlangt. In der Industrie dagegen gibt es einen pünktlichen Feierabend, dasselbe Geld und vor allem nicht so viel Verantwortung.« Diese Argumente werden auch von Parteimitgliedern vertreten und es bestehen seit einiger Zeit besondere Schwierigkeiten, Genossen und Parteilose auf Partei- und Fachschulen zu delegieren. Dabei werden verschiedentlich auch objektive Schwierigkeiten vorgeschoben.
Ein Mitglied der SED aus dem Wirtschaftsrat des Bezirkes Dresden erklärte, dass er aus dem Staatsapparat ausscheiden wolle, weil hier die Sorge um den Menschen am wenigsten Beachtung finde. Der Parteisekretär des Wirtschaftsrates äußerte mehrere Male, dass er lieber den Hobel wieder in die Hand nehme, wenn man ihm zwingen wolle, eine Schule zu besuchen. Der stellvertretende Vorsitzende des Rates des Bezirkes Dresden, Kops53 (SED) äußerte, dass es im Rat des Bezirkes wohl keinen Mitarbeiter gebe, der dieses Haus und diese Arbeit mehr hasse als er. In der Zeit, als er den Vorsitzenden des Rates vertrat, war er oft nachlässig in der Vorbereitung und Durchführung von Ratstagungen und auch in der Vergangenheit bezog er eine schlechte politische Haltung. Er hat sich z. B. bei der Vorbereitung der Volkswahlen geweigert, Wahllosungen an sein Fahrzeug anbringen zu lassen, da er sich »das Fahrzeug auf dem Dorfe nicht ramponieren« lassen wolle. Diskriminierende Äußerungen über führende Genossen der Partei und Regierung und Unklarheiten in den Fragen der Blockpolitik runden bei ihm das Bild ab.
In einer Mitgliederversammlung beim Wirtschaftsrat des Bezirkes Karl-Marx-Stadt kritisierten die Abteilungsleiter Dunger,54 Wendt,55 und Mildner56 sowie der Sekretär Schulz57die Arbeitsweise im Staatsapparat. Gen. Dungersagte wörtlich: »60 % aller Mitarbeiter meiner Abteilung haben die Schnauze voll, wenn sie morgens zur Arbeit gehen, weil kein geordneter Arbeitsablauf existiert. Es werden jede Menge Beschlüsse gefaßt, nicht aber exakt durchgeführt, weil ein Termin und eine Sitzung die andere jagt. Zu einer ordentlichen Arbeit kann man nicht kommen.« Diese Meinung des Genossen Dunger soll der größte Teil der im Rat des Bezirkes beschäftigten Personen vertreten.
Auch eine Reihe Schreibkräfte wollen aus dem Staatsapparat ausscheiden, weil sie »sich nicht fertig machen lassen wollen«. Zu beachten ist herbei, dass ein Teil dieser Unzufriedenheit im Staatsapparat tatsächlich durch die verschiedensten Fälle falschen Arbeitsstils und ungenügender Arbeitsorganisation hervorgerufen wird, die dann von einzelnen negativen Elementen aufgegriffen, verallgemeinert und für eine feindliche Beeinflussung benutzt werden.
Beim Rat des Bezirkes Cottbus beispielsweise ist sich ein Teil der leitenden Kader nicht einig, wie ihre Aufgaben im Staatsapparat gelöst werden müssen. Das zeigt sich auch darin, dass in der Zeit von Januar bis Mai 1959 insgesamt 38 Beschlüsse gefasst wurden, die bis Ende Mai realisiert werden sollten, von denen aber nur sieben realisiert wurden. Bei einer Überprüfung des Rates des Bezirkes Rostock durch die Staatsanwaltschaft wurde festgestellt, dass noch 30 Beschlüsse aus dem Jahre 1957 offenstanden. Andere Beschlüsse aus der letzten Zeit waren den Mitarbeitern der verschiedenen Fachabteilungen unbekannt.
Viele Staatsfunktionäre versuchten noch immer ihre Tätigkeit vom Schreibtisch aus zu regeln, ohne operativ tätig zu werden. Eine Analyse beim Rat des Kreises Greiz ergab, dass täglich 110 Schreiben bzw. Rundschreiben an untergeordnete Organe und Institutionen gerichtet werden. Im Kreis Rudolstadt, [Bezirk] Gera, fanden im Monat durchschnittlich 90–100 Sitzungen der verschiedenen Kommissionen, über die selbst der Rat des Kreises keine genaue Übersicht hat, statt. Durch einen Mitarbeiter der Abteilung Landwirtschaft beim Rat des Bezirkes Gera wurden der jeweilige Mitarbeiter aus den Räten der Kreise zu einer einstündigen Sitzung nach Gera beordert, um den Einsatz von Studenten in der Landwirtschaft für September – Oktober zu besprechen. Dadurch ging diesen Mitarbeitern ein voller Tag verloren. Beim Rat des Bezirkes Suhl findet mindestens einmal täglich irgendeine Sitzung für die leitenden Funktionäre statt, die in den meisten Fällen den Arbeitsplan der Ratsmitglieder illusorisch machen. In anderen Fällen werden Sitzungen schlecht vorbereitet, sodass sie wiederholt werden müssen bzw. nicht zur Klärung bestimmter Dinge beitragen.
Oft gibt es keine oder ungenügende Anleitung der Sachbearbeiter durch die Vorgesetzten. Wichtige Probleme oder Fragen der Sachbearbeiter werden zwischen Tür und Angel kurz besprochen, wie beispielsweise im Bezirk Magdeburg.
Im Wirtschaftsrat des Bezirkes Dresden wird es von den Abteilungsleitern durch eine Vielzahl theoretischer zwar richtiger, aber so vielfältiger und durcheinanderlaufender Maßnahmen als unmöglich erachtet, sich auf die ökonomischen Schwerpunkte zu konzentrieren. Da aber keiner etwas gegen diesen Arbeitsstil des Leiters zu sagen wagt, werden alle Aufgaben übernommen, aber keine zu Ende geführt.
Während durch die verschiedensten Hemmnisse vielfach die Arbeitspläne nicht erfüllt werden, gibt es auch solche Erscheinungen, wie beispielsweise im Ministerium für Kultur, wo außer wenigen Ausnahmen noch immer keine konkreten Arbeitspläne für das 2. Halbjahr 1959 existieren.
Im Staatsapparat für Kirchenfragen führt fast jeder Beschluss der Partei oder jede neue Orientierung durch die Parteiführung zu der Behauptung, dass dadurch nur nachträglich die Richtigkeit der bisherigen Prinzipien der Arbeit bestätigt wurde. Diese Haltung führt zu weiteren Fehlern in der Arbeit. So gibt es keine aktuelle und konkrete analytische Arbeit über die Tätigkeit der Kirchen in der DDR und Westdeutschland und dadurch auch keine Einschätzung der Tätigkeit reaktionärer Kirchenzentren. Es gibt keine Perspektivplanung und bisher wurde die Arbeit durch Aktionen und Angriffe der Kirche bestimmt. Auch eine Koordinierung der verschiedenen Maßnahmen staatlicher und gesellschaftlicher Organe beim Vorgehen gegen reaktionäre kirchliche Zentren gibt es nicht.
Im Kreis Bitterfeld, wo der Vorsitzende des Rates des Kreises unter fast völliger Ausschließung des Parteisekretärs eine selbstherrliche Leitungstätigkeit durchführt, werden ständig von den Ratsmitgliedern und Abteilungsleitern umfangreiche Ratsvorlagen von über 20 Seiten gefordert und mehrfach zur neuen Überarbeitung zurückgewiesen.
Eine gleiche Kritik übt der Leiter der HA Feuerwehr an der Leitung der HVDVP und erklärt, dass er dadurch in seiner Tätigkeit behindert wird. Er und weitere leitende Funktionäre der Feuerwehr wollen wegen des schlechten Arbeitsstils der HVDVP in diesen Fragen ihre Tätigkeit aufgeben. Aber auch innerhalb der Abteilung Feuerwehr wurde es noch nicht verstanden, breite Kreise der Bevölkerung, der VP, verschiedener Ministerien, Räte der Bezirke und Kreise in den Kampf um die Senkung der Brände mit einzubeziehen. Als z. B. in einem Bezirk wegen der großen Zahl der Brandstiftungen durch Kinder eine Broschüre über die Bedeutung des Brandschutzes und der Brandverhinderung erarbeitet wurde, fühlte sich keine Stelle zur Finanzierung dieser Sache verantwortlich.
Der Beschluss der Partei, dass die leitenden Funktionäre mindestens 50 % der Arbeitszeit an der Basis leisten sollen, wird nicht realisiert, worunter die politische und operative Arbeit der verschiedensten Dienstzweige der HVDVP leidet. Kennzeichnend für diese Situation ist, dass der größte Teil der Funktionäre der HVDVP verschiedene Meinungen vertritt und zahlreiche Unklarheiten hat, wie die führende Rolle der Partei in der HVDVP zu verwirklichen sei. Dass sich dies bis in die kleinsten Dienststellen auswirken muss, ist selbstverständlich.
Neben den Unklarheiten über die Rolle der Partei im Staatsapparat gibt es aber auch nicht selten direkte Ablehnung der Rolle und der Beschlüsse der Partei. So musste der Vorsitzende des Rates des Kreises Stadtroda, Schaub,58 abgelöst werden, weil er die Beschlüsse der Partei, die er als Kreisleitungsmitglied mit fasste, negierte und z. B. beim Rat des Kreises dann Beschlüsse mit geringerer Zielsetzung herbeiführte oder an LPG unberechtigte Stützungen zahlte, deren Fortfall dann den Wert der Arbeitseinheit im Kreis um 50 % verringerte. Durch sein Wirken trat eine Laschheit im Staatsapparat ein und z. T. wird Schaub als Märtyrer hingestellt. Von der Kreisleitung sprach er nur verächtlich als von »denen da oben«.
Ähnlich verhielt sich der stellvertretende Oberbürgermeister von Jena, der neben seiner revisionistischen und fraktionellen Tätigkeit versucht, den 1. Kreissekretär verächtlich zu machen.
Der Vorsitzende des Rates des Kreises Angermünde, Grote,59 nahm die an ihn wegen seiner unmoralischen Haltung und schlaffen Leitungstätigkeit gerichtete Kritik der SED-Kreisleitung zum Anlass, eine Kontrastellung gegen das Büro der Kreisleitung zu beziehen und andere Genossen ebenfalls in eine solche Stellung zum Büro der Kreisleitung zu bringen. Er wertete die Hinweise und Beschlüsse der Partei im Rat des Kreises nicht aus und erklärte: »Was scheren uns die Beschlüsse des Büros, hier im Rat des Bezirkes bestimmen wir«.60 Außerdem versucht er Material gegen den 1. Kreissekretär zu sammeln.
Ein Bürgermeister im Kreis Querfurt versucht ständig die Rolle der Partei zu negieren. Einer Instrukteurbrigade der Partei erklärte er, die Partei habe im Ort nichts zu sagen, was im Ort geschieht, bestimme er allein. Einem Genossen der Kreisleitung verweigerte er die Teilnahme an der Ratssitzung.
In der Akademie für Sozialhygiene, Arbeitshygiene und ärztliche Fortbildung in Berlin-Lichtenberg versucht eine Gruppe negativer Personen, zu der auch einige leitende Mitarbeiter der Akademie gehören, gegen die Beschlüsse der Partei und fachlichen Leitung zu opponieren und fortschrittlich eingestellte Mitarbeiter zu diskriminieren, sie aus der Akademie zu bringen bzw. ihren Einfluss im jeweiligen Tätigkeitsbereich zu untergraben. Sie sind bestrebt, immer weitere Personen in ihre Tätigkeit einzubeziehen.
Auch diese Beispiele könnten noch fortgesetzt werden. Zu beachten ist hierbei aber, dass diese Erscheinungen in so offener Form meist nur in den unteren und mittleren Einrichtungen des Staatsapparates auftreten.
Eine der am weitesten verbreiteten Erscheinung ist die unmoralische Haltung vieler Mitarbeiter des Staatsapparates. Das beginnt bei den Bürgermeistern der Gemeinden und endet bei den Abteilungs- und Hauptabteilungsleitern der Ministerien. Hauptsächlich handelt es sich dabei um Frauengeschichten und Trinkereien, die oft allgemein bekannt sind und maßgeblich dazu beitragen, das Vertrauen der Bevölkerung zum Staat, den sie mit diesen Personen identifizieren, zu untergraben. Auch innerhalb der Abteilungen des Staatsapparates wird dann eine Atmosphäre des mangelnden Vertrauens, mangelnder Autorität, gegenseitiger »Rücksichtnahme«, Cliquenbildung usw. gefördert. Als Beispiele sollen nur einige der krassesten angeführt werden.
Der Sekretär des Rates des Kreises Wismar ist im gesamten Kreisgebiet als Säufer bekannt und unterhält außereheliche Beziehungen zu verschiedenen Frauen, sodass u. a. von der Bevölkerung in Bad Kleinen und Insel Poel seine Absetzung gefordert wird.
Im Kreis Rügen musste der Vorsitzende des Rates des Kreises wegen grober moralischer Verfehlungen abgesetzt werden. Der erste Stellvertreter des Vorsitzenden, der stellvertretende Vorsitzende für Fragen der Landwirtschaft, der Abteilungsleiter Landwirtschaft und dessen Stellvertreter unterhielten ebenfalls Verhältnisse mit anderen Frauen. Diese Tatsachen sind im gesamten Apparat bekannt.
Leitende Mitarbeiter der Abteilung Planung beim Wirtschaftsrat des Bezirkes Frankfurt/O. und anderer Abteilungen führen seit einiger Zeit ständig Saufereien durch. Der verantwortliche Mitarbeiter für Handel musste in eine Trinkerheilanstalt eingeliefert werden.
Im Ministerium für Justiz sind die moralischen Verfehlungen, angefangen beim Kaderleiter bis hinunter zur Schreibkraft, besonders groß. Verschiedene ehewidrige Beziehungen sind allgemein bekannt, werden aber auch in den Parteiorganisationen nicht zum Gegenstand von Auseinandersetzungen gemacht, weil selbst eine Reihe Parteileitungsmitglieder mit darin verwickelt sind.
Überspitzungen und Entstellungen als Ausdruck des feindlichen Einflusses und als besonders schädliche Auswirkung der ideologischen Unklarheiten.
Im engen Zusammenhang mit den bisher angedeuteten schädlichen Erscheinungen, aber in erster Linie als eine Auswirkung ungenügender Kenntnis der Partei- und Regierungsbeschlüsse und ideologischer Unklarheiten treten fast auf allen Gebieten mehr oder weniger bedeutungsvolle Überspitzungen, Entstellungen u. a. solche Maßnahmen auf, die in ihrer Auswirkung oft der direkten Feindtätigkeit gleichzusetzen sind, wo aber in den meisten Fällen den dafür verantwortlichen Personen keine vorsätzliche Handlung zur Schädigung auf den jeweiligen Gebieten nachgewiesen werden kann.
Auf Beschluss der Gemeindevertretung Dohna Kreis Pirna wurde an jeden Einwohner ein Brief geschickt, der zur stärkeren Mitarbeit in der Nationalen Front61 aufrufen sollte. Es wurde darin zum Ausdruck gebracht, dass in Zukunft die Wohnraumverteilung, Baugenehmigungen, Zuteilungen von Baumaterialien usw. von der gesellschaftlichen Mitarbeit abhängig gemacht werden. Außerdem drohte man damit, bei gesellschaftlicher Nichtbeteiligung die Arbeitsstelle der Betreffenden zu informieren, um Ferienplätze, Prämien und sonstige Vergünstigungen zu verhindern.
Im Rat des Kreises Bad Langensalza, Abteilung Oranisation-Instruktion, wurde beschlossen, bis 1960 alle Privatpraxen der Ärzte in staatliche Praxen umzuwandeln. Erst durch die große Unzufriedenheit der Ärzte wurde man auf die fehlerhafte Linie dieses Beschlusses aufmerksam.
Der Rat des Kreises und der Rat der Stadt Sömmerda gaben einen Aufruf an alle Kleintierhalter heraus, bis 31.12.1959 die Ställe zu entfernen, um zur Verschönerung des Stadtbildes beizutragen. Dieser Aufruf stieß natürlich bei der Bevölkerung und bei den Pionieren auf großen Widerstand.
Der Vorsitzende des Rates des Kreises Altenburg lässt seinen beiden Stellvertretern, die in der NDPD bzw. DBD Mitglied sind, ständig merken, dass ihm diese Mitgliedschaft nicht gefällt und gefährdet damit die Blockpolitik im Kreis.
Der Kreisausschuss der Nationalen Front Worbis beschloss anlässlich der in Kürze in der Gemeinde Dingelstädt stattfindenden Heimatfeiern, die Grenze nach der gegenüberliegenden westdeutschen Gemeinde zu öffnen und gab dies auch schon den Einwohnern bekannt. Seit dem Zeitpunkt, als dieser Beschluss durch den Rat des Bezirkes aufgehoben wurde, gibt es dort eine allgemeine Unzufriedenheit.
Vom Sektor Pädagogik, Abteilung Allgemeinbildung im Ministerium für Volksbildung wurde im Lehrplanentwurf für Hilfsschulen gefordert: »Die Hilfsschüler sind, soweit es Schwachsinnigen möglich ist, an die Grundfragen des Marxismus-Leninismus, besonders an den dialektischen Materialismus, die politische Ökonomie und an den wissenschaftlichen Sozialismus heranzuführen.« Eine Kritik an diesem Entwurf wurde u. a. von einigen Genossen des Deutschen Pädagogischen Zentralinstituts, die am Lehrplanwerk mitarbeiten, als revisionistisch hingestellt.
In Merseburg, [Bezirk] Halle, wurde ein »Aufnahmeverfahren für Schulneulinge« praktiziert, wo man von den Schulanfängern das Nachzeichnen schwieriger Schriftzeichen und andere »Teste« verlangte, von denen man die Einschulung abhängig machte. So wurden deshalb 64 Kinder zurückgestellt, wovon 53 Arbeiter- und Bauernkinder waren.
Im Kreis Zeitz wurde von einer Kommission der Volksbildung die Gehaltsregelung der Lehrer so vorgenommen, dass sämtliche Genossen Lehrer der Oberschule (Direktor, stellv. Direktor, Parteisekretär u. vier weitere Genossen) als Mittelstufenlehrer eingestuft und ihnen damit die Qualifikation eines Oberschullehrers abgesprochen wurde, während die »Nur-Fachmänner« nicht benachteiligt wurden. Der Parteisekretär dagegen hatte die Parteihochschule besucht und einen speziellen Lehrgang für Pädagogik absolviert, war vorher Direktor eines Lehrausbildungsinstituts und Oberschullehrer und Dozent für Geschichte an der ABF Halle.
Besonders häufig macht sich eine falsche Auslegung der Beschlüsse und Anweisungen vor allem im Zusammenhang mit der Genehmigung von PM 12a u. ä. Dingen bemerkbar.62 In fast allen Kreisen gibt es unter der Bevölkerung Verärgerungen, weil Angehörige des Staatsapparates und der KVP in überspitzter Form Anträge PM 12a ablehnen.
Ein Oberarzt aus dem Waldkrankenhaus Halle wurde republikflüchtig, weil ihm von der VP kategorisch erklärt wurde, er solle sich nicht einbilden, jedes Jahr nach Westdeutschland fahren zu können. Er bekäme das letzte Mal einen Pass. Einem anderen Arzt aus Halle wurde der Antrag nach Westdeutschland, wo sich seine kranke Frau befand, abgelehnt und erklärt, dass die Intelligenz unverschämte Forderungen hätte. Im Kreis Hohenmölsen wurde einem Pfarrer erklärt, dass er keinen PM 12a bekommt, weil er nach Feststellung der VP 1958 nicht an der Wahl teilgenommen hat. Einer med. Assistentin wurde der Antrag vom stellv. Bürgermeister in Jessnitz, [Kreis] Bitterfeld, mit dem Vorwand abgelehnt, dass sie einen Anspruch auf ein zusätzliches Zimmer geltend gemacht hätte.
Solche und ähnliche Beispiele sind häufig. Es kommt aber verschiedentlich auch vor, dass sich Angehörige der VP bestechen lassen und ungerechtfertigt PM 12a erteilen.
Um den Partei- und Regierungsbeschluss, bei Aufnahmen von Erstzuziehenden und Rückkehrern in die DDR großzügig zu verfahren, Rechnung zu tragen, wurde von der Hauptabteilung PM der HVDVP eine Anweisung an alle Aufnahmestellen gegeben, keinen Bürger der Westzone – wenn er in die DDR übersiedeln will – zurückzuweisen. Diese Anweisung war ebenfalls überspitzt, denn sie hätte bei ihrer Verwirklichung allen Agenten und kriminellen Elementen das Tor in die DDR geöffnet.
Ähnliche Überspitzungen gibt es z. B. bei der Abstrafung geringfügiger Verkehrsvergehen oder bei der Verfolgung unbedeutender und meist in der Trunkenheit begangener Delikte nach §§ 19 und 20 Strafrechtsergänzungsgesetz.63