Havariegefahr in Brikettfabrik Lobstädt des VEB BKW Großzössen
24. Juni 1959
Information Nr. 429/59 – Bericht über Havariengefahr in der Brikettfabrik Lobstädt des VEB BKW Großzössen
Wie durch mehrere Informationen und daraufhin eingeleitete Untersuchungen bekannt wurde, besteht in der Brikettfabrik Lobstädt des VEB BKW Großzössen1 eine akute Havariengefahr. Im Mauerwerk der Brikettfabrik – besonders im Trockenschlot – sind bereits äußerlich durchgehende Risse zu erkennen, die auf den schlechten Zustand der Stahlkonstruktion zurückzuführen sind. Die stark verrottete Stahlkonstruktion befindet sich oberhalb der Trockner, wobei noch zu berücksichtigen ist, dass auf ihr vier gemauerte Schlote mit einem Gewicht von ca. 240 t ruhen. Die Doppel-T-Träger der Konstruktion haben die Abmessungen von 35 und 45 cm. Der Steg dieser Träger kann an vielen Stellen mit einem gewöhnlichen Hammer durchschlagen werden. Außerdem lassen sich bequem Roststücke in einer Stärke von 8 bis 10 mm abschaben. Besonders tritt der Verrottungszustand der Träger an den Einmauerungsstellen auf.
Auf der Grundlage dieser Untersuchungen – entsprechendes Bildmaterial wird der Erstausfertigung dieses Berichtes beigefügt – wurde die VVB, die Staatliche Bauaufsicht und die Technische-Bezirks-Bergbau-Inspektion (TBBI) Zeitz von der Situation unterrichtet. Von der TBBI Zeitz wurde die Genehmigung erteilt, in diesem Werk noch bis zum 31.7.1959 zu produzieren. In einer Besprechung dieses Personenkreises mit Vertretern des Betriebes wurde weiterhin entschieden, den Abbau der Schlote während der Produktion der Brikettfabrik durchzuführen bzw. deshalb nur für kurze Zeit die Betriebstätigkeit zu unterbrechen.
Diese Entscheidung wird von den Arbeitern des Werkes sehr stark bemängelt. Sie vertreten die Meinung, dass zur Beseitigung der akuten Havariengefahr sofort entsprechende Veränderungen getroffen werden müssten, wobei sie gleichzeitig zum Ausdruck bringen, die Fabrik im Interesse der Sicherheit anzuhalten, da durch die mit dem Umbau verbundene Verlagerung der Tragfähigkeit die Gefahr von Havarien bestehen bleibt. Dazu einige charakteristische Einzelstimmen: Der Kollege [Name 1, Vorname], Presser in der Brikettfabrik, äußerte sich wie folgt: »Ich habe mich als Gewerkschaftsvertrauensmann mit dieser Frage beschäftigt und mir die Sache angesehen. Eine Gefahr ist vorhanden, wo schnellstens Abhilfe geschaffen werden muss. Die Schlote müssen abgetragen werden, wobei meiner Meinung nach die Fabrik angehalten werden muss. Die Einsturzgefahr wird erst dann akut, wenn der Abbruch beginnt. Bisher trägt sich die Fabrik noch in sich. Vor allem können beim Abbruch auch Dampfrohre reißen und Kumpels dadurch zu Schaden kommen.«
Der Schichtmeister der Brikettfabrik Kollege [Name 2, Vorname] erklärte: »Ehrlich gesagt, ich fühle mich in meiner Haut nicht wohl. Ich führe schon laufend mit meinen Kollegen Belehrungen durch, um somit die Kollegen bei irgendwelchen Anzeichen von Einsturz darauf hinzuweisen, was sie zu tun haben, denn das Wichtigste ist, dass dann alle Kollegen außer Gefahr gebracht werden. Sollte es aber doch noch zu einem Einsturz kommen, dann sehe ich trotz der Belehrungen schwarz. Eine Gefahr ist durchaus vorhanden, die es meiner Meinung nach nicht zu unterschätzen gilt. Es muß schnellstens Abhilfe geschaffen werden, runter mit den Schloten.«
Aufgrund des vorliegenden Materials wäre es zweckmäßig, sofort die Entscheidung der TBBI Zeitz und der VVB zu überprüfen und entsprechende Maßnahmen zur Beseitigung der Einsturzgefahr festzulegen. Im Interesse der Sicherheit und der ungestörten Fortführung der Produktion wäre dabei zu überlegen, ob eine eventuelle Stilllegung des Werkes gleichzeitig mit einer grundlegenden Überholung verbunden werden könnte, da die Produktion des Werkes etwa im Jahre 2000 bereits auslaufen soll.