Kadereinsatz von Diplom-Chemikern in der Chemie-Industrie der DDR
Kadereinsatz von Diplom-Chemikern in der Chemie-Industrie der DDR
Info Nr. 366/59
14. Juni 1959 Information Nr. 366/59 – Bericht über mangelnden Kadereinsatz von Diplom-Chemikern in der Chemie-Industrie der DDR
Quelle BArch , MfS , ZAIG 188, Bl. 18 (5. Expl.).
Serie Informationen.
Verteiler Neumann, Leuschner, Apel, Hager – MfS : Ablage.
Bemerkungen Dem Bericht wurde Beimaterial hinzugefügt, das die Reaktionen auf die enthaltenen Informationen dokumentiert: Auf dem Exemplar, das an Bruno Leuschner ging, findet sich eine handschriftliche Bemerkung mit folgendem Wortlaut: »Meldung stimmt nicht. An der Uni Jena machten 1959 nur 55 Chemiestudenten ihr Examen. Bisher konnte nur 1 Absolvent nicht vermittelt werden. In diesem Fall sind noch Gehaltsfragen zu klären.« Die Unterschrift ist nicht lesbar, ein Datum ist nicht angegeben. Das ZK der SED , Abteilung Bergbau, Kohle, Energie und Chemie reagierte mit einem Schreiben vom 13.7.1959 an Erich Apel, das von Günter Wyschofsky, dem Leiter der Abteilung, unterschrieben wurde. Darin wird konstatiert, dass die in der Information benannten Probleme durch den »Parteisekretär des Staatssekretariats für das Hoch- und Fachschulwesen und den Genossen Kempke, Mitarbeiter der Abteilung Wissenschaften des ZK « untersucht und dabei festgestellt wurde, dass die angegebenen Zahlen nicht zutreffen würden. Es gäbe nur 59 Absolventen der Chemie, »von denen bis zur vergangenen Woche 9 noch nicht vermittelt waren.« Es würden aber »entsprechende Maßnahmen« veranlasst, die »unterschiedliche Qualität der Vermittlungstätigkeit der VVB der chemischen Industrie« werde »in der nächsten Sitzung der Chemie-Kaderkommission behandelt« und es sei unklar, woher die unterschiedlichen Zahlenangaben stammten, »da selbst die Kreisdienststelle des MfS von zentraler Seite benachrichtigt wurde«. Auf dem Papier wurde handschriftlich vermerkt: »Gen. Mielke zur Kenntnis«. Mit Datum vom 18.8.1959 wurde Heinz Seidel (Mitarbeiter der ZIG und zuständig für die Linie V) aufgefordert, bis zum 25.8.1959 »von der HA , die das Material lieferte, für Minister [Mielke] Stellungnahme ein[zu]holen«. Unterschrieben ist der Vermerk auf einem Zettel vermutlich vom stellvertretenden Leiter der ZIG Werner Irmler (Unterschrift schwer lesbar). Darauf reagierte die HA V /6 mit der gewünschten Stellungnahme am 24.8.1959. Demzufolge war die besagte Meldung am 25.5.1959 der HA V von der HV A , Abteilung V (zuständig für die wissenschaftlich-technische Aufklärung und die Aufklärung der wirtschaftlich-politischen und feindlichen Pläne der Konzerne, Banken und Unternehmen) übermittelt worden. Daraus ging hervor, »dass sich von 110 Studenten ca. 50 mit dem Gedanken tragen, die DDR zu verlassen«. Aufgrund dieses Verdachtes der Republikflucht und der damit verbundenen Dringlichkeit sei diese Information an das ZK der SED weitergegeben worden. Allerdings habe eine Überprüfung durch die KD Jena die korrigierenden Angaben durch das ZK der SED bestätigt und die HA V habe der HV A »von der falschen Information Mitteilung gemacht«. Das Schreiben wurde »gesehen« von Paul Kienberg (stellvertretender Leiter der HA V ) und dem Mitarbeiter Prüfer und trägt von beiden die Unterschrift.
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Schwierigkeiten in der Fischindustrie des Bezirkes Rostock
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Bericht über den Einsatz von Prof. Küntscher
Kadereinsatz von Diplom-Chemikern in der Chemie-Industrie der DDR
14. Juni 1959 Information Nr. 366/59 – Bericht über mangelnden Kadereinsatz von Diplom-Chemikern in der Chemie-Industrie der DDR
[Faksimile von Blatt 18 ]
Wie uns bekannt wurde, gibt es unter den Absolventen des Chemischen Instituts der Universität Jena noch größere Unklarheiten über ihren zukünftigen Einsatz in der Chemieindustrie der DDR .
Von den 110 Studenten, die in den Monaten Juni bis September dieses Jahres ihr Diplom-Examen in Chemie an der Universität Jena ablegen, soll sich ein größerer Teil mit dem Gedanken tragen, die DDR illegal zu verlassen. Als Begründung wird wiederholt die mangelhafte Arbeit der Kaderkommission angeführt, die bis jetzt erst ca. 60 zukünftigen Diplom-Chemikern Arbeitsstellen in der Industrie der DDR nachgewiesen haben soll. Ein Teil der nachgewiesenen Arbeitsstellen konnte andererseits nicht vertraglich gebunden werden, da durch eigene Bemühungen der Betriebe diese Stellen bereits besetzt waren oder entsprechende Bewerbungen liefen.
Da in den vergangenen Jahren bereits ein hoher Prozentsatz der Absolventen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Jena republikflüchtig wurde, wäre es notwendig, unverzüglich die noch bestehenden Unklarheiten über den künftigen Einsatz der Chemie-Absolventen zu beseitigen, um so eventuell gegnerischen Bestrebungen zur Ausnutzung dieser Situation zur Organisierung der Republikflucht entgegentreten zu können.
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Schwierigkeiten in der Fischindustrie des Bezirkes Rostock
17. Juni 1959 Information Nr. 407/59 – Bericht über Schwierigkeiten in der Fischindustrie des Bezirkes Rostock
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Bericht über den Einsatz von Prof. Küntscher
13. Juni 1959 Information Nr. 396/59 – Bericht über den Einsatz des ehemaligen Lehrstuhlinhabers für Eisen- und Hüttenwesen der Bergakademie Freiberg, Prof. Küntscher