Lohnforderungen der Elektromonteure auf der Baustelle in Buna
10. September 1959
Information Nr. 649/59 – [Bericht über] Lohnforderungen der Elektromonteure des VEB Starkstromanlagenbaus Leipzig auf der Baustelle Buna
Nach einer vorliegenden Information herrscht unter den 89 Monteuren des VEB Starkstromanlagenbau Leipzig, die gegenwärtig auf der Baustelle Buna tätig sind, wegen der bestehenden Lohnverhältnisse eine starke Unzufriedenheit.1
Von den Elektromonteuren wird es als ungerecht empfunden, »dass in der Chemie so hohe Löhne gezahlt werden, während sie bedeutend weniger verdienen«. Dazu wird die Meinung vertreten, dass sie doch erst die Voraussetzungen für die Produktion schaffen müssten und deshalb auch Anspruch auf eine höhere Entlohnung hätten.
Nach unseren Feststellungen werden die auf der Baustelle Buna tätigen Monteure nach dem Tarif »Übriger Schwermaschinenbau, Lohntafel II« entlohnt, wobei die meisten Arbeiter in die Lohngruppen 5 bis 6 eingestuft sind.2 Demnach erhalten die Monteure vom VEB Starkstromanlagenbau einen Stundenlohn von 1,56 DM,3 während die Elektromonteure des Buna-Werkes 2,00 DM und darüber je Stunde erhalten. Aufgrund dieser Situation ist es bereits vor einigen Wochen zu Unstimmigkeiten über die unterschiedlichen Lohnverhältnisse und die mangelhafte Betreuung durch den Betrieb gekommen.
Da trotz Kenntnis dieser Lage vonseiten des Betriebes und der Parteiorganisation keine Klärung erfolgte, hielt die Missstimmung weiter an. Dies führte dazu, dass am 26.8.1959 auf einer Produktionsberatung erneut die Frage nach einer Lohnveränderung gestellt wurde. Von dem Bauleiter [Name 1, Vorname], geb. 1921 (SED) wurde daraufhin erklärt: »Dann müsst ihr eben einmal eine Resolution verfassen, wo ihr diese Forderung erhebt.«
Aufgrund dieser Diskussion entwarf der Elektromonteur [Name 2, Vorname], geb. 1919, eine Resolution, die wegen starker Aggressivität abgelehnt und geändert wurde. An der Neufassung war maßgeblich der Gewerkschaftsgruppenorganisator [Name 3, Vorname] (parteilos) beteiligt. ([Name 3] war von 1949 bis 1951 bei der AEG in Hannover tätig). Er selbst ist auch mit der Entschließung mit dem Fahrrad von Kolonne zu Kolonne gefahren und hat dieselbe unterschreiben lassen. Die von den 76 auf der Baustelle anwesenden Monteuren unterzeichnete Resolution, die am 8.9.1959 der Werk- und Parteileitung in Leipzig übergeben wurde, hat folgenden Wortlaut:
Die Kollegen der Baustelle Buna bitten die Werkleitung, BGL und BPO Folgendes zur Kenntnis zu nehmen:
Wir stehen im Chemieprogramm und haben in den nächsten Jahren große Aufgaben zu erfüllen.4 Wir arbeiten z. T. schon in Wettbewerben mit schwierigen Kampfterminen und sind auch bereit, mit letztem Einsatz dazu beizutragen, dass unsere Staatstermine gehalten werden. Der Werkleitung, BGL und BPO können wir aber nicht vorenthalten, dass unter uns zzt. eine große Missstimmung herrscht, da gemessen an unseren Leistungen bei der Durchführung des Chemieprogramms unsere Tariflöhne im Verhältnis zu den Tariflöhnen der Chemie-, Kohle- und Energiebetriebe viel zu niedrig liegen.
Uns ist bekannt, dass unserem Betrieb schon jetzt Monteure fehlen und dass wir nur durch letzten Einsatz die gestellten Staatstermine erfüllen können. Die Baufirmen haben bisher noch keinen Termin gehalten und es liegt dann stets an uns, dass die Produktion der neuen Bertriebe zu den von unserer Regierung geplanten Terminen aufgenommen werden kann. Wir empfinden es daher als sehr ungerecht, dass unsre Leistungen damit belohnt werden, dass wir mit dem niedrigsten Tariflohn von allen Beteiligten entlohnt werden.
Trotzdem schon einige Kollegen unserer Baustelle gekündigt haben, um zu den besser bezahlenden Betrieben zu gehen, so sind wir gewillt, unserem Betrieb die Treue zu halten. Wir erwarten aber von unserer Werkleitung, BGL und BPO, dass unsere Sorgen und Wünsche den Vertretern unserer Regierung, dem Zentralvorstand des FDGB und dem ZK der SED vorgetragen werden und uns gegenüber in absehbarer Zeit über die eingeleiteten Maßnahmen Rechenschaft gegeben wird.
(Es folgen 76 Unterschriften)
Am 9.9.1959 wurde der 1. Sekretär der Bezirksleitung Halle, Genosse Koenen,5 telefonisch von uns über dieses Vorkommnis unterrichtet. Am 10.9.1959 hat unsererseits eine Beratung mit dem Genossen Koenen stattgefunden. Der 1. Sekretär der Bezirksleitung der SED und der 1. Sekretär der Kreisleitung der SED in Leipzig wurden ebenfalls von diesem Vorfall benachrichtigt.
Die Parteiorganisation des VEB Starkstromanlagenbau Leipzig hatte der Parteiorganisation des Buna-Werkes von diesem Vorkommnis keine Mitteilung gemacht, sodass erst unsererseits am 10.9.1959 die Benachrichtigung erfolgen musste.
Für den 10.9.1959, 15.00 Uhr, ist eine Belegschaftsversammlung der Monteure des VEB Starkstromanlagenbau Leipzig auf der Baustelle Buna vorgesehen. Es ist beabsichtigt, dass dort der 1. Sekretär der Parteiorganisation des VEB Starkstromanlagenbau Leipzig und der 2. Sekretär der Parteiorganisation der Buna-Werke sprechen und eine Klärung herbeiführen sollen.
Wie uns weiter bekannt wurde, sollen ähnliche Diskussionen in geringerem Umfang auch auf anderen Baustellen des VEB Starkstromanlagenbau Leipzig aufgetreten sein. Weitere Untersuchungen werden noch geführt.