Mängel und Missstände in metallurgischer Forschung und Entwicklung
24. Juni 1959
Information Nr. 428/59 – [Bericht] über Mängel und Missstände in der metallurgischen Forschung und Entwicklung
1. Durch eine Reihe von Hinweisen wurde bekannt, dass unter den Wissenschaftlern der metallurgischen Forschung erhebliche Verärgerung über die Arbeitsorganisation der dafür verantwortlichen staatlichen Organe besteht. Übereinstimmend wird dabei besonders bemängelt, dass für die erteilten Forschungs- und Entwicklungsaufträge jeweils mehrere Organe verantwortlich zeichnen, wobei sich jedoch im Endresultat keines voll verantwortlich fühlt und dementsprechend seinen Aufgaben nachkommt.
Dieser Zustand zeigt sich z. B. am Forschungsinstitut für technologische Entwicklung und Wärmetechnik der Metallurgie1 wie folgt: Für einen dem Institut erteilten Forschungsauftrag zur Entwicklung besonderer Brenner sind der Technisch-Ökonomische Rat,2 die Kammer der Technik,3 die Gesellschaft deutscher Berg-und Hüttenleute,4 das Wissenschaftlich-Technische Zentrum,5 der Zentrale Arbeitskreis, der Forschungsrat der DDR,6 die Brennstoff-Technische Gesellschaft,7 die Zentralstelle wirtschaftliche Energieverwendung,8 das Büro für Erfindungswesen9 und die verschiedensten betrieblichen Entwicklungsstellen verantwortlich. Anstatt unter der vollen Verantwortlichkeit eines dieser Organe die sozialistische Gemeinschaftsarbeit zur Durchführung dieses Forschungsauftrages zu organisieren, führt jede dieser Organisationen ihre eigenen Tagungen durch und verlangt auch die Teilnahme der zuständigen Wissenschaftler des Forschungsinstituts und der anderen angeführten Institutionen.
2. Nach einer vorliegenden Information wird vom Forschungsinstitut für technologische Entwicklung und Wärmetechnik der Metallurgie der geplante Bau einer Strang-Guss-Anlage10 im Eisenhüttenkombinat Stalinstadt11 mit der Begründung abgelehnt, dass bei dieser Anlage die Herstellungskosten zu hoch sind. Von den Wissenschaftlern wird die Ansicht vertreten, die im Auftrage der Staatlichen Plankommission12 an das Stahlwerk Freital13 übergebene Versuchs-Strang-Guss-Anlage (am 1.1.1958 übergeben) schnellstens produktionsreif zu gestalten und die weiteren Anlagen nach diesem Prinzip zu bauen. Dabei wird wiederholt erklärt, dass die Übergabe der Versuchsanlage nicht richtig gewesen wäre, da verschiedene wissenschaftliche Arbeiten an dieser Anlage noch nicht beendet waren und keine Möglichkeiten zur Fortführung dieser Versuche und zur Sammlung genügender Angaben für die Praxis und den Bau neuer Anlagen bestanden. Angeblich hat sich das Institut bemüht, die Verantwortung über diese Anlagen zu erhalten und nach Bereitstellung der notwendigen Forschungsgelder die Versuche fortzusetzen. Diese Vorschläge sollen jedoch abgelehnt worden sein, was dazu geführt hat, dass jetzt unmittelbar vor dem Bau neuer Anlagen diese Ergebnisse beschafft werden müssten.
3. Nach uns bekannt gewordenen Auffassungen von Wissenschaftlern des Forschungsinstituts für technologische Entwicklung und Projektierung der Metallurgie wird die Entwicklung und Projektierung von Vorschmelz-Aggregaten in der DDR als völlig unzureichend eingeschätzt. Obwohl diese Aggregate eine erhebliche Leistungssteigerung in den Stahlwerken ermöglichen, soll gegenwärtig nur in Gröditz eine entsprechende Anlage mit einer Leistung von 6 t pro Stunde projektiert werden.14 Von den Mitarbeitern des Instituts wird die Meinung vertreten, dass diese Kapazität viel zu gering wäre, sie dagegen bei Erhalt eines entsprechenden Auftrages eine Anlage mit weitaus größerer Kapazität projektieren könnten.