Maßnahmen des (West-)Deutschen Sportbundes
3. März 1959
Information Nr. 24/59 – Bericht über Maßnahmen des (West-)Deutschen Sportbundes (DSB) zur weiteren Erschwerung des sportlichen Verkehrs zwischen Westdeutschland und der DDR und anderen Staaten des sozialistischen Lagers
Am 27.1.1959 fand eine Zusammenkunft von leitenden Vertretern der drei westdeutschen Motorsportverbände ADAC (Allgemeiner Deutscher Automobilclub), AvD (Automobilclub von Deutschland) und DMV (Deutscher Motorsportverband) statt, aus deren Verlauf eindeutig hervorging, dass der DSB1 im maßgeblichen Auftrage des »Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen«,2 des Innen- und Außenministeriums arbeitet und in Zusammenarbeit mit diesen Stellen folgende, für alle Verbände bindende Regelung bei gesamtdeutschen und – sofern sozialistische Länder daran beteiligt sind – auch internationalen Sportveranstaltungen einführte:
In Zukunft sollen bei sämtlichen derartigen Veranstaltungen von den einzelnen Verbänden Genehmigungen durch die zuständigen Landesregierungen eingeholt werden. Unter anderem ist dabei dem Innenministerium der jeweiligen Länder eine genaue Liste dreifach zu überreichen, die von den Teilnehmern aus der DDR Vornamen, Namen, Geburtsdatum, genaue Anschrift, Art der Teilnahme (Aktive, Beobachter, Delegationsleiter, Schlachtenbummler usw.) enthalten muss. Außerdem muss ein »informatorischer Bericht« beigefügt werden, ob schon vor 1958 derartige Verbindungen mit dem gleichen Teilnehmerkreis aus dem Osten vorhanden und wie die Kontakte waren.
Zur besseren Kontrolle durch das Innenministerium der einzelnen Länder haben diese genaue Instruktionen vom Innenministerium in Bonn erhalten, wonach sie sich auch um alle mit den Veranstaltungen zusammenhängenden Fragen kümmern müssen. Besonders wurde darauf hingewiesen, dass – falls sich die Sportveranstaltungen über mehrere (Bundes-)Länder erstrecken – einzelne Länder die Teilnahme von DDR-Sportlern verweigern können.
Der DSB stellt bei Einhaltung dieser Bedingungen dem Veranstalter sogenannte »Tagesgelder zur Betreuung ostdeutscher Teilnehmer« zur Verfügung, die in der Regel 10,00 Mark BDL3 bei nationalen und 16,00 Mark BDL bei internationalen Vergleichskämpfen pro Tag und je Person betragen.
Speziell die drei westdeutschen Motorsportverbände wurden auf Veranlassung des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen, des Innen- und Außenministeriums angewiesen, beim Sportverkehr mit der DDR so zu verfahren, dass er zukünftig der Bonner Politik entspricht.
Allgemeine Formulierungen und Verklausulierungen wie »nationale Sicherheit der BR nie gefährden«, »in Gesprächen stets die nationale Stärke der BR zum Ausdruck bringen«, »Kontakt nur soweit pflegen, wie er vom jeweiligen Veranstalter vertreten werden kann«, »Sportaustausch zu ›politischen‹ Veranstaltungen in der DDR ist strengstens untersagt«, ermöglichen praktisch jederzeit, dass übergeordnete sportliche-, politische- und Regierungs-Instanzen eingreifen können, wie sie es für nötig halten. In diesem Zusammenhang ist auch der Auftrag aufschlussreich, besonderen Wert auf die Delegationsleitungen zu legen und sich unter Heranziehung eines Vertreters des jeweiligen Innenministeriums bzw. Verfassungsschutzes besonders mit diesen zu beschäftigen.
Auf der Ebene der Internationalen Verbände FIA,4 FIM5 und UIM6 soll gleichfalls dazu übergegangen werden, einen normalen Sportverkehr zu stören und darauf zu achten, dass die sozialistischen Länder nicht zu stark werden, dass alle eventuellen Verletzungen bestehender Vorschriften, Vereinbarungen usw. nach Möglichkeit mit aller Stärke zu Ungunsten der sozialistischen Staaten entschieden werden, dass nach Möglichkeit Ausschlüsse zu provozieren sind. Der DSB ist fest entschlossen, diese Pläne mit allen Mitteln durchzusetzen.
Im Gegensatz dazu fassten auf der anfangs erwähnten Zusammenkunft die Vertreter der drei Motorsportverbände den Beschluss, den Sportverkehr mit der DDR und anderen sozialistischen Staaten in der bisher üblichen Form durchzuführen und die Bedingungen des DSB nicht zu akzeptieren. Zur Begründung führten sie an:
Die bisherigen Kontakte zu den sozialistischen Staaten haben uns nicht geschadet, sondern sind positiv.
Der DSB hat kein Recht, so einen diktatorischen Einfluss auf die Motorsportverbände auszuüben. Er weicht damit von der Linie der parlamentarischen Demokratie ab und vertieft die Kluft zwischen Ost und West.
Die Motorsportverbände sind finanziell stark genug, um auf finanzielle Zuschüsse des DSB verzichten zu können.
In der bisherigen Zusammenarbeit mit dem ADMV der DDR7 gab es keinerlei Beanstandungen, weshalb eine Störung dieses guten Kontaktes abgelehnt wird.
Der Sportverkehr zu diesen Ländern wird weiter gepflegt und ausgebaut werden und die Motorsportverbände wollen sich nicht als politischer Spielball benutzen lassen.
Der ADAC wird noch nachträglich bei den zuständigen Regierungsstellen gegen die Einmischung des DSB in Verbandsangelegenheiten intervenieren, da der DSB schon 1957 durch Einspruch beim Außenministerium in Bonn eine Zielfahrt in die UdSSR verhinderte.