Maßnahmen von SPD und DGB und feindl. Bestrebungen gegen FDGB
16. Februar 1959
Information Nr. 13/59 – Bericht über einige Maßnahmen der SPD und des DGB gegen die gesamtdeutsche Arbeit und über feindliche Bestrebungen gegen den FDGB in Berlin
Vom Parteivorstand der SPD wurde Anfang Februar dieses Jahres an alle Bezirke und Unterbezirke ein Rundschreiben herausgegeben, in dem unter Bezugnahme auf bereits ergangene Einladungen zum Besuch der Leipziger Frühjahrsmesse 1959 erklärt wird, dass an und für sich gegen einen Besuch der Leipziger Messe durch Mitglieder der SPD nichts einzuwenden sei, dagegen aber die Teilnahme an der »aus propagandistischen Gründen durchgeführten Gesamtdeutschen Arbeiterkonferenz1 und dem Deutschen Städte- und Gemeindetag«2 abgelehnt werden müsste. Diese Stellungnahme soll allen Mitgliedern der SPD zur Kenntnis gegeben werden.
Der DGB-Bundesvorstand beschäftigte sich in einer seiner letzten Sitzungen mit dem Gespräch zwischen Mitgliedern der Industriegewerkschaft Druck und Papier des FDGB und des DGB in Westberlin. Vom Hauptvorstand Druck und Papier im DGB wurde dabei zum Ausdruck gebracht, dass diese Besprechung aufgrund der allgemeinen politischen Bewegung unter den Mitgliedern zustande gekommen wäre. Dabei hätte sich der Hauptvorstand in Verwirklichung des Gewerkschaftsbeschlusses davon leiten lassen, dieses Gespräch keinesfalls als Kontakt zum FDGB anzusehen, sondern lediglich als »stündliche Beantwortung des vom FDGB erhaltenen Briefes«. Bei diesem Gespräch hätte man dann auch bestätigt bekommen, dass ein Kontakt mit dem FDGB keinen Zweck habe, da die Funktionäre des FDGB »völlig auf der Linie Pankows3 und des Russen stehen«.
Trotz dieser Auslegung des Gesprächs nahmen der Vorsitzende des DGB, Willi Richter,4 das Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes des DGB, Werner Hansen,5 und der Vorsitzende der IG Bergbau, Gutermuth,6 dagegen Stellung, wobei letzterer verlangte, in einer Entschließung die Haltung der IG Druck u. Papier zu missbilligen.
Angenommen wurde dann eine Entschließung, in der unter Berufung auf den Hamburger DGB-Kongress 19567 erklärt wird, dass »jede Zusammenarbeit und jeder Kontakt mit Funktionären des FDGB und den ihm angeschlossenen Organisationen sowie den Beauftragten der sowjetischen Tarnorganisationen nachdrücklich zurückzuweisen ist und dieser Beschluss für alle Gewerkschaften und Funktionäre Gültigkeit hat«. Der Vorsitzende der IG Druck und Papier, Heinrich Hansen,8 vertritt zu dieser Entschließung den Standpunkt, dass sie gegen die Gewerkschaft schlagen würde.
Zur Überarbeitung des DGB-Grundsatzprogramms von 19499 wurde eine Kommission eingesetzt, die sich aus Brenner,10 Gutermuth und Pawlik11 sowie aus drei geschäftsführenden Hauptvorstandsmitgliedern zusammensetzt.
Aus dem Hauptvorstand der IG Chemie im DGB wurde bekannt, dass dort unter einer Reihe leitender Gewerkschaftsfunktionäre Unsicherheit darüber besteht, in einem angeblich von Dr. Agartz12 vorbereiteten Buch über die Kontakte des DGB mit dem FDGB genannt zu werden. Wie dazu erklärt wurde, soll Agartz an einem derartigen Buch arbeiten, in dem er auch die Funktionäre des DGB benennen und teilweise abbilden will, die mit dem FDGB Kontakt unterhalten oder unterhielten. Dabei wird die Vermutung ausgesprochen, dass der FDGB die entsprechenden Unterlagen dazu liefern würde. Im Allgemeinen wird dazu der Standpunkt vertreten, dass die Herausgabe eines solchen Buches die Verbindungen zwischen den Gewerkschaften erheblich schädigen und selbst die »persönlichen Verbindungen« zum FDGB zerschlagen würde.
Auf einer Jugendausschusssitzung des DGB brachten die abwesenden Vertreter der DGB – Jugend zum Ausdruck, dass ihnen unverständlich sei, warum der Arbeiterjugend der Kontakt zur Jugend der DDR und dem FDGB verwehrt wird, während dagegen die Schuljugend und die Studenten derartigen Kontakt unterhalten dürften. Diese Maßnahme würde bei der DGB – Jugend kein Verständnis finden. In diesem Zusammenhang wurde von dem Mitglied des geschäftsführenden Bundesvorstandes, Werner Hansen, erklärt, dass offizielle Kontakte keinen Zweck hätten, dagegen inoffizielle Gespräche von drei oder vier Personen noch zu vertreten wären. Die entsprechenden Funktionäre müssten drei bis vier Monate geschult werden, wobei aber keinesfalls die »zweite oder dritte Garnitur« eingesetzt werden sollte, da diese eventuell »überspielt« werden könnte.
In einer Reihe von Betrieben des demokratischen Sektors von Berlin – u. a. BVG13 Straßenbahn- und Omnibushof Treptow14 und Kraftwerk Klingenberg15 – zeigen sich in der letzten Zeit Erscheinungen einer verstärkten Aktivität der dort tätigen SPD-Mitglieder.16 Aus den bisher bekannt gewordenen Beispielen ist ersichtlich, dass die SPD versucht, sich bei den kommenden Gewerkschaftswahlen in den Betrieben durch Übernahme bestimmter Funktionen eine organisatorische Basis für ihre Zersetzungstätigkeit zu schaffen. Zu diesem Zweck sind die SPD-Mitglieder angewiesen worden, die Rückstände im Gewerkschaftsbeitrag aufzuholen und damit auch gewisse Voraussetzungen für ein aktives politisches Auftreten anlässlich der Gewerkschaftswahlen zu schaffen.
In den Betrieben der Reichsbahn in Westberlin – aus dem demokratischen Sektor wurden bisher derartige Anzeichen noch nicht bekannt – ist im Januar dieses Jahres verstärkt damit begonnen worden, den Einfluss des FDGB durch Aufforderung zum Übertritt in den DGB zu untergraben. Die Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands17 (DGB) hat in ca. 3 000 Exemplaren einen sogenannten »offenen Brief« versandt, in dem die in Westberliner Betrieben der Reichsbahn Beschäftigten aufgefordert werden, aus dem FDGB auszutreten und sich in der »Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands« zu organisieren. Diese mit hetzerischen Ausfällen gegen den FDGB verbundene Aufforderung wird noch dadurch verstärkt, dass die Anrechnung der vollen Mitgliedschaft bei »anderen Gewerkschaften« – also dem FDGB – zugesichert und gleichzeitig erklärt wird, die Mitgliedschaft in der Organisation geheim zu halten. Offensichtlich haben diese Bestrebungen auch schon einen gewissen Erfolg gehabt, da die »Gewerkschaft der Eisenbahner« in Berlin bereits über 4 700 Mitglieder umfasst.
Die Organisatoren dieser Aktion sind die Vorsitzenden der Bezirksleitung Berlin der Eisenbahnergewerkschaft, [Name 1] und [Name 2], die bereits die Organisierung des UGO-Putsches 194818 durchgeführt haben. Beide sind Mitglied der SPD.