Missstände bei der Durchführung des Sonderverkaufs im Handel
28. Februar 1959
Information Nr. 22/59 – Bericht über Missstände bei der Durchführung des Sonderverkaufs im Handel
Bei der vom Ministerium für Handel und Versorgung und dem Ministerium der Finanzen angewiesenen Preisabwertung kam es zu Verletzungen der Anweisung 4/59, die zu einem erheblichen ökonomischen Schaden führten.1
Während in der DDR nur vereinzelt Fälle einer unbegründeten Preisherabsetzung zu verzeichnen waren, die sofort berichtigt werden konnten, kam es in Berlin zu Verletzungen der gegebenen Anweisung, die einen großen Schaden für die Volkswirtschaft bedeuten. Obwohl zu Bestandsaufnahmen und Umbewertungsvorschlägen laut Anweisung 4/59 Kommissionen aus weitesten Kreisen der Werktätigen gebildet werden sollten, wurde diesem Punkt in Berlin nur ungenügend Rechnung getragen. Anstelle der Kommissionen setzte die Abteilung Handel und Versorgung beim Magistrat von Groß-Berlin eine zentrale Kommission ein, die unter Verletzung der für den Sonderverkauf gegebenen Richtlinien und ohne Besichtigung der Lager und Verkaufsstätten, ungerechtfertigte eigenmächtige Umbewertungen vornahm und Listen bestätigte, die eine große Anzahl Positionen aus der Produktion von 1958 enthielten, obwohl diese bis auf Restposten vom Sonderverkauf ausgeschlossen waren.
Bereits Anfang Februar 1959 wurden bei Überprüfungen der Vorbereitungen Mängel und verantwortungslose Handlungen festgestellt. Aufgrund dieser Erfahrungen fand nochmals eine Besprechung mit allen verantwortlichen Funktionären des Handelsapparates der DDR und Groß-Berlin im Ministerium für Handel und Versorgung statt, wo nochmals Hinweise zur Beseitigung falscher Einstufungen gegeben wurden. Trotzdem wurden von den Verantwortlichen der Abteilung Handel und Versorgung beim Magistrat von Groß-Berlin nicht die nötigen Schlussfolgerungen gezogen und Veränderungen vorgenommen.
Dadurch gelangten die vom Magistrat aufgestellten unbegründeten Preisabwertungslisten an die Verkaufsstellen, die bei der Warenabgabe nach den global festgesetzten Preisen verfuhren. Durch diese Maßnahme wurde nicht eine begründete Preisabwertung, sondern eine Preissenkung bei einer Reihe hochwertiger Erzeugnisse vorgenommen, die zu einem erheblichen finanziellen Schaden zulasten des Staates führten.
Bei den Kommissionsbesprechungen der Abteilung Handel und Versorgung wurde besonders darauf hingewiesen, »dass alles Mögliche in diese Preisherabsetzung einzubeziehen sei, da dies die letzte große Möglichkeit für derartige Maßnahmen wäre«. Darüber hinaus herrschte auch in den einzelnen Verkaufsstellen keine Klarheit über die Durchführung der Preisherabsetzungen, sodass durch das Verkaufspersonal und die Verkaufsstellenleiter willkürliche Preisherabsetzungen für hochwertige Erzeugnisse und Waren neuerer Produktion vorgenommen wurden.
Diese unverantwortliche Handlungsweise ist mit auf die wenigen Kommissionen bzw. auf die nicht ordnungsgemäße Tätigkeit der Überprüfungskommissionen zurückzuführen. Zum Beispiel bestand im gesamten Bezirk Berlin-Prenzlauer Berg nur eine einzige Kommission zur Überprüfung, die bei der großen Anzahl der Verkaufsstellen nicht in der Lage war – wie angewiesen – die Bestände zu überprüfen und gegebenenfalls Preiskorrekturen vorzunehmen.
Wie sich die unkorrekte Preisherabsetzung auswirkt, beweisen folgende Beispiele:
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Die Spezial-Textil-Verkaufsstelle »Sybille« Unter den Linden setzte Perlon-Blusen im Wert von 75,00 DM2 bis auf 3,00 DM herab.3
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Die HO-Schuhverkaufsstelle in Hohenschönhausen, Freienwalder Straße, setzte Schweins- und Wildlederschuhe von 40,00 DM bis zu 1,00 DM herab. Dabei fanden Käufe bis zu zehn Paar statt.
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Im HO-Kaufhaus am Alex wurden Herrenhosen und Shorts zu einem Preis von 1,00 DM bis 1,95 DM angeboten.
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Die HO Industriewaren nahm eine Preisherabsetzung bei Silber und Silberwaren vor.
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Hochwertige Uhren und Erzeugnisse der Uhrenindustrie wurden zum Preis von 40,00 DM angeboten, obwohl diese in der laufenden Produktion sind und deren regulärer Preis bei über 100 DM liegt.
Zur Beseitigung der angeführten Situation wurden im Zusammenwirken mit dem Ministerium für Handel und Versorgung folgende Maßnahmen eingeleitet:
- 1.
Alle Warenlieferungen aus den Großhandelskontoren an den Einzelhandel wurden sofort gestoppt.
- 2.
Es wurden mehrere Kommissionen eingesetzt, die eine Korrektur der unbegründeten Preise im Einzelhandel sowie der Preise in den Großhandelskontoren vornehmen, um eine kontinuierliche Versorgung weiterhin zu gewährleisten.
- 3.
Einschaltung der zentralen Kommission für staatliche Kontrolle4 und der Volkspolizei, Abt. VE,5 zur Überprüfung schwerwiegender Verstöße in den einzelnen Handelssäulen.