Missstimmungen bei Prämienzahlungen
12. März 1959
Information Nr. 101/59 – Bericht über Missstimmungen bei Prämienzahlungen
Nach vorliegenden Informationen ist es bei der Auszahlung der Jahresabschlussprämien in einigen Betrieben erneut zu Unstimmigkeiten gekommen, die meist auf eine nicht richtige Prämienaufteilung zurückzuführen sind. Diese falsche Durchführung der Prämienzahlung wirkte sich negativ auf das Verhältnis zwischen den Arbeitern und Angestellten und auf die weitere Steigerung der Arbeitsproduktivität aus.
In einigen Fällen zeigte sich, dass auch die BPO und BGL nicht in entsprechendem Maße bei der Aufschlüsselung der Prämien mitgewirkt oder die Arbeiter über die Prämienverteilung aufgeklärt haben.
Aus den Diskussionen zur Prämienverteilung ist übereinstimmend ersichtlich, dass sich die Arbeiter nicht gegen eine Differenzierung der Prämien aussprechen, sondern nur zunehmend gegen die großen Unterschiede in der Höhe der Prämien für Produktionsarbeiter und der mittleren und leitenden Angestellten Stellung nehmen und darüber ihr Missfallen ausdrücken. In diesem Zusammenhang wird von den Produktionsarbeitern die Meinung vertreten, dass sie doch die Werte schaffen und durch den Einsatz ihrer Arbeitskraft die Pläne erfüllen, weshalb sie auch Anspruch auf richtige Würdigung ihrer Leistungen und dementsprechend auf höhere Prämien hätten. Dafür einige Beispiele:
Im VEB Kfz-Werk IFA Plauen, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt,1 wurden z. B. an 48 Verwaltungsangestellte 6 000 DM2 und an 250 Produktionsarbeiter 4 000 DM Prämiengelder verteilt. Während jeder Verwaltungsangestellte eine Prämie in Höhe von 100 DM bis 500 DM erhielt, wurde nur jeder zweite Produktionsarbeiter mit 60,00 DM bis 80,00 DM Prämie bedacht. Aufgrund dieser Prämienverteilung äußerten sich Arbeiter, »dass es keinen Zweck habe die Pläne zu erfüllen, denn den Vorteil hätten ja doch immer die Verwaltungsangestellten«.
Ähnlich war das Verhältnis im VEB Blechverformungswerk Bernsbach, [Kreis] Aue, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt.3 Durch die Prämienverteilung verärgert, äußerten sich Arbeiter wie folgt: »In Zukunft reißen wir uns hinsichtlich der Produktionssteigerung kein Bein mehr aus. Die Prämienverteilung wird ja sowieso ungerecht vorgenommen, indem ein Produktionsarbeiter 70,00 DM und die Angestellten 300 bis 1 000 DM erhalten.«
Im VEB Paka in Glashütte, [Kreis] Dippoldiswalde, [Bezirk] Dresden,4 erhielt ein Hofmeister für zehn Arbeiter 70,00 DM Prämiengelder, sodass auf einen Arbeiter 7,00 DM kamen. Andererseits erhielt der Werkleiter eine Prämie von 1 300 DM, der Buchhalter 800 DM. Ähnlich waren auch die Prämien der anderen Angestellten. Auch in diesem Falle erklärten die Arbeiter, dass sie damit nicht einverstanden sein können.
Im VEB Reparaturwerk Neubrandenburg5 kam es zu Unstimmigkeiten bei der Verteilung von Wettbewerbsprämien. In der Werkhalle II wurde 1958 ein halbjähriger Wettbewerb durchgeführt, für den die Prämien im Januar 1959 ausgezahlt wurden. Da die verfügbare Summe nur sehr gering war, beschloss die Wettbewerbskommission, die Prämien in Höhe von 15,00, 17,00 und 20,00 DM auszuzahlen. Aufgrund der geringen Höhe wurde die Prämie nicht als materieller Anreiz betrachtet. Als ein neuer Wettbewerb abgeschlossen werden sollte, forderten die Arbeiter [Name 1], [Name 2], [Name 3] und [Name 4], dass erst die Summe für die Prämie bekannt gegeben werden müsse. Durch die schlechte Arbeit der BPO und BGL war es bisher nicht möglich einen neuen Wettbewerb abzuschließen.
Ähnliche Fälle wie in der Industrie werden auch aus der Landwirtschaft berichtet. Zum Beispiel standen der MTS Waldenburg, [Kreis] Glauchau, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, insgesamt 10 000 DM Prämiengelder zur Verfügung. Bei der Aufteilung dieser Summe kam es jedoch zu Missfallensäußerungen und Empörung der Traktoristen, weil der Direktor der MTS 1 300 DM und sein Stellvertreter 1 000 DM erhielten, während die Traktoristen lediglich 50,00 bis 150 DM bekamen.
Im Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb Klingenthal, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, kam es ebenfalls zu Unstimmigkeiten, da der Oberförster und der Hauptbuchhalter 700 DM bzw. 800 DM Prämien erhielten, während an die Arbeiter nur ca. 100 DM ausgezahlt wurden.