Organisierung des »IUSY-Camp«
5. Juni 1959
Information Nr. 373/59 – Bericht über die Organisierung des »IUSY-Camp« im Volkspark Rehberge in Westberlin in der Zeit vom 1. Juli bis 10. Juli 1959
Auf Beschluss der »International Union of Socialist Youth« IUSY – einer Vereinigung sozialistischer Jugendverbände der kapitalistischen Länder, die nicht im Weltbund der demokratischen Länder1 organisiert sind – findet das alle zwei Jahre durchgeführte internationale Jugendlager in diesem Jahr in der Zeit vom 1.7. bis 10.7. im Volkspark Rehberge in Westberlin statt.2
Aus der Begründung dieses Beschlusses ist ersichtlich, dass die Durchführung des »IUSY-Camps« zu politischen Provokationen gegen die DDR und das gesamte sozialistische Lager ausgenutzt werden soll. So wird u. a. erklärt, dass die Teilnahme am »IUSY-Camp« zugleich eine Solidaritätsbekundung für die Berliner Bevölkerung sein soll und daher bei der gegenwärtigen politischen Lage von großer Bedeutung sei.
Zur Beeinflussung der am Lager teilnehmenden Jugendlichen ist vorgesehen, sie in sogenannte Arbeitsgemeinschaften und Diskussionsgruppen zusammenzufassen und in Vorträgen und Diskussionen mit folgenden Themen vertraut zu machen:
- –
Kampf und Aufgabe der IUSY in der heutigen Welt
- –
Kapitalismus – Sozialismus – Kommunismus
- –
Fragen zu Deutschland und zur Situation Berlins
- –
Die geistigen Kräfte in beiden Teilen Deutschlands
- –
Die deutschen sozialistischen Jugendverbände und die IUSY
- –
Weltjugendfestspiele
- –
Fragen der kolonialen Revolution
Außerdem war geplant, den ausländischen Teilnehmern die Möglichkeit zu schaffen, von Westberlin aus Autobus-Reisen nach Potsdam und Dresden unternehmen zu können. Dieser Vorschlag wurde von der SPD abgelehnt. Als Begründung führte Kurt Mattick3 u. a. an, »dass dieses eine schlechte und verderbliche Sache wäre, weil dadurch den Ausländern, speziell in Dresden, gezeigt wird, dass die Amerikaner und Engländer die deutschen Kulturgüter bombardiert hätten. Jetzt käme es darauf an, uns nicht in einen Gegensatz zu den Alliierten bringen zu lassen und die Ausländer nicht in diese antialliierte Stoßrichtung zu drängen.«
Das offizielle Programm sieht jetzt folgende Veranstaltungen vor:
1.7.1959: Eröffnung durch Willy Brandt4 und den Präsidenten der IUSY, Nath Pai,5 in der Freilichtbühne Rehberge.
2.7.1959: Kundgebung in der Kongresshalle.
(Als Referenten waren vorgesehen, Aneurin Bevan,6 Labour Party und der Ministerpräsident von Ghana, Dr. Kwame Nkrumah,7 die jedoch abgelehnt haben.) Als Ersatz wurden aufgefordert: Ministerpräsident von Guinea, Touré,8 und die englischen Sprecher Jenny Lee,9 Richard Crossman,10 Barbara Castle,11 Edith Summerskill.12
3.7.1959: Fest der Nationen in der Freilichtbühne Rehberge.
5.7.1959: Festveranstaltung in der Waldbühne und eventuelles Fußballspiel im Olympia-Stadion (dafür solle eine sowjetische Mannschaft gewonnen werden).
8.7.1959: Kundgebung im Sportpalast.
Referenten: Willy Brandt, der Präsident der IUSY, Nath Pai, der schwedische Außenminister Dr. Östen Unden13 und für Herbert Wehner,14 der vermutlich abgelehnt hat, Carlo Schmid15 oder Max Brauer.16
9.7.1959: Sportfest im Stadion Rehberge und Abschlussveranstaltung in der Freilichtbühne Rehberge.
Die Schirmherrschaft über das »IUSY-Camp« hat Willy Brandt übernommen, der gleichzeitig auch die Eröffnung am 1.7.1959 vornehmen will.
Mit der Vorbereitung des Lagers wurde von der IUSY die »Sozialistische Jugend Deutschlands – Die Falken«17 beauftragt, die für alle technischen und finanziellen Entscheidungen verantwortlich ist, während für die politischen Probleme sowie die Programmgestaltung weiterhin die IUSY zuständig ist. Das Sekretariat des »IUSY-Camp« wurde im Gebäude der Agentenzentrale »Referat Mitteldeutschland der Falken«18 in Berlin W 35, Bülowstraße 7 eingerichtet. Vom Landesvorstand der Falken wurde mit der Organisierung des Lagers der Leiter dieser Agentenzentrale »Referat Mitteldeutschland«, Jürgen Gerull,19 beauftragt, der dann als verantwortlicher Lagersekretär fungieren soll. Als ehrenamtlicher Lagersekretär wurde der Stellvertreter des Leiters des »Referates Mitteldeutschland«, Manfred Wetzel,20 vorgesehen. Außerdem wurde vom Parteivorstand der SPD der hauptamtliche Mitarbeiter Werner Buchstaller21 als Verantwortlicher für das »IUSY-Camp« eingesetzt.
In der Vorbereitung des »IUSY-Camp« wurde mit einer Teilnahme von 10 000 Jugendlichen aus 30 Ländern gerechnet. Bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt liegen jedoch nur ca. 3 000 Anmeldungen vor, die sich etwa wie folgt zusammensetzen:
- –
1 500 Skandinavier
- –
500 Österreicher
- –
500 Westdeutsche
- –
200 Belgier
- –
50 Holländer
- –
50 Franzosen
- –
30 Schweizer
- –
20 Teilnehmer der Exilorganisationen der IUSY u. a.
Durch Organisierung von Delegationen, besonders aus dem asiatischen Raum, soll erreicht werden, dass Vertreter der fünf Kontinente anwesend sein werden. Außerdem ist vorgesehen, Mitglieder des polnischen Jugendverbandes und Angehörige der jugoslawischen Volksjugend einzuladen. Angeblich sollen auch bereits Zusagen zur Teilnahme von je zwei Mitgliedern des rumänischen und ungarischen Jugendverbandes vorliegen.
Nach vorliegenden Informationen werden auch besonders von der Agentenzentrale »Referat Mitteldeutschland« verstärkte Anstrengungen unternommen, Jugendliche aus der DDR und dem demokratischen Sektor von Berlin zur Teilnahme am »IUSY-Camp« zu gewinnen. Sogenannte Besucher aus der DDR und dem demokratischen Sektor von Berlin werden beauftragt, soweit es ihre Sicherheit zulässt, in den Betrieben Teilnehmer für das »IUSY-Camp« zu werben.
Der Leiter der Zentrale »Referat Mitteldeutschland«, Jürgen Gerull, hat sich außerdem in einem Schreiben an die Sekretäre der SPD im demokratischen Sektor von Berlin22 gewandt, Jugendliche als Teilnehmer, Lagerhelfer, Gruppenleiter usw. für das »IUSY-Camp« zu gewinnen. In diesem Brief heißt es u. a.: »Gerade mit Rücksicht auf die besondere politische Situation Berlins glauben wir, dass dieses Treffen junger Sozialisten aus der ganzen freien Welt große Beachtung verdient. Dies umso mehr, als im selben Monat das Treffen der kommunistischen Jugendinternationale in Wien23 stattfindet«.
Vereinzelt ist das Gerücht verbreitet worden, »dass eine offizielle Delegation von 700 FDJlern am »IUSY-Camp« teilnehmen wird«.Als Delegationsleiter für die Teilnehmer aus der DDR und dem demokratischen Sektor von Berlin wurde der Vorsitzende der 8. SPD-Abteilung in Berlin-Steglitz, Alfred Gleitze,24 verantwortlich gemacht. Die Lagerbeiträge für Teilnehmer aus der DDR werden nach bisherigen Meldungen vom »Ministerium für gesamtdeutsche Fragen«25 getragen.