Pläne westdeutscher Sport- und Regierungsstellen gegen die DDR
22. Juni 1959
Information Nr. 424/59 – Bericht über gegen die DDR gerichtete Pläne westdeutscher Sport- und Regierungsstellen
In einer Reihe von Äußerungen, die führende westdeutsche Sportfunktionäre in der letzten Zeit machten und durch die Haltung dieser Personen zu bestimmten Fragen des gesamtdeutschen Sportverkehrs, besonders in der Vorbereitung der Olympischen Spiele, werden die von uns in der Vergangenheit bereits berichteten feindlichen Pläne dieser Kreise erneut bestätigt. Aus den vorliegenden Informationen ist ersichtlich, dass in erster Linie der internationale Einfluss des DDR-Sports zurückgedrängt und verhindert werden soll, um die Westzone als »alleinigen und rechtmäßigen« Vertreter Deutschlands auftreten zu lassen. Außerdem will man versuchen, durch Infiltration der DDR-Sportler künstliche Widersprüche zwischen den Sportlern und der Sportführung in der DDR zu schaffen, um derartige Komplikationen für eine weitere Beeinflussung auszunutzen.
So war das westdeutsche Nationale Olympische Komitee (NOK) im direkten Auftrage der Bonner Regierung angewiesen, unter allen Umständen zu versuchen, den Kongress des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) vom 23. bis 28.5.1959 nach Westdeutschland zu legen (der dann auch in München stattfand), um die angebliche Führungsrolle der Westzone innerhalb der olympischen Bewegung zu demonstrieren.1 Den Auftrag hierzu erhielt Ritter von Halt2 vom westdeutschen Innenministerium und Außenministerium. Bezeichnenderweise sollte auch Innenminister Schröder3 den Kongress eröffnen, was aber vom DSB4 abgelehnt wurde.
Um den gewünschten Einfluss der Bundesregierung zu gewährleisten, wurde zur Vorbereitung des Kongresses der Legationsrat im Auswärtigen Amt, Werner Klingeberg,5 beauftragt und dazu für vier Wochen freigestellt, u. a. mit dem Auftrag, einen Situationsbericht darüber auszuarbeiten, inwieweit die Stellung Westdeutschlands im Olympischen- und im Weltsport gefährdet und was zu tun sei. (Klingeberg war engster Mitarbeiter von Carl Diem6 und bereitete mit diesem die Olympischen Spiele 1932 und 1936 vor. 1936 leitete er die technische Abteilung des Organisationskomitees und wurde dann von Diem als Sekretär in das Olympische Komitee lanciert. Außerdem war er vorbereitend für die Olympischen Spiele 1940 in Tokio tätig.)
Auf dieser Linie bewegt sich auch die Tatsache, dass sich eine Reihe maßgeblicher westdeutscher Sportführer (u. a. der Geschäftsführer des westdeutschen NOK, Koenig,7 die Geschäftsführung des DSB, Mengden8 und Daume9 und einige Vorsitzende westzonaler Sportverbände) gegen die Einladung der DDR-Delegation durch Ritter von Halt wandten, mit der Begründung, dass die Anwesenheit einer DDR-Delegation nur zur Stärkung des NOK der DDR und der DDR überhaupt beitrage und deshalb verhindert werden müsse. Aus diesem Grunde sind diese Kreise (einschließlich Ritter von Halt) entgegen der Haltung des Präsidenten des IOC, Brundage,10 bestrebt, den Zusatz »provisorisch« für das NOK der DDR zu erhalten.
Auch zum Ausschluss des NOK des Chiang-Kai-shek-Regimes11 aus dem IOC vertreten von Halt und Daume die Auffassung, dass dieser Beschluss falsch war und in den bürgerlichen Kreisen der westlichen Welt Missbilligung und zum Teil Empörung hervorgerufen habe, deren Auswirkungen für Brundage noch nicht zu übersehen wären.12 Ihrer Meinung nach hätte es im IOC bleiben sollen, nur mit Änderung des Namens.
Um im Bedarfsfalle (IOC-Kongress in München Außenministerkonferenz in Genf13) gegen die DDR auftreten zu können, hatte man vonseiten des NOK der Westzone sowie des DSB »Materialien über den gesamtdeutschen Sportverkehr und die Entwicklung der innerdeutschen Situation« zusammengestellt. Von Halt und Daume betonten dazu nach außen hin, dass sie an einer gesamtdeutschen Vertretung zu den Olympischen Spielen im Interesse der Erhaltung des gesamtdeutschen Sportverkehrs aktiv interessiert sind. Sie erklärten dabei ganz offen ihre Übereinstimmung mit Lemmers14 Plänen, den gesamtdeutschen Sport für die Schaffung von »Kontakten« weitgehendst auszunutzen.
So will das westzonale NOK die Taktik, die jetzt in München und zum Teil schon bei den Olympischen Spielen in Melbourne15 verfolgt wurde, verstärkt fortsetzen und möglichst viel Besprechungen in der Westzone stattfinden lassen, um bei dieser Gelegenheit den DDR-Teilnehmern die angebliche bessere Lebenshaltung des Westens zu beweisen, sie »etwas verwöhnen und kleine Aufmerksamkeiten« schenken. Sie sollen dadurch von den Verhältnissen in der Westzone angezogen werden und man hofft, daraus politisches Kapital schlagen zu können. Zu diesem Zweck ist man auch bestrebt, zwischen Schöbel16 und den übrigen Teilnehmern unseres NOK künstliche Meinungsverschiedenheiten hervorzurufen, um Schöbel dadurch zu isolieren. Ein gleiches Vorgehen, die bewussten Funktionäre zu isolieren, wird auch bei allen anderen »Kontakten« im gesamtdeutschen Sportverkehr angestrebt.