Probleme bei der Versorgung der Bevölkerung mit Butter
14. September 1959
Information Nr. 651/59 – [Bericht über] Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung mit Butter
Nach vorliegenden Informationen ist es in der letzten Zeit in einigen Bezirken der DDR zu ernsthaften Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung mit Butter gekommen.
Diese Situation führte bei Wareneingang zu Schlangenbildungen vor den Verkaufsstellen und ruft bei der Bevölkerung große Unzufriedenheit hervor. In großem Umfange kam es dabei zu negativen Diskussionen und in Einzelfällen zu Arbeitsunterbrechungen, da die Arbeiter bei Butterlieferungen ihre Arbeitsplätze verließen und sich mit anstellten.
Zum Beispiel berichtete der Bezirk Dresden, dass seit ca. sechs Wochen ernste Schwierigkeiten in der Butterbelieferung bestehen, die zum Teil auf die vergangene Trockenperiode zurückgeführt werden. Weiterhin wird als Ursache auch angeführt, dass der Plan nicht dem Bedarf der Bevölkerung entsprechen und zusätzlich von der Staatlichen Plankommission gekürzt worden sein soll.1 Erschwert wird diese Lage noch dadurch, dass bisher ständig Vorgriffe auf das Plankontingent des folgenden Quartals erfolgen konnten, für das IV. Quartal 1959 aber eine solche Handhabung angeblich untersagt wurde. Dies hätte zur Folge, dass der Anschluss an das IV. Quartal nicht gesichert wäre.
Aufgrund dieser Situation der mangelhaften Versorgung mit Butter verließen in Glashütte, [Bezirk] Dresden, ca. 150 Arbeiter ihren Arbeitsplatz, um sich zum Kauf von Butter anzustellen. Der Ansturm in den Läden war so stark, dass eine Demolierung der Einrichtungen befürchtet werden musste. Von einigen Arbeitern wurde geäußert, »dass sie wohl erst streiken müssten, bevor es wieder Butter geben würde«.
Auch im VEB Lowa in Niesky2 und in der Brikettfabrik Berzdorf3 gab es solche Diskussionen erst streiken zu müssen, um wieder genügend zu erhalten. Im VEB Chemiewerk Nünchritz,4 [Kreis] Riesa, äußerte ein Arbeiter, dass er schon die 2. Woche Margarine isst und nicht mehr arbeiten gehen wolle, wenn er keine Butter bekommt. Ähnliche Diskussionen sind auch in den Verkaufsstellen des Kreises Riesa aufgetreten, wo Frauen erklärten, ihre Ehemänner nicht mehr arbeiten zu lassen, so lange die Butterversorgung nicht garantiert ist.
In dem VEB Schuhfabrik Meißen5 brachte eine Arbeiterin zum Ausdruck, dass es besser wäre, die Butter wieder zu rationieren. Gleichzeitig forderte sie, in der Presse zu der Lage in der Butterversorgung Stellung zu nehmen, da die Arbeiter bei richtiger Erläuterung der Situation auch dafür Verständnis aufbringen würden.
Ein Mitglied des Konsumausschusses aus Jänkendorf, [Kreis] Niesky, erklärte: »Die Arbeiter des Ortes würden ständig in die Wohnung kommen und Auskunft darüber fordern, warum es keine Butter gibt.« In Bautzen, [Bezirk] Dresden, kam es zu einer Schlangenbildung von 150 Personen, als in einem Geschäft Butter ausgeliefert wurde.
Von einem großen Teil der Bevölkerung wird im Zusammenhang mit der Butterversorgung die Ansicht vertreten, »dass dies 14 Jahre nach Kriegsende nicht mehr vorkommen dürfe«. In den Diskussionen wird dabei häufig auf den 10. Jahrestag der Gründung der DDR Bezug genommen und u. a. in provokatorischer Form erklärt: »Das ist wohl der Aufbau nach zehn Jahren DDR« oder: »Ein schönes Geschenk, zehn Jahre DDR und keine Butter«.
In Radeberg, [Bezirk] Dresden, wurde in der Form diskutiert, »dass wir die ökonomische Hauptaufgabe nie erfüllen werden. Es wäre gut gewesen, dass der Westberliner Senat die SED-Angebote an Butter und Frischmilch abgelehnt habe, denn sonst wäre die Lage noch schlechter als sie jetzt schon ist«.6
In einigen Fällen gibt es auch Erscheinungen von Hamstereinkäufen und Spekulationen. So äußerte u. a. in Pöhla, [Kreis] Schwarzenberg, [Bezirk] Karl-Marx-Stadt, eine Frau [Name] zur Verkäuferin des HO-Geschäftes: »Wenn bei Ihnen jemand nach Butter fragt, so kann ich helfen. Mein Mann hat 100 Stück von Annaberg mitgebracht.« Daraufhin schickte die Verkäuferin die Kunden zu dieser Frau.