Provokationen des westzonalen Bundesgrenzschutzes
2. März 1959
Information Nr. 23/59 – Bericht über Provokationen des westzonalen Bundesgrenzschutzes im Bereich der Grenzbereitschaft Salzwedel
Die Überprüfung der im Bericht vom 25.2.1959 gemachten Angaben über Provokationen an der Staatsgrenze West ergab Folgendes:
Seit im November 1958 im Raum Reddigau (Bereich der Grenzkompanien Reddigau und Schmölau – Grenzbereitschaft Salzwedel)1 in unmittelbarer Nähe des 10-m-Kontrollstreifens2 durch den VEB Geologische Bohrung Gommern3 mit Bohrungen nach Erdöl begonnen wurde, traten an dieser Stelle auf westlicher Seite häufiger als zuvor Angehörige des Bundesgrenzschutzes, des Zolls und Zivilpersonen in Erscheinung, die sich auch vermutlich für die erfolgversprechenden Ergebnisse der Bohrungen interessieren. Besonders in der Zeit vom 23.2. bis 25.2.1959 zeigte sich in diesem Gebiet auf westlicher Seite ein verstärkter Verkehr.
Am 23.2.1959, gegen 11.00 Uhr, erschienen auf westlicher Seite gegenüber dem Bohrturm vier Zivilpersonen, die mit den Beschäftigten des Bohrbetriebes Kontakt aufzunehmen versuchten. Da jedoch mehrere Bohrarbeiter – besonders aktiv war dabei die Geologin [Name] – durch Handzeichen zu erkennen gaben, dass der unmittelbar neben dem Bohrturm befindliche Erdbeobachtungsbunker durch Angehörige der Deutschen Grenzpolizei4 besetzt ist, verließen diese Personen nach ca. einer Stunde das Grenzgebiet.
Noch am gleichen Tage erschien gegen 14.00 Uhr in unmittelbarer Nähe des Bohrturmes an der westlichen Grenze ein Jeep mit einem Oberwachtmeister und drei Jägern des Bundesgrenzschutzes. In provokatorischer Form begrüßten sie die Posten der Deutschen Grenzpolizei, boten ihnen Zigaretten an und forderten sie auf, ihre Uniform auszuziehen und nach Westdeutschland zu kommen.
Am 24.2.1959, gegen 15.00 Uhr, traten auf westlicher Seite zwei Angehörige des westzonalen Zolls auf, die ca. 20 Minuten das Gebiet der DDR im Raum des Bohrturmes beobachteten. Gegen 15.45 Uhr fuhren fünf Angehörige des Bundesgrenzschutzes – davon ein Offizier – gegenüber dem Bohrturm bis an den Kontrollstreifen heran. Unmittelbar nach ihrer Ankunft fiel auf westlicher Seite ein Schuss, der vermutlich aus einer Maschinenpistole abgegeben wurde. Nach ca. 20 Minuten entfernte sich der Jeep, wobei auf westlicher Seite nochmals ein Schuss fiel. Da die Bundesgrenzschutz-Angehörigen teilweise verdeckt standen, konnte die Abgabe der Schüsse und ihre Zielrichtung nicht beobachtet werden.
Auch am 25.2.1959 wiederholte sich dieses provokatorische Auftreten. Gegen 11.10 Uhr erschien am 10-m-Kontrollstreifen ein Jeep mit vier Angehörigen des Bundesgrenzschutzes, die sich mit zwei Maschinenpistolen und zwei Pistolen bewaffnet an dem Kontrollstreifen gegenüber dem Bohrturm aufhielten. Als ein Hauptwachtmeister des BGS bemerkte, dass sich im diesseitigen Erdbeobachtungsbunker Angehörige der DGP befanden, rief er ihnen zu: »Guten Morgen, Genossen!« – und als sie darauf nicht antworteten – »Kommt doch raus, ihr Feiglinge, ihr habt wohl Angst vor uns? Oder könnt ihr nicht mehr deutsch sprechen? Ihr Russen lebt sowieso nicht mehr lange!« Da die Angehörigen der Deutschen Grenzpolizei nicht auf diese provokatorischen Ausfälle eingingen, verließen die BGS-Angehörigen nach kurzer Zeit das Gebiet der Grenze.
Gegen 14.10 Uhr desselben Tages erschienen am Kontrollstreifen ca. 3 km nördlich des Bohrturmes ein Jeep mit drei BGS-Angehörigen und ein Pkw mit einer Person in Zivilkleidung, die gemeinsam das Grenzgebiet der DDR beobachteten.
Am 26.2.1959 erschien diese Zivilperson in der Nähe des Bohrturmes und machte Aufzeichnungen in eine mitgeführte Karte.
Da durch mangelhafte Stabsarbeit der Deutschen Grenzpolizei diese provokatorischen Vorgänge erst jetzt nach der Überprüfung exakt bekannt wurden, erscheint es wegen des langen Zeitraumes seit den Vorfällen nicht angebracht, direkt in einer Presseveröffentlichung dazu Stellung zu nehmen. Eventuell könnte im Zusammenhang mit anderen Fragen auf diese Vorgänge mit Bezug genommen werden.