Qualität von Fleischimporten und Auftreten von Salmonellen
9. September 1959
Information Nr. 646/59 – [Bericht über] geminderte Qualität von Fleischimporten und verstärktes Auftreten von Salmonellen-Bakterien in Fleischverarbeitungswerken der Deutschen Demokratischen Republik
Nach vorliegenden Informationen ist in der letzten Zeit in einigen Fleischverarbeitungswerken der DDR eine Zunahme von qualitätsgeminderten Fleischimporten festzustellen.
So trafen z. B. im VEB Fleisch- und Wurstwerke Dresden1 größere Lieferungen aus der Sowjetunion, Jugoslawien und Bulgarien ein, bei denen das Fleisch stark verschmutzt, schmierig und zum Teil von Oberflächenfäulnis befallen war. Allein in der Zeit vom 1.7. bis 26.8.1959 wurden in diesem Werk 114,7 t Schweinefleisch und 133,7 t Rindfleisch aus Importen verarbeitet, von denen ¾ mit erwähnten Mängeln behaftet waren. Obwohl das Fleisch vor der Weiterverarbeitung gewaschen, gehackt und beschnitten wird, bleibt die Qualität minderwertig, sodass Tierärzte bei Überprüfungen im Betrieb ihre Beunruhigung über den Zustand des Fleisches äußerten, da durch den Genuss derartiger Fleisch- und Wurstwaren eine erhöhte Krankheits- und Seuchengefahr besteht.
Von den Arbeitern der verarbeitenden Produktion wurde gegenüber der Werk- und Parteileitung ebenfalls das Missfallen über die weitere Verarbeitung des Fleisches zum Ausdruck gebracht. Als Ursache wird angeführt, dass das Fleisch vor dem Versand nur ungenügend durchfrostet, z. T. unsachgemäß verladen und in Behelfskühlwagen nur mangelhaft nachgekühlt wird. In diesem Zusammenhang wird bemängelt, dass vor allem bei Importen aus der Sowjetunion beim Nacheisen an den Grenzübergangsstellen statt Kunsteis stark verschmutztes Natureis verwendet wird, was nach deutschen Bestimmungen strengstens untersagt ist.
Ähnliche Erscheinungen wurden auch aus anderen Bezirken bekannt. Zum Beipiel gibt es Beanstandungen der Qualität der im VEB »Delicata« Leipzig2 hergestellten Fleischwaren, die aus Importen aus der Sowjetunion gefertigt werden. Dazu wurde bekannt, dass die über den VE-Kühlbetrieb Leipzig sowie direkt aus der Sowjetunion gelieferten Importe an Rind- und Schweinefleisch äußerst minderwertige Qualität aufweisen und vom hygienischen Standpunkt für eine weitere Verarbeitung ungeeignet waren. So erhielt der VEB »Delicata« am 11.8.1959 3 413 kg Gefrierfleisch aus der Sowjetunion über den VE-Kühlbetrieb Leipzig, von dem ein großer Teil nicht mehr verwertbar war und ein weiterer Teil lt. kreistierärztlichem Gutachten nur zu Koch- und Brühwurst verarbeitet werden durfte. Dadurch entstand ein Schaden von 29 702 DM.3 Am 10.8.1959 erhielt der VEB »Delicata« aus der Sowjetunion über Frankfurt per Waggon (Nr. 184060) 4 980 kg Gefrierschweinefleisch, wobei der Verlust 45 % der gesamten Lieferung betrug, was einem Schaden von 31 304 DM entspricht. Das Fleisch dieses Transportes war trotz des gefrorenen Zustandes bereits schmierig und zeigte neben einer zentimeterdicken Schicht unverwertbaren Rohmaterials bereits starke Fäulniserscheinungen.
Diese Qualitätsminderung zeigt auch Auswirkungen auf die Versorgung der Bevölkerung, da durch die starken Verluste an Produktionsfleisch die vom Handel geforderten Mengen und Qualitäten nicht geliefert werden können. Aufgrund des schlechten Zustandes des zu verarbeitenden Materials wurde vom Leiter der Fleischwarenfabrik »Delicata«, Müller,4 am 14.8.1959 eine Aussprache mit Wirtschaftsfunktionären und zuständigen Funktionären des Staatsapparates einberufen. Bei der anschließenden Besichtigung in der Produktion wurde vonseiten der Bezirkshygieneinspektion sowie vom Kreistierarzt Dr. Stier5 die Weiterverarbeitung des vorhandenen Fleisches untersagt.
Im Kreis Demmin, [Bezirk] Neubrandenburg, wurde ebenfalls eine geringe Qualität bei Importgefrierfleisch aus der Sowjetunion festgestellt, wobei das Fleisch kurz nach dem Auftauen schwarz wurde und Mängel aufwies, die auf schlechtes Schlachten zurückzuführen waren. Auch aus dem Kreis Wernigerode, Bezirk] Magdeburg wurde über schlechte Qualität von Importschweinefleisch aus der Sowjetunion berichtet. Ferner wurden in drei Fällen Paratyphusinfektionen festgestellt.
In diesem Zusammenhang muss auf eine zunehmende Verseuchung durch Salmonellen (Fleischvergifter) hingewiesen werden, wobei der Verdacht besteht, dass diese Bakterien durch das qualitätsgeminderte Fleisch eingeschleppt wurden bzw. deren Verbreitung dadurch begünstigt wird. Im Kreis Meißen kam es zu Krankheitserscheinungen wie Durchfall usw., die auf Salmonellen zurückzuführen waren. Das führte u. a. zur Schließung des Kinderferienlagers Zehren. Ab 20.8.1959 wurde der Schlachthof Meißen, [Bezirk] Dresden, geschlossen, da Gebäude, Werkzeuge und Fleisch mit Salmonellen verseucht waren.
Im VEB Fleischwerke Dresden werden durch die bakteriologischen Betriebskontrollen trotz intensiver Bekämpfung ständig Salmonellbakterien festgestellt. Nach Angaben von Ärzten sollen auch im Gebiet von Dresden eine erhebliche Anzahl Erkrankungen aufgetreten sein, die ihre Ursache in Salmonellenerregern haben.