Teilnahme arabischer Studenten an einer Studentenkonferenz in Kairo
21. September 1959
Information Nr. 673/59 – [Bericht über die] Teilnahme arabischer Studenten aus der DDR und anderen sozialistischen Ländern an einer antikommunistischen Studentenkonferenz in Kairo
Nach dem Bericht einer vertrauenswürdigen Quelle hat die Regierung der Vereinigten Arabischen Republik die in der DDR und in anderen sozialistischen Ländern studierenden Araber während der Semesterferien, Anfang Juli 1959, zur Teilnahme an einer Studentenkonferenz nach Kairo eingeladen. Diese sogenannte Kulturkonferenz, die vom Kulturminister der VAR geleitet wurde und unter Ausschluss der Presse stattfand, hatte vertraulichen Charakter. Nach einer Konferenzpause, in der die syrischen Studenten zur Berichterstattung nach Syrien reisten, wurde die Tagung Anfang August beendet.
An der Konferenz nahmen nur einige arabische Studenten aus der DDR teil, darunter diejenigen, die von der Regierung der VAR zum Studium delegiert wurden. Auf der Konferenz wurden Vorträge u. a. über folgende Themen gehalten:
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»Die arabische Nation«
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»Die wirtschaftliche Situation der VAR«
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»Die Aufgaben der Araber im Ausland, insbesondere in den sozialistischen Ländern«
Die Vorträge hatten eine antikommunistische Tendenz. An die Studenten wurde die Aufforderung gerichtet, die sozialistischen Länder zu verlassen und in Westdeutschland bzw. in anderen kapitalistischen Ländern ihr Studium fortzusetzen, selbst wenn sie keine progressiven Auffassungen vertreten oder auch wenn sie naturwissenschaftliche oder technische Fachrichtungen belegt haben. So soll eine größere Anzahl von arabischen Studenten, die bisher besonders in Ungarn, in der Volksrepublik China und in der Sowjetunion studierten, dieser Aufforderung bereits Folge geleistet haben.
Während der Konferenz mussten die Studenten, die in sozialistischen Ländern studieren, über ihre Lebensbedingungen berichten. Von den arabischen Studenten, die in der DDR studieren, wurden folgende Behauptungen aufgestellt:
Die materiellen Lebensbedingungen seien schlecht, sie bekämen zu wenig Geld und die Unterbringung sei auch schlecht.
Es bestehe ein ideologischer Druck und Angst vor Verhaftungen.
Die arabischen Studenten in der DDR müssten es als ihre Hauptaufgabe betrachten, »die deutsche Bevölkerung von der kommunistischen Diktatur zu befreien«.
Ein arabischer Aspirant1 aus Dresden erklärte: »Ich bekomme 470 DM.2 Das ist zu wenig, damit ist der Lebensunterhalt nicht zu bezahlen.« Für ein Mittagessen müsse er 10,00 bis 15,00 DM bezahlen.
Ein anderer arabischer Student aus Leipzig äußerte einem Studenten gegenüber: »Ich bekomme das Stipendium nicht von der Regierung der DDR, sondern vom deutschen Volk. Deshalb muss ich alles tun, und ich werde es auch tun, um mitzuhelfen, dass das deutsche Volk von der kommunistischen Diktatur befreit wird.«
Auf der sogenannten Kulturkonferenz in Kairo trat lediglich ein Student gegen die Verleumdungen und Entstellungen auf. (Die Mitglieder der Kommunistischen Partei und diejenigen arabischen Studenten, die mit dem sozialistischen Lager sympathisieren, nahmen nicht an der Konferenz teil bzw. hatten auch keine Einladung nach Kairo erhalten.)
Als offensichtliche Auswirkung dieser politischen Linie wurden in der DDR bis jetzt folgende Erscheinungen bekannt: Der Student [Name 1] von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät in Leipzig kehrte nicht in die DDR zurück, während zwei arabische Aspiranten der gleichen Fakultät die DDR verlassen haben. Außerdem soll die Tendenz bestehen, dass arabische Studenten und darüber hinaus auch andere Ausländer die Internate der Karl-Marx-Universität verlassen, um in Leipzig Privatquartiere zu beziehen. (Diese letzte Meldung konnte jedoch noch nicht bestätigt werden.)
Als Beweis dafür, dass die bisher aufgeführten von der VAR ausgehenden Bestrebungen schon länger bestehen, kann die Tatsache angesehen werden, dass bereits seit Anfang des Jahres 1959 ein sogenannter arabischer »Bund« existiert, der unter der Leitung des ägyptischen Aspiranten [Vorname Name 2] (Institut für Verfahrenstechnik an der TH Dresden) alle arabischen Studenten und Aspiranten – »unabhängig von ihren politischen Anschauungen« – vereinigen soll.3 Trotz dieser »loyalen Statuten« und der Fortschrittlichkeit des Leiters [Name 2] wird dadurch den reaktionären Kräften unter den arabischen Studenten ermöglicht, ihren feindlichen Einfluss auszuüben und den »Bund« bzw. die bis jetzt bekannt gewordenen »Landsmannschaften« Dresden und Leipzig des »Bundes« auszunutzen, um kommunistische, fortschrittliche bzw. progressive Kräfte an entsprechende Stellen der Heimatländer zu verraten. Außerdem besteht in Kairo ein sogenanntes II. Büro – eine Geheimdienststelle – das Studenten-Spitzel in die Reihen der arabischen Genossen entsendet, um deren »kommunistische Wühltätigkeit« aufzudecken und ebenfalls eine Abberufung durch die Regierung der VAR zu ermöglichen.
Wie aus weiteren Hinweisen ersichtlich ist, soll die Betreuung der ausländischen Studenten durch die FDJ und durch die Parteiorganisationen in einzelnen Instituten mangelhaft sein. Auch die Haltung des Staatssekretariats für Hochschulwesen gegenüber den Privatstudenten aus der VAR wird kritisiert. Wenn z. B. diese Privatstudenten die festgelegten finanziellen Studienbeträge nicht zahlten, würde vom Staatssekretariat für Hochschulwesen nichts unternommen, sondern sie erhielten weiterhin ihr Stipendium. Das hat zur Folge, dass einige Studenten bewusst kein Studiengeld bezahlen.