Umschlag von Fleischimporten aus der Sowjetunion in Polen
19. Juni 1959
Information Nr. 418/59 – Bericht über Schwierigkeiten beim Umschlag von Fleischimporten aus der Sowjetunion in Polen und dem Verderb dieser Fleischimporte
Wie uns bekannt wurde, sind im Zusammenhang mit den verstärkten Fleischimporten aus der Sowjetunion erhebliche Schwierigkeiten und Missstände aufgetreten, die zu großen Verlusten führten.
Nach vorliegenden Angaben wurden von der Deutschen Demokratischen Republik für das II. Quartal 1959 46.200 t Fleisch aus der Sowjetunion vertraglich gebunden. Hinzu kommt noch eine Restlieferung aus dem I. Quartal 1959 in Höhe von 4 000 t, also waren insgesamt 50 200 t für das II. Quartal 1959 zu erwarten. Davon wurden im April 10 000 t und im Mai nur 7 000 t geliefert. Da diese Importe von der Deutschen Demokratischen Republik im II. Quartal aber unbedingt benötigt werden, wurde mit der Sowjetunion vereinbart, die restlichen 33 200 t Fleisch noch im Juni 1959 zu liefern.
Durch diese nicht kontinuierlichen Lieferungen kam es zu erheblichen Schwierigkeiten. So konnte das Ministerium für Innen- und Außenhandel erst am 28.5.1959 Verhandlungen mit dem Ministerium für Verkehrswesen (Deutsche Reichsbahn) über den großen Sofortbedarf an Fleischkühlwagen führen. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich je ein Kühlwagenzug in Rumänien, Ungarn und Hamburg. Trotzdem konnten von der Deutschen Reichsbahn täglich 90 Wagen nach Małaszewicze,1 dem polnischen Umschlagbahnhof zwischen der Sowjetunion und Polen, geschickt werden, die den Abtransport von täglich 1 000 t Fleisch bewältigen konnten.
Durch verschiedene Maßnahmen in der Kühlwagen-Disposition wurde diese Zahl auf täglich 100 bis 120 Kühlwagen erhöht, aber von der polnischen Staatsbahn (PKP) wurden nur ca. 50 bis 60 Wagen täglich zurückbefördert, weil sie den Umschlag nicht bewältigen konnte. So lieferte die Sowjetunion in den ersten Junitagen unterschiedlich zwischen 1 000 und 2 000 t Fleisch täglich, während die Kapazität des Umschlages in Małaszewicze täglich nur 800 t betrug. Beispielsweise standen am 5.6.1959 in Brest 500 sowjetische Kühlwagen mit 6 000 t Fleisch.
Seit ca. 10. Juni 1959 erfolgt die Lieferung seitens der Sowjetunion kontinuierlich mit 1 000 t täglich, was aber bei der Kapazität des Umschlagbahnhofes Małaszewicze immer noch bedeutet, dass täglich 200 t nicht umgeschlagen werden können und dass dieser Rest ständig anwächst und zurzeit rund 2 500 t beträgt.
Hinzu kommt noch, dass wegen Eismangel die Beeisung der Wagen in Polen nicht ordnungsgemäß erfolgen kann. Dadurch und durch die lange Aufenthaltszeit und den dazu kommenden Umlaufweg werden diese Mengen Fleisch erheblich im Wert gemindert, was teilweise bis zum völligen Verderb führte. Zum Beispiel traf am 6.6.1959 in Frankfurt/O. Fleisch ein, welches sofort wegen Wertminderung in die Güteklasse III eingestuft werden musste.
Um noch weitere Wertminderungen bei noch folgenden Lieferungen zu verhindern, wurden ab diesem Zeitpunkt sämtliche nach Polen fahrende Kühlwagen vor Abfahrt in Berlin beeist und ab 10.6.1959 wurden zusätzlich täglich 60 t Eis von der Deutschen Demokratischen Republik zur Nachbeeisung der in Małaszewicze stehenden Kühlwagen geschickt, da die Vereisung durch die polnische Staatsbahn nicht gewährleistet war und ist.
Trotz dieser Maßnahmen war es nicht möglich, bedingt durch den langen Wagenumlauf in Polen, die vorgeschriebenen Temperaturen zu halten, sodass zurzeit ohne Rücksicht auf die finanziellen Auswirkungen täglich mit jedem nach Polen gehenden Kühlwagen 2,5 t Eis geschickt werden, nachdem erneut verdorbenes Fleisch in der Deutschen Demokratischen Republik ankam. So erhielt am 16.6.1959 das Kühlhaus Brandenburg 180 t Fleisch aus diesen Lieferungen, von denen 30 t sofort vernichtet werden mussten und auch die restlichen 150 t konnten nicht dem Handel zugeführt, sondern mussten in die Produktion gegeben werden. Von diesen 150 t mussten in der Produktion nach den Hygienebestimmungen bisher weitere 20 t vernichtet werden und mit weiteren Verlusten ist zu rechnen.
Zur Beseitigung dieses Missstandes wurden u. a. verantwortliche Funktionäre der Deutschen Reichsbahn nach Warschau und Brest entsandt, die feststellten, dass die Ursachen des geringen Umschlages neben fehlendem Eis in der Hauptsache in einer nicht zweckentsprechenden Arbeitsorganisation lagen. So wurde zum Beispiel im Ein-Schichten-System von 8.00 bis 16.00 Uhr gearbeitet, was bedeutet, dass in der größten Hitze während der Mittagszeit die Türen der Kühlwagen ständig offen standen, wodurch sich sofort die Temperatur erhöhte. Außerdem wurde die polnische Eisenbahn von den verantwortlichen polnischen Stellen des Handels nicht informiert, dass täglich 1 000 t Umschlag zu bewältigen ist. Die polnische Staatsbahn war auf 440 t und später – durch ein Fernschreiben sowjetischer Stellen – auf 750 t täglichen Umschlag orientiert worden.
In Übereinstimmung mit dem stellvertretenden Verkehrsminister Polens wurden durch die Vertreter der Deutschen Reichsbahn verschiedene Fragen der Arbeitsorganisation u. a. auch die Arbeitszeit beim Umschlag verändert, sodass am 19.6.1959 erstmalig 1 000 t Fleisch umgeschlagen werden konnten. Vom Ministerium für Verkehrswesen der Deutschen Demokratischen Republik wird weiter vorgeschlagen, in Zukunft derartige Mengen von Nahrungsmitteln per Kühlschiff nach Rostock zu transportieren. Dadurch würden die Umlaufzeiten der Kühlwagen verkürzt und der Verderb der Nahrungsmittel ausgeschlossen.