Unzufriedenheit in Gehaltsfragen im Mikrobiologischen Institut Jena
2. September 1959
Information Nr. 635/59 – [Bericht über die] Unzufriedenheit in Gehaltsfragen im Mikrobiologischen Institut Jena
Nach vorliegenden Unterlagen besteht am Mikrobiologischen Institut Jena1 durch das Gehaltsabkommen vom 26.3.1959 und der damit verbundenen Einführung der medizinischen Tarife für das wissenschaftliche Personal erhebliche Unzufriedenheit unter den Angestellten.2 Das neue Gehaltsabkommen berücksichtigt im Wesentlichen die Dienstjahre und die Anzahl der unterstellten Wissenschaftler und bildet nach Ansicht der Mitarbeiter des Institutes kein Maß für die wirklich wissenschaftliche Leistung.
Der Leiter des Mikrobiologischen Instituts Prof. Dr. Knöll3 vertritt dazu die Meinung, dass sich das neue Gehaltsabkommen in seinem Institut hemmend auf die künftige Arbeit auswirkt, da dadurch das Leistungsprinzip verletzt wird und die wissenschaftlichen Mitarbeiter, die keine Gehaltserhöhung bekommen, Beschwerde führen und eine Veränderung der Gehaltsverhältnisse erwarten. So wurde z. B. das Gehalt des Dr. Ingenieur [Name 1] von 1 000 DM4 auf 1 550 DM erhöht, obwohl seine fachliche Arbeit als nicht besonders gut eingeschätzt wird. Er erhält rückwirkend ab April eine Nachzahlung von 2 250 DM. Der wissenschaftliche Mitarbeiter [Name 2] erhielt 875 DM und bekommt jetzt 1 400 DM sowie eine Nachzahlung von 2 100 DM.
Andererseits gibt es am Institut eine Reihe Wissenschaftler, die eine gute Arbeit leisten, aber keine anderen wissenschaftlichen Kräfte anleiten und noch keine lange Diplom-Praxis haben und deshalb nicht mit in die Gehaltserhöhung einbezogen werden. Dies trifft auch für die medizinisch-technischen Assistenten zu.
Aufgrund dieser Situation liegen beim Institut bereits eine Anzahl Kündigungen von wissenschaftlichen Kräften vor, die zu anderen Instituten oder zur Industrie gehen wollen, da dort eine wesentlich höhere Bezahlung erfolgt. So erhalten z. B. Chemie-Ingenieure am Mikrobiologischen Institut monatlich 600 DM, im VEB Jenapharm5 jedoch 900 DM, da dieser Betrieb nach dem Chemietarif entlohnen kann, der im Rahmen des Chemieprogramms besondere Möglichkeiten bietet.6
Zurzeit sind am Institut 13 Stellen für medizinisch-technische Assistenten unbesetzt. Wenn es bisher schon schwierig war, für das Institut medizinisch-technische Assistenten mit entsprechenden Qualifikationen zu gewinnen, so ergeben sich in Zukunft erneute Schwierigkeiten. Durch die neue Gehaltsfestsetzung für medizinisch-technische Assistenten im Bereich des Gesundheitswesens und des Staatssekretariats für Hochschulwesen rechnet die Leitung des Mikrobiologischen Instituts mit weiteren Kündigungen und Abwanderungen wissenschaftlicher Kräfte in den Bereich der Universitätskliniken, da auf diesem Gebiet eine wesentlich höhere Entlohnung gewährt wird.
Nach Meinung der Leitung des Institutes ist es auch unverständlich, wenn das Mikrobiologische Institut, durch die Anwendung des Tarifes für Ärzte, Zahnärzte usw. vom 26.3.1959 auch für die Wissenschaftler, eindeutig zum medizinischen Bereich gerechnet wird, für die medizinisch-technischen Assistentinnen diese Zuordnung aber keine Gültigkeit haben soll. Der Leiter des Instituts Prof. Dr. Knöll äußerte dazu, dass diese Regelung vom Staatssekretariat für Hochschulwesen, vom Ministerium für Gesundheitswesen und der Gewerkschaft Wissenschaft ausgearbeitet worden sei, ohne dass die Akademie der Wissenschaften in Berlin davon Kenntnis erhalten hätte. Erst später sei dieses Gehaltsabkommen plötzlich dem Institut zugestellt worden, sodass es aufgrund der Diskrepanz in der Bezahlung zur geschilderten Situation kam und weiterhin die Gefahr der Abwanderung von wissenschaftlichen Mitarbeitern aus dem Institut besteht.