Unzufriedenheit und Streikandrohung wegen Lohnforderungen
25. September 1959
Information Nr. 695/59 – [Bericht über] Unzufriedenheit und Streikandrohung wegen Lohnfragen durch Kraftfahrer in der Akademie für Sozialhygiene, Arbeitshygiene und ärztliche Fortbildung in Berlin
Dem MfS liegen Hinweise vor, dass die Kraftfahrer an der dem Ministerium für Gesundheitswesen unterstehenden Akademie für Sozialhygiene, Arbeitshygiene und ärztliche Fortbildung1 seit längerer Zeit mit ihren Gehältern nicht zufrieden sind. Sie ziehen Vergleiche mit den Gehältern anderer im Wesentlichen gleichgestellter Kraftfahrer und stellen fest, dass diese – auch in den Bezirken – höher liegen. Um diese Unterschiedlichkeiten in der Gehaltsregelung zu klären, wandte man sich seitens der Akademie an den Magistrat von Groß-Berlin, Abteilung Gesundheitswesen und an ihre vorgesetzte Stelle, das Ministerium für Gesundheitswesen.
Vom Magistrat, Kollegen [Name 1], wurde erklärt, dass die Kraftfahrer in Berlin noch nach einem alten Tarif bezahlt würden, da der in den Bezirken neu festgelegte Tarif keine Gültigkeit für Berlin habe. Wenn die Kraftfahrer in Berlin mehr verdienen wollen, könnten sie ja in den Bezirken arbeiten (sinngemäß).
Vom Ministerium für Gesundheitswesen, Kollegen [Name 2], wurde eine Stellungnahme und Klärung überhaupt abgelehnt und an den Magistrat verwiesen. Auch als das MfG darauf hingewiesen wurde, dass bereits Verhandlungen mit dem Magistrat ergebnislos geführt wurden, beharrte das MfG auf seinem Standpunkt, obwohl laut einer Nachtragsvereinbarung vom 1.4.1959 – abgeschlossen zwischen dem Bezirksverband der Gewerkschaft und dem Ministerium für Gesundheitswesen – das MfG für alle Tariffragen auch der unterstellten Einrichtungen (Akademie) verantwortlich ist und den nachgeordneten Dienststellen selbstständige Verhandlungen untersagt sind.
Da sich bis zum jetzigen Zeitpunkt an dieser Lage noch nichts verändert hat, forderten die Kraftfahrer von der Leitung der Akademie eine Dienstbesprechung, die am Sonnabend, den 26.9.1959, stattfinden soll. Wie uns weiter bekannt wurde, soll in dieser Dienstbesprechung provokatorisch vorgegangen und die Leitung der Akademie unter Druck gesetzt werden. Das geht aus einigen Äußerungen wie »wir werden uns mal richtig Luft machen«, »das lassen wir uns nicht mehr länger gefallen«, »am Sonnabend können sie was erleben, da werden wir es ihnen einmal zeigen« u. ä. hervor. Unter anderem versucht man auch den für die Dienstbesprechung vorgesehenen Teilnehmerkreis zu vergrößern. Sollte diese Dienstbesprechung nicht den gewünschten Ausgang haben, dann wolle man streiken, um damit die Erfüllung der Forderungen zu erreichen.
Als Wortführer und organisierende Kraft tritt der Fahrdienstleiter [Name 3] auf, der auch den Vorschlag zum Streik machte, mit der Begründung, dass die Fahrer vom Flughafen Schönefeld ebenfalls um eine Lohnerhöhung gestreikt hätten und diese binnen 20 Minuten bewilligt worden wäre. (Der Schwiegervater des [Name 3] arbeitet bei der Lufthansa2 in Berlin-Schönefeld.) Da es sich bei den Kraftfahrern der Akademie zum größten Teil um negativ eingestellte Personen handelt, die oft in Westberlin verkehren und Einzelne mehrfach ganze Nächte dort zubringen, liegt nahe, dass diese geplante Provokation von feindlichen Kräften in Westberlin organisiert und ausgenutzt wird.
Die zuständige Kreisleitung der Partei und das MfG wurden vom Sachverhalt informiert. Operative Maßnahmen seitens des MfS wurden eingeleitet.