Veränderungen der hydrologischen Forschung und Projektierung
19. Mai 1959
Information Nr. 304/59 – Bericht über notwendige Veränderungen der hydrologischen Forschung und Projektierung
Die Untersuchungen über eine ganze Reihe von Havarien und anderen Vorkommnissen in der Braunkohlenindustrie in der letzten Zeit ergaben u. a., dass deren Ursachen fast immer mit in einer ungenügenden Wasserhaltung lagen, weshalb diesem Gebiet die größte Aufmerksamkeit zu schenken ist.
Es gibt jedoch in der DDR außer dem Hydrologischen Institut an der Technischen Hochschule in Dresden,1 dessen Kapazität und Wirksamkeit beschränkt ist, nur ein hydrologisches Büro, das seinen Sitz in Leipzig C1, Käthe Kollwitz Straße 7, hat und das ein Privatbüro des Dr. Ingenieur G. Thiem2 ist, der dort vier Ingenieure beschäftigt. Dieses Büro, das von keiner staatlichen oder wirtschaftlichen Institution kontrolliert wird, unterhält starke Westverbindungen und bekommt laufend Mitteilungen, Kartenmaterial und verschiedene Veröffentlichungen ähnlicher Büros aus Westdeutschland und schickt auch selbst Material nach dort. Die im Büro beschäftigten Ingenieure sind politisch unzuverlässig und haben neben den »geschäftlichen« Verbindungen auch persönliche Kontakte nach Westdeutschland, wie beispielsweise der leitende Oberingenieur [Name].
Von diesem Büro werden in der Regel alle wichtigen Aufträge der Hauptverwaltung Braunkohle,3 des Projektions- und Konstruktionsbüros Kohle4 und anderer Stellen durchgeführt, wie Grundwasseruntersuchungen zur Wasserversorgung, zur Wasseraufbereitung, zur Abwasserbeseitigung und zur Abwasserklärung, Projektierung für Wasserversorgung und Wasserwerke.
Dadurch hat dieses Büro auch Einblick in die Pläne der Braunkohlenindustrie, der VP, des Post- und Fernmeldewesens sowie in die Projekte von Wasserwerken. So wurden dem Büro in den letzten Jahren eine Reihe Aufträge über montan-hydrologische Gutachten von Tagebau-Neuaufschlüssen (z. B. Schlabendorf,5 Bluno,6 Burghammer,7 Fürstenberg8 Bitterfeld,9 Welzow-Süd,10 Nochten,11 Böhlen12) mit allen für die Einschätzung der Grundwasserverhältnisse erforderlichen Plänen und Projekten anvertraut.
Auch für betriebene Tagebaue wurden Gutachten angefertigt und die Mitarbeiter des Büros arbeiten zu diesem Zweck dann längere Zeit in den Tagebauen, wie überhaupt die Untersuchungen durch das Büro Thiem sehr langwierig sind. Es werden dabei eine große Anzahl von Bohrungen niedergebracht, durch welche die Strömungsrichtungen und Gefälle des Grundwassers festgestellt werden. Weiter wird die Durchlässigkeit an Wasser pro m3 Boden ermittelt. Danach wird bestimmt, welche Mengen an Wasser dem Boden entzogen werden müssen, um einen gefahrlosen Abbau der Gebirgsschichten zu gewährleisten. Vergleiche haben ergeben, dass die Labor-Methode, die an der TH Dresden praktiziert wird mit weit geringerem Kostenaufwand die gleichen Ergebnisse bringt.
Aus all diesen Gründen wäre es zweckmäßig, Maßnahmen einzuleiten, das Büro Thiem bei solchen wichtigen Aufträgen seitens der volkseigenen Industrie und des Staatsapparates auszuschalten und das Hydrologische Institut der TH Dresden so stark zu machen, dass es diese Aufgaben – besonders die bei Tagebau-Neuaufschlüssen und -Erweiterungen notwendigen montan-hydrologischen Gutachten – in Verbindung mit hydrologisch-geologischen Gruppen bei den VVB übernehmen kann. Zurzeit ist die Auftragserteilung für das Institut mehr oder weniger dem Zufall überlassen.