Verbreitung von Gerüchten anlässlich des 10. Jahrestages
22. September 1959
Information Nr. 677/59 – [Bericht über] die verstärkte Verbreitung von Gerüchten anlässlich der Vorbereitung des 10. Jahrestages der Gründung der DDR
Im Zusammenhang mit der Vorbereitung des 10. Jahrestages der Gründung der DDR treten in der letzten Zeit in allen Bezirken und unter allen Bevölkerungsschichten verstärkt Diskussionen darüber auf, dass anlässlich des zehnjährigen Bestehens der DDR eine Rentenreform und eine größere Preissenkung erwartet werden. Den größten Umfang nehmen dabei die Gerüchte über eine Rentenreform ein, was dazu geführt hat, dass ein großer Teil der Rentner eine solche Veränderung bereits als feststehend betrachtet. Die damit verbundenen Spekulationen gehen in zwei Richtungen: Herabsetzung des Rentenalters (für Männer auf 63 Jahre – teilweise sogar auf 60 Jahre – und für Frauen auf 58 Jahre) und Erhöhung der Renten.
Hierzu einige Beispiele: Unter den Belegschaftsangehörigen des VEB Fernheizwerk Berlin wird die Ansicht verbreitet, dass aus Anlass des zehnjährigen Bestehens der DDR eine Herabsetzung der Altersgrenze für Rentner beschlossen wird und zwar für Männer auf 63 Jahre und für Frauen auf 58 Jahre. Aus dem GHK Lebensmittel in Karl-Marx-Stadt wird bekannt, dass dort ebenfalls umfangreich über eine Rentenreform zum 10. Jahrestag der DDR diskutiert wird. Einige ältere Kollegen, die in das »neue Rentenalter« zu kommen hoffen, brachten bereits zum Ausdruck, dass sie dann sofort ihre Arbeit einstellen. Auf verschiedenen Baustellen des VEB Volksbau Berlin1 wird gleichfalls darüber gesprochen, dass zum 7.10.1959 das Rentenalter herabgesetzt werden soll. Ältere Mitarbeiter wurden bereits von ihren Kollegen nach dem Alter gefragt, wobei ihnen erklärt wurde, dass sie nur noch bis zum 7.10.1959 arbeiten brauchten, da sie dann Rentner werden. Aus dem Bezirk Rostock wurden ebenfalls umfangreiche Hinweise bekannt, wonach dort von einer großen Anzahl Beschäftigten fest damit gerechnet wird, dass sie durch eine Herabsetzung des Rentenalters früher in den Genuss von Rente kommen.
Die Diskussionen unter der Bevölkerung über eine bevorstehende Preissenkung anlässlich des 10. Jahrestages der Gründung der DDR sind gleichfalls sehr häufig, nehmen jedoch nicht den Umfang der Spekulationen hinsichtlich einer Rentenreform ein.
Dass diese Diskussionen um eine Preissenkung ähnlich wie die Gerüchte um eine Rentenreform mit auf gegnerischen Einfluss zurückzuführen sind, geht u. a. aus einer vom SPD-Ostbüro2 herausgegebenen Hetzschrift hervor, in der wörtlich erklärt wird: »…Das Politbüro hat beschlossen, zum 10. Jahrestag der Gründung der Republik, am 7.10.1959, eine Preisherabsetzung für Konsumwaren durchzuführen.« In der Fortsetzung dieses Berichtes wird dann noch darauf hingewiesen, »…dass es sich hierbei um schwer verkäufliche Ware handelt«.
Zu den Diskussionen um eine Preisherabsetzung einige Beispiele: In den Verlagen »Junge Welt«3 und »Neues Leben«4 wird in Gesprächen geäußert, dass zum 10. Jahrestag der Gründung der DDR eine Preissenkung erwartet wird.
Ähnliche Diskussionen werden auch unter den Mitarbeitern des VEB Projektierungs- und Konstruktionsbüros Kohle in Leipzig5 geführt, wobei zum Ausdruck kommt, dass mit einer »umfangreichen« Preisherabsetzung gerechnet wird. Im sorbischen Gebiet des Kreises Kamenz, [Bezirk] Dresden, wird im Zusammenhang mit Äußerungen über eine erwartete Preissenkung u. a. erklärt, dass 100 Gramm Bohnenkaffee dann nur noch 6,00 DM6 kosten sollen.
Eine Vielzahl weiterer Beispiele liegt vor.