Abwerbung des Leiters des »Heinrich-Hertz-Institutes«
4. Juli 1961
Einzel-Information Nr. 353/61 über Versuche der Abwerbung des Leiters des Heinrich-Hertz-Institutes in Berlin-Adlershof, Prof. Hachenberg
Dem MfS wurde bekannt, dass in der letzten Zeit von westdeutschen und Westberliner Stellen wiederholt Versuche zur Abwerbung des Leiters des Heinrich-Hertz-Institutes Prof. Hachenberg1 unternommen wurden. Die ihm zu diesem Zweck unterbreiteten Angebote führten jetzt dazu, dass Prof. Hachenberg am 30.6.1961 seinen Einzelvertrag zum 1.1.1962 gekündigt hat. Diesen Entschluss begründete er damit, dass er sich zur Leitung eines Institutes – wie des Heinrich-Hertz-Institutes – nicht imstande sehe und dass er auch keine Möglichkeit hätte, seine astronomischen Forschungen bei uns mit der entsprechenden Perspektive weiterzuführen. Prof. Hachenberg vermied bisher jede konkrete Antwort darauf, welches der ihm unterbreiteten Angebote er annehmen will. Er erklärte lediglich, dass das Angebot nicht wie vermutet aus München kommt.
Wie dem MfS bekannt wurde, hat Prof. Hachenberg längere Zeit geschwankt, eine offizielle Kündigung auszusprechen. Aufgrund der Tatsache, dass er dies jetzt getan hat, ist zu vermuten, dass er sich die Möglichkeit eines weiteren Verbleibens am Heinrich-Hertz-Institut offenhalten will, offensichtlich unter dem Gesichtspunkt, seine Entscheidung von der Respektierung seiner persönlichen Wünsche abhängig zu machen. Aus seinen Äußerungen ist diesbezüglich zu entnehmen, dass er sich durch den jetzigen Zustand benachteiligt fühlt, da die in Westberlin wohnenden Wissenschaftler 1 200 DM West bekommen, während er, da er einen Wohnsitz im demokratischen Berlin hat, nur 500 DM West erhält. Um seine Familie zu ernähren, die noch in Westberlin wohnt, müsste er daher ständig Geld umtauschen, wodurch er sich aber nach unseren Gesetzen strafbar machen würde. Außerdem gibt es auch Überlegungen bei ihm, völlig zu seiner Familie nach Westberlin zurückzukehren.
Bedenklich erscheinen uns in diesem Zusammenhang einige Stimmen im Vorstand der Forschungsgemeinschaft, die davon sprechen, »dass man ihn gehen lassen solle«. Nach unserer Einschätzung wird dabei nicht berücksichtigt, dass ein Weggang von Prof. Hachenberg und der Aufbau eines radioastronomischen Institutes in Westberlin oder Westdeutschland unter seiner Leitung zur Republikflucht einer Reihe wertvoller Mitarbeiter des Heinrich-Hertz-Institutes führen würde. Diese Ansichten sind aber auch deshalb gefährlich, weil ein Weggang von Prof. Hachenberg auch Schwierigkeiten dahingehend bereiten würde, das gegenwärtig erreichte Niveau der wissenschaftlichen Forschungen auf diesem Arbeitsgebiet, das absolute Weltspitze darstellt, weiter zu halten und auszubauen.
Da das Kündigungsschreiben von Prof. Hachenberg in dieser Woche im Vorstand der Forschungsgemeinschaft beraten werden soll, wäre es notwendig, umgehend Entscheidungen herbeizuführen, wie im Interesse der Weiterführung der Tätigkeit durch Prof. Hachenberg auf das Kündigungsschreiben reagiert werden soll.
Gen. Ulbricht u. Hager erhielten gleichfalls diese Information.2
Mielke [Unterschrift]