Aktion »Rose« – 12 (Reaktionen des Westens, Stimmungslage)
16. August 1961
12. [Einzel-Information] Nr. 436/61 über die westliche Reaktion auf die Maßnahmen zur Sicherung der DDR [Aktion »Rose«]
Wie aus legalen und internen Informationen hervorgeht, rückt in den Mittelpunkt der westlichen Reaktion auf Maßnahmen der DDR immer mehr die Frage, mit welchen sogenannten Gegenmaßnahmen sie beantwortet werden sollen. Dabei zeigt sich ein zunehmender Differenzierungsprozess in den Auffassungen der maßgeblichen politischen Kreise der Westmächte und der reaktionärsten Kreise Bonns und Westberlins. Bei einer unterschiedlichen Methode des Vorgehens befinden sich offensichtlich die Bonner Regierung und der Westberliner Senat gleichermaßen in der Lage, einerseits der Forderung nachkommen zu müssen, sich der Politik der Westmächte anzupassen und auch eine Haltung einzunehmen, die ihre Positionen in Westberlin nicht gefährdet. Andererseits schüren sie weiterhin die chauvinistische Hetze gegen die DDR und das sozialistische Lager, um von dieser Seite her Einfluss auf die weitere Entwicklung nehmen und einen Druck auf die Westmächte ausüben zu können.
Nach Korrespondentenberichten aus London sind die drei wichtigsten Aspekte der britisch-amerikanischen Politik: vorläufig alle »energischen Gegenmaßnahmen« für eine eventuell eintretende Situation zurückzustellen, in der die »Rechte« der Westmächte angegriffen werden; keine Maßnahmen zu ergreifen, die zum gegenwärtigen Moment »Unruhen« in der DDR fördern könnten und den Weg zu Ost-West-Verhandlungen in der Hoffnung auf eine »ehrenvolle Lösung der Berlin-Frage« offenzuhalten.
Es heißt weiterhin in ähnlichen Korrespondentenberichten, die Westmächte würden zwar im Moment keine »dramatischen Gegenmaßnahmen« erwägen, ihre Entschlossenheit, die »Freiheit« der Westberliner Bevölkerung zu schützen, bleibe jedoch unverändert. Deshalb müsse bei der Entscheidung über »Gegenmaßnahmen« auch beachtet werden, dass die »Moral« der Westberliner Bevölkerung erhalten bleibt und gestärkt wird.
Neben dem formellen Protest der Westberliner Stadtkommandanten,1 dem eine Übergabe von Protestnoten der Regierungen der Westmächte folgen soll, wurde bisher als sogenannte Gegenmaßnahme eine Reisebeschränkung für Funktionäre, Kultur- und Sportgruppen der DDR in die NATO-Länder durch das Travelboard-Büro in Westberlin erwogen. Bundesregierung und Senat haben entsprechende Vorschläge vorgelegt.
Intern wurde bekannt, dass die englische Transportarbeiter-Gewerkschaft die britische Regierung auffordern will, in Zukunft keine Schiffe der DDR mehr be- und entladen zu lassen.
Seine Forderung, über das ganze sozialistische Lager ein NATO-Embargo zu verhängen, hat Adenauer abgeschwächt. In einer Unterredung mit Botschafter Smirnow erklärte Adenauer, die Bundesregierung werde keine Schritte unternehmen, die die Beziehungen zur Sowjetunion verschlechtern könnten.2
Offiziell wurde bekannt, dass Adenauer Anfang nächster Woche Westberlin besuchen will.3 Der Stabschef der amerikanischen Truppen in Europa stattete Westberlin am 16.8. einen eintägigen Besuch ab. Zu einem mehrtägigen Besuch hält sich gegenwärtig der Direktor des amerikanischen Informationsamtes Murrow4 in Westberlin auf, dem u. a. auch der RIAS untersteht.5
Zur Frage »wirtschaftlicher Gegenmaßnahmen« heißt es in westlichen Korrespondentenberichten, die Westmächte würden zwar kein vollständiges Embargo, jedoch einen teilweisen Lieferstopp bestimmter Waren erwägen. Offiziell trat Erhard am 15.8. gegen eine Kündigung des Abkommens über den innerdeutschen Handel auf. Der Direktor der (West-)Berliner Bank Hansi äußerte, er glaube nicht an eine Unterbrechung des IDH, rechne aber möglicherweise später damit, wenn neue Ost-West-Verhandlungen ergebnislos verlaufen sollten und England Mitglied der EWG geworden ist. Zu Besprechungen mit Adenauer ist der Leiter der Treuhandstelle für den Interzonenhandel Leopold am 15.8. nach Bonn geflogen.
Die Rede, die Brandt am 16.8. auf einer Großkundgebung in Westberlin hielt,6 bestätigte die anfangs gegebene Einschätzung der gegenwärtigen Positionen von Bundesregierung und Senat. Die Kundgebung fand in einer aufgeputschten Stimmung statt, was in verschiedenen Losungen und Äußerungen von Kundgebungsteilnehmern zum Ausdruck kam, die bis zur Mordhetze reichten. Die wichtigsten Gesichtspunkte der Rede Brandts sind: Es darf nicht beim Protest allein bleiben; die Verbindungen zwischen Westberlin und der Bundesrepublik müssen sich vertiefen; das Viermächtestatut kann nicht mehr Maßstab dessen sein, was in Westberlin geschehen muss; die Maßnahmen der DDR können nicht ohne Einfluss auf die westdeutsch-sowjetischen Beziehungen bleiben; jeder westdeutsche Geschäftsmann, der zur Leipziger Messe fährt, soll dort bleiben; vor den UN soll »Anklage« erhoben werden; es liegt die Einwilligung der Stadtkommandanten vor, über die Übernahme des Westberliner S-Bahn-Bereichs zu sprechen,7 der Lohnausgleich für Westberliner, die im demokratischen Berlin arbeiten, wird abgeschafft; Berichterstatter von ADN usw. werden in Westberlin nicht mehr geduldet; es muss »besonnen und sachlich« geredet und gehandelt werden; die Möglichkeiten des Westens für sogenannte Gegenmaßnahmen sind begrenzt.
In Ergänzung der Rede Brandts wird bezüglich sogenannter Gegenmaßnahmen intern bekannt, dass nach einer Äußerung von Senator Theuner8, in den nächsten Tagen mit einer Übernahme der S-Bahn in Westberlin durch die Westberliner Behörden zu rechnen ist.
Die Tätigkeit der SED in Westberlin erwähnte Brandt nicht. Intern wurde dazu bekannt, dass Lipschitz ein Verbot der SED gefordert haben soll.9 Bestätigt ist bisher, dass die Mitglieder der SED genau registriert werden (die Registrierung soll jetzt bei der Abteilung Inneres des Senats konzentriert worden sein), dass die Repressalien gegen die SED fortgesetzt werden (Demolierung von Kreisbüros, Einwerfen der Fensterscheiben bei SED-Mitgliedern, Besetzung des Verlags der »Wahrheit« durch französische Militärpolizei). Auch die Entlassungen von SED-Mitgliedern in Betrieben halten an. Andererseits liegt eine Information darüber vor, dass Betriebe Mitglieder der SED infolge eines sich bereits jetzt auswirkenden Arbeitskräftemangels ohne Vorbedingungen einstellen und die Provokationen gegen SED-Mitglieder zu unterbinden versuchen. Nach einer anderen Information gibt es allerdings unter SED-Mitgliedern eine gewisse Beunruhigung, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Es heißt, sie wüssten nicht genau, ob sie im demokratischen Berlin Arbeit finden könnten.
Aus weiteren vorliegenden Informationen über Auffassungen und Vorhaben der SPD im demokratischen Berlin ist hervorzuheben, dass der Westberliner SPD-Landesvorstand einen Kurierdienst einzurichten bemüht ist. Diese Frage soll auf einer Landesvorstandssitzung am 16.8. besprochen worden sein. Jungsozialisten wurden aufgefordert, Kontakt zu den Kreisfunktionären im demokratischen Berlin aufzunehmen und ihnen zu empfehlen, gegen die Maßnahmen der DDR zu protestieren.
Eine sogenannte Protestdemonstration der Jungsozialisten in einem Fackelzug wurde von Lipschitz nicht gestattet. Er hat am 15.8. angewiesen, dass sämtliche Demonstrationen genehmigungspflichtig sind.
Von einer zuverlässigen Quelle wird gemeldet, dass die sogenannte Hilfspolizei in Westberlin in den nächsten Tagen die reguläre Polizei verstärken soll und mit neuen belgischen Sturmgewehren ausgerüstet werde. Noch unbestätigt ist eine Meldung, dass der Senat eine Anordnung vorbereitet, nach der alle Westberliner Bürger, die das demokratische Berlin besuchen, einen zweiteiligen Passierschein ausfüllen müssen, dessen eine Hälfte in Westberlin verbleibt.
Es liegen weitere Informationen darüber vor, dass es verbreitete Anzeichen der Resignation in der Westberliner Bevölkerung wegen der »Tatenlosigkeit« der Westmächte gibt, die bis in Kreise von Angestellten des Senats und anderen Behörden hineinreicht. Am 16.8. wurden verbreitet Angsteinkäufe in Westberlin festgestellt.
Einschätzung der gegnerischen Tätigkeit
In der Einschätzung der gegnerischen Tätigkeit im Gebiet der DDR und des demokratischen Berlin sind folgende Schwerpunkte erkennbar:
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In allen Bezirken der DDR stellt das Anbringen von Hetzlosungen eine der Hauptformen gegnerischer Tätigkeit dar. Im Wesentlichen beinhalten sie Forderungen nach sogenannten freien Wahlen, Aufruf zur Durchführung eines neuen 17. Juni, hetzerische Losungen gegen den Genossen Walter Ulbricht, die Partei und Regierung, Aufforderungen zur Solidarität mit Westberlin sowie Verbreitung von Hetzlosungen westlicher Rundfunk- und Fernsehstationen.
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Versammlungen in Betrieben und Institutionen und Foren für bestimmte Bevölkerungskreise werden durch Provokationen und hetzerische Äußerungen gestört bzw. verhindert. Besonders durch Jugendliche werden Aussprachen durch Provokationen und Tumulte verhindert.
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In zunehmendem Maße werden durch anonyme Anrufe in VEB, Handelseinrichtungen, staatlichen Organen Versuche unternommen, den betrieblichen Ablauf zu desorganisieren, einzelne Wirtschaftsfunktionäre bzw. leitende Mitarbeiter durch Morddrohungen von ihrer verantwortlichen Tätigkeit abzuhalten. Des Weiteren erfolgten mehrfache Aufforderungen zu Arbeitsniederlegungen im demokratischen Berlin.
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Die Einfuhr von Hetzschriften hält an und zeigte sich besonders im Bezirk Dresden und im demokratischen Berlin.
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Mehrfach waren Beschädigungen an Maschinen und Ausrüstungen in volkseigenen Betrieben festgestellt worden, insbesondere an Maschinen und Ausrüstungen, die der Versorgung der Bevölkerung dienen bzw. im Transportwesen.
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Die Provokationen und Übergriffe auf Westberliner Reichsbahngebiet nehmen zu. Sie richten sich hauptsächlich gegen Reichsbahnanlagen (Sicherheitseinrichtungen), Zerstörungen in S-Bahn-Zügen, Anbringen von Hetzplakaten mit der Aufforderung zur Boykottierung der Reichsbahn bzw. Übernahme der in Westberlin befindlichen Reichsbahnanlagen durch den Senat.
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Es wiederholen sich immer noch Versuche der Republikflucht durch Personen des demokratischen Berlin bzw. der Randgebiete von Berlin, die mit den örtlichen Bedingungen vertraut sind. Es mehren sich die Anzeichen, dass Republikfluchten mittels Durchbrüchen an der Staatsgrenze West sich zu einem Schwerpunkt entwickeln (Magdeburg und Erfurt).
Die vorhandenen Hinweise lassen erkennen, dass die im demokratischen Berlin arbeitenden Westberliner Ärzte ihre Arbeit aufgeben. Von 78 Westberliner Ärzten haben am 16.8. ca. vier Ärzte (Krankenhaus Herzbergstraße) ihre Arbeit bereits aufgegeben.
Seit dem 13.8. wurden aus der Berliner Charité 20 Ärzte republikflüchtig, wobei hauptsächlich erteilte Genehmigungen für die Grenzdurchfahrt zur Republikflucht benutzt wurden. Aus den übrigen Einrichtungen des staatlichen Gesundheitswesens sind elf Ärzte durch Anwendung der gleichen Methoden republikflüchtig geworden.
Es ist zurzeit feststellbar, dass ein großer Teil der westdeutschen Bürger ihren Besuch in der DDR vorzeitig abbrechen und nach Westdeutschland zurückkehren. Ähnliche Erscheinungen werden bei ausländischen Besuchern beobachtet. Die Reisezüge nach Westdeutschland sollen zurzeit mit etwa 250 % überbelegt sein.
Allgemein ist ein Rückgang der Festnahmen im Vergleich zu den Vortagen feststellbar. Hauptsächlich erfolgen die Festnahmen wegen staatsgefährdender Hetze und Propaganda. Im demokratischen Berlin ist ein Ansteigen der Festnahmen wegen Hetze gegen die Sicherungskräfte an der Sektorengrenze festzustellen. In einigen Bezirken der DDR nehmen die Festnahmen wegen hetzerischer Äußerungen zu.
Ein Angehöriger des Wachregimentes Berlin wurde in Karl-Marx-Stadt, Beyerstr., überfallen und niedergeschlagen.
Das Vorhaben der ASTA, eine Petition an den Staatssekretär für Hochschulwesen Girnus zu übergeben und für diese unter Westberliner Studenten Unterschriften zu sammeln, musste auf Anweisung des Innensenators Lipschitz abgestoppt werden. Lipschitz wies die ASTA an, keine selbstständigen Aktionen durchzuführen, sondern im Rahmen der vom Senat festgelegten Maßnahmen zu handeln.
Zur Stimmung der Bevölkerung der DDR
Den hier vorliegenden Berichten ist zu entnehmen, dass sich die Stimmung der Bevölkerung im demokratischen Berlin und in den Bezirken der DDR im Gegensatz zum Vortage nicht wesentlich geändert hat und in der gleichen Richtung verläuft. Dabei sind die zustimmenden Äußerungen und Reaktionen auf die Maßnahmen unserer Regierung in der Mehrzahl nicht zuletzt ein Ergebnis der vorhandenen Aktivitäten der Partei und der gesellschaftlichen Organe. In diesem Zusammenhang wird mehrfach berichtet, dass die Aktivität der FDJ in den Bezirken noch ungenügend ist (z. B. im Bezirk Karl-Marx-Stadt). Demgegenüber treten aber Unklarheiten über die eingeleiteten Maßnahmen besonders unter Jugendlichen auf.
Die früher berichteten Argumente und Diskussionsrichtungen halten in gleicher Stärke an und lassen deutlich den Einfluss der feindlichen Hetzsender erkennen. Dies gilt z. B. für eine Argumentation in der Richtung, dass die Maßnahmen unserer Regierung den Bürgern nicht die Garantien und Rechte einräumen, die in der Verfassung verankert seien.
Verstärkt hat sich das Gerücht über eine bevorstehende Geldentwertung bzw. über einen Geldumtausch besonders in den nördlichen Bezirken der DDR. Im Ergebnis dieses Gerüchtes werden größere Abkäufe von Wertgegenständen (Gold- und Silberwaren, Optikgeräten u. a.) getätigt. Einzelbeispiele besagen, dass u. a. ehemalige Großbauern bis zu 10 000 DM von ihren Sparkonten abheben und diese Beträge für Silberwaren und andere Wertgegenstände ausgeben.
Eine neue Diskussionsrichtung ist aus den Kreisen der LPG-Mitglieder, besonders der, die erst im letzten Jahr den Genossenschaften beitraten, ersichtlich. Mehrfach äußern sie Bedenken insofern, dass die staatlichen Organe höhere Forderungen an sie stellen und die Abgabe ihrer individuellen Wirtschaft veranlassen könnten in der Gewissheit, dass ihnen der Weg zur Flucht versperrt sei. Vereinzelt wird mit der Abschaffung der »freien Spitzen«10 gerechnet (z. B. Bezirke Erfurt und Schwerin).
Ähnlich ist die Stimmung bei einem Teil der Angehörigen der Intelligenz, insbesondere der technischen Intelligenz und der Ärzte, die mehrfach in der Richtung verläuft, dass sie Repressalien seitens des Staatsapparates im Hinblick auf die Ausgabe von PM 12 a11 und Beteiligung an internationalen Kongressen sowie in sonstigen Vergünstigungen befürchten. Auch vermuten viele eine Einschränkung ihrer finanziellen Bezüge in ähnlicher Form wie dies bereits in den sozialistischen Ländern erfolgt sei. Sie sprechen von einem sogenannten »harten Kurs«, der jetzt eingeschlagen werden könnte. Im Wesentlichen verhalten sich jedoch diese Schichten der Bevölkerung weiterhin abwartend und zurückhaltend. Dies zeigt sich u. a. durch einige Ablehnungen der Zustimmungserklärungen zu den Maßnahmen der Regierung. Es gibt Anzeichen, dass einige Berliner Ärzte – besonders aus dem Krankenhaus Berlin-Buch – auf die Ausgabe der Passierscheine zum Betreten Westberlins warten, um eine »legale Möglichkeit« zum Verlassen des demokratischen Berlin zu erhalten. Trotzdem ist die Tendenz zustimmender Einzelerklärungen zu den Berliner Maßnahmen vorhanden.12
Operative Überprüfungen haben mehrfach ergeben, dass sich negativ eingestellte Personen, die unseren Dienststellen seit längerer Zeit bekannt sind, in der jetzigen Situation abwartend und ruhig verhalten. Unter diesen Kreisen macht sich teilweise offensichtlich eine gewisse Unsicherheit bemerkbar, da ihnen die Rückzugsmöglichkeiten durch Flucht genommen sind.
Besonders am heutigen Nachmittag verstärkten sich pessimistische Stimmungen unter den Westberliner Arbeitern, die im demokratischen Berlin beschäftigt sind, nachdem offiziell in Westberlin bekannt wurde, dass der Lohnumtausch nicht mehr aufrecht erhalten wird. In einigen Fällen wurde von Westberliner Arbeitern die Kündigung eingereicht mit der Begründung, dass sie von ihrem Verdienst jetzt nicht mehr ihre Familien ernähren könnten (z. B. Reichsbahn und VEB Transportgerätewerk Pankow, Mühlenstr.).
Die Stimmung einiger Kampfgruppenmitglieder (z. B. im VEB Funkwerk Köpenick) hat sich im Laufe des Tages etwas verschlechtert und verläuft in der Richtung, dass der Einsatz nicht mehr mit 100 %-iger Besetzung erfolgen sollte, sondern ¼ der Kräfte auch ausreichen würden. Sie kritisierten, dass die politische Aufklärung und laufende Information der Kampfgruppenmitglieder nicht ausreicht und dringende persönliche Wünsche einzelner nicht berücksichtigt werden.
Die sogenannten »Angsteinkäufe« an Lebensmitteln sind seit gestern Nachmittag wesentlich abgeflaut, jedoch nicht restlos beseitigt. Mängel könnten in den nächsten Tagen durch schleppende Rückführung von Leergut als Folge von Transportschwierigkeiten eintreten (besonders bei Milchprodukten).
In der Brotversorgung waren auch heute zeitweilige vereinzelte Mangelerscheinungen infolge ungenügender Auslieferung zu verzeichnen. Der Abkauf im demokratischen Berlin liegt zzt. noch mit 10 t Brot täglich über dem normalen Bedarf. Der Kaffee- und Zigarettenumsatz beträgt ca. 150 % gegenüber dem normalen Verkauf.
Der Warenumsatz bei Industriewaren ist in der gesamten DDR wesentlich angestiegen. Bei bestimmten Warenpositionen wurde eine Umsatzsteigerung von 200 % erreicht (z. B. bei Schuhen, Schmuck, Bett- und Tischwäsche, Seifen und Waschmitteln, Frottierwaren, Wolle und Fahrrädern). Der Verkauf bei Strümpfen stieg um 100 %, bei Stoffen dagegen um ca. 30 % an. Teilweise wurden durch diesen verstärkten Abkauf ältere Bestände verringert.
Zur Zeit des kurzfristigen Ausfalles der Strom-, Gas- und Wasserversorgung heute Nachmittag in Berlin setzte in einzelnen Verkaufsstellen schlagartig ein verstärkter Warenabkauf ein.