Aktion »Rose« – 3 (Stimmungslage)
13. August 1961
3. Einzel-Information Nr. 415/61 über die Durchführung der Aktion »Rose«
Das vorliegende Material gestattet noch keine umfassende Einschätzung der Stimmung der Bevölkerung der DDR. Während aus dem demokratischen Berlin bereits eine größere Zahl Stellungnahmen vorliegt, sind aus den Bezirken der DDR bisher nur wenig Reaktionen bekannt.
Wie von verschiedenen Seiten berichtet wird, sind die Maßnahmen der Regierung der DDR von vielen Bürgern begrüßt worden. Derartige Äußerungen kamen vor allem aus verschiedenen Betrieben des demokratischen Berlin, in denen heute gearbeitet wird.
Wiederholt wird unterstrichen, es sei Zeit, dass diese Maßnahmen getroffen worden seien. Teilweise wird in diesem Zusammenhang erklärt, diese Schritte hätten schon eher erfolgen sollen. Besonders begrüßt wird, dass durch die durchgeführten Aktionen den Grenzgängern und Schiebern das Handwerk gelegt wird.
Die Herstellung der Einsatzbereitschaft der Kampfgruppen ist unterschiedlich. Es gibt eine Reihe von Beispielen aus Berliner Betrieben, in denen die Einsatzbereitschaft reibungslos und schnell hergestellt wurde und in denen die Kampfgruppen-Mitglieder ohne Aufforderung an den vereinbarten Sammelplätzen erschienen. Dagegen gab es in anderen Betrieben (z. B. im Bezirk Treptow) Mängel in der Benachrichtigung der Kampfgruppen-Mitglieder. Allgemein ist festzustellen, dass die Stimmung unter den anwesenden Mitgliedern der Kampfgruppen gut ist.
In vielen Stellungnahmen von Bürgern des demokratischen Berlin kommen gewisse Befürchtungen zum Ausdruck, dass die eingeleiteten Maßnahmen zu scharfen Auseinandersetzungen führen könnten.
An einer Reihe von Grenzübergängen zwischen dem demokratischen Berlin und Westberlin gab es Ansammlungen von ca. 50 bis 100 Personen, die sich teilweise negativ über die von der Regierung der DDR getroffenen Maßnahmen äußerten.
Vielfach wird dabei erklärt, dass der Westen diese Schritte nicht hinnehmen werde. Deshalb würden die Maßnahmen der DDR nur kurze Zeit aufrechterhalten werden können.
Eine große Rolle bei den negativen Äußerungen spielen Befürchtungen, dass in Zukunft keine Verbindungen mit in Westberlin lebenden Verwandten mehr möglich sind.
In einzelnen Fällen kam es zu offenen provokatorischen Äußerungen von Bürgern der DDR. So wurde z. B. zum Ausdruck gebracht, dass die jüngsten Maßnahmen der Regierung der DDR mit denen aus der Zeit des 17. Juni 1953 verglichen werden können (Äußerungen bei Diskussionen an Grenzübergängen).
In einer Diskussionsgruppe an einem Grenzübergang wurde ferner provokatorisch erklärt, dass man sich diese Maßnahme nicht gefallen lassen dürfe. Die Polizisten an den Übergängen würde man »mit anderen Mitteln wegbekommen«.
Der Tankwart der Tankstelle Grünau verweigerte einem Mitarbeiter der Sicherheitsorgane in den frühen Morgenstunden den Verkauf von Benzin. Er erklärte, »wenn alle streiken, streike er auch«. Die Schließung der Grenzen nach Westberlin richte sich gegen die Arbeiter.
Ein anonymer Telefonanruf bei den Sicherheitsorganen in Dresden, in dem erklärt wurde, dass die vom Ministerrat getroffenen Maßnahmen noch im Laufe des Tages geändert würden, ist als Einzelerscheinung zu werten.
In verschiedenen Diskussionen wurde die Auffassung vertreten, dass die jüngsten Schritte der DDR eine »Einschränkung der persönlichen Freiheit« bedeuten würden. Solche Meinungen werden vor allem von Bürgern des demokratischen Berlin geäußert, die am Betreten der Westsektoren gehindert werden.
Im Zusammenhang mit den Beschlüssen des Ministerrates gibt es in einigen Bevölkerungskreisen verschiedene unklare Fragen bzw. Befürchtungen.
So liegen verschiedene Äußerungen vor, in denen zum Ausdruck kommt, dass Westberliner Bürger, die im demokratischen Berlin arbeiten, Schwierigkeiten haben werden, ihre Arbeitsstellen auch in Zukunft zu erreichen. Solche Auffassungen traten vor allem in der Charité und im Friedrichstadtpalast auf. Es gibt Befürchtungen, dass die Durchführung des Programms des Friedrichstadtpalastes gefährdet ist.
Schwierige Probleme werde es auch für die Bewohner der westlichen und nördlichen Randgebiete Berlins geben, die im demokratischen Berlin tätig sind.
Ferner bestehen Unklarheiten darüber, wie die Versorgung der Bürger der DDR gesichert werden soll, die bisher ihre Rente in Westberlin bezogen haben.