Aktion »Rose« – 4 (Reaktion westlicher Stellen)
13. August 1961
4. [Einzel-Information] Nr. 416/61 über die Durchführung der Aktion »Rose«
Gegnerische Reaktion, Provokationen und Vorkommnisse
Nach dem Bericht einer zuverlässigen Quelle erklärte der Leiter einer amerikanischen Geheimdienststelle in Westberlin, jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, auf den man gewartet habe. Der »Zündstoff in der Zone« sei so angehäuft, dass er zur Detonation führen müsse.
Ein Offizier des Bundesnachrichtendienstes erklärte, nach Mitteilungen der gleichen Quelle, Kennedy und die Amerikaner in Westberlin müssten jetzt zeigen, was ihre Versprechen wert sind. Man müsse jetzt auf alles vorbereitet sein.
Die Quelle berichtete, dass die führenden Mitarbeiter der amerikanischen Geheimdienststellen in Westberlin jetzt starken Wert auf den Ausbau neuartiger Verbindungswege mit Agenten in der DDR legen.1 Es lägen neuentwickelte Schnellgeber-Funkgeräte bereit, mit denen ab sofort eine Reihe der wichtigsten Agenten in der DDR ausgerüstet werden soll. Es sei geplant, sie in Westberlin an die Agenten auszugeben, da sie mit dem komplizierten Mechanismus der Geräte vertraut gemacht werden müssten. Ein Offizier des Bundesnachrichtendienstes erklärte, man müsse ab sofort alle Verbindungen in die DDR auf Funk umstellen und spezielle Mitarbeiter des BND in der DDR absetzen, damit sie »Widerstandsgruppen« bilden und die Verkehrswege stören können.
Es wurden verschiedentlich Bewegungen und Konzentrationen von Einheiten der Besatzungstruppen in Westberlin und der Westberliner Bereitschaftspolizei festgestellt. Auf der Potsdamer Straße und an der Siegessäule bewegten sich starke Einheiten der Besatzungstruppen in Richtung Brandenburger Tor. In der Nähe des Potsdamer Platzes wurden amerikanische Jeeps, mit SMG bestückt, festgestellt. In den Seitenstraßen des Potsdamer Platzes wurden 20 bis 30 Mannschaftswagen der Bereitschaftspolizei beobachtet. Von verschiedenen Kontrollpunkten an den Übergängen nach Westberlin wurden Verstärkungen der Stumm-Polizei2 gemeldet. Auf dem Bahnhof in Düppel wurde der Westberliner Zoll mit Karabinern ausgerüstet. Am Kontrollpunkt 11 wurden Angehörige der VP von Stumm-Polizisten als »Faschisten« beschimpft.
Brandt und Amrehn hielten sich um 8.55 Uhr für kurze Zeit am Potsdamer Platz auf. Um 9.00 Uhr wurde Willy Brandt für kurze Zeit am Brandenburger Tor gesehen.
An verschiedenen Stellen der Sektorengrenze wurden westliche Reporter beobachtet. Filmaufnahmen wurden zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor gemacht. Am Bahnhof Zoo wurden Flugzettel verteilt, deren Inhalt nicht bekannt ist.
Zusammenrottungen von jeweils mehreren hundert Personen und vereinzelte provokatorische Ausschreitungen wurden von verschiedenen Straßenübergängen gemeldet. Gegen 11.00 Uhr wurden Zusammenrottungen von 200 bis 250 Personen an den Übergängen Strelitzer Straße, Brunnenstraße, Brandenburger Tor, Potsdamer Platz und Köpenicker Straße festgestellt. Mehrmals wurden am Übergang Wollankstraße Zusammenrottungen von mehreren hundert Personen in der Zeit von 9.00 bis 10.00 Uhr festgestellt, die möglicherweise organisiert wurden. Am Übergang Eberswalder Straße wurden fünf Jugendliche wegen provokatorischen Auftretens festgenommen. Bei den gegen 11.00 Uhr festgestellten Zusammenrottungen wurde an einigen Übergängen von beiden Seiten versucht, die Sperren zu beseitigen. Derzeitiger Schwerpunkt dabei ist noch der Übergang Köpenicker Straße.
Gegen 8.00 Uhr wurden ca. 50 Personen, meist ältere Frauen, die nach Westberlin wollten, am Übergang Bornholmer Straße von der VP zurückgedrängt.
Um 10.45 Uhr wurde an der Oberbaumbrücke eine Ansammlung von einigen hundert Personen festgestellt. Jugendliche bemühten sich, die Versammelten für einen Volksentscheid über die eingeleiteten Maßnahmen zu gewinnen. Grenzgänger traten mit der Behauptung auf, dass es im demokratischen Berlin keine Arbeit für sie gebe.
Um 4.25 Uhr entzog sich die DDR-Bürgerin [Name 1] am Grenzübergang Lohmühlenstraße der Kontrolle in Richtung Westberlin unter Zurücklassung ihres DPA.
Von den Übergängen der U- und S-Bahn wird ein im Allgemeinen reibungsloser Verlauf der Aktion gemeldet. Vom S-Bahnhof Baumschulenweg wurde mitgeteilt, dass vom Bahnpersonal noch die alten Streckenziele ausgerufen werden. Es wird vorgeschlagen, den Bahnsteig C auf dem Bahnhof Friedrichstraße besser kenntlich zu machen.3
Im Allgemeinen wurde in den letzten Stunden ein starker Andrang in Richtung demokratisches Berlin gemeldet. In Westberlin wurde dazu aufgefordert, das demokratische Berlin nicht zu betreten.
Provokateure wurden festgenommen: um 4.45 Uhr vor der Gaststätte »Ritas Tanzpalast« im Stadtbezirk Mitte, gegen 5.30 Uhr am Grenzübergang Sonnenallee und auf dem Bahnhof Schönhauser Allee. Über den am 12.8. am Grenzübergang Eberswalder Straße festgenommenen [Name 1], geboren [Tag, Monat] 1934, wohnhaft Berlin-Lankwitz, [Straße, Nr.], wurde bei den bisherigen Untersuchungen bekannt, dass es sich um einen aus früheren Vorgängen bekannten Provokateur handelt. Er gibt an, vom CIC einen der neuen Situation entsprechenden Auftrag erhalten zu haben, die Tätigkeit des MfS aufzuklären.
Im demokratischen Berlin kam es zu einer Zusammenrottung von Westgängern am Rathaus Pankow, die Auskunft über neue Arbeitsverhältnisse im demokratischen Berlin forderten.
In der Nähe wichtiger Objekte wurden Wagen aus Westberlin festgestellt, an denen vermutlich Reparaturen vorgetäuscht werden (Volkswagen am Kraftwerk Klingenberg, VW-Bus an der Eisenbahnbrücke Rummelsburger Chaussee). Maßnahmen wurden eingeleitet.
Um 4.30 Uhr wurden am Ehrenmal in Treptow Schüsse gehört. Maßnahmen zur Aufklärung wurden eingeleitet.
Um 9.30 Uhr wurden auf dem Bahnsteig A des Bahnhofes Friedrichstraße 20 bis 30 Personen festgestellt, die sich mit der Begründung, Verwandte vom Zug abholen zu wollen, Zutritt zu dem Bahnsteig zu verschaffen versuchten.
Aus der DDR werden folgende Provokationen gemeldet: Anschmieren von Hetzlosungen in Hennickendorf, Kreis Strausberg; Brand von Getreidemandeln zwischen Ihlow und Lewitz im Kreis Fürstenberg. Gegen 7.00 Uhr wurden in Hoppegarten drei Jugendliche festgenommen, die Angehörigen der Grenzpolizei gegenüber provokatorisch auftraten.
Am Kontrollpunkt in Schönefeld wurden bis 7.00 Uhr morgens 372 Personen zurückgewiesen. In Wittenberg bestiegen ca. 80 Reisende den D-Zug in Richtung Berlin, ohne Fahrkarte, da ihnen keine Fahrkarten nach Berlin ausgehändigt wurden.