Aktion »Rose« – 6 (Stimmungslage in der SPD/Ostberlin)
14. August 1961
6. [Einzel-Information] Nr. 418/61 über die Durchführung der Aktion »Rose«
Von zuverlässigen Quellen wurden – im Wesentlichen übereinstimmend – Einzelheiten über Besprechungen führender Funktionäre der SPD im demokratischen Berlin, die aufgrund der Maßnahmen der Regierung der DDR stattfanden, berichtet.
Danach habe in den Nachmittagsstunden des 13.8. im SPD-Kreisbüro Friedrichshain eine Beratung mit ca. 20 Funktionären der SPD im demokratischen Berlin stattgefunden. Die Abwesenheit von Kurt Neubauer1 und Berger-Heise2 sei damit begründet worden, dass sich beide führenden Funktionäre in Westberlin aufhalten und sich nicht in das demokratische Berlin »zurücktrauen« würden, damit ihnen nicht alle Ansprüche auf eine »Rückkehr nach Westberlin« verloren gingen. Von einem Funktionär sei zum Ausdruck gebracht worden, dass im demokratischen Berlin die Immunität von Neubauer als Bundestagsabgeordneter kaum noch geachtet werden dürfte. Man müsse deshalb Neubauer warnen, in das demokratische Berlin zurückzukommen.
Der SPD-Funktionär Schütz, der noch in den Vormittagsstunden des gleichen Tages im Friedrichshainer Kreisbüro war, sei ebenfalls nicht erschienen.
Am Vormittag habe Schütz noch dargelegt, dass der Westberliner SPD-Landesvorstand zwar noch nichts beschlossen habe, dort aber eine solche Linie vertreten worden sei, die sogenannten Ostkreisverbände der SPD »aufzulösen.«3 Nachdem diese Ansicht auf entschiedenen Widerstand gestoßen sei, habe Schütz angeregt, die Versammlungstätigkeit der SPD im demokratischen Berlin einzuschränken. Diese Ansicht sei ebenfalls zurückgewiesen worden. In diesem Zusammenhang seien solche Spekulationen angestellt worden, dass nach einigen Wochen die Funktionäre und Mitglieder wieder aus dem Urlaub zurück seien und sich bis dahin die Lage wieder geändert habe.
Ein weiteres dort behandeltes Problem sei die Frage gewesen, wie man Genehmigungen zum Betreten der Westsektoren erhalten könne. Die unabhängig voneinander und unter Berufung auf die Legalität der SPD im demokratischen Berlin von einigen Funktionären unternommenen Versuche, solche Genehmigungen zu erhalten, seien auf den VP-Revieren abgelehnt worden. Diese Versuche sollen am 14.8.1961 fortgesetzt werden. Die Treptower Funktionäre wollen mit einem offiziellen Schreiben an die VP-Inspektion Treptow herantreten.
Am 14.8. soll um 15.00 Uhr im Kreisbüro Prenzlauer Berg die Beratung zu diesem Problem fortgesetzt werden. Es wird erwartet, dass an dieser Beratung ein Funktionär des Westberliner Landesvorstandes teilnimmt.
In der Friedrichshainer Beratung sei außerdem über das Grenzgängerproblem4 gesprochen worden. Die ersten und zweiten Kreisvorsitzenden hätten dazu die Auffassung vertreten, dass der Landesvorstand die hauptamtlichen Funktionäre unterhalten werde, damit diese nicht gezwungen würden, eine Arbeit im demokratischen Berlin aufzunehmen. Außerdem sei zum Ausdruck gekommen, dass die Westberliner nicht gut auf die Grenzgänger zu sprechen seien. In der Diskussion wurden Maßnahmen gegen die Westberliner gefordert, die im demokratischen Berlin arbeiten. Die SPD-Funktionäre spekulieren darauf, dass es am 14.8. zu größeren Protestaktionen der Grenzgänger kommen werde.
Später sei die Rede Willy Brandts in Gemeinschaftsempfang abgehört worden.5 Bei dieser Gelegenheit seien die anwesenden Funktionäre aufgefordert worden, die SPD-Mitglieder anzuhalten, Ruhe zu bewahren. Einer der Funktionäre habe erklärt, dass die drei westlichen Besatzerkommandanten entsprechende Gegenmaßnahmen beraten und außerdem vonseiten der USA entscheidende Maßnahmen vorbereitet würden.
Weiter wurde berichtet, dass der Vorsitzende des SPD-Kreisverbandes Lichtenberg, Rudi Müller, in seiner Wohnung in den Vormittagsstunden des 13.8. mehrere Einzelgespräche mit SPD-Funktionären geführt habe. In einem der Gespräche wurde betont, dass die SPD im demokratischen Berlin »in der Mausefalle« sitze. Müller habe provokatorisch gefordert, dass die Amerikaner Bomben verteilen müssten, sei aber von seinem Gesprächspartner vor einem etwaigen radikalen Auftreten gewarnt worden. Müller vermute, dass es jetzt zu ernsten Auseinandersetzungen kommen werde.
Einer der Gesprächspartner habe angeregt, nach den Wahlen bestimmte Störaktionen zu starten. Als zweckmäßig bezeichnet wurde die Einberufung einer Kreisvorstandssitzung mit den Abteilungsleitern.
Hermann Berger (politischer Sekretär in Köpenick und Mitglied des Kreisvorstandes Lichtenberg) habe erklärt, dass man sich treffen wolle, um zu besprechen, ob die Einschränkung des Verkehrs mit Westberlin Nachteile für die Existenz der SPD habe. Er schätze ein, dass die Regierung der DDR die Maßnahmen getroffen habe, weil ihr »das Wasser bis zum Halse stehe«. Die Westmächte dürften sich jetzt nicht nur auf Proteste beschränken. Um eine einheitliche Linie unter den Mitgliedern zu erreichen, müsse eine Richtlinie ausgearbeitet werden.
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