Aktion »Sicherheit« (1) – NVA-Manöver
9. Oktober 1961
1. Einzel-Information Nr. 626/61 über die Aktion »Sicherheit«
Eine erste Einschätzung der Reaktion der Bevölkerung zu den Manövern lässt als typisch erkennen, dass trotz der Veröffentlichungen ein großer Teil der Bevölkerung gar nicht über das Stattfinden von Manövern orientiert ist bzw. wenig Notiz davon nimmt, besonders in den Bezirken, wo es keine Manöverhandlungen gibt, aber zu einem beträchtlichen Teil selbst dort, wo Truppenbewegungen stattfinden.
In den bisher vorliegenden Äußerungen, vor allem aus den Konzentrierungsgebieten, wird im Wesentlichen positiv reagiert und die Notwendigkeit solcher Manöver z. B. mit den Argumenten,
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dass uns der westdeutsche Militarismus zu solchen Manövern zwinge,
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dass es Zeit wird, auch bei uns solche Manöver durchzuführen, damit uns die westdeutschen Militaristen nicht überraschen können,
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dass auch diese Manöver zur Sicherung des Weltfriedens dienen und ähnliche
anerkannt und den Manövern zugestimmt.
Das zeigt sich auch in der oft herzlichen Begrüßung der am Manöver teilnehmenden Truppen.
Feindselige Äußerungen wie,
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die Polen hätten bei uns nichts zu suchen (Wriezen/Frankfurt/O.),
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die Manöver dienten der Kriegsvorbereitung wie 1938/39 (Lauchstedt/Halle),
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die Manöver seien denen in Westdeutschland gleichzusetzen
sind Einzelerscheinungen.
Im Kreis Luckenwalde (Orte Merzdorf und Petkus) diskutiert ein Teil der Bevölkerung, dass im nahe gelegenen Wald Bunker und Abschussrampen für Raketen errichtet würden und »die Russen für ihre Einheiten atomsichere Bunker bauen, aber der Deutsche ja im Ernstfall verrecken kann«. Jugendliche aus Belzig/Potsdam erklärten, dass durch die Manöver große Straßenschäden entstünden, »aber darüber berichte die Presse nichts, sondern nur über die Schäden bei NATO-Manövern«.1
Häufiger, aber im Vergleich zu den positiven Stimmen ebenfalls als Einzelerscheinungen einzuschätzen, treten verschiedene, teils negative Diskussionen auf, die in der Hauptsache auf politische Unklarheiten zurückzuführen sind und in denen von den Manövern die Befürchtung abgeleitet wird, es könnte zum Kriege kommen. (besonders im Bezirk Frankfurt/O.)
Weitere Argumente sind:
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Man könne nicht verstehen, dass noch mehr Truppen in die DDR geschickt werden. Die sowjetischen Truppen und die NVA würden ausreichen.
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Die Bezeichnung Manöver sei lediglich eine Variante; in Wirklichkeit sollten wegen der zu lösenden politischen Aufgaben (Friedensvertrag) nur größere Truppeneinheiten in der DDR konzentriert werden.
Vereinzelt werden die Manöver zum Anlass von Gerüchteverbreitungen genommen, besonders, dass bestimmte Dörfer, Städte oder Grenzgebiete geräumt werden müssten (Schwerin, Eisenach). Zu ernsthaften Unsicherheiten oder Panikstimmungen kam es dabei jedoch nicht. Lediglich in einem Falle wurde bisher bekannt, dass eine Person aus Jena wegen eines solchen Gerüchtes ihr Bankkonto auflöste und größere Einkäufe machte.
Die gegen die Manöver gerichtete Tätigkeit des Gegners zeigte sich vor allem in den Erkundungsfahrten der Angehörigen der westlichen Militärverbindungsmissionen (MVM) in die Konzentrierungsorte der Manövereinheiten, so am 5. und 6.10.1961 die Fahrzeuge Nr. 12, 23, 51 und 55 der amerikanischen MVM und das Fahrzeug Nr. 53 der französischen MVM besonders in den Kreisen Parchim, Hagenow, Lübz, Schwerin, Perleberg und Ludwigslust (Bezirk Schwerin). Sie wichen dabei ständig von den Straßen ab und versuchten, direkt an die Konzentrierungspunkte heranzufahren. Im Kreis Kyritz/Potsdam wurden von Angehörigen der amerikanischen MVM Schulkinder nach Truppenbewegungen polnischer Truppen ausgefragt.
An den Hauptstab des Ministeriums für Nationale Verteidigung wurde aus Westdeutschland ein provokatorisches Schreiben gesandt, das sich in chauvinistischer Form gegen die gemeinsamen Manöver wandte und das bereits am 27.9.1961 (!) in Düsseldorf aufgegeben worden war.
Außer den schon bekannten vier Verkehrsunfällen am 5.10.1961 in Woldegk und am 6.10. auf der Straße von Ludwigslust nach Schwerin (2) und an der Fährbrücke Mueß/Schwerin kam es zu keinen weiteren Vorkommnissen ähnlicher Art.
In den Bezirken Schwerin und Potsdam gibt es jedoch verschiedene Mängel und Schwierigkeiten bei der Bereitstellung von Fernsprechleitungen. Im Kreis Königs Wusterhausen ist der zivile Fernsprechverkehr z. B. zum Kreis Lübben unterbrochen, und auch Umweggespräche (Zossen) konnten nicht vermittelt werden. Dies führte zur Verärgerung und zu Beschwerden verschiedener Fernsprechteilnehmer. An der Beseitigung dieser Mängel wird gearbeitet.
Im Bezirk Schwerin dagegen gab es Schwierigkeiten, um die für die Manöver notwendigen Fernsprechleitungen ordnungsgemäß zu schalten. So konnte am 5.10.1961 wegen fehlenden Schaltdrahtes nicht mit den Schaltarbeiten begonnen werden. Ferner kam es zu einigen Schaltfehlern, die die ordnungsgemäße Verständigung gefährdeten. Diese Angelegenheit wird im Bezirk Schwerin untersucht.