Aktionen der Schriftsteller Grass und Schnurre
19. August 1961
[Einzel-Information] Nr. 450/61 über provokatorisches Auftreten der Westberliner Schriftsteller Günter Grass und Wolfdietrich Schnurre
Wie bereits durch die Westberliner Presse bekannt wurde, haben sich die beiden genannten Westberliner Schriftsteller in einem gegen die Schutzmaßnahmen der DDR gerichteten Schreiben an den Deutschen Schriftstellerverband und in einem besonderen Schreiben an Anna Seghers gewandt.1 Die Schriftstücke wurden als Offene Briefe deklariert.
Grass und Schnurre übergaben das Schreiben an den Schriftstellerverband persönlich am 16.8. im Sekretariat des Verbandes dem Genossen Strittmatter. Sie teilten mit, Durchschläge an die Redaktionen des »Sonntag«, des »ND« sowie an »Die Welt«, »Tagesspiegel«, »Süddeutsche Zeitung« und die Studentenzeitschrift »Konkret« übersandt zu haben. In ihrem Schriftstück sind die Namen der Schriftsteller Anna Seghers, Arnold Zweig, Erwin Strittmatter, Ludwig Renn, Ehm Welk, Bruno Apitz, Willi Bredel, Franz Fühmann, Peter Hacks, Stephan Hermlin, Wolfgang Kohlhaase, Peter Huchel und Paul Wiens besonders genannt, um von ihnen eine Antwort zu erhalten.
In dem Brief werden die Schriftsteller der DDR aufgefordert, gegen die Schutzmaßnahmen der DDR zu protestieren. Grass und Schnurre berufen sich auf ihre Proteste gegen Oberländer und die antisemitischen Umtriebe in Westdeutschland und fordern, dass die Schriftsteller eine »dritte Kraft« bilden sollen, die sich gegen jegliche »Gewaltmaßnahmen« zu richten habe. Dabei decken sich ihre verleumderischen Angriffe gegen die Schutzmaßnahmen der DDR vollauf mit der offiziellen Bonner und Westberliner Propaganda. Zumindest, wird in dem Brief gefordert, sollen die Schriftsteller der DDR ihre Meinung zu den Maßnahmen der Regierung der DDR öffentlich äußern. Eine »innere Emigration« gebe es nicht.
Der von Grass allein unterzeichnete Brief an Anna Seghers hat einen ähnlichen Inhalt.2 Er enthält insbesondere eine gemeine Verleumdung Walter Ulbrichts.
Strittmatter versprach, eine Antwort zu übermitteln. Für den 18.8. wurde eine Besprechung mit den persönlich angesprochenen Schriftstellern angesetzt, zu der allerdings nur Apitz, Bredel, Hermlin und Wiens zu erreichen waren.
Bei den Schriftstellern, die von den Briefen Kenntnis erhielten, lösten sie scharfen Protest aus. Stephan Hermlin, der ein Exemplar über die Deutsche Akademie der Künste erhielt, der Schnurre und Grass ebenfalls ein Exemplar übersandte, übermittelte bereits am 17.8. ein Antwortschreiben.3 Hermlin stellt sich darin vollkommen auf den Standpunkt der Regierung der DDR und bemerkt, dass sie Globke und Schröder nachdrücklicher bekämpft als es Schnurre und Grass für sich in Anspruch nehmen können. Er betont, dass er den Maßnahmen nicht die oft zitierte »freudige Zustimmung« geben könne, dass jedoch die Maßnahmen der DDR niemals notwendig geworden wären, wenn am 30. Januar 1933 rote Panzer am Brandenburger Tor gestanden hätten.
Folgendes ist über die beiden Westberliner Schriftsteller bekannt:
Grass, Günter, geboren 1927, wohnhaft Berlin, Grunewald, [Straße, Nr.]. Zwischen ihm und dem Schriftstellerverband sowie dem Leipziger Literaturhistoriker Prof. Hans Mayer bestehen seit längerer Zeit Verbindungen. Grass trat schon mehrfach provokatorisch in Erscheinung, so beispielsweise während einer Vorlesung in der Leipziger Karl-Marx-Universität und während des 5. Deutschen Schriftstellerkongresses im Mai dieses Jahres.
Schnurre, Wolfdietrich, geboren am: 22.8.1920, wohnhaft Berlin-Zehlendorf West, [Straße, Nr.]. Vom Schriftstellerverband wird zu ihm keine Verbindung unterhalten. Hermlin soll eine lose Verbindung zu ihm haben und davon die Bezirksleitung der Partei informiert haben.