Auflösungstendenzen einiger LPG im Bezirk Cottbus
13. Juni 1961
Einzel-Information Nr. 304/61 über Auflösungserscheinungen in einigen LPG des Bezirkes Cottbus
Dem MfS wurden aus dem Bezirk Cottbus ernsthafte Auflösungserscheinungen in einer Reihe von LPG bekannt.
Die bisherigen Untersuchungen über die Ursachen der Auflösungserscheinungen ergaben, dass diese auf die
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unzureichende Hilfe des Staatsapparates und der Partei bei der Festigung der innergenossenschaftlichen Demokratie und der Durchsetzung der inneren Betriebsordnung und auf die
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fehlende Hilfe durch die MTS
zurückzuführen sind. Auf eine direkte und organisierte Austrittsbewegung kann aus dem vorliegenden Material jedoch nicht geschlossen werden.
Nachfolgend einige wesentliche Beispiele:
Am 18.5.1961 fand in der LPG Werben, Kreis Cottbus eine Vollversammlung statt, auf der der Vorsitzende der LPG, Heinrich Sotzko, in offener und provokatorischer Form in Erscheinung trat.
Er erklärte, dass die Situation der LPG sehr verfahren sei, sie habe 80 000 DM Schulden, und er den Mitgliedern empfehle, unter dem Motto »Rette sich wer kann« aus der LPG auszuscheiden. Er begründete diese Situation der LPG damit, dass die Bestellarbeiten nicht erfolgen können, weil die MTS nur defekte Maschinen für die Feldarbeiten bereitstellen kann. Sotzko äußerte sich dahingehend, die LPG verantwortlich bis zum Herbst noch weiterzuführen und dann eine LPG Typ II1 aus wirklich »Freiwilligen« zu gründen. Sotzko hat sich bisher nach außen hin sehr positiv und in fortschrittlichem Sinne betätigt. Er wurde in der »Lausitzer Rundschau« und bei Kreiskonferenzen der Nationalen Front im Herbst 1960 als positives Beispiel eines Vorsitzenden bezeichnet.
Bei der Untersuchung seines Verhaltens wurde festgestellt, dass die genossenschaftliche Arbeit durch Statutsverletzungen erschwert wurde, die z. T. gegen den Willen des Vorsitzenden von Mitarbeitern des Rates des Kreises Cottbus genehmigt wurden. So erhielt jeder Wirtschaftseigentümer neben den 0,5 ha individuellem Ackerland zusätzlich 10 % der eingebrachten Ackerfläche zur individuellen Bewirtschaftung. Bis zum 5. Juni 1961 lagen aus der LPG Werben insgesamt 64 Austrittserklärungen vor, die meisten mit Krankheit oder geringem Verdienst begründet. Werben war im Kreis Cottbus mit eine der letzten Gemeinden, in denen die sozialistische Umgestaltung erfolgte.
Durch einen Brigadeeinsatz der SED-Kreisleitung Cottbus und des Rates des Bezirkes wurde zunächst erreicht, dass der Vorsitzende Sotzko die Genossenschaft weiter leiten wird. Er vertritt jedoch den Standpunkt, die bestehende LPG mit ca. 1 400 ha LNF sei zu groß und müsse zur besseren Übersicht und Leitung geteilt werden.
Am 24.5.1961 fand in der LPG Papitz, Kreis Cottbus eine Vollversammlung statt. In dieser Versammlung erklärte der LPG-Vorsitzende Franzko, dass er seine Funktion niederlegt und die LPG als aufgelöst zu betrachten ist. Er forderte den Vorstand und die Feldbaubrigadiere auf, ihre Funktionen ebenfalls niederzulegen. Einige anwesende Bauern erklärten daraufhin, dass sie nun wieder als Einzelbauern anfangen werden. Die Erklärung des Vorsitzenden Franzko fand die breite Zustimmung aller anwesenden Bauern. Die Kreisleitung der SED Cottbus führte aufgrund der Verhältnisse in der LPG mit dem Vorstand eine breite Aussprache, in deren Ergebnis die genossenschaftliche Arbeit wieder aufgenommen wurde.
In der LPG Typ I »Spreeblick« in Byhleguhre, Kreis Lübben wurde Ende Mai 1961 durch den Vorstand eine Liste erarbeitet und in Vorschlag gebracht, nach der 35 Genossenschaftsbauern wegen ungenügender Mitarbeit aus der LPG ausgeschlossen werden sollten. Ein großer Teil dieser Genossenschaftsbauern wartete nur auf den Beschluss der Mitgliederversammlung, um wieder die Möglichkeit der individuellen Nutzung eigener Flächen zu erhalten. Die Diskussion um das Problem des Ausschlusses beinhaltete u. a.: »Die genossenschaftlichen Dörfer sind nicht mehr lange zu halten, es wird bald eine Änderung kommen. Wenn wir keine Versammlungen und Vorstandssitzungen besuchen, dann können die paar, die jetzt noch die genossenschaftliche Arbeit durchführen, auch nichts mehr machen.« Von Partei und Staatsapparat wurden Maßnahmen eingeleitet, um den Ausschluss von Genossenschaftsbauern zu verhindern.
In Frankena, Kreis Finsterwalde, wurde ebenfalls mit verschiedenen Mitteln versucht, die genossenschaftliche Arbeit zu behindern. Es liegen drei Austrittserklärungen vor, darunter die des ehemaligen Vorsitzenden dieser LPG, Georg Kollesser. In der Vollversammlung wurde jedoch den Austrittserklärungen nicht stattgegeben. In Auswirkung dieser Versammlung sind jedoch im April 1961 weitere sieben Austrittserklärungen beim jetzigen Vorsitzenden Oehlert abgegeben worden.
Die Stimmung in der LPG ist so, dass im Herbst jeder seinen Acker wieder allein bestellen will. Diese Situation führte mit dazu, dass die DVA dazu überging, bei den Bauern, die ihre Austrittserklärungen abgegeben hatten, die Versicherungsbeträge für 1961 als Einzelbauern zu kassieren.