Einführung der 6-Tage-Arbeitswoche im Kreis Zeulenroda
21. Dezember 1961
Einzel-Information Nr. 790/61 über einige Schwächen bei der Einführung der 6-Tage-Woche in einigen Betrieben des Kreises Zeulenroda/Gera
Dem MfS liegen einige Hinweise vor, nach denen durch administrative Maßnahmen einiger Werkleitungen im Kreise Zeulenroda Schwierigkeiten bei der Einführung der 6-Tage-Woche auftreten.
Infolge der Veränderung der Energiekontingente machten sich bei den Betrieben Änderungen des zeitlichen Arbeitsablaufes notwendig. Die unzureichende Vorbereitung durch Werkleitungen, Parteiorganisation und Gewerkschaft führte zu Verärgerungen unter den Werktätigen.
Besonders stark wirkten sich die angeordneten Maßnahmen unter den Werktätigen des VEB Ostthüringer Möbelwerke aus. Laut Anweisung der Werkleitung soll ab 1.2.1962 die 6-Tage-Woche vollständig eingeführt werden. Am 18.12.1961 wies die Werkleitung auf einer Besprechung die Abteilungsmeister und Bereichsleiter an, am selben Tage allen Werktätigen diese Anordnung bekanntzugeben.
Die Anordnung der Werkleitung rief einen gewissen »Massenwiderstand«, besonders unter den Schichtarbeitern hervor. Sie lehnen die Einführung der neuen Arbeitszeitregelung ab, weil ihnen zwei freie Sonnabende innerhalb von vier Arbeitswochen verloren gehen würden.
Infolge der unzureichenden politischen Vorbereitung der Arbeitszeitregelung treten zzt. unter den Werktätigen des Möbelwerkes folgende Einzelargumente auf:
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In Westdeutschland wird von der IG Metall die Durchführung der 40-Stunden-Woche vorbereitet und bei uns, in einem sozialistischen Staat, sollen wir wieder länger arbeiten. Wir werden arbeiten müssen und für uns gibt es überhaupt kein Familienleben mehr.
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Das neue Arbeitsgesetzbuch wird sowieso wieder eingezogen, weil unsere Regierung in der Zwischenzeit erkannt hat, dass sie es nicht durchsetzen kann.
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Unter einem Teil der Werktätigen kursieren auch solche Argumente wie »Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will«.
Die Ablehnung der angeordneten Arbeitszeitveränderung durch die Werktätigen des o. g. Betriebes veranlasste eine 4-köpfige Delegation der Schichtarbeiter am 19.12.1961 bei der Betriebsleitung, der BPO und der BGL vorzusprechen. Sie begründeten die Ablehnung der 6-Tage-Woche im Schichtbetrieb mit folgenden Argumenten:
- 1.
Während der Durchführung der sozialistischen Rekonstruktion wurde im VEB Ostthüringer Möbelwerke Zeulenroda die Schichtarbeit eingeführt. Der Mitarbeiter des ZK, Dr. Herold, und der Mitarbeiter des ehem. Ministeriums für Leichtindustrie, Zischek, hätten damals Maßnahmen zugestimmt, die gewährleisteten, dass während der Frühschicht soviel Arbeitszeit herausgearbeitet wird, dass jeden 2. Sonnabend die Spätschicht ausfallen kann.
- 2.
Die Einführung der 6-Tage-Woche würde sich nach Auffassung der Werktätigen dieses Betriebes gegen das Produktionsaufgebot richten. Sie brachten zum Ausdruck, dass mit der Einführung der 6-Tage-Woche ein Teil der im Produktionsaufgebot eingesparten Mittel unzweckmäßig verausgabt werden würden. Nach ihrer Meinung würden an den betreffenden Sonnabenden die Aggregate etwa vier Stunden länger in Betrieb bleiben müssen, obwohl diese nicht ausgelastet werden können. Bei der Einführung der 6-Tage-Woche wäre es weiterhin erforderlich, dass an den betreffenden Sonnabenden die Werkküche arbeiten müsste, die zusätzliche Lohnkosten in diesem Fall beanspruchen würde. Außerdem müssten zusätzlich zwei Kraftomnibusse bereitgestellt werden.
Insgesamt wird von ihnen die Auffassung vertreten, dass bei der Einführung des neuen Zyklus in der Arbeitszeit kein finanzieller Nutzen entstehen wird.
Die Delegation der Werktätigen beriet in sachlicher Form mit der Werkleitung die Beschwerden, ohne dabei etwa Arbeitsniederlegung oder andere Maßnahmen anzudrohen.
Sie erbat von der Werkleitung, BPO und BGL eine bindende Antwort über einen möglichen Kompromiss. Bei einer ablehnenden Antwort beabsichtigen die Delegationsmitglieder sich an die Leitung des Volkswirtschaftsrates und an den Zentralvorstand ihrer IG zu wenden, um ihre Forderung auf Absetzung der Betriebsanordnung durchzusetzen.
In einigen Werkteilen begann inzwischen eine Unterschriftensammlung unter den Werktätigen gegen die Einführung der 6-Tage-Woche. U. a. wurden im Werk II insgesamt 50 Unterschriften gesammelt; unter den Unterzeichnenden befinden sich auch Parteimitglieder und Mitglieder der Kampfgruppe.
Am 19.12.1961 fand eine Sondersitzung des Büros der SED-Kreisleitung statt, an welcher die Parteileitungsmitglieder, BGL-Vorsitzenden und Werkleiter der wichtigsten Betriebe teilnahmen. Von den Vertretern der Betriebe wurde dargelegt, dass besonders in den Möbelwerken die mittleren Leitungskader gegen die Einführung der 6-Tage-Woche sprechen und die volle Unterstützung der Werktätigen finden. Aus den Hinweisen ist zu entnehmen, dass sich auch die Parteimitglieder in den Betrieben passiv verhalten.
Der von dieser Maßnahme ebenfalls betroffene VEB WEMA Zeulenroda begann mit der Vorbereitung zur Veränderung der Arbeitszeit am 19.12.1961. An diesem Tage mussten verantwortliche Funktionäre zwei Stunden mit den BGL-Mitgliedern diskutieren, um sie von der Notwendigkeit dieser Maßnahme zu überzeugen. Nach Auffassung verschiedener Wirtschaftsfunktionäre trägt die Zustimmung der BGL zu diesen Maßnahmen nur formalen Charakter. In der anschließenden Aussprache mit den Brigaden enthielt sich die Mehrzahl der BGL-Mitglieder jeder Stellungnahme.
Aus den beiden Frauenbetrieben, dem VEB Gummistrickwerke und VEB Gummi »Rotpunkt«/Zeulenroda, die ebenfalls von diesen einschränkenden Maßnahmen betroffen sind, sind bisher noch keine Hinweise bekannt, dass sich die Frauen gegen die Änderungen ausgesprochen hätten. Es wird jedoch damit gerechnet, dass die negative Stimmung der Werktätigen aus dem VEB Ostthüringer Möbelwerke und VEB WEMA/Zeulenroda auch auf diese beiden Betriebe übergreift.
Aus den vorliegenden Hinweisen ist ersichtlich, dass die örtlichen Partei- und Staatsorgane über die Schwierigkeiten bei der Veränderung der Arbeitszeitregelung unterrichtet sind und Maßnahmen zur Behebung der Schwächen eingeleitet haben.