Einschätzung der Moral leitender Staatskader
9. Juni 1961
Bericht Nr. 273/61 über unmoralisches Verhalten von mittleren und leitenden Kadern des Staatsapparates und seine Auswirkungen
Vom MfS wurden eine Reihe Hinweise auf unmoralisches Verhalten mittlerer und leitender Kader des Staatsapparates zum Anlass näherer Untersuchungen dieses Komplexes genommen, weil diese den Forderungen der Partei entgegenstehenden und allein schon vom Standpunkt der sozialistischen Moral und Ethik zu verurteilenden Erscheinungen wiederholt auch andere äußerst schädliche Auswirkungen zur Folge hatten. Sie führten z. B. zu Republikflucht und Verrat, zur Nichterfüllung der fachlichen Aufgaben, zu unkritischer und versöhnlerischer Atmosphäre und stellen ferner in ihrer Gesamtheit einen nicht zu unterschätzenden Anknüpfungspunkt für feindliche Zentralen und Geheimdienste dar. Dem MfS liegen sowohl aus der Vergangenheit als auch aus jüngster Zeit zahlreiche Materialien vor, die beweisen, dass die Ausnutzung moralischer Schwächen eine der Hauptmethoden des Gegners ist, um Bürger der DDR, besonders aber mittlere und leitende Funktionäre (in den meisten Fällen SED-Mitglieder) unter Druck zu setzen und sie für eine feindliche Tätigkeit anzuwerben oder auszunutzen.
So geben fast alle feindlichen Geheimdienste und Agentenorganisationen ständig an ihre Agenten entsprechende Aufträge, Angaben über Funktionäre der Partei und des Staatsapparates zu beschaffen, unter besonderer Beachtung der charakterlichen und moralischen Haltung, ihrer »schwachen Stellen« (Frauen, Alkohol, Parteistrafen oder sonstige Auseinandersetzungen mit ihnen) usw. Ferner werden in der Regel alle republikflüchtigen Personen nach solchen Angaben vernommen. Geeignet erscheinende Personen werden dann meist brieflich aufgefordert, Verbindung mit dem Geheimdienst und anderen feindlichen Stellen aufzunehmen, andernfalls mit der Preisgabe der moralischen oder sonstigen Verfehlungen an Vorgesetzte, Partei, Ehefrauen usw. gedroht wird. Zum Teil erfolgt dieses Anschreiben im Auftrage der feindlichen Stellen auch durch Republikflüchtige selbst.
Mit dieser Methode arbeiten die feindlichen Geheimdienste schon seit Jahren, wie es ganz eindeutig das Beispiel der Verräter Christiansen und Behm1 zeigt, die auf diese und ähnliche Weise bereits 1954 über 50 Funktionäre der Partei und des Staatsapparates im Auftrage des amerikanischen Geheimdienstes anschrieben und unter Ausnutzung ihnen bekannter moralischer und anderer Verfehlungen dieser Personen sie für den amerikanischen Geheimdienst zu gewinnen versuchten.
Eine weitere häufig angewandte Methode des Gegners ist das Anwerben von Sekretärinnen, besonders solcher, die bei leitenden Funktionären tätig sind. Damit und auch durch das »Ansetzen« anderer, meist attraktiver weiblicher Personen, wird neben der direkten Ausnutzung für Spionage und Beeinflussung das Ziel verfolgt, Funktionäre zu unmoralischen Verhältnissen zu verleiten – besonders wenn es Anzeichen gibt, dass bestimmte Funktionäre eine Schwäche für Frauen haben – um auch hier Druckmittel für eine evtl. Gewinnung zur Feindtätigkeit zu schaffen.
Neben der Ausnutzung der in sexueller Hinsicht bestehenden unmoralischen Haltung konzentriert sich der Gegner gleichermaßen auf Personen, die mehr oder weniger stark dem Alkohol zusprechen. Er versucht feindliche Elemente an sie anzusetzen, interne Angelegenheiten von ihnen zu erfahren, finanzielle Schwierigkeiten dieser Personen auszunutzen und sie ebenfalls dann unter Druck für eine feindliche Tätigkeit zu gewinnen.
In seinem Bestreben, alle unmoralischen Erscheinungen auszunutzen, bedient sich der Gegner der verschiedensten Varianten. So ist z. B. der französische Geheimdienst – um nur einiges anzuführen – bemüht, Sekretärinnen und Mitarbeiterinnen in einflussreichen Stellungen, die durch solche Verhältnisse in andere Umstände gekommen sind, anzusprechen und ihnen eine Abtreibung zu ermöglichen, um sie und die damit evtl. in Verbindung zu bringenden Funktionäre unter Druck setzen zu können.
Der Bundesnachrichtendienst beauftragt u. a. seine Agenten, Trinkgelage mit ihnen bekannten Personen, die verantwortliche Funktionen in der Wirtschaft, im Staatsapparat oder in der Partei inne haben, zu organisieren, um nach Alkoholeinwirkung und durch Schwatzhaftigkeit in den Besitz wichtiger Informationen zu kommen, charakterliche Eigenschaften dieser Personen in Erfahrung zu bringen und weitere Personenkreise kennenzulernen. Zum gleichen Zweck setzt der Bundesnachrichtendienst Agenten ein, wenn ihm bekannt wird, dass bestimmte Funktionäre regelmäßig in sog. Stammlokalen oder aber in mehr oder weniger zweifelhaften Bars und Gaststätten verkehren.
Nachfolgend sollen nur einige Beispiele angeführt werden, die diese feindlichen Methoden der Ausnutzung unmoralischen Verhaltens charakterisieren.
Der stellv. Abteilungsleiter für [Aufgabengebiet] im Ministerium für [Ressort], [Berufsbezeichnung, Name 1] (SED), verheiratet seit 28 Jahren, unterhielt in den letzten Jahren intime Beziehungen zu der ledigen [Name 2], Abteilungsleiterin für [Aufgabengebiet] im Mf[…]. Dieses Verhältnis war nur sehr wenigen Mitarbeitern des Mf[…] bekannt. Die Ehefrau des [Name 1] wusste davon nichts. Am 8.3.1961 wurde dem [Name 1] durch Kurier ein Schreiben vom Mitarbeiter des amerikanischen Geheimdienstes MID, [Name 3], in seine Wohnung überbracht, in dem er unter Hinweis auf seine intimen Beziehungen zu der [Name 2] aufgefordert wurde, Verbindung mit dem amerikanischen Geheimdienst aufzunehmen. Gleichzeitig wurde ihm gedroht, dass sonst der »Politabteilung« und seiner Ehefrau die außerehelichen Beziehungen mitgeteilt werden. [Name 1] übergab diesen Brief den Sicherheitsorganen.
Am 6.5.1961 erhielt [Name 1] durch die Post einen zweiten Brief folgenden Wortlauts von [Name 3]:
»Da Sie meinen Brief vom 8.3.1961 in keiner Weise würdigten, sehe ich mich gezwungen, Ihnen nochmals zu empfehlen, mir in aller Kürze einen Besuch zu machen. Es wäre doch etwas dumm von Ihnen, mich zu zwingen, Ihre Parteileitung und auch Ihrer Frau über Ihren zweifelhaften Lebenswandel Mitteilung zu machen. Wenn Sie meinen Vorschlag total ignorieren, fügen Sie sich nicht nur selbst, sondern auch Ihrer Frau sowie Ihrer Geliebten Schaden zu. Es liegt mir fern, Sie zu irgendetwas zu zwingen, da auch auf solche Weise keine gesunde Arbeitsbasis geschaffen werden kann. Ich möchte Sie daher nochmals bitten, meinem Gesuch Folge zu leisten und mich in Westberlin zu besuchen. Ich schlage deshalb vor, dass Sie am 8. Mai, also an einem Feiertag zwischen 9.00 und 4.00 Uhr [sic!] unter der Rufnummer 76 48 82 mit mir Kontakt aufnehmen. Wenn Sie anrufen, dann sagen Sie bitte, von wo aus und wie Sie gekleidet sind, damit ich Sie aus der Masse herausfinde. [Name 3]«2
Der Inspektor beim VEB [Betrieb], [Name 4], verheiratet, zwei Kinder, nahm öfters außereheliche Beziehungen zu fremden Frauen auf. Diese Tatsache ausnutzend, lud ihn der Agent des amerikanischen Geheimdienstes, [Name 5], ein, mit zwei Mädchen in Westberlin zusammenzutreffen. [Name 4] sagte sofort zu. [Name 5] führte ihn aber stattdessen dem amerikanischen Geheimdienst zu und [Name 4] wurde unter dem Decknamen »Robert« angeworben. [Name 4] stellte sich daraufhin freiwillig dem MfS.
Unter Ausnutzung des unmoralischen Lebenswandels einer Reihe zum Teil verantwortlicher Funktionäre, u. a. des ehemaligen und jetzt inhaftierten Abteilungsleiters beim Ausschuss für Deutsche Einheit, Karl Raddatz, gelang es dem Bundesnachrichtendienst, einen Agenten anzusetzen, der an Trinkgelagen dieser Gruppe teilnahm und durch ihre Schwatzhaftigkeit und geschickte Fragestellung wichtige Hinweise und geplante Maßnahmen des Ausschusses für Deutsche Einheit (Entlarvung Oberländers u. Speidels) in Erfahrung brachte und den Bonner militaristischen Kreisen verschiedene Gegenmaßnahmen ermöglichte.
In zahlreichen anderen Fällen führte der unmoralische Lebenswandel dazu, dass mittlere und leitende Kader von sich aus direkt Verbindung zu feindlichen Dienststellen aufnahmen bzw. republikflüchtig wurden und so ebenfalls den verschiedensten feindlichen Zentralen und Geheimdiensten Spionageangaben aller Art machten, für andere feindliche Tätigkeit und auch für propagandistische Zwecke ausgenutzt wurden.
Der ehemalige Sektorenleiter für [Aufgabengebiet] im Min. f. [Ressort], später persönlicher Referent des Generaldirektors der [Firma], [Name 6] (SED), unterschlug Westmarkbeträge in Höhe von ca. 4 000 DM, die für die Kinderferiengestaltung benutzt werden sollten, um seine außerehelichen Verhältnisse, besonders seine zahlreichen Verbindungen zu Prostituierten in Westberlin zu finanzieren. Als ihm dies nach Ausscheiden aus dem Min. f. [Ressort], das wegen anderer dienstlicher Mängel erfolgte, nicht mehr möglich war, forderte er Prostituierte bzw. Zuhälter in Westberlin auf, ihn mit Personen oder Dienststellen in Verbindung zu bringen, die gegen Bezahlung Informationen aus der DDR annehmen. Auf diese Weise wurde er an den RIAS-Agenten Herz3 vermittelt, dem er zahlreiche Spionageinformationen gegen Bezahlung übergab. Von Herz wurde er später an den Leiter des sog. Informationsbüros West4 (IWE) Bohlmann verwiesen, mit dem er etwa 30 Treffs in Westberlin durchführte und von dem er für seine Spionagetätigkeit ca. 2 000 Westmark erhielt. Auch diese Beträge verwandte [Name 6] fast ausschließlich zur Finanzierung seiner Verbindungen zu Prostituierten in Westberlin. Sein unmoralisches Verhalten war weder seinen Vorgesetzten und Mitarbeitern noch den Parteiorganisationen seiner Arbeitsstellen bekannt. Zu den Parteiwahlen 1960 wurde er sogar als Parteisekretär in der [Firma] vorgeschlagen. [Name 6] wurde vom MfS festgenommen, wodurch auch seine Wahl zum Parteisekretär verhindert wurde.
Der Instrukteur der SED-Kreisleitung [Ort], [Name 7], suchte verschiedene Lokale auf und betrank sich dort, obwohl er parteiinternes Material bei sich führte. Bei einer solchen Trinkerei wurde ihm von einem Büromitglied der Kreisleitung [Ort] das parteiinterne Material abgenommen und ihm angekündigt, dass er sich deshalb vor dem Büro zu verantworten habe. Daraufhin wurde [Name 7] republikflüchtig und machte bei den Sichtungsstellen der westlichen Geheimdienste ausführliche Spionageangaben. U. a. charakterisierte er auch leitende Funktionäre und wurde vom amerikanischen Geheimdienst aufgefordert, solche Funktionäre zuzuführen.
In diesem Zusammenhang muss auch auf den Verrat durch den ehemaligen Generalsekretär des Deutschen Radsportverbandes, Scharch, und den ehemaligen hauptamtlichen Parteisekretär im Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten Seitz, (ausführlich wurde darüber bereits in der Information Nr. 207/61 vom 21.4.1961 berichtet) als bezeichnende Beispiele der schädlichen Auswirkungen unmoralischen Verhaltens hingewiesen werden.
Aus den dem MfS vorliegenden Hinweisen ist ersichtlich, dass in vielen Fällen Vorgesetzte, Mitarbeiter, Parteileitungen usw. Kenntnis von moralischen Verfehlungen haben, ohne jedoch einen entschiedenen Kampf dagegen zu führen.
Oft werden erst dann bestimmte Erziehungs- und Disziplinarmaßnahmen eingeleitet, wenn es schon zu einer Reihe schädlicher Auswirkungen – wie sie beispielsweise im vorliegenden Bericht angeführt wurden – gekommen ist. Es ist einzuschätzen, dass die Fragen der moralischen Haltung in vielen Fällen unterschätzt werden bzw. wird sich nicht kritisch genug damit auseinandergesetzt, weil eine Reihe von leitenden Mitarbeitern im Staatsapparat selbst unmoralische Beziehungen unterhalten und offensichtlich den sich für sie bei Auseinandersetzungen ergebenden Konsequenzen aus dem Wege gehen wollen. Diese moralischen Schwächen haben einen verhältnismäßig großen Umfang, wenn auch im Rahmen dieses Berichtes nur beispielhaft auf einige Gebiete des Staatsapparates und dabei auch wieder speziell auf mittlere und leitende Kader hingewiesen werden soll. Die uns vorliegenden Materialien gestatten jedoch eine mehr oder weniger starke Verallgemeinerung und dürften auch auf andere Gebiete zutreffen, zumal mit ziemlicher Sicherheit viele unmoralische Handlungen und Beziehungen gar nicht bekannt werden.
So liegen dem MfS z. B. Hinweise vor, dass folgende Funktionäre der Staatlichen Plankommission außereheliche Beziehungen haben:
[Aufzählung von sieben Funktionären mit mittleren bis hohen Leitungsfunktionen]
und eine Reihe Mitarbeiter, z. B. [Name 8], [Name 9] (Abteilung [Aufgabengebiet]), [Name 10], Fachgebietsleiter u. [Name 11], stellv. Fachgebietsleiter (Abteilung [Aufgabengebiet]), um einige konkrete Beispiele anzuführen.
Von den zahlreichen uns bekannten außerehelichen Verhältnissen im Ministerium der Finanzen und anderen Finanzinstitutionen wie Deutsche Notenbank, Deutsche Investitionsbank sollen ebenfalls nur einige von leitenden Funktionären angeführt werden, z. B.
[Aufzählung von 22 Funktionären mit mittleren bis hohen Leitungsfunktionen]
Allein aus dem Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel und aus nur einigen wichtigen Fachanstalten des Handels wurden von 70 Personen unmoralischer Lebenswandel bekannt. Darunter sind 36 mittlere und leitende Kader (z. B. [Aufzählung von acht Funktionären: Generaldirektoren, stellvertretenden Generaldirektoren und ein Parteisekretär] u. a.), 27 sonstige Mitarbeiter und sieben Sekretärinnen. Vereinzelt treten dabei auch Bisexualität ([Name 12, Funktion]), Trink- und Rauschgiftsucht und ähnliche Erscheinungen auf.
Nach den uns vorliegenden Hinweisen stellen die bisher aufgeführten staatlichen Institutionen aber keineswegs besondere Schwerpunkte in diesem Zusammenhang dar, sondern gleiche und ähnliche Erscheinungen gibt es auch in den verschiedensten anderen staatlichen Institutionen. Im Ministerium für Landwirtschaft, Erfassung und Forsten und in anderen staatlichen Stellen auf dem Gebiete der Landwirtschaft ist z. B. von folgenden Personen unmoralischer Lebenswandel bekannt:
[Aufzählung von acht Funktionären mit mittleren bis mittelhohen Leitungsfunktionen oder sonstigen mittleren Funktionen]
Die Referentin [Name 13] und die Sekretärin des [hoher leitender Funktionär, Name 14], [Name 15], kamen durch ihre unmoralischen Beziehungen in andere Umstände und nahmen eine Abtreibung vor. Unmoralische Beziehungen unterhalten auch die [Name 16], Sekretärin beim [hoher leitender Funktionär, Name 17] und die Stenotypistin [Name 18].
Der Präsident der [akademische Einrichtung], Prof. Dr. [Name 19], der Leiter der Zweigstelle für [Aufgabengebiet], [Name 20], der ehemalige Abteilungsleiter und jetzige Instrukteur des [Leitungsgremium, Organisation], [Name 21], Dr. [Name 22], Dr. [Name 23] und [Name 24] von der [akademische Einrichtung] haben ebenfalls außereheliche Verhältnisse.
Der Parteisekretär des [Verlag] und Chefredakteur des [Zeitschrift], [Name 25], unterhält ebenfalls ein außereheliches Verhältnis. Seine Sekretärin, [Name 26] unterhielt im [Verlag] und im [Leitungsgremium, Organisation] – wo sie vorher tätig war – zu gleicher Zeit mit mehreren Männern intime Beziehungen, u. a. zu [Name 27], dessen Ehe sie auseinanderbrachte, zu [Name 28] ([Zeitung 1]), zu [Name 29] ([Leitungsgremium, Organisation]) und zum Chefredakteur der [Zeitung 2]. Als sie in andere Umstände kam, wusste sie nicht, wer der Vater des Kindes ist. Weil sie das Kind unter keinen Umständen austragen wollte, ließ sie sich von [Name 28] und [Name 29], von denen sie annahm, dass sie »dicht halten« würden, je 600 DM zur Finanzierung der Abtreibung – die sie dann auch vornehmen ließ – geben.
Außereheliche Beziehungen wurden ferner vom [Aufzählung der Namen und Funktionen von vier hohen Amtsträgern] bekannt, um abschließend noch einmal auf einige besonders verantwortliche Funktionäre hinzuweisen. Da in vielen Fällen diese unmoralischen Verhältnisse den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen mehr oder weniger bekannt sind, leidet nicht nur die Autorität der betreffenden Funktionäre, sondern werden auch negative Diskussionen hervorgerufen. So werden in der Redaktion des »Neuen Deutschland«, wo z. B. die außerehelichen Verhältnisse von [Namen und Funktionen von zwei leitenden Redakteuren] und [Name 30] (Auslandskorrespondent) bekannt sind, von Kraftfahrern, Sekretärinnen und Schreibkräften Diskussionen geführt wie »Die Großen lässt man laufen, die Kleinen hängt man« und ähnlich.
Zum Teil führen unmoralische Vergehen und das kritiklose Verhalten ihnen gegenüber zur Versumpfung ganzer Arbeitsgebiete und gefährden die richtige Durchführung der zu lösenden Aufgaben. Dies zeigte sich zum Beispiel deutlich am Sender »Radio DDR«, wo die Häufung moralischer Verfehlungen zu einer Gefahr für die gesamte Arbeit des Senders zu werden drohte. Der Redakteur der [Aufgabengebiet], [Name 31] (SED) nimmt jede sich bietende Gelegenheit wahr, mit anderen Frauen intime Beziehungen aufzunehmen. Er ist ein starker Trinker und führt ein sehr schlechtes Familienleben, tritt arrogant und überheblich auf. [Name 32] (SED), ebenfalls Redakteur der [Aufgabengebiet], hat ein intimes Verhältnis mit der Mitarbeiterin des Senders »Radio DDR«, [Name 33]. Der [leitender Redakteur, Name 34] (SED), schlief nach einer sogenannten Ideenberatung für das Sommerprogramm, die außerhalb Berlins stattfand, mit der [Redakteurin, Name 35] (SED). Während dieser »Ideenberatung« kam es zu einem ausgedehnten Trinkgelage unter Beteiligung aller leitenden Mitarbeiter des Senders »Radio DDR«, bei dem einige Genossen so stark entgleisten, dass sie mit Gläsern und Flaschen warfen. Dem [leitender Mitarbeiter] von Radio DDR, [Name 36], wurde von der Verkehrspolizei die Fahrerlaubnis entzogen, weil er nach diesem Gelage in betrunkenem Zustand Auto fuhr. Viele andere Mitarbeiter knüpften unter Ausnutzung von Dienstreisen intime Verhältnisse in der DDR an. Der [leitender Mitarbeiter, Name 37] trank sehr oft mit Mitarbeitern des Senders und war mitunter sogar während der Dienstzeit betrunken. Dadurch, dass eine Vielzahl von Mitarbeitern und auch die leitenden Funktionäre des Senders an diesem unmoralischen Verhalten beteiligt waren, wurde nie konsequent dagegen Stellung genommen und jeder war froh, wenn der andere nichts über ihn sagte. Erst durch Eingreifen der zentralen Parteileitung wurde diese unhaltbare Situation offen kritisiert und Maßnahmen zur Beseitigung dieser Missstände eingeleitet.
Eine moralische Versumpfung zeigt sich auch bei leitenden Genossen des Lehrkörpers der »Hochschule für angewandte Kunst« Burg Giebichenstein/Halle. Dort unterhalten beispielsweise [Namen und Funktionen von zwei leitenden Mitarbeitern und eines Dozenten] teilweise seit Jahren intime Beziehungen zu Studentinnen. Die Parteiorganisation an der Hochschule führt keine ernsthaften Auseinandersetzungen über diese Frage, sodass die Autorität der Hochschulleitung und der Parteiorganisation stark gesunken ist und die Parteiorganisation ihre führende Rolle nicht verwirklicht. Bezeichnend ist, dass die von der Partei und Regierung gestellten Aufgaben, z. B. die Umwandlung in eine sozialistische Hochschule, nicht oder nur schleppend erfüllt werden. Wiederholte Kritiken der Bezirksleitung der Partei und anderer Organe bleiben fast wirkungslos.