Investitionsprobleme bei der Deutschen Reichsbahn
14. April 1961
Bericht Nr. 174/61 über einige Mängel im Investitionsgeschehen bei der Deutschen Reichsbahn
Dem MfS liegen zahlreiche konkrete Hinweise vor, dass im Investitionsgeschehen bei der Deutschen Reichsbahn in der Vergangenheit eine Reihe ernsthafter Schwächen auftraten, die auch zzt. noch nicht behoben sind und die zum Teil den Forderungen des 11. und 12. Plenums entgegenstehen.1
Das zeigt sich deutlich am Stand der Erfüllung der Investitionen 1960. So betrugen die Planrückstände am 31.12.1960:
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Investitionsplan insgesamt 64 620 TDM = 8,6 %
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Staatsplanvorhaben (ohne Gleiserneuerung) 14 779 TDM = 10,3 %
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Gleiserneuerung 4 243 TDM = 4,5 %
Dabei ist jedoch zu bemerken, dass die Planauflage für die Gleiserneuerung seitens der Hauptverwaltung Bahnanlagen, mit Genehmigung des Stellvertreters des Ministers, Leiser, ständig verändert wurde und von
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106 489,2 TDM (davon zentrale Gleiserneuerung – Staatsplan – 93 608,2 TDM und dezentrale: 12 881,0 TDM) auf
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94 495,9 TDM (davon zentrale Gleiserneuerung: 74 411,9 TDM; dezentrale: 20 084,0 TDM)
verändert wurde, sodass – gemessen an der ursprünglich festgelegten Planauflage – auch hier ein viel höherer Rückstand von ca. 23 000 TDM vorhanden ist.
Von den wichtigen Staatsplanvorhaben weisen besonders die nachfolgenden einen niedrigen Erfüllungsstand auf:
Abfuhrstrecke Streckenabschnitte Waren–Neustrelitz 87,5 %, Lalendorf–Langhagen 63,5 %, Langhagen–Waren 81,3 %, Bauvorhaben Kurve Lentwich 89,0 %, Bauvorhaben Hafenbahnhof Kavelsdorf 9,5 %, Verschiebebahnhof Wuhlheide 3. Ausbaustufe 85,6 %, Betriebswagenwerk Lichtenberg 80,5 %, Schwarze Pumpe/Reichsbahnanlagen 85,8 %, Sprewitz–Graustein 83,2 %.
Der Streckenabschnitt Waren–Neustrelitz z. B. soll zum Fahrplanwechsel im Monat Mai 1961 in Betrieb genommen werden, weil er von außerordentlicher Bedeutung ist.
Neben der Beschleunigung des Wagenumlaufs würde er täglich eine Einsparung von ca. 43 200 DM Betriebskosten bringen.
Ebenfalls nicht realisiert wurden die für die Mechanisierung, für die Verwaltung Baubetriebe und für das Fahrzeugprogramm geplanten Summen und mit Abschluss des Planjahres 1960 gingen 18,7 Mio. DM unbeauflagt an die Investitionsbank zurück.
Diese Situation ist den leitenden Funktionären der DR und dem MfV seit langem bekannt, ohne dass bisher wirksame Maßnahmen zur Beseitigung dieser Zustände eingeleitet worden wären.
Eine Untersuchung der Ursachen für die hauptsächlichsten Mängel zeigt neben verschiedenen objektiven Schwierigkeiten vor allem,
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dass von einer Reihe Mitarbeitern und Funktionären des MfV die Beschlüsse der Partei und die das Investitionsgeschehen regelnden rechtlichen Normen nicht konsequent durchgesetzt werden,
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dass ungenügende Klarheit über die Perspektive der einzelnen Hauptverwaltungen besteht, die zu mangelhafter Planmäßigkeit und fehlender Koordinierung der an den Investitionsvorhaben beteiligten Stellen führen.
Zum größten Teil daraus resultierend wurden die Perspektivpläne der Hauptverwaltungen nicht exakt wissenschaftlich erarbeitet und sind teilweise überholt. So waren und sind die in den Perspektivplänen vorgesehenen Mittel oft unreal, weil die Schätzzahlen ohne genügende wissenschaftliche Ausarbeitung von Orientierungskennziffern festgelegt wurden. Auf notwendig gewordene Änderungen der Planziffern durch die Staatliche Plankommission wurde seitens der Hauptverwaltungen verschiedentlich abstrakt reagiert und teilweise Bauvorhaben willkürlich aus dem Plan gestrichen bzw. für verschiedene Projekte höhere Investsummen veranschlagt, als vorgesehen war. Außerdem herrscht in den Hauptverwaltungen des MfV die Tendenz, viele Bauvorhaben gleichzeitig zu realisieren, aber ohne die entsprechenden Voraussetzungen auf den Gebieten der Planung, Projektierung, Vertragsabschlüsse mit Firmen usw. schon in genügendem Maße geschaffen zu haben.
Dadurch und durch die Zersplitterung und ungenügende Festlegung der Verantwortlichkeit auf dem Gebiet der Investitionen erhöht sich ständig die Zahl der unvollendeten Investvorhaben; sodass auf der einen Seite große Summen durch nicht fertiggestellte Investbauten gebunden werden, während auf der anderen Seite Investmittel fehlen. So beliefen sich die unvollendeten, nicht aktivierten Investitionen (ohne Fahrzeuge) am Jahresende 1960 auf 476 525 TDM.
Schwerpunkte sind dabei die RBD Greifswald (43 600 TDM), die RBD Schwerin (48 700 TDM), die RBD Halle (41 900 TDM) und die Oberste Bauleitung für Elektrifizierung der DR (42 200 TDM).
Durch die ungenügende Übersicht und mangelhafte Planmäßigkeit auf dem Gebiet des Investitionsgeschehens kommt es auch ständig zu zahlreichen Veränderungen in der gesamten Planung.
Charakteristisch dafür ist z. B. die Tatsache, dass der »Plan der Projektierung 1960« des Entwurfs- und Vermessungsbüros der Deutschen Reichsbahn (EVDR) derart verändert wurde, dass 1960 nur etwa 50 % der im Plan vorgesehenen Vorhaben unverändert bestehen blieben. Alle andern wurden verändert, gestrichen oder es wurden die Jahresraten gekürzt, wobei zu bemerken ist, dass es sich dabei immer um bereits abgeschlossene Verträge mit den Planträgern handelte.
Da die Veränderungen des Öfteren erst dann erfolgten, wenn bereits mit der Projektierung begonnen wurde, ist dem EVDR erhebliche Projektierungskapazität verloren gegangen. Allein von einer Außenstelle des EVDR (Außenstelle Berlin) wurde im Jahre 1960 ein Projektierungsaufwand von 11 331 100 (Bausumme) vergeudet. Die dadurch verausgabte Lohnsumme beträgt ohne Gemeinkosten 72 845 DM. (Hinzu kommt eine ständig steigende Tendenz von Fehlprojektierungen, die sich im I. Quartal 1960 auf über das 10-Fache im IV. Quartal 1960 erhöhten.)
Ähnlich ist es bei den übrigen sieben Außenstellen des EVDR. Insgesamt wurden dadurch 44 451 Stunden Projektierungsarbeit der Ingenieure nutzlos geleistet.
Wie die nachfolgenden Beispiele – die als typisch für eine Vielzahl weiterer ähnlicher Beispiele anzusehen sind – beweisen, stehen eine Reihe für das Investgeschehen verantwortliche Funktionäre des Ministeriums für Verkehrswesen offensichtlich gleichgültig und ohne dem nötigen Verantwortungsbewusstsein diesen Problemen gegenüber und haben sich mehr oder weniger damit abgefunden.
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Von Funktionären des EVDR wird z. B. kritisiert, dass oft bei Besprechungen über ein und dasselbe Bauvorhaben jeweils andere Mitarbeiter der Planträger anwesend sind, wobei oft die einen nichts oder nur wenig von der Konzeption der anderen wissen.
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Beim Leiter der Hauptverwaltung Sicherungs- und Fernmeldewesen des Ministeriums für Verkehrswesen herrscht nach Ansicht kompetenter Fachleute zu den Fragen des Investitionsgeschehens eine gewisse Gleichgültigkeit und Oberflächlichkeit. Bei Schwierigkeiten in der Durchführung der Investitionen zeigt er sich uninteressiert und leitet nicht energisch genug Maßnahmen ein, die zu einer wirkungsvollen Realisierung der Investitionen beitragen. So wurde z. B. ein Vorgang über Kennziffern für Investitionen für das Jahr 1961 in der ganzen Hauptverwaltung herumgereicht, ohne dass eine Entscheidung darüber getroffen wurde. Bereits im gesamten Jahre 1960 wurde durch ihn keine Plan- oder Investkontrolle durchgeführt.
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Am 1.3.1961 sollte mit dem Bau des Streckenabschnittes Dannenwalde–Drögen begonnen werden. Entsprechende Verträge wurden mit dem Baubetrieb Deutsche Reichsbahn bereits abgeschlossen. Die Projektierungsunterlagen sind fertiggestellt. Da seitens der Deutschen Reichsbahn keine verbindliche Klärung mit den sowjetischen Organen erwirkt wurde (Trasse berührt bei km 66 sowjetisches Lager) mussten begonnene Abholzungsarbeiten wieder eingestellt werden und die gesamte Situation einen Monat vor Baubeginn war unklar. Dieses Beispiel ist für die routinehafte und teilweise leichtfertige Arbeit des Abteilungsleiters Investitionen im MfV, Genossen Kuhn, charakteristisch. Obwohl er durch Funktionäre des EVDR mehrmals darauf hingewiesen wurde, für eine Klärung dieser Angelegenheit zu sorgen, unterließ er dies mit der Bemerkung: Das werden die Mitarbeiter der Abteilung Investitionen der Reichsbahndirektion Schwerin schon tun. Für die ganze Arbeitsweise des Genossen Kuhn ist charakteristisch, dass er kritische Auseinandersetzungen meidet.
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Der Baubetrieb Deutsche Reichsbahn hatte für das Jahr 1960 eine Planauflage von 112 Mio. und einen Gewinnplan von 12,8 Mio. DM, brachte jedoch nur 1,5 Mio. DM Gewinn. Obwohl dieser Zustand zum Teil durch einige objektive Faktoren bewirkt wurde (476 Arbeitskräfte unter dem Plan, 3 Mio. industrielles Bauen wurden nicht erreicht, Geräte in Höhe von 3 Mio. DM wurden nicht geliefert), wurde nicht alles unternommen, um trotzdem eine maximale Planerfüllung zu erreichen. Anstatt den Plan auf die einzelnen Brigaden aufzugliedern und einen Wettbewerb der Brigaden untereinander zu organisieren, konzentrierte sich die Leitung des Baubetriebes darauf, nachzuweisen, dass eine Planerfüllung nicht möglich sei und beharrte auf einen Antrag, die Planauflage auf 98 Mio. zu senken.
Weitere ebenfalls stark subjektiv bedingte Ursachen der Nichterfüllung der Pläne sind:
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Ungenügender Einsatz und Ausnutzung der Maschinen. Es gab mehrere Beispiele, wo Stopfmaschinen, Schotterbettreinigungsmaschinen und andere Geräte nicht planmäßig und wirkungsvoll eingesetzt wurden und bei einer durchschnittlichen Leistungsfähigkeit von 450 Stunden in einem Quartal z. B. von der
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Reichsbahndirektion Dresden nur 239 Stunden,
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Reichsbahndirektion Erfurt 225 Stunden,
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Reichsbahndirektion Halle 379 Stunden
erreicht wurden.
Auch durch ungenügende Planung der durchzuführenden Jahresuntersuchungen der Großgeräte wurden hohe Leistungsausfälle verursacht, beispielsweise durch verspätete Auslieferung von vier Schotterbettreinigungsmaschinen aus den Reichsbahnausbesserungswerken Brandenburg West und Wittenberge ein Leistungsausfall von insgesamt 137 Tagen.
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Durch Mängel in der planungstechnischen Vorbereitung der Planaufgaben war auch eine gute Vorbereitung der bauausführenden Betriebe nicht immer gewährleistet, besonders durch den daraus resultierenden ungenügenden Vorlauf. Eine verbindliche Festlegung der Investitionsvorhaben erfolgte zu spät. Bei der Baubilanzierung für 1960 beim Ministerium für Bauwesen wurde durch die Deutsche Reichsbahn eine eigene Kapazität (Baubetrieb Deutsche Reichsbahn und Bauzüge) angegeben, die völlig unreal war, für die Bauzüge der Deutschen Reichsbahn z. B. um 12 Mio. DM zu hoch.
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Umfangreiche nachträgliche Veränderungen des Planes. Erst im Dezember 1959 wurde das Bauvorhaben Südlicher Außenring mit 13 Mio. DM neu im Plan für 1960 aufgenommen. Beim Bau der Abfuhrstrecke Rostock musste im September 1959 infolge erheblicher Mehrleistung von Erdarbeiten im Raum Waren-Neustrelitz (von 1,3 Mio. cbm etwa auf 2,0 Mio. cbm) eine Aufstockung von 6,5 Mio. DM erfolgen. Selbst im Jahre 1960 unterlag der Plan bis zum III. Quartal noch laufenden Veränderungen.
Einige Beispiele, die die im vorliegenden Bericht getroffenen Feststellungen bestätigen:
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Bereits im Jahre 1956 wurde dem Entwurfs- und Vermessungsbüro der Deutschen Reichsbahn von der Hauptverwaltung Maschinen- und Wagenwirtschaft (HV M) eine bestätigte Vorplanung für die Projektierung eines Betriebswagenwerkes in Lichtenberg in Höhe von 3,5 Mio. DM übergeben. Da beim Auftraggeber keine genügende Klarheit über die einzelnen Projekte vorhanden war, musste die Projektierung nach wenigen Monaten eingestellt werden.
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Im Jahre 1958 wurde die Projektierung erneut aufgenommen, obwohl auch zu diesem Zeitpunkt weder über den Bahnhof Lichtenberg, noch über das Werkstattgebäude die Entwicklung und Aufgaben bekannt waren. Es entstanden immer neue Forderungen; Technologie, Gleisanlagen und sicherungstechnische Belange wurden ständig verändert und die Baukosten von ursprünglich 3,5 Mio. auf 17,5 Mio. DM erhöht. Kein kontinuierlicher Bauablauf und viele Fehl- und Doppelprojektierungen beim EVDR waren die Ergebnisse. Hinzu kommt, dass die Rentabilität der 300 m langen Wagenhalle nicht vorhanden ist, da diese nur etwa zu einem Sechstel der Fläche genutzt wird. Die in der Werkstatthalle vorhandene Radsatzdrehbank (aus der Volksrepublik Polen importiert) kann aufgrund unzureichender Kapazität der bestehenden Gleisanlagen nur zu 25 % bis 30 % ausgelastet werden.
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In einer Aufgabenstellung der Verwaltung Wagenwirtschaft der Reichsbahndirektion (bd) Berlin für eine Wagenbehandlungsanlage in Pankow waren 900 TDM vorgesehen worden. Eine Überprüfung dieser Unterlagen durch das EVDR ergab wesentliche Änderungen und Ergänzungen, sodass dieses Bauvorhaben mit 1,9 Mio. DM veranschlagt werden musste.
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Ebenfalls bereits im August 1958 erhielt das EVDR durch die Hauptverwaltung Bahnanlagen des Ministeriums für Verkehrswesen eine bestätigte Vorplanung für das Bauvorhaben Bahnhof Alexanderplatz in Höhe von 4 Mio. DM. Das EVDR begann mit der Projektierung und fertigte fünf Varianten. Im Juli und Dezember 1959 wurden bei Besprechungen über dieses Bauvorhaben Korrekturen gefordert und im März 1960 wurde das EVDR beauftragt, das Grundprojekt für dieses Bauvorhaben zum 15.10.1960 fertigzustellen. Kurz vor Abschluss der Projektierung musste jedoch die weitere Bearbeitung eingestellt werden, weil sich der Auftraggeber mit der Stadtplanung des Magistrats von Groß-Berlin nicht genügend koordiniert hatte und eine grundlegende Neuorientierung über die Gestaltung des Zentrums Berlin bei der Stadtplanung vorlag. Neben den vergeudeten Projektierungskosten entstand ein politischer Schaden, da schon mehrfach in der Presse von dem Bauvorhaben Bahnhof Alexanderplatz geschrieben wurde.
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Selbst bei größeren Bauvorhaben mit besonderer politischer und ökonomischer Bedeutung, wie der Verkehrsmagistrale Rostock–Berlin, gibt es unvertretbare Mängel in der Vorbereitung der einzelnen notwendigen Vorhaben.
Nachdem bereits in den Jahren 1959 und 1960 durch Veränderung der geforderten Geschwindigkeit von 120 km/h auf 160 km/h umfangreiche Veränderungen der Trasse vorgenommen werden mussten und dadurch erhebliche Bau- und Projektierungskapazitäten vergeudet worden waren, tritt gegenwärtig eine ähnliche Situation ein.
Bis Dezember 1960 wurde auf der Grundlage der Dampf- bzw. Dieseltraktion projektiert und gebaut. Ende Dezember 1960 wurde zum ersten Mal von leitenden Funktionären des Ministeriums für Verkehrswesen entschieden, dass die Abfuhrstrecke elektrifiziert wird. Dies hat zur Folge, dass ein erheblicher Teil der bisher fertig projektierten Brücken neu bearbeitet werden muss, da bei Elektrifizierung die Durchfahrtshöhe von 5575 mm auf 5715 mm verändert werden muss. Bereits fertiggestellte Brückenbauwerke, wie z. B. in Vollrathsruhe, müssen entweder abgerissen werden oder die lichte Höhe muss durch Absenkung der Trasse erreicht werden.
Wie aus einem Gutachten der Hochschule für Verkehrswesen vom Januar 1961 über die Vorplanung der Abfuhrstrecke hervorgeht, waren auch die umfangreich durchgeführten und geplanten Gradientenverbesserungen nicht erforderlich, weil bei einer Elektrifizierung steilere Streckenneigungen ohne Schwierigkeiten bewältigt werden können.
Sämtliche Projektierungsarbeiten auf sicherungs- und fernmeldetechnischem Gebiet müssen überarbeitet werden. Der durch die verspätet angewiesene Elektrifizierung entstandene Schaden lässt sich zzt. noch nicht einschätzen.
Unabhängig von dem Problem der Elektrifizierung bestehen über wesentliche Fragen der Gestaltung der Abfuhrstrecke in verschiedenen Abschnitten noch Unklarheiten, die ihre Ursachen darin haben, dass von den verantwortlichen Mitarbeitern der Hauptverwaltungen des Ministeriums für Verkehrswesen offensichtlich die große Bedeutung der Abfuhrstrecke unterschätzt wurde und sie sich nicht mit aller Konsequenz für die Klärung dieser Fragen eingesetzt haben.
Auf der gesamten Abfuhrstrecke bestehen bis heute noch Unklarheiten über die Gestaltung vorzusehender Verladeknotenpunkte. Dies ist besonders für die Entwicklung der sozialistischen Landwirtschaft bedeutungsvoll und nachträgliche Anschlüsse an die jetzt im Bau befindlichen Verkehrsgleise würden Schwierigkeiten hervorrufen.
Weitere Unklarheiten gibt es bei den Streckenabschnitten Guten-Germendorf–Gransee (keine Klarheit über Linienführung, angelaufene Projektierungsarbeiten mussten abgebrochen werden), Altlüdersdorf–Dannenwalde (Veränderung der Oberbautechnologie.) Ungenügend wurde die Frage der Bahn-Übergänge beachtet. Projektierte und hergestellte schienengleiche Überwege müssen später durch Ober- oder Unterführungen ersetzt werden. Desgleichen ist die Frage der Überholungsmöglichkeiten im Raum Rbd Grenze-Birkenwerder nicht geklärt. Es wurden Notlösungen geschaffen, die keine volle Geschwindigkeit und Durchlassfähigkeit ermöglichen. Spätere Veränderungen werden unumgänglich sein. Diese Fragen bleiben deshalb offen, weil angeblich die Mittel für eine einwandfreie Lösung nicht ausreichen.
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Seit einigen Jahren wird bei der Deutschen Reichsbahn an der Entwicklung von Spurwechselradsätzen gearbeitet. Es wurden bisher 28 Radsätze erprobt, die statt aus Forschungs- und Entwicklungsmitteln, wie es den Vorschriften entspricht, aus Investmitteln beschafft wurden. Von diesen 20 Radsätzen haben bei der Erprobung 18 große Schäden davongetragen, sodass für 80 % des Anschaffungswertes Umarbeitungen vorgenommen werden müssen. Obwohl damit die Funktionstätigkeit noch nicht bewiesen ist, soll im Reichsbahnausbesserungswerk Zwickau eine Taktstraße für die Serienproduktion von Spurwechselradsätzen gebaut werden. (Kosten ca. 6,2 Mio. DM). Es gibt auch keine Projektierungsunterlagen, trotzdem wurden bereits Werkzeugmaschinen für 100 TDM beschafft. Diese lagern im RAW Zwickau, können aber nicht bezahlt werden, weil wegen der fehlenden Projektierungsdokumentation von der Investbank keine Kontenfreigabe erteilt wurde.
Genosse Wegener, Leiter der Hauptverwaltung RAW, stellte daraufhin den Antrag, diese Maschinen ungesetzlich aus Umlaufmitteln der Deutschen Reichsbahn zu bezahlen.
Wie diese Beispiele gleichzeitig erkennen lassen, wurden bisher noch nicht genügend Schlussfolgerungen aus den Schwächen im Investgeschehen gezogen und können auch im laufenden und in den folgenden Planjahren dadurch große Schäden entstehen. So liegen z. B. Hinweise vor, dass auch bei etwa 10 % der 1961 zur Ausführung kommenden Vorhaben ein ungenügender Projektierungsvorlauf besteht und mit Bauarbeiten begonnen wurde, obwohl noch keine der Projektierungsunterlagen zur Verfügung stehen. (Gegenwärtig z. B. bei den Arbeiten auf dem Gebiet des Sicherungs- und Fernmeldewesens Strecke Magdeburg–Berlin.) Der ungenügende Projektierungsverlauf bezieht sich vor allem auf einige Abschnitte der Verkehrsmagistrale Rostock–Berlin (Plaaz–Vogelsang, Drögen–Fürstenberg, Drögen–Dannenwalde) und auf die Bauvorhaben Golm–Wustermark und Magdeburg–Berlin (Gleiserneuerung).
Dieser Zustand hemmt die Anwendung der modernen Technologie und das industrielle Bauen, weil Verhandlungen während der Projektierung mit den Industriebetrieben über moderne technische Ausrüstungen oder Fertigteile verschiedentlich negativ verlaufen und diese Betriebe mit derartigen Produkten bis in die Jahre 1962/63 bereits durch andere Planträger beauflagt sind.
Die ständig erfolgten Änderungen des Investitionsplanes im Jahre 1960 nahmen auch einige verantwortliche Funktionäre der Deutschen Reichsbahn zum Anlass, nur zögernd die Verträge für die Vorhaben des Jahres 1961 mit den ausführenden Betrieben abzuschließen, weil sie weiterhin mit Änderungen rechneten. Das wirkte sich natürlich auch nachteilig auf die Vorbereitungsarbeiten der bauausführenden Betriebe aus.
Um schnell Veränderungen auf dem Gebiet des Investgeschehens herbeizuführen und die im Bericht aufgezeigten Mängel und Schwächen zu beseitigen, müssten unseres Erachtens u. a. folgende Maßnahmen getroffen werden:
Die Bedeutung des Investitionsgeschehens müsste, besonders in Auswertung der Beschlüsse des Zentralkomitees der SED, mehr in [den] Mittelpunkt der politisch-ideologischen Arbeit gestellt und konkret beraten werden.
Die zzt. noch vorhandene Unklarheit über die Perspektive müsste durch eine konkrete Perspektivplanung als Grundlage und Ausgangspunkt für die durchzuführenden Investitionen beseitigt werden.
Zur Herstellung von Ordnung und Disziplin im Investitionsgeschehen sollte für die Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle des Investititonsplanes im MfV eine klare Abgrenzung der Verantwortlichkeit zwischen der Abteilung Forschung und Entwicklung der Hauptverwaltungen, der zentralen Abteilung Planung und der Abteilung Investitionen hergestellt und die persönliche Verantwortung festgelegt werden.
Aufgaben und Stellung der Abteilung Investitionen müssten in diesem Zusammenhang überprüft und Maßnahmen zur besseren Anleitung und Kontrolle seitens der Leitung des MfV eingeleitet werden.
Die den Hauptverwaltungen übergebenen vorläufigen Kontrollziffern sollten in erster Linie zur Abdeckung der Staatsplanvorhaben und der Fortführungsbauten verwandt werden, damit der Anteil der nicht aktivierten Investitionen gesenkt wird.
Es sollten außer einzelnen begründeten Ausnahmen in der Regel nur solche Vorhaben neu aufgenommen werden, für die der Projektierungsvorlauf (fertiges Grundprojekt), bis zum 30. Juni 1961 gesichert ist.
Deshalb sind die Planvorbereitungen für den Investitionsplan 1962 zu aktivieren, damit auf seiner Grundlage die Reihenfolge der Dringlichkeit der Projektierung festgelegt werden kann. (Dadurch wäre es auch möglich, entsprechend dem § 4 der Verordnung vom 29.10.1959 zur Verbesserung der Planung im Bauwesen,2 die Projektierungsunterlagen dem Baubetrieb termingerecht – 30. Juni 1961 – zu übergeben und innerhalb von vier Wochen die Bauvorverträge abzuschließen.)