Lage der Versorgung der Bevölkerung
23. März 1961
[Bericht] Nr. 170/61 über die Lage auf dem Gebiet der Versorgung
[Für die] geplante Präsidiumssitzung [des Ministerrats]
Aus dem MfS vorliegenden Berichten geht hervor, dass in allen Bezirken Maßnahmen zum »Beschluss des Präsidiums des Ministerrates über Maßnahmen zur Organisierung der Versorgung der Bevölkerung vom 10.11.1960«1 sowie zum »Beschluss des Präsidiums des Ministerrates zur Erhöhung der Verantwortung der Räte in den kreisangehörigen Städten auf dem Gebiet des Handels und der Versorgung vom 5.1.1961«2 eingeleitet worden sind, wenn auch in unterschiedlichem Umfang und mit verschiedenartigem Erfolg. In einer Reihe von Bezirken und Kreisen wurden sofort nach Verlautbarung des Beschlusses vom 10.11.1960 Kommissionen oder Operativstäbe gebildet mit dem Ziel, die Handelstätigkeit zu verbessern und auf diesem Gebiet bereits getroffene Festlegungen zu verwirklichen.
Dabei zeigte sich jedoch, dass die Auswertung der Beschlüsse nicht in der notwendigen Breite erfolgte und daher auch kaum eine sofortige spürbare Verbesserung der Handelstätigkeit bewirkte. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass diese Schwäche häufig mit Kadermangel in den verantwortlichen Abteilungen des Staatsapparates begründet und entschuldigt wird (Bezirke Cottbus, Erfurt, Kreis Havelberg/Magdeburg u. a.), in Einzelfällen auch mit dem Einsatz verantwortlicher Mitarbeiter für Handel zur Lösung von Aufgaben anderer Arbeitsbereiche.
Übereinstimmend wird von den Bezirken auch eingeschätzt, dass die anfängliche Initiative der Handelsorgane und -kommissionen zur Auswertung der Beschlüsse in den letzten Wochen nachgelassen hat. Dies führte zu einem Rückgang u. a. in der Anleitung und Kontrolle der örtlichen Handelsorgane und im Einfluss des Handels auf die Produktionsbetriebe, der immer noch als völlig ungenügend eingeschätzt wird. In einigen Bezirken verzögert sich die geforderte tägliche Berichterstattung an die Räte der Bezirke oder wird überhaupt nicht mehr durchgeführt, was u. a. im Bezirk Frankfurt/O. seine Ursache darin hat, dass Anfragen der Kreise in der täglichen Berichterstattung an den Bezirk unbeantwortet blieben. Nach einigen hier vorliegenden Hinweisen soll selbst im Ministerium für Handel und Versorgung die weitere Kontrolle des Beschlusses vom 10.11.1960 vernachlässigt werden, nachdem die Kontrollmaßnahmen durch den Sektor Kontrolle und Inspektion Ende Dezember 1960 eingestellt wurden. Nach Einschätzung von Fachexperten soll dadurch keine zentrale Übersicht über die Realisierung des Beschlusses mehr vorhanden sein; vor allem würde eine Kontrolle über die Erfüllung der Lieferpläne der Industrie an den Handel völlig fehlen.
Seitens der Staatlichen Plankommission, Abteilung Chemische Industrie, wurde trotz Festlegung im Beschluss nicht sofort die Erarbeitung eines Aufholeplanes vorgenommen, sodass auch gegenwärtig noch erhebliche Rückstände bei der Industrie bestehen und z. B. Schwierigkeiten in der Versorgung der Bevölkerung mit Waschmitteln nicht behoben wurden.
Auch von der Abteilung Textil-Bekleidung-Leder der Staatlichen Plankommission sollen nach vorliegenden Hinweisen [keine] konkrete[n] Festlegungen zur Aufholung der Produktionsrückstände getroffen worden sein, obwohl sie im Beschluss (Punkt 8) dazu verpflichtet wurde; es ist lediglich eine Analyse der zzt. bestehenden Rückstände gefertigt worden.
Die ungenügende und nicht allseitige Verbesserung der Handelstätigkeit und das zeitweilig unzureichende Warenangebot haben zu einer relativ breiten Unzufriedenheit unter der Bevölkerung geführt, auf deren Auswirkungen bei der Darlegung der Mängel im einzelnen Warenpositionen teilweise noch näher eingegangen wird.
Zur Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln
Unzufriedene und vereinzelt auch provokatorische Diskussionen lösten die im I. Quartal 1961 aufgetretenen und vermutlich auch im II. Quartal nicht restlos zu beseitigenden Schwierigkeiten in der Versorgung mit Schweinefleisch (Speck), Molkereiprodukten, Frischfisch und teilweise Mehl Type 405, Babysan und Hafererzeugnissen aus. Aus Handelskreisen der örtlichen Ebene werden dabei noch Befürchtungen bekannt, dass sich im II. Quartal 1961 diese Positionen in allen Bezirken noch durch größere Lücken im Angebot von Kartoffeln und Geflügel, teilweise auch Eiern erweitern werden.
Das mangelnde Angebot an Schweinefleisch führt in mehreren Bezirken zu Schlangenbildungen vor den Fleischergeschäften, besonders am Wochenende. Dabei kommt es zu starken unzufriedenen Äußerungen über die unzureichende Warenbereitstellung, die auch für Speck und die verschiedensten Wurstsortimente zutrifft. Im Bezirk Cottbus kann zzt. nicht einmal Speck zu Rouladen verkauft werden. Trotz Verringerung der vorher angebotenen Wurstsortimente, die sich aus dem Zurückgehen des Anteils Schweinefleisch ergibt, besteht auch bei den gegenwärtig noch erhältlichen Sortimenten teilweise ein Verhältnis von 30 bis 40 % Schweinefleisch zu 60 bis 70 % Rindfleisch, obwohl die Rezepturen der gebräuchlichsten Wurstsorten ein annähernd umgekehrtes Verhältnis der Anteile Rind-/Schweinefleisch vorsehen. Eine Folge der jetzigen Verarbeitung einer Höchstmenge Rindfleisch ist eine gewisse Verteuerung der Wurstarten, wofür von den Kunden häufig kein Verständnis aufgebracht wird.
Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass der erhöhte Auftrieb von Rindern, der quantitativ zu einem gewissen Ausgleich für die Nichterfüllung der Schweinefleischproduktion führte, von der Mehrzahl der Bezirke mit der Futterknappheit begründet wird. Die Bezirke machen weiterhin darauf aufmerksam, dass sich die Fehlpositionen in der eigenen Erfassung seit Januar ständig erhöhen und dass infolge Nichteinhaltung der Sauenbedeckungspläne und der Mastverträge sowie hoher Ferkelsterblichkeit und Viehverendungen mit einem weiteren Ansteigen der Rückstände gerechnet wird.
Aus einer Statistik des Bezirkes Schwerin geht z. B. hervor, dass das staatliche Aufkommen bei Schweinen bisher nur mit ca. 75 % erfüllt wurde und dass der Rückstand bereits bei weit über 1 000 t liegt. Dagegen wurde im gleichen Bezirk der Plan bei Rind übererfüllt. Als Ursache für den unbefriedigenden Schweineauftrieb wird u. a. vom Bezirk Schwerin neben den bekannten Mängeln in der Viehwirtschaft angeführt, dass besonders die LPG Typ III3 Ende des IV. Quartals 1960 alle Schweine im Schlachtgewicht mit 110 kg zur Erfüllung ihres Planes zur Ablieferung brachten, zzt. zahlreiche Hausschlachtungen in bäuerlichen Betrieben stattfinden und die Tiere in den Mastanstalten aufgrund der unzureichenden Futtergrundlage auf Erhaltungsfutter gesetzt wurden.
Im Bezirk Suhl würden 11 290 Stück Schweine fehlen, um eine ausreichende und sortimentsgerechte Versorgung der Bevölkerung sicherzustellen, während im Bezirk Erfurt allein bis Februar über 1 000 t Schweinefleisch nicht gebracht wurden.
In den Bezirken und Kreisen, in denen der Viehauftrieb große Mängel aufweist, so z. B. in den Kreisen Tangerhütte und Havelberg/Magdeburg, wird der Bedarf der Bevölkerung gegenwärtig nur mit 50 bis 60 % gedeckt und entstehen am Wochenende vor den Fleischereigeschäften große Käuferschlangen. Im Kreis Havelberg wurden in letzter Zeit Gerüchte hinsichtlich einer angeblich in Kürze erfolgenden Rationierung verbreitet.
Einige Bezirke (z. B. Erfurt, Magdeburg) haben bereits im IV. Quartal 1960 Vorgriffe auf den Plan Fleischaufkommen I./1961 gestattet, wodurch sich die Schwierigkeiten verstärken. Erst jetzt wurde eine korrekte Einhaltung der Dekadenmengen organisiert. Im Kreis Worbis/Erfurt u. a. Kreisen wirkt sich das so aus, dass in den Geschäften verstärkt Fleisch zum Einkochen eingekauft wird. In diesem Zusammenhang tritt wie alljährlich das Gerücht auf, dass die wichtigsten Lebensmittelarten zum Verbrauch auf der Leipziger Messe zur Verfügung gestellt wurden, um dort einen guten Lebensstandard der DDR zu repräsentieren, wobei der Bevölkerung in den übrigen Städten jedoch diese Mengen entzogen würden. (Gerücht kursiert u. a. im Bezirk Frankfurt/O.)
Aus der geschilderten Situation ergibt sich eine unkontinuierliche Belieferung der Schlachthöfe mit Schlachtvieh. Die Bezirke – bis auf Halle und Groß-Berlin – schätzen übereinstimmend ein, dass eine kontinuierliche und planmäßige Anlieferung von Schlachtvieh an die Schlachthöfe nicht gewährleistet ist.
Die Ursachen liegen in der Hauptsache im nicht plangerechten Auftrieb von Schlachtvieh und in der sporadischen Arbeit der Erfasser der VEAB sowie im hohen Rückstand des Auftriebs von Schlachtschweinen. Das Lebendvieh wird nicht nach der Tagesplanauflage erfasst, und die wöchentlichen Vorausmeldungen der VEAB an die Schlachthöfe stimmen nicht mit den folgenden Leistungen überein. Auswirkungen zeigen sich u. a. darin, dass Schlachthöfe am Wochenanfang zu gering beliefert werden, sodass die Kapazität nicht ausgelastet wird, am Wochenende – besonders auch am Monats- und Quartalsende – jedoch mit Schlachtvieh überhäuft sind, sodass 3-Schichten-Arbeit sowie Überstunden geleistet werden müssen. Der Schlachthof Greifswald z. B. hat eine tägliche Durchschnittskapazität von 120 Schweinen und 25 Rindern; am 2.2.1961 wurden aber nur 14 Schweine, am 4.2.1961 13 Schweine angeliefert, jedoch am 14.2.1961 141 Schweine und 24 Rinder und am 15.2.1961 232 Schweine und 48 Rinder.
In der Konsum-Fleischerei Freiberg ist ein ähnlicher Zustand zu verzeichnen, und zeitweise ergibt sich nur eine 50%ige Auslastung. Nach Sonderauftrieben waren Überstunden erforderlich.
Im Fleischkombinat Stalinstadt wurden die Fleischer zu Hofarbeiten, zum Sägespäne-Schaufeln und Etiketten-Kleben herangezogen, wofür ihnen der Durchschnittslohn gezahlt wurde. Infolge sporadischer Anlieferung großer Mengen und zu leistender Überstunden wurde dort der Lohnfonds 1960 mit 43 700 DM überzogen. In diesem Jahr zeigt sich bereits die gleiche Tendenz.
In einer Reihe von Schlachthöfen (z. B. Neubrandenburg) steigt zzt. die Anlieferung von Rindern an, meistens mit der Begründung, dass einige landwirtschaftliche Betriebe ihre Bestände infolge Futtermangels verringern.
Die zur Verfügung stehenden Mengen Frischfisch, die einen gewissen Ausgleich zum fehlenden Fleischaufkommen bilden könnten, reichen in der gegenwärtigen Lage nicht aus, sodass es auch vor den Fischgeschäften mehrfach zu Käuferschlangen kommt. Im Kreis Lübz/Schwerin stehen die Kunden teilweise bereits vor 6.00 Uhr vor den Verkaufsstellen an. Durch den ungenügenden Nachschub von Frischfisch und Fischfilets sind u. a. Großküchen und Gaststätten zur Herstellung von Fleischspeisen gezwungen. Im Zusammenhang mit dem Fischverkauf während der jetzt bevorstehenden wärmeren Jahreszeit weisen besonders die Landverkaufsstellen (z. B. Bezirk Erfurt) darauf hin, dass die Lagerkapazitäten (insbesondere Kühlzellen) nicht ausreichen und nach größeren Lieferungen, die nicht sofort umgeschlagen werden können, eine Verderbgefährdung der Waren eintreten kann.
Nach Auffassung der örtlichen Handelsfunktionäre werden auch im II. Quartal 1961 die zzt. bestehenden Lücken im Angebot von Geflügel nicht vollkommen geschlossen werden können, da inzwischen alle Reserven verbraucht wurden. In einigen Bezirken machte sich das fehlende Angebot bereits im I. Quartal 1961 bemerkbar, wie z. B. im Bezirk Potsdam.
So wurden für das Stadtgebiet Potsdam im I. Quartal 1961 nur ca. 7 t Geflügel geliefert, obwohl allein bis zum 10.2.1961 20 t eingeplant waren. Dadurch konnten nicht einmal die Spezialverkaufsstellen ausreichend beliefert werden.
Die Mehrzahl der Bezirke schätzt ein, dass die ständig steigenden Milchrückstände im Allgemeinen auf die mangelhafte Futtergrundlage (Erhaltungsfutter) zurückgeführt werden. In wenigen Fällen werden die Offenställe als Ursache angeführt,4 durch die während der kalten Tage Anfang des Jahres ein beträchtliches Absinken der Milchleistungen eingetreten sei. Als hauptsächlichste Ursachen sind jedoch nach wie vor die mangelhafte Pflege der Kuhbestände und die Vernachlässigung der Aufzucht anzusehen.
Die Auswirkungen zeigen sich u. a. darin, dass Trinkvollmilch – besonders in Flaschen abgefüllte – im Handel unzureichend erhältlich ist und in einigen Verkaufsstellen bereits Beschwerden junger Mütter vorliegen, die nach den Mittagsstunden keine Vollmilch für Kleinstkinder erhielten (Bezirke Halle und Potsdam).
In Auswirkung des mangelhaften Milchaufkommens und des nicht termingemäßen Eingangs von Butterimporten treten immer noch Lücken im Angebot von Butter und anderen Molkereiprodukten auf.
Nach hier vorliegenden Hinweisen wird von Fachexperten eingeschätzt, dass der Warenfonds bei Butter sehr knapp geplant ist und eine Bedarfserhöhung pro Kopf vermutlich nicht mit einkalkuliert wurde, obwohl Erfahrungswerte aus den vergangenen Jahren hinsichtlich des ständig steigenden Verbrauchs vorliegen.
Zur Behebung der Komplikationen in der Butterversorgung vor allem in den Bezirken Dresden und Karl-Marx-Stadt (Kreis Rochlitz, Hainichen, Auerbach und Karl-Marx-Stadt/Land) wurden dort und in einer Reihe von Kreisen anderer Bezirke Kundenlisten eingeführt, um eine einigermaßen gleichmäßige Verteilung der Bestände vornehmen zu können.
Nach unseren Feststellungen bietet jedoch diese Form noch keine Gewähr für eine annähernde Kontrolle. Neben anderen Beispielen wurde u. a. aus dem Kreis Freiberg bekannt, dass nach Kundenlisten ca. 8 000 Menschen mehr erfasst sind als der Kreis Einwohner zählt.
In einer Reihe von Fällen wurden erhöhte Buttereinkäufe durchgeführt, oder es wurde festgestellt, dass Bürger in anderen Bezirken und Kreisen größere Einkäufe tätigten, z. B. in den Bezirken Halle und Magdeburg, wo in den Bezirksstädten keine Kundenlisten eingerichtet wurden.
Im Bezirk Schwerin war die Tendenz vorhanden, dass Konsummitglieder damit drohten, die Teilnahme an den Wahlen der Verkaufsausschüsse zu verweigern, falls sich die Butterversorgung nicht bessere.
Eine Überprüfung im Bezirk Neubrandenburg ergab, dass die Butterversorgung durch falsche Kontingentverteilung des Rates des Bezirkes, Abteilung Handel und Versorgung, in den Kreisen sehr unterschiedlich war, sodass in einigen Kreisen ernste Unzufriedenheit bestand. Demgegenüber konnten andere Kreise Ende Februar größere Mengen Butter zurückgeben, wovon ein Teil bereits verdorben war.
Magermilch, Kaffeesahne, Quark und einige Sorten Käse sind unzureichend im Handel. Mehrfach wird von der Bevölkerung Unverständnis geäußert, dass z. B. bei Schmelzkäse ein Überangebot besteht, während Schnittkäse fast überhaupt nicht zu bekommen ist, obwohl die Rohprodukte für beide Warenarten die gleichen sind. Die Molkereien begründen den größeren Produktionsausstoß an Schmelzkäse damit, dass im Gegensatz zur Produktion von Schnittkäse ein höherer t-Ausstoß erzielt werde und verweisen darauf, dass diese Auffassung auch von der Staatlichen Plankommission vertreten werde.
Obwohl sich die Erfassung von Eiern im II. Quartal des Jahres erfahrungsgemäß immer verbessert, machen einige Bezirke auf hohe Rückstände im Aufkommen und auf die damit unzulängliche Bevorratung zum Osterfest aufmerksam.
Im Bezirk Erfurt bestand Ende Februar 1961 ein Rückstand im Eieraufkommen von 2,1 Mio. Stück. Dieser Rückstand ist innerhalb weniger Tage entstanden, nachdem die Erfassungsorgane Anfang Februar 1961 nur auf die Vieherfassung orientierten und die Eiererfassung vernachlässigten.
In einigen Kreisen (z. B. Kreis. Heiligenstadt) ist ein Rückgang in den Abgaben nichtablieferungspflichtiger Betriebe eingetreten. Das wird auf das angeblich zzt. ungünstige Austauschverhältnis (acht abgelieferte Eier = 1 kg Futtergetreide) zurückgeführt.
Groß-Berlin weist auf mangelnde Kontingente in Konservenglas hin. Von der GHG wurden 1960 845 t Konservenglas geliefert, die dem Bedarf der Bevölkerung entsprachen; 1961 sind jedoch nur 490 t vorgesehen.
Alle Bezirke schätzen ein, dass das Fehlen von Edelspirituosen und Sekt besonders während der Osterfeiertage und der bevorstehenden Feiern der Jugendweihe zur Unzufriedenheit unter der Bevölkerung führen wird.
Aus den hier vorliegenden Berichten geht hervor, dass z. T. große Lücken in der Versorgung der Großküchen und des Handels mit Kartoffeln entstanden sind.
Die Versorgung der Großverbraucher und des Handels mit Speisekartoffeln ist nicht restlos bis zum Anschluss an die neue Ernte gesichert. In fast allen Bezirken traten bereits im I. Quartal 1961 Schwierigkeiten in der Kartoffelversorgung auf.
Die Bezirke Potsdam, Groß-Berlin, Frankfurt/O., Schwerin und Magdeburg, die im I. Quartal 1961 den Handel und die Großverbraucher noch mit ausreichend Kartoffelmengen beliefern konnten, machen aber übereinstimmend darauf aufmerksam, dass noch kein umfassender Überblick über die evtl. entstehende Fehlmenge durch Verderb infolge Nass- und Braunfäule besteht, und dass sich die Situation nach Feststellung der verbleibenden Bestände sofort ändern kann. Im Bezirk Magdeburg wurden z. B. bisher 1 279,5 t ziemlich verdorbene Kartoffeln vom Handel zum Austausch angemeldet; da die Mieten jedoch bisher zum größten Teil noch nicht geöffnet wurden, konnte darüber vorläufig nicht entschieden werden.
Um größeren Schwierigkeiten vorzubeugen, sind in den meisten Bezirken bereits Sparmaßnahmen angeordnet worden. Z. B. wurde im Bezirk Karl-Marx-Stadt, wo die Kartoffelversorgung besonders in den Wismut-Speisegaststätten und -Küchen angespannt ist, veranlasst, dass die Werkküchen 50 % und die Gaststätten 30 % Nährmittelgerichte (ohne Kartoffeln) verabreichen. Ähnlich berichten die Bezirke Halle (besonders aus den Urlauberorten), Gera, Dresden u. a., wo die Großverbraucher wöchentlich zwei- bis dreimal Teigwaren verabreichen.
Im Bezirk Leipzig waren Mitropa-Gaststätten mehrere Tage ohne Kartoffeln und konnten nur Teigwarengerichte anbieten.
Besonders angespannt ist die Situation nach hier vorliegenden Berichten im Bezirk Erfurt, wo seitens der VEAB die Kartoffellieferungen an den Handel gesperrt werden mussten, sodass Haushalte, die keine Kartoffeln einkellerten, z. T. ohne Kartoffeln sind. Im Bezirk Erfurt besteht ebenfalls keine Klarheit über die verdorbenen Kartoffelbestände; der Verlust wird aber, ähnlich wie in anderen Bezirken, auf ca. 25 % geschätzt. In diesem Bezirk besteht noch keine Vorstellung, wie die Schwierigkeiten überbrückt werden sollen, zumal die Nährmittelwerke Reichenbach und Zeitz mit den Lieferungen an den Bezirk Erfurt im Rückstand sind (u. a. durch Waggonmangel).
In wenigen Bezirken (z. B. Suhl und Rostock) wurden Maßnahmen zur verstärkten Kartoffelerfassung und zum Aufkauf von Überbeständen eingeleitet. In Suhl wurden von den Handelsorganen Kommissionen gebildet, die täglich die Erfassung und den Aufkauf organisieren. Dabei werden jedoch häufig solche Auffassungen von Bauern angetroffen, wonach die Überbestände an Kartoffeln infolge der angespannten Futtergrundlage für die Viehfütterung verwandt werden sollen, um höhere Auszahlungen bei der Ablieferung zu erreichen (Suhl, Leipzig).
Entsprechend vorliegenden Hinweisen hat die Mehrzahl der Bezirke Maßnahmen zur ständigen Sortierung der Kartoffelbestände bei den Großverbrauchern eingeleitet mit dem Ziel, einen weiteren Verderb einzuschränken.
Der Bezirk Karl-Marx-Stadt weist darauf hin, dass die eingeleiteten Maßnahmen zur Einsparung von Kartoffeln und zur Verstärkung des eigenen Aufkommens zu keiner Veränderung der Situation führten und einige Großverbraucher nur noch für einige Tage bevorratet sind.
Die bisher geschätzten Fehlmengen in einzelnen Bezirken sind beträchtlich und können durch Eigenaufkommen fast nicht mehr verringert werden (Gera ca. 1 200 t Kartoffeln, Dresden ca. 2 000 t nur für das I. Quartal 1961, usw.).
Unzufriedene Diskussionen der Bevölkerung hinsichtlich der Kartoffelversorgung werden in Einzelfällen noch durch unrichtige Maßnahmen örtlicher Staats- oder Wirtschaftsorgane gefördert. So wurde z. B. in der medizinischen Akademie Dresden ein Aushang angebracht, in dem die Weisung über die Kürzung des Kartoffelverbrauchs bei der Speisezubereitung veröffentlicht wurde. Zu bemerken ist weiterhin noch, dass die Auslieferung der Waren an die Verkaufsstellen häufig infolge zu geringer Kapazitäten des Fuhrparks (u. a. Reifenmangel) oder durch Zersplitterung und Unübersichtlichkeit der Lager verzögert wird und aus den daraus zeitweise entstandenen Lücken im Warenangebot Missstimmungen unter der Bevölkerung entstehen (z. B. Ernstthal/Neuhaus/Suhl und Karl-Marx-Stadt). In den Diskussionen über die vorgenannten Probleme der Handelstätigkeit werden zunehmend Zweifel an der Erreichung der ökonomischen Hauptaufgabe zum Ausdruck gebracht, wobei stärker bestimmte Vergleiche mit der Westzone angestellt und zu ihren Gunsten erklärt werden. In landwirtschaftlichen Gebieten hat in diesem Zusammenhang auch die Argumentation wieder zugenommen, dass sich die Ernährungsgrundlage der DDR nach Gründung der Genossenschaften verschlechtert habe, was als Beweis für die »Überlegenheit« der bäuerlichen Einzelwirtschaft ausgelegt wird.
Direkte provokatorische Handlungen im Zusammenhang mit den aufgezeigten Versorgungsschwierigkeiten sind nicht bekannt geworden.
Zur Versorgung der Bevölkerung mit verschiedenen Textilerzeugnissen
Das MfS erhielt in letzter Zeit eine größere Anzahl von Hinweisen, wonach das Angebot besonders in solchen Erzeugnissen wie Untertrikotagen, Kinderbekleidung, Babywäsche und Kinderschuhen in den notwendigen Größen und Sortimenten nicht ausreicht, wobei das Sortiment an Baumwollerzeugnissen als besonders unzureichend bezeichnet wird.
Der Mangel an Burschenoberbekleidung wirkt sich infolge der erhöhten Nachfrage in Vorbereitung der Jugendweihen in allen Bezirken ungünstig aus und führt zu unzufriedenen Diskussionen in allen Bevölkerungskreisen.
Dabei wird besonders darauf hingewiesen, dass diese Schwierigkeiten in jedem Jahr zu verzeichnen sind. Die Konsum-Verkaufsstellen des Kreises Perleberg/Schwerin hatten z. B. Ende Februar 1961 nur ein Angebot von insgesamt 14 Burschenanzügen. Der Handel ist nicht in der Lage, Auskunft über folgende Lieferungen zu geben, da in den Auslieferungslagern der Nachkauf nicht gewährleistet ist.
Die Lage in der Versorgung mit Ober- und Untertrikotagen wird durch Nichtunterbringung von Verträgen bei den Herstellerwerken, Stornierung von Verträgen, Nichteinhaltung der Lieferfristen oder teilweise Plankürzungen charakterisiert. Im Bezirk Frankfurt/O. deckt z. B. der Plan 1961 den Bedarf nur mit ca. 70 %; gegenüber 1960 sieht der Plan keine Steigerung der einzelnen Positionen vor. Der Bezirk Schwerin soll nur über ca. ⅓ der Ware gegenüber 1960, besonders in Oberbekleidung für Jugendliche, verfügen. In Groß-Berlin ergibt die Belieferung mit Untertrikotagen (Baumwolle) im 1. Halbjahr 1961 folgendes Bild:
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Bedarf für Berlin: 3 216 TStck
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Planmenge: 2 916 TStck
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vertragl. gebunden: 2 801 TStck
Der Bedarf an Knabenanzügen liegt in Berlin bei 19 000 Stück, vertraglich konnten aber erst 7 600 Stück gebunden werden.
Das Angebot an Arbeits- und Oberhemden reicht nicht aus. Vorschlägen des Handels zur Verbesserung des Angebots wird vereinzelt durch administratives Handeln des Staatsapparates entgegengewirkt. So versuchten die Handelsorgane in Jena, da ausreichend Meterware für Arbeits- und Oberhemden vorhanden war, den Konsum in Apolda und Zwickau für Näharbeiten zu gewinnen. Ein Vertrag kam jedoch nicht zustande, da sich die Finanzämter nicht einig wurden, an wen die Steuern abzuführen sind.
Von der Bevölkerung wird auch das unzureichende und vielfach geschmacklose Angebot an Kinderbekleidung für die Übergangssaison (Frühjahr) bemängelt. Häufig ist bei Hausfrauen die Meinung anzutreffen, dass die Produktionsbetriebe die Anfertigung von Erwachsenenbekleidung vorziehen würden, um den Plan eher zu erfüllen.
Kinderschuhe in den Größen 23–36 und Lederschuhe in anderen Größen sind unzureichend im Handel. Der GHG Schuhe und Lederwaren Frankfurt/O. z. B. wurden für das Jahr 1961 50 000 Paar Schuhe aus dem Warenbreitstellungsplan gestrichen, was sich ungünstig im Angebot auswirkt. Das HO-Kaufhaus Greiz hat z. B. in der letzten Woche Februar 1961 sechs Paar Lederschuhe erhalten.
In allen Bezirken wird der zzt. bestehende große Engpass an Windeln zu unzufriedenen Äußerungen besonders junger Mütter genommen. Der Jahresbedarf liegt in Berlin bei ca. 400 TStck Windeln, im 1. Halbj. 1961 konnten jedoch nur 105 TStck, vertraglich gebunden werden. Die aus dem VEB »Planet« Eppendorf noch aus dem IV./60 zu liefernde Menge von 14 000 Stück Windeln wird wegen Nichteinhaltung der Verträge, angeblich aufgrund von Produktionsumstellungen, nicht gebracht. In Gera und anderen Bezirken gibt es bereits ernste Schwierigkeiten in der Versorgung der Entbindungsheime und Krankenhäuser mit Windeln. Eine ähnliche Lage ergibt sich in der Bereitstellung von Wickeltüchern (Vertragsabschlüsse liegen bei ca. 50 %) und Erstlings-Ausstattungen.
Aus der Mehrzahl der Bezirke liegen Äußerungen von Handelsfunktionären vor, dass es durch den Winterschlussverkauf nicht gelungen sei, die vorhandenen Überplanbestände entscheidend abzubauen. Die Käufer bezeichneten das Angebot vielfach als unmodisch und noch zu teuer.
Bezeichnend ist, dass sich in letzter Zeit die Hinweise bzw. Argumente bezüglich vermutlicher schleichender Preiserhöhungen in der Textilbranche mehren. Dabei wurde im Bezirk Leipzig z. B. Kinderbekleidung (vor allem Anoraks, Kleider und Mäntel) angeführt, die im vergangenen Jahr trotz gleicher Form und Qualität billiger verkauft wurde.