Lage im Industriezweig Glas und Keramik
4. Dezember 1961
Bericht Nr. 749/61 über einige wesentliche Mängel und Schwächen im Industriezweig Glas und Keramik
Nach vorliegenden Informationen bestehen im Industriezweig Glas und Keramik einige wesentliche Mängel und Schwächen, die die vorhandenen Disproportionen zwischen dem Bedarf und dem Aufkommen an Glas- und Keramischen -Erzeugnissen für den Export, die Wirtschaft und die Versorgung der Bevölkerung der DDR noch weiter verschärfen.
Allgemein ist einzuschätzen, dass diese Erscheinungen zu einem großen Teil auf die ungenügende Leitungstätigkeit der zuständigen Organe dieses Industriezweiges, angefangen von den zentralen Organen bis zu den VVB, zurückzuführen sind.
Aus den Informationen ist ersichtlich, dass diese Organe in einer Reihe von grundlegenden Fragen keinen Überblick haben und deshalb administrieren und klaren Entscheidungen ausweichen.
Obwohl allgemein bekannt ist, dass die technischen Einrichtungen der Glas- und Keramischen Betriebe der DDR äußerst veraltet sind und die Produktion hauptsächlich noch manuell erfolgt, sind die Maßnahmen zur Erhöhung der Arbeitsproduktivität durch Modernisierung, Mechanisierung und Automatisierung der Betriebe als völlig unzureichend zu bezeichnen. Der teilweise hohe Kostenaufwand für diese Maßnahmen steht häufig im Widerspruch zu dem wirklich erzielten Nutzeffekt.
Diese Entwicklung insgesamt ist auch eine wesentliche Ursache für die ständige Abwanderung von Arbeitskräften in andere Industriezweige und die darauf zurückzuführenden Schwierigkeiten in der Produktion.
Aufgrund dieser Situation und es Fehlens von Arbeitskräften geht z. B. die Produktion von Wirtschaftsglas in den beiden bedeutenden zentral geleiteten Betrieben, VEB Oberlausitzer Glaswerke und VEB Bärenhütte ständig zurück.
Im VEB Bärenhütte wurde 1955/56 noch mit 50 Werkstellen gearbeitet. Jede Werkstelle fertigt ca. 500 Kelchgläser pro Tag. Zzt. sind noch 35 Werkstellen im Plan, tatsächlich besetzt aber nur 28. Dies entspricht einem Produktionsrückgang in den letzten fünf Jahren um 44 %.
Zur Veränderung dieser Situation sind im Plan »Neue Technik«1 des Industriezweiges Glas und Keramik zwar eine Reihe von Maßnahmen zur Modernisierung und Mechanisierung der technischen Anlagen vorgesehen, wobei jedoch die Realität dieser Maßnahmen aufgrund verschiedener Hinweise sehr zweifelhaft erscheint. Z. B. wurde bekannt, dass die finanzielle Sicherung dieser Maßnahmen noch völlig ungeklärt sei. Für 1961/62 seien bereits finanzielle Kürzungen erfolgt, sodass der Plan der Invest- und Staatsplanvorhaben schon nicht mehr als real anzusehen sei. Weiterhin zeigen sich auch bei der Realisierung der wichtigsten Vorhaben für 1961 erhebliche Rückstände und Mängel.
Im VEB Oberlausitzer Glaswerk Weißwasser z. B. sollte ab 2. Januar 1961 die vollautomatische Produktion von Bierbechern mit 7 mm dickem Eisboden auf der IV-Maschine, die ursprünglich für die Glühlampenherstellung bestimmt war, erfolgen. An dem entsprechenden Forschungsauftrag zum Einsatz dieser Maschine wurde über vier Jahre gearbeitet. Zur Aufnahme der Produktion von Bierbechern auf dieser Maschine musste 1960 eine Wanne gebaut werden, nach deren Inbetriebnahme im Oktober 1960 sich herausstellte, dass sie für den versprochenen Zweck zu klein ist. Durch Erzielung einer höheren Umdrehungszahl bei der IV-Maschine reichte die Glasmenge nicht mehr aus. Einem täglichen Bedarf von 6,25 bzw. 6,85 t Glas steht nur eine Tagesausbeute von 4,5 t Glas gegenüber.
Dieser Zustand trägt zur Minderung der Qualität des Glases bei und führt dazu, dass die Maschine zeitweilig nur mit einem Saugkopf arbeiten kann.
Die Produktionsziele für 1961 werden voraussichtlich nur mit ca. 75 % erfüllt werden. Beachtenswert ist dabei, dass bisher nur ca. ⅓ der maschinellen Produktion verkaufsfähig ist, ⅔ dagegen sind als Ausschuss zu klassifizieren. Die Produktionsaufgabe, schwere Becher mit Eisboden herzustellen, konnte bisher überhaupt noch nicht verwirklicht werden.
In diesem Zusammenhang soll auch auf die finanziellen Auswirkungen hingewiesen werden. Die Herstellung von Haushaltsbechern auf dieser Maschine erfolgt nach den bisherigen Berechnungen mit einem Kostenaufwand von 53,37 DM pro 100 Stück Die gleiche Anzahl Becher mundgeblasen kostet jedoch nur 32,96 DM, sodass bei der maschinellen Produktion über 20,00 DM pro 100 Becher zugezahlt werden müssen.
Selbst bei Reduzierung des Ausschusses auf einen Normalstand von 30 % und die Senkung der Kosten um 50 %, was erhebliche Schwierigkeiten bereiten dürfte, würde nach Meinung von Experten den Investitionen von 1,4 Mio. DM für diese Anlage nur eine geringfügige Einsparung im Verhältnis zur manuellen Fertigung gegenüberstehen.
Verantwortlich für die Vorbereitung und den Anlauf dieser Produktion war der technische Leiter der VVB (Z) Glas Dresden, Genosse Frantz.
In den vorliegenden Informationen werden die zeit- und kostenraubenden Versuche zur automatischen Becherherstellung mithilfe der IV-Maschine als nutzlose Versuche am untauglichen Objekt bezeichnet, da, selbst unter günstigen Umständen, wegen des geringen Ausstoßes auch nicht annähernd das Weltniveau erreicht werden könne. Nach Auffassung von Experten sollte mit dieser Maschine in Weißwasser und Döbern Veredlungsglas produziert werden, um möglichst schnell eine bessere Befriedigung der Bedürfnisse der Bevölkerung zu erreichen.
Im Zusammenhang mit Diskussionen über die Unrentabilität des vorgenannten Projekts werden in Weißwasser Auffassungen vertreten, dass Unverständnis über die Entscheidung der VVB (B) Glas in Breitenbach bestünde, auf den Import der in den USA produzierten Hartford-Automaten M 28 zu verzichten und die Becherproduktion mit der in Freital entwickelten FA 62 lösen zu wollen. Diese Hartford-Anlage kostet 1,5 Mio. DM und wäre der DDR bereits 1955/56 angeboten worden. Mit dieser Anlage wäre es möglich gewesen, den gesamten Bedarf an Bechern für die DDR und den Export zu decken. Außerdem hätten dadurch 150 Arbeitskräfte eingespart werden können.
Die als Ersatz vorgesehene FA 62 eigne sich nicht zur Produktion von Qualitätsbechern, da sie für die Fertigung von Behälterglas (Flaschen) konstruiert sei. Der auf einer FA 62 hergestellte Becher habe eine Naht, die sich selbst durch Drehung in der Form nicht beseitigen lasse.
In diesem Zusammenhang ist auch das Vorhaben im VEB Glaswerk Freital/Dresden zu sehen, wo am 15.3.1961 die vollautomatische Herstellung von Behälterglas auf R-7-Maschinen beginnen sollte. Zu diesem Zweck wurden zwei dieser Maschinen aus Belgien importiert, wovon die erste Maschine mit Terminverzug im August dieses Jahres in Freital eintraf. Die Gesamtanlage kostet 1,3 Mio. DM.
Im Gegensatz zu dem Hartford-Automaten wird die Zweckmäßigkeit dieses Importes jedoch angezweifelt, da diese Maschine fehlerhaft arbeitet. Die damit produzierten Flaschen verziehen sich am Flaschenhals und werden, nachdem sie die Maschine verlassen haben, schief. Diese Falschen werden, da sie nicht exportfähig sind, nur im Inland abgesetzt, sodass dem Betrieb bereits ein erheblicher Rückstand in der Exportplanerfüllung entstanden ist.
Die Zweifel an der Zweckmäßigkeit des Importes der R-7 werden dadurch erhärtet, dass die in Freital nach der R-7 nachentwickelte FA 62 im Anschaffungspreis weitaus billiger ist (60 TDM) und die Produkte der FA 62 denen der R-7 in der Qualität in keiner Weise nachstehen. Die etwas geringere Leistung der FA 62 gegenüber der R-7 wird auf überwindbare Mängel in der Kühlung zurückgeführt. Außerdem ist noch zu erwähnen, dass die FA 62 wegen ihres geringen Anschaffungspreises vom kapitalistischen Ausland und auch von Westdeutschland bereits gekauft worden ist und z. B. in Bayern zur Zufriedenheit der Abnehmer arbeitet.
Die innerhalb der Leitung der VVB (Z) Glas vorherrschende ungenügende Übersicht über die wichtigsten Probleme in den ihr unterstellten Betrieben zeigt sich auch am Beispiel der für 1962 vorgesehenen Aufnahme der automatischen Kelchproduktion im VEB Glaswerke Bärenhütte.
Dazu ist vorgesehen, auf einer IV-Maschine die Kelche zu blasen und auf einer U 8 G 7-Presse die Unterteile zu pressen. Mittels einer vom Institut für Glastechnik noch zu entwickelnden Verschweißmaschine sollen danach beide Teile verschweißt werden.
Obwohl das Institut für Glastechnik bis zum Jahresende die Lieferung eines Funktionsmusters zugesagt hat, ergaben entsprechende Überprüfungen, dass die Verschweißmaschine tatsächlich erst im Themenplan für das IV. Quartal 1962 enthalten ist. Die bei Ausfall der Verschweißmaschine vorgesehene Becherproduktion auf der IV-Maschine würde, wie bereits dargelegt, zu erheblichen Verlusten führen.
Das Fehlen einer klaren Konzeption zur Lösung dieses Problems ist auch daraus ersichtlich, dass von der Leitung der VVB andererseits Erklärungen abgegeben werden, wonach vom Fachbereich Wirtschaftsglas bereits »beste« Versuche durchgeführt wurden, um den Kelch ohne Schmelzmaschine herzustellen und Ober- und Unterteil gleich mittels der IV-Maschine zu verbinden. Damit würde praktisch die Entwicklung einer Verschweißmaschine hinfällig sein.
Das erste Staatsplanvorhaben der Glasindustrie der DDR war der Aufbau des Werkteiles zur Herstellung von Fernsehkolben im VEB Spezialglaswerk Friedrichshain. Der Anlauf der Produktion in diesem Werkteil sollte ursprünglich am 2.1.1961 erfolgen. Dieser Staatsplantermin ist jedoch nicht eingehalten worden. Eine der Ursachen dafür war die verspätete und fehlerhafte Projektierung des ZPB Glas und Keramik Radebeul.
Die dann am 4.4.1961 »feierliche Inbetriebnahme« dieses Werkteils unter Teilnahme des Leiters des Sektors Glas- und Keramik bei der SPK, Komcok, der VVB (Z) Glas, der Presse, des Rundfunks- und Fernsehens ist von den Arbeitern missfällig aufgenommen worden.
Für die Öffentlichkeit wurden an diesem Tage zwar die Taktstraßen in Betrieb genommen, kurz danach aber wieder stillgelegt. Die bei der Inbetriebnahme gezeigten Fernsehkolben waren keine Produkte dieses Werkteiles, sondern ausnahmslos für diesen Zweck aus dem VEB Spezialglaswerk »Einheit« beschafft worden. Auch bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind die Taktstraßen noch nicht funktionswirksam.
Die bisherige Fertigung muss noch als Provisorium angesehen werden, da sie hauptsächlich nur durch Verkettung von funktionsreifen Aggregaten und Maschinen erfolgt, während die Gesamtanlagen für die Massenproduktion noch nicht produktionswirksam sind.
Die größten Schwierigkeiten zeigen sich an den Konusziehmaschinen, den Halsansatzmaschinen sowie in der Verschweißung und beim Pressen.
Von Mitarbeitern des Betriebes wird die Auffassung vertreten, dass vor dem II. Quartal 1962 kaum mit einer regulären Produktion in Friedrichshain gerechnet werden kann.
Eine wesentliche Ursache für die derzeitigen Schwierigkeiten ist die Weisung der VVB (Z) Glas, trotz Warnung des Instituts für Glastechnik, nicht erprobte Funktionsmuster in Friedrichshain einzusetzen.
Die Leitung der VVB (Z) Glas Dresden begründet ihre Anweisung zum Einsatz der Funktionsmuster ohne vorherige Erprobung mit der Forderung des Genossen Ulbricht, mehr Mut zu zeigen, um die langen Zeiten von der Entwicklung bis zur Überführung in die Produktion zu verkürzen. Sie hätten den Mut aufgebracht, dabei aber Pech gehabt.
In diesem Zusammenhang muss auch auf Meinungsäußerungen von Fachexperten hingewiesen werden, die die Standortwahl dieses Werkes von der Seite des Arbeitskräfteproblems aus gesehen für ungünstig halten und außerdem den Standpunkt vertreten, dass ein neues Werk weit billiger geworden wäre als der Ausbau in Friedrichshain, der bis jetzt bereits 40 Mio. DM kostete.
Die mangelnde Leitungstätigkeit des Sektors Glas und Keramik beim Volkswirtschaftsrat, der VVB (Z) Glas Dresden und der VVB (B) in Weißwasser und Großbreitenbach kommt auch darin zum Ausdruck, dass keine systematischen Maßnahmen eingeleitet werden, um die großen Unterschiede im ökonomischen Nutzeffekt zwischen den zentral- und örtlich geleiteten Betrieben zu beseitigen und vorliegende gute Erfahrungen bei der Kleinmechanisierung zu verallgemeinern.
Vergleichsweise sei hier zunächst auf die Unterschiede in der mundgeblasenen Produktion zwischen dem zentral geleiteten VEB Oberlausitzer Glaswerk Weißwasser (Betrieb der VVB (Z) Glas Dresden) und den örtlich geleiteten VEB Glaswerk Altenfeld VVB (B) Großbreitenbach hingewiesen.
Die Selbstkosten pro 100 Stück betragen beim
[Gefäß] | VEB Glaswerk Weißwasser | VEB Glaswerk Altenfeld |
---|---|---|
Bierglas Standard 0,25 l | 47,58 DM | 31,53 DM |
Haushaltsbecher | 35,00 DM | 30,94 DM |
Mostglas 0,2 l | 45,39 DM | 32,64 DM |
Die Gegenüberstellung weiterer Erzeugnisse wird dadurch erschwert, dass die einzelnen Gläser in den Betrieben nach eigenem Ermessen bezeichnet werden, wodurch die Identität der Erzeugnisse verwischt wird. Nach Ausgliederung der rentablen Bleiglasfertigung aus dem VEB Glaswerk Weißwasser, ist mit einer weiteren Verschlechterung der Kosten in diesem Betrieb zu rechnen. Große Unterschiede zu Ungunsten des VEB Glaswerk Weißwasser zeigen sich auch bei den Positionen Arbeitsproduktivität je Produktionsarbeiter, Ausschussquote, Betriebsergebnis insgesamt.
Ähnliche Tendenzen zeichnen sich auch bei Vergleichen zwischen anderen Betrieben ab, wobei insgesamt der Eindruck entsteht, dass keine ernsthaften Anstrengungen zur Aufdeckung der teilweise beträchtlichen Unterschiede in den Betriebsergebnissen und ihrer Ursachen unternommen werden.
Die ungenügende Auswertung der Erfahrungen bei der Kleinmechanisierung ist als wesentliche Ursache für diesen Zustand anzusehen. In den örtlich geleiteten Betrieben in Thüringen z. B. wurde das System der Reihenformen entwickelt, das es einem Glasbläser ermöglicht, in einem Arbeitsgang fünf oder mehr Likörgläsereinsätze aneinandergereiht auszublasen. Diese Reihenformen brachten eine Steigerung der Arbeitsproduktivität um 150 % und bei einer Jahresproduktion von 700 000 Likörgläsern eine Einsparung von 72,7 TDM.
Im zentral geleiteten VEB Glaswerk Weißwasser hat noch immer jeder Glasbläser einen Einträger, der ihm das Glas von der Pfeife abnimmt und jedes Glas einzeln zum Kühlen wegbringt. In den Thüringer Betrieben wird das Glas durch eine einfache Fußbewegung des Glasbläsers von der Pfeife abgeschlagen und rollt über eine kurze Holzbahn in einen Auffangkasten, während der Glasbläser bereits das nächste Glas ausbläst. Ein Einträger bedient hier zwei, teilweise drei Glasbläser, indem er die Auffangkästen leert und die Gläser gesammelt einträgt. Dadurch werden in den Thüringer Betrieben bei den Einträgern mindestens 50 % der Arbeitskräfte eingespart.
Im VEB Glaswerk Weißwasser wird jedes Glas durch Füllung ausgemessen, dann ausgezeichnet und danach geeicht. In Thüringen geschieht das Messen und Eichen der Gläser in einem einzigen Arbeitsgang durch eine Arbeitskraft. Das Glas wird bis zum Anschlag über einen Holzkern gesteckt, der es immer voll ausfüllt, und dann automatisch gezeichnet.
Obwohl die Thüringer Betriebe schon fünf Jahre nach dieser Methode arbeiten und ihre Verbesserungsvorschläge auch an das Leit-BfE in Weißwasser gegeben haben, arbeiten die Z-Betriebe in Weißwasser noch nicht danach.
Zu diesen und weiteren bekanntgewordenen Beispielen ist noch zu bemerken, dass es sich um Maßnahmen der Kleinmechanisierung handelt, für die keine großen Investmittel erforderlich sind. Unter Berücksichtigung der äußerst unbefriedigenden Arbeitskräftesituation im Gebiet Weißwasser muss sich dieses Verhalten besonders nachteilig auswirken.
Bei der Erzeugung von Flachglas zeigen sich ebenfalls noch eine Reihe von Hemmnissen, die sich besonders nachteilig auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität auswirken. Der VEB Glaswerk Dresden z. B. ist Alleinhersteller von Sicherheitsglas für die Kfz- und Fernsehindustrie und den Waggonbau und fertigt u. a. die Scheiben für den »Wartburg«, »Trabant« und für die Roburwerke. Dieses Werk ist nicht in der Lage, den geplanten Bedarf an geraden und gebogenen Scheiben zu decken. Zu einem großen Teil wird diese Situation dadurch hervorgerufen, dass das Werk keine Möglichkeiten hat und von der VVB (Z) Glas Dresden auch kaum Unterstützung erhält, um eine rationelle Produktion organisieren und einen entsprechenden Einfluss auf die bestellenden Betriebe ausüben können.
Besonders die Kraftfahrzeugindustrie verstößt grob gegen die Standardisierung auf diesem Gebiet, was u. a. mit dazu führt, dass in der relativ kleinen Abteilung Sicherheitsglas des VEB Glaswerk Dresden gegenwärtig Scheiben nach ca. 8 000 verschiedenen Größen produziert werden. Dabei wird jede Scheibe nach der Schablone manuell geschnitten und größtenteils auch manuell geschliffen. So gibt es z. B. Abweichungen bei der Türscheibe des H3A zwischen dem VEB Kraftfahrzeugwerk Werdau und dem Karosseriewerk Meerane (bis zu 5 mm in der Länge und Breite), beim »Trabant« zwischen der rechten und linken Seitenscheibe, bei der Windschutzscheibe des Frontlenkers der Robur-Werke Zittau.
Diese Beispiele könnten nach vorliegenden Berichten auch an Hand von Neuentwicklungen noch wesentlich erweitert werden.
Die Automatisierung und Mechanisierung der Glasindustrie wird nach Ansicht von Experten außerdem durch die völlig unzureichende Kapazität im Glasmaschinenbau gehemmt. Auswirkungen zeigen sich besonders in der ungenügenden Versorgung der Produktionsbetriebe mit den erforderlichen Ersatzteilen.
Im VEB Oberlausitzer Glaswerk in Weißwasser z. B. stand von Januar bis Juli dieses Jahres die IV-Maschine im Durchschnitt täglich 152 Minuten still. 80 % dieser Stillstandszeiten werden ausschließlich auf das Fehlen von Ersatzteilen zurückgeführt. Im Wesentlichen werden die Ersatzteile für die Glasmaschinen vom VEB Glasmaschinenbau Freital produziert. Der Plan sieht eine Produktion von Ersatzteilen in Höhe von 958 TDM vor. Vertraglich gebunden hat der Betrieb für 1 100 TDM; erfüllt wird der Plan aber höchstens mit 835 TDM.
Unverständnis ruft in diesem Zusammenhang die Tatsache hervor, dass es zzt. kein zentrales Organ für den gesamten Glasmaschinenbau gibt. Es sollte deshalb geprüft werden, inwieweit vom Sektor Glas und Keramik des Volkswirtschaftsrates gemeinsam mit dem Maschinenbau Maßnahmen zur schnellstmöglichen Veränderung der Situation eingeleitet werden können.
Bei der Störfreimachung im Industriezweig Glas ist ein wesentliches – bisher jedoch nicht geklärtes Problem – die Ersetzung des aus Westdeutschland importierten Großalmeroder Hafentons durch Häfen aus heimischen Ton. Die bisherigen Versuche seien fehlgeschlagen, weil der Ton eine bestimmte Bindekraft, Fettigkeit und Körnung haben muss, die naturbedingt bei unseren eigenen Tonvorkommen nicht vorhanden sind.
Mit den Versuchen, den einheimischen Ton zu verwenden, beschäftigt sich eine Forschungsgemeinschaft unter Leitung des Ing. Skornia vom VEB »Einheit« Weißwasser.
Für die Herstellung der Häfen wird ein Zeitraum von zehn Monaten benötigt. Die jetzt aus heimischem Ton hergestellten Versuchshäfen können demzufolge erst im II. Quartal 1962 für Versuchszwecke zum Einsatz kommen. Die Vorräte an Importen aus Westdeutschland reichen jedoch nur noch bis Ende des I. Quartals 1962, sodass ab Januar 1962 weitere Importe aus Westdeutschland erfolgen müssten, da nach den bisherigen Ergebnissen das Gelingen der Versuche im II. Quartal 1962 noch sehr fragwürdig ist.
Im Zusammenhang damit wurde bekannt, dass dem Institut für Glastechnik der VVB (Z) Glas Dresden und dem Sektor Glas und Keramik bei der SPK Informationen über die Tonaufbereitung, die Formgebung und eine Analyse des verwendeten Tons vom Tschernjatinsky-Glaswerk in Star, Gebiet Brjansk/Sowjetunion vorliegen.
In diesen Dokumenten wird auf ein neues Verfahren bei der Hafenherstellung hingewiesen, bei dem unter Verwendung von Trockenmasse für die Herstellung der Häfen nur eine Woche benötigt wird.
Die Empfehlung, einige dieser Häfen zu beschaffen und sie versuchsweise in der DDR einzusetzen, sei jedoch bisher nicht beachtet und vom Genossen Pohl (Sektor Glas und Keramik im Volkswirtschaftsrat) mit dem Bemerken beantwortet worden: »Wir können nicht zweigleisig fahren«.
Selbst in der Leitung der VVB (Z) Glas in Dresden werden Versuche mit solchen Häfen mit der Begründung abgelehnt, dass die SU uns nicht helfen könne, »da dort jeder Betrieb Häfen anfertige und es keine zentrale Fertigung gäbe. In der SU hätte man eine ganz andere Masseversetzung, andere Körnung und arbeite mit einem Feuchtigkeitsgehalt um 5 %, wir dagegen mit 20 %. Im Übrigen wären auch bei uns Versuche mit Trockenmasse angestellt worden, jedoch seien diese fehlgeschlagen«.
Größere Unzufriedenheit besteht über den Arbeitsstil der VVB (Z) Glas Dresden, nach Möglichkeit alles durch Berichte zu regeln und lösen zu wollen, anstatt sich durch direkte Aussprachen in den Betrieben einen Überblick zu verschaffen und unmittelbar die Betriebe anzuleiten. Die Betriebsleiter der größten Betriebe der VVB in Weißwasser erklären, dass sich von der Leitung der VVB – außer bei großen Konferenzen – niemand im Betrieb sehen lässt. Der Hauptdirektor der VVB, Genosse Günther, hat z. B. dem VEB Oberlausitzer Glaswerk in Weißwasser nur Stippvisiten abgestattet, ohne sich dabei um die betrieblichen Probleme zu kümmern.
Zur Situation auf dem Sektor der Erzeugung von Feinkeramik ist einschätzend festzustellen, dass der Stand der Technik und der Zustand der Betriebe etwa der Glas-Industrie entspricht. Die Betriebe sind ebenfalls durchweg überaltert. Der Bedarf an Porzellan übersteigt bei weitem das Produktionsaufkommen. Nur bei Flachgeschirr gibt es zum Teil bereits eine halbautomatische Fertigung. Eine größere Anzahl von Hinweisen besagt, dass Schwierigkeiten in diesem Produktionsbereich zu einem großen Teil ebenfalls auf die mangelnde Kapazität im Keramik-Maschinenbau zurückgeführt werden.
Besonders nachteilig auf die Steigerung der Arbeitsproduktivität und Senkung der Selbstkosten wirkt sich die überholte Brenntechnologie des Rundofenbetriebes aus. Die Umstellung auf Tunnelöfen, die ein kontinuierliches Brennen gewährleisten, die physische Belastung der Arbeiter beseitigen und einen hohen ökonomischen Nutzeffekt sichern, erfolge nach Auffassung von Fachexperten zu langsam.
Während die Betriebe mit Tunnelöfen, z. B. Colditz und Torgau, einen hohen Gewinn erzielten, würde der finanzielle Verlust der auf Rundofenbetrieb eingestellten Betriebe das Mehrfache der Investitionen für Tunnelöfen betragen. Der Verlust allein der Betriebe in Kahla und Sörnewitz, um nur ein Beispiel zu nennen, betrage 4,8 Mio. DM, während der Bau einer Tunnelofen-Halle etwa 3–4 Mio. DM koste.
Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass die beiden genannten Betriebe in Kahla und Sörnewitz bei einem finanziellen Verlust über dem Wert einer Tunnelofen-Halle 5 900 t Jahresproduktion erreichen, während die mit Tunnelofen arbeitenden Betriebe in Golditz und Torgau bei einem finanziellen Gewinn von über 1 Mio. DM 7 200 t Jahresproduktion ausstoßen.
Nach der bisherigen Übersicht könnten aus den der VVB Feinkeramik Erfurt im Rahmen des Siebenjahrplanes2 zur Verfügung stehenden Mitteln nur ein größeres oder zwei kleinere Vorhaben der Brenntechnologie auf Tunnelöfen durchgeführt werden. Von Fachexperten wurden damit zusammenhängende Meinungen bekannt, nochmals eingehend zu überprüfen, ob es bei dem derzeitigen Stand der VC-Produktion nicht ratsamer wäre, anstatt des Baus eines sanitär-keramischen Werkes für die VC-Produktion in Haldensleben die Investmittel in Höhe von 24 Mio. DM zunächst zur Modernisierung der Porzellan-Industrie zu verwenden, um die Exporte zu erhöhen und den Bedarf der Bevölkerung besser befriedigen zu können.
Dabei wurde in Erwägung gezogen, dass sich die VC-Produktion in allen Ländern noch in der Entwicklung befindet und es auch bei den Entwicklungsarbeiten in Dresden noch große Schwierigkeiten und ungelöste Probleme gibt, die letztendlich dazu führen können, dass größere Terminverzögerungen und finanzielle Verluste entstehen.