Lage im Staatsapparat auf Bezirks- und Kreisebene
24. April 1961
Bericht Nr. 213/61 über die Lage im Staatsapparat
Eine Reihe wichtiger Hinweise veranlassen das MfS, zur Lage im Staatsapparat Stellung zu nehmen. Die vielseitigen Mängel in der Arbeitsweise des Staatsapparates auf den unterschiedlichen Verwaltungsebenen zeigen bei der Analyse des vorliegenden Materials folgende Schwerpunkte:
- 1.
Die Arbeitsweise der Volksvertretungen in den Bezirken, Kreisen und Gemeinden in ihrer anleitenden und kontrollierenden Tätigkeit gegenüber dem Staatsapparat.
- 2.
Die Arbeitsweise der Räte, die Wahrnehmung ihrer anleitenden und kontrollierenden Pflichten gegenüber den Fachabteilungen im Apparat sowie ihre operative Tätigkeit bei der Organisierung der breiten Mitarbeiter der Werktätigen.
- 3.
Hemmende Faktoren im Staatsapparat bei der Verwirklichung eines sozialistischen Arbeitsstils, bei der Durchsetzung der Mitarbeit der Werktätigen.
Bei allen angeführten Fragenkomplexen wurde das Einwirken der Parteiorgane zu bestimmten Problemen mit beachtet. Die vorliegenden Informationen wurden auf ihre wichtigsten Erscheinungen und Tendenzen analysiert, erheben jedoch keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da das hauptsächlichste Anliegen dieses Berichtes das Aufzeigen von Mängeln, Schwächen und Hemmnissen in der staatlichen Leitung ist.
1. Die Arbeitsweise der Volksvertretungen in den Bezirken, Kreisen und Gemeinden in ihrer anleitenden und kontrollierenden Tätigkeit gegenüber dem Staatsapparat
Die gegenwärtig feststellbaren Schwächen der gewählten Volksvertretungen äußern sich in einer Reihe von Erscheinungen, die in den verschiedensten Bezirken und Kreisen mit etwa gleicher Wirkung zu verzeichnen sind. Dazu gehören u. a.:
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Die kurzfristige Ausarbeitung von Vorlagen und Beschlüssen durch die Fachabteilungen und Räte erschwert den Volksvertretungen eine allseitige Vorbereitung durch Beratung mit den Werktätigen und in den Ständigen Kommissionen.
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Die kurzfristige Ausarbeitung von Vorlagen und Beschlüssen wird z. T. durch die unplanmäßige Arbeitsweise in den Fachabteilungen bzw. die unsystematische Anleitung durch die Räte hervorgerufen.
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Teilweise ist eine schwache Beteiligung an den Abgeordnetenschulungen und -beratungen zu verzeichnen.
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Die Kommissionstätigkeit der Volksvertretungen weist ein recht unterschiedliches Niveau auf.
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Die Anleitung und Kontrolle zur Verwirklichung der gefassten Beschlüsse ist durch die Volksvertretungen ungenügend entwickelt.
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Die Mitarbeit der kleinbürgerlichen Parteien in den gewählten Organen ist unbefriedigend.
Bei der Analyse der verschiedensten Ursachen, die zu diesen Tendenzen führen, war allgemein feststellbar, dass die Parteigruppen der Volksvertretungen, vor allem auf der örtlichen Ebene (Städte und Gemeinden) bis auf Ausnahmen nur eine geringfügige Arbeit leisten und einen dementsprechenden Einfluss auf die Arbeitsweise der Vertretungskörperschaften ausüben.
Es gibt Hinweise, dass die Gestaltung der Arbeitsprogramme der Volksvertretungen zu wenig durch die Abgeordneten beeinflusst wird. Dieses Beispiel trifft u. a. auch für die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Frankfurt/O. zu. Allgemein wird das Festlegen der Arbeitsprogramme noch zu sehr den Räten überlassen. Eine weitere Ursache hierfür liegt in der unzureichenden Aktivität der Ständigen Kommissionen begründet. Hierbei war immer wieder erkennbar, dass diejenigen Kommissionen und Aktive bessere Arbeitsergebnisse aufzuweisen haben bzw. eine ständig gute Arbeit leisten, die durch verantwortliche Mitarbeiter systematisch auf die Schwerpunktaufgaben orientiert werden und dabei für die Art und Weise der zu lösenden Probleme die erforderliche Anleitung und Unterstützung erhielten.
Die gemeinsame Vorbereitung von Beschlüssen durch Volksvertretung und die verantwortlichen Mitarbeiter des Staatsapparates ist nur teilweise gelöst bzw. es bestehen noch Unklarheiten über die Notwendigkeit einer derartigen Verfahrensweise. Durch bestimmte Schwächen bei der Vorbereitung von Beschlüssen erhalten einerseits die Abgeordneten wenig Gelegenheit, sich über den Inhalt als auch die Auswirkungen vorliegender Beschlussvorlagen zu orientieren, andererseits wirken sich ungenügend vorbereitete und mangelhaft koordinierte Beschlüsse der Volksvertretungen negativ auf die Arbeitsweise der Fachabteilungen aus. Beide Erscheinungsformen behindern zzt. die Arbeitsweise der Volksvertretungen und der Fachabteilungen im Apparat insofern, als es bei der Realisierung gefasster Beschlüsse zu keiner gemeinsamen Arbeit kommt. Hauptsächlich wird dabei jedoch die massenpolitische Wirksamkeit der Volksvertretungen unterschätzt.
Teilweise bestehen Hinweise, dass in der laufenden operativen Tätigkeit des Staatsapparates die Bedeutung der Volksvertretungen unterschätzt wird. Dies äußert sich hauptsächlich in der ungenügenden Beachtung von Vorschlägen und Hinweisen der Abgeordneten und der unzureichenden Einbeziehung der Ständigen Kommissionen bzw. ihrer Vorsitzenden zur Beratung bestimmter Probleme bei Ratssitzungen usw. Eine häufig anzutreffende Erscheinung in der Tätigkeit gewählter Räte in den Kreisen besteht darin, dass anlässlich wichtiger Tagungen und Beschlüsse von Partei und Regierung administrativ die Durchführung von Gemeindevertretersitzungen angeordnet wird. Häufig ist sie mit einer kurzfristigen Terminstellung verbunden, die es den verantwortlichen Funktionären in den Gemeinden erschwert, mit notwendiger Sachkenntnis eine entsprechende Auswertung vorzubereiten, mit der Bevölkerung zu beraten und damit im Gremium der Volksvertretungen auch zu den erforderlichen Schlussfolgerungen und Maßnahmen zu gelangen. Daher stößt diese Praxis bei der Mehrzahl der Gemeindevertreter auf Ablehnung; die Folge ist eine geringe Beteiligung an derartigen Sitzungen und ein oftmals zu verzeichnender Formalismus bei der Auswertung.
Die aufgezeigten Mängel und Schwächen in der Tätigkeit der örtlichen Organe wurden z. T. auch durch die ungenügende Einbeziehung der Volksvertreter zur Lösung der staatlichen Aufgaben bedingt. Das führte u. a. auch dazu, dass ein Teil der Volksvertreter bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt sich noch nicht seiner vollen Verantwortung bewusst ist und seine praktische Tätigkeit im Besuch der Abgeordnetentagungen als ausreichend ansieht. Die Auswirkungen bestehen somit darin, dass ein Teil der Abgeordneten, besonders auf der Örtlichen Ebene, ein passives Verhalten an den Tag legt und wenig Interesse an einer systematischen Mitarbeit in einer der ständigen Kommissionen zeigt.
2. Die Arbeitsweise der Räte, die Wahrnehmung ihrer anleitenden und kontrollierenden Pflichten gegenüber den Fachabteilungen im Apparat sowie ihre operative Tätigkeit bei der Organisierung der breiten Mitarbeit der Werktätigen
Zu den gegenwärtigen Schwächen bei der Organisierung der staatlichen Aufgaben durch die Räte müssen folgende Erscheinungen angesehen werden:
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ungenügende Auswertung der Partei- und Regierungsbeschlüsse, besonders nach ihren konkreten Anwendungsmöglichkeiten unter den jeweiligen örtlichen Bedingungen.
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Es gibt direkte Verstöße gegen diese Beschlüsse.
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Qualitativ ungenügende Arbeitsberatungen und Dienstbesprechungen, wobei es meist an ausreichender Vorbereitung fehlt,
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zu wenig Kontrolle über die Anwendung und Durchführung der gefassten Beschlüsse und ungenügender Kampf um ihre Realisierung,
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Planaufgaben werden nicht immer zur Grundlage der Arbeitspläne und damit in der täglichen Arbeit gemacht.
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Durch ungenügende Orientierung auf die Schwerpunkte und Koordinierung der Schwerpunktaufgaben erfolgt eine Verzettelung in der Arbeit.
Derartige Erscheinungen werden aus fast allen Bezirken mit unterschiedlicher Wirkungsweise genannt.
Das Problem der Auswertung und Arbeit mit den Beschlüssen von Partei und Regierung sowie die Ausarbeitung der sich daraus ergebenden Maßnahmen durch die Räte zur Anleitung der Fachabteilungen weist noch eine Reihe von Schwächen auf. Die Anwendung und Arbeit mit den Beschlüssen auf den verschiedensten Gebieten der staatlichen Aufgabenbereiche wird dabei durch den unterschiedlichen politischen und fachlichen Qualifikationsgrad der Mitarbeiter, aber auch durch den ungenügenden Kampf um die Verwirklichung der Beschlüsse innerhalb der Räte erschwert. Z. B. beschloss der Rat des Bezirkes Gera, zur Auswertung der Moskauer Erklärung der Kommunistischen und Arbeiterparteien1 und des 11. Plenums des ZK der Partei2 durch eine Reihe von Mitarbeitern öffentliche Aussprachen zu diesem Problem unter der Bevölkerung durchführen zu lassen. Dieser Beschluss wurde nur teilweise realisiert, eine Auseinandersetzung mit säumigen Mitarbeitern erfolgte nicht.
Zur Verbesserung der Arbeit mit der medizinischen Intelligenz wurde im Bezirk Gera beschlossen, besonders die stellvertretenden Vorsitzenden der Räte und Abteilungsleiter für individuelle Gespräche einzusetzen. Bisher ist über die Einhaltung dieses Beschlusses, seine Erfolge und Erfahrungen nichts bekannt geworden.
Am 21.6.1960 befasste sich der Rat mit der Erfüllung des Schulbauprogramms im Bezirk Gera. Es wurde zu diesem Zeitpunkt festgestellt, dass der Stand der Realisierung unbefriedigend ist und der planmäßige Abschluss des Oberschulprogrammes, besonders auf dem Lande, gefährdet ist. Bis zum Februar 1961 erfolgte keine Kontrolle durch den Rat über die zu diesem Zeitpunkt festgelegten Maßnahmen im Schulbauprogramm.
Gleichfalls zutreffend für die Tätigkeit der Räte ist die Erscheinung, dass Ratssitzungen nicht gründlich vorbereitet werden, zu viele Tagesordnungspunkte aufweisen, sodass die Schwerpunkte nicht tiefgründig behandelt werden können. Diese Erscheinungen werden besonders aus dem Bezirk Halle berichtet, treffen aber für viele Bezirke, besonders aber für die Leitungstätigkeit der Räte in den Kreisen zu.
Die Folge dieser oftmals unplanmäßigen Arbeitsweise in der Tätigkeit der Räte sind dann solche Erscheinungen, dass die Räte sich nur noch mit Oberflächenerscheinungen beschäftigen, jedoch nicht in den Beratungen auf die eigentlichen Ursachen eingehen. So beschäftigte sich der Rat der Stadt Frankfurt/O. mehrmals mit dem Stand der Planerfüllung in der Landwirtschaft. In jeder Ratssitzung des 2. Halbjahres 1960 wurde ein Erfüllungsbericht der Marktproduktion entgegengenommen. Die Behandlung dieses Tagesordnungspunktes erfolgte ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Planerfüllung. Dabei wurden jedoch die prinzipiellen Fragen, wie die Hilfeleistung zur Festigung der innergenossenschaftlichen Demokratie in den LPG, die Verbesserung der Bedingungen zur Erhöhung der landwirtschaftlichen Produktion in den LPG usw. nicht behandelt. Eine derartige Verfahrensweise in der Tätigkeit der Räte in den Städten und Gemeinden stellt häufig noch ein typisches Merkmal dar.
Eine weitere Tendenz wird dadurch charakterisiert, dass die Räte teilweise ihre anleitende und kontrollierende Tätigkeit ungenügend anhand der gefassten Beschlüsse organisieren. Dies trifft sowohl für die Anleitung und Kontrolle der Tätigkeit innerhalb der nachgeordneten Räte als auch für die Anleitung und Kontrolle der Fachabteilungen zu. So wird z. B. eingeschätzt, dass etwa 80 % der gefassten Ratsbeschlüsse des Kreises Grimma/Leipzig von den örtlichen Organen nicht eingehalten und dem Selbstlauf überlassen werden.
Dazu muss jedoch besonders hingewiesen werden, dass das Kontrollinstrument der Räte, die Org.-Instrukteure, teilweise für andere Aufgaben eingesetzt werden bzw. an Unterbesetzung leiden, sodass von dieser Seite her die Beschlusskontrolle nicht wirksam organisiert werden kann.
Die Arbeit der Räte mit den Beschlüssen wird auch dadurch erschwert, dass die Vorbereitung und Ausarbeitung derselben oftmals nicht durch die verantwortlichen Ratsmitglieder angeleitet wird bzw. überhaupt nicht kontrolliert wird, sodass in den Ratssitzungen nur eine formale Behandlung der zur Tagesordnung stehenden Probleme zu verzeichnen ist, wobei die erforderlichen Beschlüsse einen allgemeinen Charakter tragen und meist auch nur von den verantwortlichen Ratsmitgliedern annähernd und oberflächlich beherrscht werden. Eine Folge davon ist das häufige Verwerfen von Ratsvorlagen, die ihrerseits mitunter wichtige Entscheidungen usw. verzögern.
Häufige Ursachen für das Versagen einzelner Mitarbeiter bei bestimmten Problemen und Aufgaben ist oftmals die unzureichende Anleitung und Kontrolle durch verantwortliche Ratsmitglieder und leitende Mitarbeiter. Vonseiten dieser Funktionäre wird häufig übersehen, dass der politische und fachliche Qualifikationsgrad einer Reihe von Mitarbeitern im Staatsapparat nicht den gegenwärtigen Erfordernissen entspricht. Die Folgeerscheinung besteht in einem unzureichenden Vertrauensverhältnis zwischen den leitenden Funktionären und dem übrigen Mitarbeiterstab, dem Auftreten von Missverständnissen in der Arbeitsweise des Apparates sowie in einer teilweise zu verzeichnenden unkoordinierten Doppelarbeit.
Das Problem der anleitenden Tätigkeit der Räte bei der Koordinierung der Schwerpunktaufgaben ist nur teilweise gelöst. So wird z. B. aus dem Bezirk Dresden berichtet, dass zzt. noch erhebliche Unklarheiten zwischen der Perspektivplanung und dem Programm des ländlichen Bauwesens bestehen. Zudem war das Bezirksbauamt nicht umfassend in der Lage, das Programm in der Vergangenheit zu realisieren, da durch die Abteilung Landwirtschaft ungenügende Voraussetzungen geschaffen waren.
Die vorliegenden Informationen aus dem Bezirk Dresden weisen auf eine Verbesserung der staatlichen Leitungstätigkeit seit der ersten Tagung der V. Bezirksdelegiertenkonferenz hin.3 Dennoch zeigten die vorherigen Ausführungen, dass in den prinzipiellen Fragen der staatlichen Leitungstätigkeit, z. B. Klärung perspektivischer Fragen usw., noch nicht ein den gegenwärtigen Erfordernissen entsprechendes Niveau erreicht wurde. Diese Tatsache wird u. a. auch dadurch verstärkt, dass in der Tätigkeit der Räte der Kreise und auch z. T. beim Rat des Bezirkes es noch Schwächen in der Vorbereitung und Koordinierung bei wichtigen Entscheidungen, in der Zusammenarbeit mit der Bevölkerung, bei der Beschwerdebearbeitung usw. gibt. Obwohl gleiche Mängel und Schwächen in der Arbeitsweise der Räte der verschiedensten Bezirke und Kreise zutreffen, verdeutlichen die Informationen aus diesem Bezirk doch erhebliche Rückstände bei der Organisierung einer planmäßigen und koordinierten Arbeitsweise innerhalb der verschiedensten Verantwortungsbereiche und zwischen ihnen.
Als wirksame Methode zur Verbesserung der Arbeitsweise wurden in der Vergangenheit die Form des gegenseitigen Erfahrungsaustausches und des Leistungsvergleiches angewandt. Informationen aus einer Reihe von Bezirken und Kreisen weisen jedoch immer wieder darauf hin, dass diese Methoden in ihrer Bedeutung durch die leitenden Mitarbeiter unterschätzt werden, aber auch die Art und Weise der Organisation und die Aufgabenstellung nicht immer beherrscht wird. So wurde z. B. bekannt, dass der im Rahmen des Leistungsvergleiches zwischen den Kreisen Sternberg und Lübz, Bezirk Schwerin vorgesehene Erfahrungsaustausch zwischen den Bürgermeistern beider Kreise durch den Ratsvorsitzenden unterbunden wurde und zwar deshalb, weil angeblich im Kreis Sternberg bessere Leitungsmethoden vorhanden seien.4
Aus den Bezirken Dresden und Leipzig wird besonders darauf hingewiesen, dass die dortigen Wirtschaftsräte nur ungenügend mit diesen Leitungsmethoden arbeiten. Bemängelt wurde dabei, dass sich die Mitarbeiter der Wirtschaftsräte bei äußerst seltenen Besuchen in den Kreisplankommissionen auf die Einsammlung bestimmter Informationen beschränken bzw. statistische Erhebungen registrieren.
Die bisherigen Ergebnisse und Erfahrungen bei Leistungsvergleichen wurden nur selten ausgewertet und auf andere Aufgabenbereiche übertragen. Häufigste Argumente zur Begründung bilden angeblicher Zeitmangel und Überbelastung in der Arbeit.
Aus den vorliegenden Informationen ist ersichtlich, dass die Arbeitsweisen der Räte mit den Bürgermeistern in den Städten und Gemeinden erhebliche Mängel aufweisen. Nach den Darstellungen machten sie sich besonders in einer umfassenden Fluktuationsbewegung bemerkbar. So sind im Jahre 1960 61 % aller Bürgermeister des Bezirkes Frankfurt/O. aus dem Staatsapparat ausgeschieden. Ähnliche Tendenzen werden aus den verschiedensten Bezirken und Kreisen der Republik gemeldet. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass ein Teil der Bürgermeister und Gemeindevertreter die Absicht hat, für die kommende Legislaturperiode nicht mehr zu kandidieren. Besondere Unzufriedenheit wird von den Bürgermeistern in den ländlichen Gemeinden über die wachsende Aufgabenstellung geäußert. Sie bringen zum Ausdruck, dass die stattfindenden Dienstbesprechungen keinen anleitenden Charakter mehr haben, sondern »Befehlsempfänge« darstellen. Es gibt in gewissem Umfange unter den Bürgermeistern Erscheinungen des Resignierens. Diese Erscheinungen äußern sich dadurch, dass ein Teil der Bürgermeister vorgibt, aufgrund der häufig wechselnden und sich z. T. widersprechenden Aufgabenstellung nicht mehr in der Lage zu sein, die Bevölkerung laufend von der Richtigkeit der verschiedensten Aufgaben zu überzeugen.
3. Hemmende Faktoren im Staatsapparat bei der Verwirklichung eines sozialistischen Arbeitsstils, bei der Durchsetzung der breiten Mitarbeit der Bevölkerung
Aus den bisherigen Ausführungen ist bereits erkennbar, dass die Arbeit mit den Beschlüssen von Partei und Regierung noch nicht immer auf dem erforderlichen Niveau steht. Diese Feststellung trifft besonders auf die Arbeitsweise der Fachorgane in den Räten der Bezirke, Kreise und Gemeinden zu.
Diese Arbeitsweise äußert sich in einem verspäteten Auswerten innerhalb der Parteigruppen, Gewerkschaftsgruppen aber auch in Dienstbesprechungen, wobei ein gewisser Formalismus in der Auswertung zu verzeichnen ist. Die Auswirkungen bestehen dann in der mangelnden Exaktheit der Schlussfolgerungen für die konkreten Aufgaben im Verantwortungsbereich. Die Ursachen für diese noch vorherrschende Praxis bestehen im politischen und fachlichen Qualifikationsgrad der Mitarbeiter, der andauernden Fluktuationserscheinungen im Apparat und der teilweise noch zu verzeichnenden ungenügenden Einflussnahme der Parteileitungen auf die Arbeitsweise der Fachabteilungen.
So wird aus dem Bezirk Suhl bekannt, dass nach dem Brigadeeinsatz des ZK zur Erarbeitung des Spielzeugdokumentes5 im Jahre 1960 die Auswertung im Wirtschaftsrat Suhl nach mehrmaligem Drängen der Bezirksleitung erst mit einer Verzögerung von ca. drei Monaten erfolgte. Der Politbüro-Beschluss über die weitere Arbeit mit der medizinischen Intelligenz wurde mit acht Wochen Verzögerung im Rat des Bezirkes Erfurt ausgewertet und entsprechende Maßnahmen festgelegt. Die Erläuterung der Beschlüsse vor den Mitarbeitern war jedoch ungenügend.
Ein großer Mangel besteht u. a. darin, dass die Parteileitungen im Staatsapparat es nicht verstehen, die leitenden Genossen für die Auswertung und Vermittlung neuer Erfahrungen in der massenpolitischen Arbeit heranzuziehen. Zum Teil lehnen es die leitenden Mitarbeiter sogar ab, eine politische Arbeit zu leisten mit der Begründung, sie wären mit fachlicher Arbeit überlastet.
Durch ungenügende Kenntnis der Beschlüsse von Partei und Regierung kam es in der Vergangenheit zu Fehlentscheidungen und Überspitzungen durch Mitarbeiter des Staatsapparates. So gaben die Abteilung Handel und Versorgung beim Rat des Kreises Hildburghausen politisch falsche Anweisungen an alle HO- und Konsumverkaufsstellenleiter im Kreisgebiet. Darin wurde u. a. festgelegt, dass nur Bürger der jeweiligen Gemeinden die festgelegten und zugeteilten Waren kaufen dürfen. Bei der Ausarbeitung, Festlegung und Verteilung der Warenkontingente wurden nicht einmal die zuständigen Volksvertreter angehört. Im Ergebnis wurde unter der Bevölkerung diskutiert, dass nunmehr wieder die Waren rationiert werden würden. Bei der Untersuchung dieses Vorfalles wurde festgestellt, dass die entsprechenden Mitarbeiter die Politbürobeschlüsse vom 2.7.1960 und 20.11.1960 sowie die Anordnung vom 8.11.1960 und 26.3.1960 nur ungenügend beherrschten.
Eine besondere Schwäche in der Leitungstätigkeit des Apparates stellt das Administrieren dar, welches sich besonders im umfangreichen Schriftverkehr äußert. Vonseiten der Bürgermeister wird besonders die Meinung vertreten, »dass die Anweisungen und Verordnungen überhand nehmen und sie zu keiner operativen Arbeit kommen« würden. So hat z. B. der Rat des Bezirkes Halle im Monat Januar 1961 allein 560 Rund- und Fernschreiben an die Räte der Kreise versandt mit oft recht kurzfristiger Terminstellung. Beim Rat des Bezirkes Potsdam wurden im November 1960 64 Sitzungen abgehalten, welche notwendigerweise die unsystematische und unplanmäßige Arbeitsweise fördern. Ursache der starken Bindung von Mitarbeitern in den Büros ist die stark ausgeprägte Berichterstattung, welche die operative Arbeitsweise an den Schwerpunkten im Verantwortungsbereich verhindert. So wird z. B. die Anleitung der Abteilung Landwirtschaft beim Rat des Bezirkes Erfurt durch Maßnahmepläne und andere schriftliche Unterlagen in der Berichterstattung ersetzt. Die Auswirkungen bestehen dann z. B. darin, dass der Kreis Arnstadt beauftragt wurde, fünf Mühlen als Mischfutterbetriebe auszubauen. Die Lage im Kreis Arnstadt ist jedoch gegenwärtig so, dass bereits zwei Mischfutterbetriebe aufgebaut wurden, die Kapazität dieser Betriebe zu 25 % ausgelastet ist und diese Betriebe bei voller Auslastung ihrer Kapazität den Bedarf des Kreisgebietes vollends befriedigen können.
Die Fragen der Anleitung und Kontrolle mittels des Berichtswesens und der Rundschreiben durch die Räte der Kreise an die Städte und Gemeinden erfolgt in gleicher Weise, wie bereits in der Arbeitsweise der Räte der Bezirke aufgezeigt wurde.
Typisch für den Arbeitsstil bei der Anleitung der nachgeordneten Organe und der entsprechenden Mitarbeiter ist die sehr allgemein gehaltene Form, ohne konkrete Hinweise über die Art und Weise der Lösung bestimmter Probleme, sodass infolge dieser gegenwärtig praktizierten Methode in der Anleitung die Vermittlung bestimmter fortschrittlicher Neuerermethoden, Erfahrungen in der Organisierung des Leistungsvergleiches usw. ungenügend erfolgt. Die entsprechenden Mitarbeiter scheuen oftmals in Unkenntnis der Lage davor zurück, die Anleitung und Kontrolle an der Basis zu organisieren, da sie mit erheblichen politischen und fachlichen Auseinandersetzungen rechnen müssen, wozu ihnen das erforderliche Wissen und die Erfahrungen fehlen.
Die Arbeitsweise eines Teiles der Mitarbeiter bei den Räten in den unteren Organen wird dadurch charakterisiert, dass diese oftmals vor der Bevölkerung auftreten mit irgendwelchen Versprechungen, die mitunter nicht immer realisierbar sind. Andererseits wurden im Umgang mit den verschiedensten Kreisen der Bevölkerung immer noch Beispiele bekannt, an denen der z. T. noch vorhandene Bürokratismus und die Interessenlosigkeit an der Arbeit erkennbar sind. Diese Erscheinungen werden mitunter noch ergänzt durch Sektierertum und Überspitzungen, besonders im Hinblick auf die Politik von Partei und Staat gegenüber kleinbürgerlichen Schichten innerhalb der DDR.
So beantragte der selbstständige Gewerbetreibende [Name]/Gera, für seine Tochter bei der Abteilung Volksbildung eine Lehrstelle als Kindergärtnerin. Dieser Antrag wurde vom stellv. Abteilungsleiter Spindler mit der Begründung, die Eltern seien selbstständige Gewerbetreibende, abgelehnt. Dagegen wurde den Eltern vorgeschlagen, die Tochter solle erst drei Jahre Kinderpflegerin lernen, um anschließend in einem 2-jährigen Lehrgang die Qualifikation für eine Kindergärtnerin nachträglich zu erwerben. Dieser Vorschlag wurde von den Eltern mit ziemlicher Empörung und Verärgerung abgelehnt.
Einen krassen Fall von Sektierertum und politischer Blindheit stellt das Verhalten des ehemaligen stellv. Vorsitzenden der Plankommission beim Rat des Kreises Sonneberg, Genosse Luthardt, dar. Auf die Anfrage eines bekannten Spielzeugfabrikanten aus Sonneberg nach der Perspektive seines Betriebes im Rahmen des erarbeiteten Programms für die Spielzeugindustrie für die DDR und den daraus sich evtl. ergebenden Bedingungen für die Aufnahme einer staatlichen Beteiligung wurde ihm durch den Genossen L. folgende Antwort erteilt: »Ja und nein. So lange die volkseigenen Betriebe noch nicht das gesamte Produktionsvolumen übernehmen können, werden Sie noch gebraucht. Sind aber die volkseigenen Betriebe voll entwickelt, dann brauchen wir Sie nicht mehr.« (Aufgrund dieser Fakten wurde L. bereits von dieser Funktion entbunden.) Das Verhalten des Genossen L. löste besonders unter den privaten Spielzeugfabrikanten im Kreis Sonneberg große Unzufriedenheit aus.
Die Art und Weise der Behandlung wichtiger Hinweise aus Bevölkerungskreisen und der richtigen Anwendung von Beschlüssen der Regierung zeigt folgendes Beispiel: Die Reaktion des Kreisbaudirektors von Belzig, Bezirk Potsdam auf den Ministerratsbeschluss über die Durchführung von Bauten in der Landwirtschaft und den Maßnahmen zur Komplettierung der Offenställe im Rat war so, dass er »heulen könne, wenn er den Ministerratsbeschluss liest, weil nunmehr, wo die LPG-Bauern über die zu erstellenden Bauten gehört werden müssen und selbst entscheiden, ihnen als Fachabteilung keinerlei Machtmittel mehr gegeben sind.«
Ein weiteres Problem bei der Organisierung der breiten Mitarbeit aller Kreise und Schichten der Bevölkerung besteht darin, dass die Mitarbeiter in den Fachabteilungen die Rolle und Bedeutung der Volksvertretungen besonders in der Periode der Planausarbeitung unterschätzen, indem es oftmals unterlassen wird, die Volksvertretungen und ihre ständigen Kommissionen mit hinzuzuziehen bzw. durch sie und mit ihnen die entscheidenden Probleme an Ort und Stelle mit dem geeigneten Personenkreis beraten zu lassen.
So finden z. B. Beratungen grundsätzlicher handelspolitischer Maßnahmen mit der Ständigen Kommission Handel und Versorgung des Bezirkstages Gera durch die Abteilung Handel und Versorgung äußerst selten statt. Die Abgeordneten werden auch nur ungenügend über die Handelsfragen informiert. Die Abteilung Handel und Versorgung betrachtet die Ständige Kommission überwiegend nur als Hilfsorgan bei der Popularisierung von Beschlüssen und Gesetzen.
Der unzureichende politische und fachliche Qualifikationsgrad der Mitarbeiter des Staatsapparates, die gegenwärtige soziale Zusammensetzung des Apparates und die zu verzeichnende Kaderarbeit stellen mit ein entscheidendes Bindeglied für die Hebung des Niveaus in der staatlichen Leitungstätigkeit dar.
Der Anteil der Arbeiterkader beim Magistrat von Groß-Berlin betrug 1960 23,6 %, bei den Kreisen Potsdam-Land 28,2 und Belzig 29 %. Beim Rat des Bezirkes Suhl in der Abteilung Finanzen 20,4, Abteilung Gesundheitswesen 7,7 und beim Wirtschaftsrat 25 %. Die Fluktuationserscheinungen im Staatsapparat besonders bei mittleren Kräften und technischen Mitarbeitern, erschweren ein kontinuierliches Arbeiten. Von den ausscheidenden Kräften, nach ihrer sozialen Herkunft analysiert, ist besonders der Anteil von Arbeitskadern betroffen, der z. B. im Kreis Gotha bei 24 % liegt. Ähnliche Tendenzen sind besonders bei neueingestellten Arbeiterkadern aus der Produktion feststellbar, da sie hauptsächlich mit den ihnen übertragenen Aufgaben nicht immer fertig werden und daher das Interesse an der Arbeit verlieren. Allgemeinerscheinung ist der Mangel an jungen Nachwuchskadern sowie der Kadernachwuchs mit Produktionserfahrungen. Damit die teilweise vorhandenen Schwierigkeiten in der Stellenplanbesetzung überwunden werden können, erfolgt bei Neueinstellungen gegenwärtig eine Durchbrechung der geltenden tariflichen Bestimmungen. So erfolgen laufend Neueinstellungen mit Zusagen der sofortigen Gewährung von Leistungsstufen. Diese Erscheinungen widersprechen dem Leistungsprinzip und führen ferner zur Verärgerung bereits im Staatsapparat tätiger Mitarbeiter.
Als Ursachen der teilweise recht erheblichen Fluktuationserscheinungen werden immer wieder genannt:
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höhere Verdienstmöglichkeiten in der Industrie,
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geregelte Arbeitszeit mit geringeren gesellschaftlichen Verpflichtungen,
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Arbeitsüberlastung durch ungenügende Arbeitsorganisation und Koordinierung,
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ungenügende Arbeit mit den Kadern im Staatsapparat.
Hierzu dürften jedoch im großen Umfang von wesentlicher Bedeutung sein eine ungenügende persönliche Bereitschaft der Mitarbeiter, sich mit den wichtigsten politischen Problemen eingehend zu beschäftigen, um sie konkret für die eigenen Aufgaben anzuwenden. Dieser Umstand wird z. B. dadurch charakterisiert, dass ein Teil der Mitarbeiter in den Grenzkreisen und Bezirken sich laufend die Programme des Westfernsehens ansieht und damit den politischen Einflüssen des Klassengegners unterliegt. (zutreffend besonders für die Bezirke Schwerin, Potsdam und Magdeburg)