Lage nach dem Bau der Berliner Mauer (11)
27. August 1961
[Bericht] Nr. 491/61 über die Situation aufgrund der Schutzmaßnahmen der DDR
1. Gegnerische Pläne und Aktionen in Westberlin
Die Boykottmaßnahmen gegen die S-Bahn wurden auch am 27.8.1961 fortgesetzt. So blockierten gegen 16.40 Uhr auf dem Bahnhof Zoo zehn bis zwölf Rowdys die Fahrkartenausgabe und ließen keine Personen an den Fahrkartenschalter heran. Eine jugendliche weibliche Person, die mit der S-Bahn fahren wollte, wurde derart misshandelt, dass sie Anzeige bei der Stupo erstattete. Daraufhin räumte die Stupo gegen 19.20 Uhr die Bahnhofshalle von einem Teil der jugendlichen Rowdys, während der andere Teil unter den Augen von zwei Stupos die Belästigungen fortsetzte. Ein Jugendlicher wurde beim Räumen der Halle von der Stupo festgenommen.
Die S-Bahn-Beschädigungen seitens Westberliner Rowdys hielten in gleicher Form und Intensität wie am Vortage an. Insgesamt wurden 32 Beschädigungen an S-Bahn-Wagen in Westberlin festgestellt. Außerdem erfolgte eine Hindernisbereitung, S-Bahnhof Feuerbachstr., indem eine unbekannte Person von einer Brücke ein Brett auf die Gleiskörper warf. Dieser Vorgang wurde von einem Eisenbahner beobachtet, der das Brett sofort entfernte.
Ergänzend zu der Mitteilung über die Einreise von Beschäftigten der Deutschen Bundesbahn nach Westberlin konnte ermittelt werden, dass die Bundesbahn – Verwaltungsstelle Westberlin – an verschiedene Dienststellen der Bundesbahn in Westdeutschland Einladungen und Berechtigungskarten für die in Westberlin stattfindende Funk-, Fernseh- und Phono-Ausstellung geschickt hat. Durch die Verteilung von Freifahrtscheinen stieg daher die Einreise von Angestellten der Bundesbahn nach Westberlin an. Von einem Einsatz dieser Personen, von denen viele bereits wieder Platzkarten für die Rückfahrt gekauft haben, in Westberlin, ist bei den zuständigen Stellen nichts bekannt.
Die Bahnhöfe Zoo und Westkreuz, auf denen am Vortage die Ausgabestellen des Deutschen Reisebüros für Aufenthaltsgenehmigungen eingerichtet worden waren, wurden am 27.8.1961 durch die Stupo laufend überwacht. Sich bildende Gruppen von Antragstellern wurden durch die Stupo zerstreut. Auf den Bahnhöfen eingesetzte Senatsangestellte versuchten die Antragsteller durch Diskussionen von ihrem Vorhaben abzubringen.
Ermuntert durch den Einsatz der Besatzer kam es am 27.8.1961 auf Westberliner Gebiet wieder verstärkt zu einer Reihe von Zusammenrottungen, an denen sich zeitweilig bis zu 800 Personen beteiligten, die unsere Posten beschimpften und mit Steinen bewarfen. Während die Besatzer keine Anstalten zur Verhinderung der Provokationen machten, versuchte teilweise die Stupo unter Anwendung von Polizeiknüppeln die aufgeputschten Elemente von der Grenze zurückzudrängen.
Schwerpunkte derartiger Zusammenrottungen waren: Heinrich-Heine-Straße, Am Kiesberg, Elsenstr., Provinzstr., Friedrichstr., Sonnenallee, Jerusalemer- und Markgrafenstr., Bondin-1/Ecke Heidelberger Str. sowie Wollankstr.
Wie ermittelt werden konnte, ist der aus der SED ausgeschlossene ehem. Mitarbeiter der Kreisleitung Kreuzberg, [Name 1], jetzt Betriebsrat in den Eternit-Werken2 und maßgeblich an der Entlassung der Genossen beteiligt. Obwohl diese vom DGB organisierte Kampagne anhält, stößt sie – mit Ausnahme der großen Westberliner Konzernbetriebe – immer mehr auf Widerstand. Es gibt Beispiele dafür, dass die Arbeitsämter selbst den Genossen sofort neue Stellen vermitteln bzw. dass kleinere Betriebe bei den SED-Kreisleitungen anriefen und darum baten, ihnen entlassene Genossen zwecks Arbeitsaufnahme zu vermitteln.
Einschätzung der taktischen Handlungen der westlichen Besatzungsmächte
In den taktischen Handlungen zeigten sich auch am 27.8.1961 keine bemerkenswerten Veränderungen. Die Maßnahmen bestanden weiterhin in einer laufenden Streifen- und Patrouillentätigkeit (wie bereits im vorhergehenden Bericht erläutert). Die zum Einsatz gelangten Kräfte unmittelbar an der Grenze hatten annähernd die gleiche Stärke wie am Vortage. Es wurden keine größeren zusätzlichen Mittel und Kräfte beobachtet. Im Verlaufe des Sonntags (27.8.) waren auf amerikanischer Seite an verschiedenen Panzern und einzelnen SPW die taktischen Nummern und Kennzeichen durch Farbe unkenntlich gemacht.
An nachstehenden Punkten waren ständig Kräfte stationiert:
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Friedrichstraße: ein bis zwei Panzer, ein bis zwei SPW, mehrere Jeeps, einzelne Lkw, 10 bis 15 Soldaten und Militärpolizisten, Funkmittel, MG, RG,
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Heinrich-Heine-Straße: ein Panzer, ein bis zwei SPW, Jeeps.
Weitere Punkte, die häufiger als alle anderen durch Streifen überwacht werden:
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Invalidenstraße,
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Potsdamer Platz,
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Sonnenallee,
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Wollankstraße bis Wilhelmsruh.
In der Nacht zum 27.8.1961, 2.00 Uhr, wurde das Zeltlager der Briten im Tiergarten abgebaut.
Dafür zeigte sich im Verlaufe des Tages bis in die Abendstunden eine aktive Fahrzeugbewegung (SPW, Panzerspähwagen) im Raum Brandenburger Tor/Platz der Republik. Gegen 11.40 Uhr (27.8.1961) wurde das Gebiet der DDR am Brandenburger Tor durch ein französisches Flugzeug verletzt. Auf dem Gebäude des ehemaligen Reichstages ist ständig eine Funkstation eingerichtet.
An der Radarstation Rudow sind nach wie vor ein bis zwei Panzer und SMG stationiert. Auf dem Aschberg wurde am 27.8.1961, 9.30 Uhr, eine weitere Funkstation eingerichtet. Es sind dort jetzt drei Antennenmasten zu sehen.
Im Abschnitt Schönefeld–Heinersdorf wurde am 27.8.1961, 11.35 Uhr, das Grenzgebiet durch einen US-Hubschrauber beobachtet.
An folgenden Stellen zeigten sich Provokationen:
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Wilhelmsruh: 27.8.1961, 14.10 Uhr: Eine Gruppe französischer Soldaten mit Inf.-Waffen bewegte sich wiederholt in Schützenkette auf unsere Posten zu.
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Sonnenallee: 27.8.1961, 20.20 Uhr: drei US-MTW verletzten unsere Grenze und wendeten auf unserem Gebiet. Die Volkspolizisten mussten zur Seite springen, um nicht angefahren zu werden. 27.8.1961, 22.00 Uhr: Ein US-Jeep mit drei Soldaten verhielt sich in der gleichen Weise.
2. Gegnerische Provokationen und Vorkommnisse im demokratischen Berlin
Im demokratischen Berlin mussten am 27.8.1961 zwei Gruppen randalierender Jugendlicher mit polizeilicher Gewalt zerstreut werden. So randalierte z. B. eine Gruppe von Jugendlichen in der Braunsberger Str. im Stadtbezirk Prenzlauer Berg. Ein Funkstreifenwagen nahm eine Kontrolle der DPA vor und forderte die Gruppe auf, sich aufzulösen. Die Jugendlichen zogen daraufhin zum Jugendclubheim in der Braunsberger Str. 11. Hier randalierten sie ebenfalls und riegelten sich im Heim ein. Da die Jugendlichen der VP den Eintritt verweigerten und eine drohende Haltung ihr gegenüber einnahmen, wurde eine Nebelkerze in den Raum geworfen, wodurch sie gezwungen wurden, die Tür zu öffnen. Die anwesenden 28 Jugendlichen, darunter acht Mädchen, wurden der VPI Prenzlauer Berg zugeführt. Gegen die Jugendlichen [Name 2] und [Name 3] wurde ein E-Verfahren eingeleitet, da sie ohne Beschäftigungsverhältnis sind und gegen die VP hetzten. Die übrigen Jugendlichen wurden entlassen.
Während einer Kulturveranstaltung der Nationalen Front im Kulturraum des »Neuen Deutschland« in der Schönhauser Allee inszenierten am 27.8.1961 fünf Jugendliche eine Schlägerei. Sie wurden der VPI Prenzlauer Berg zugeführt. Im Stadtbezirk Köpenick wurden am 27.8.1961 ebenfalls fünf Personen wegen Randalieren bzw. wegen Staatsverleumdung und Hetze festgenommen.
Hetzschmierereien wurden auf der S-Bahn im demokratischen Berlin (3 Fälle), in der BVG-Wartehalle in Kaulsdorf und im VEB TRO Oberschöneweide festgestellt. Außerdem wurden vier Beschädigungen in S-Bahn-Wagen des demokratischen Berlin festgestellt.
3. Grenzdurchbrüche, Desertionen und besondere Vorkommnisse an der Staatsgrenze um Westberlin
Im Berichtszeitraum sind die gelungenen Grenzdurchbrüche im Vergleich zum Vortage eingeschränkt worden. Nach vorliegenden Meldungen gelang es bei vier Durchbrüchen sechs Personen nach Westberlin flüchtig zu werden, wobei sich jedoch keine besonderen Schwerpunkte herausgebildet haben.
So war es gegen 4.45 Uhr einem Physiker des Kopierwerkes Köpenick im Bereich des KP Seehof, GB Blankenfelde, gelungen, die Grenze nach Westberlin zu überschreiten. Gegen 16.10 Uhr überstieg am KP Swinemünder Str. eine unbekannte männliche Person die Sperrmauer und konnte nach Westberlin entkommen.
Zwei Personen gelang gegen 17.30 Uhr in der Heidelbergstr. ein Durchbruch nach Westberlin. Am KP 56 durchbrachen ebenfalls zwei Personen die Grenze in Richtung Westberlin. Im Bereich der 7. Komp. der 14. Grenzabteilung erfolgten zwei Durchbrüche durch Angehörige des Kreisbauamtes Zehdenick beim Bau von Sicherungsanlagen.
In der Berichtszeit konnten 23 Durchbrüche mit insgesamt 30 Personen nach Westberlin verhindert werden.
Die versuchten Grenzdurchbrüche traten wiederum an den bekannten Schwerpunkten Schönhauser Allee und Bahnhof Friedrichstr./Lehrter Bahnhof auf. Beispielsweise konnten von der Trapo am 27.8., gegen 3.25 Uhr, in der Nähe des Bahnhofes Schönhauser Allee drei Jugendliche aus Berlin-Weißensee festgenommen werden, die beabsichtigten, die Grenze dort zu durchbrechen. Gegen 20.50 Uhr gelang es der Trapo auf dem Eisenbahngelände zwischen den Bahnhöfen Friedrichstraße und Lehrter Bahnhof drei Bürger des demokratischen Berlin beim versuchten Grenzdurchbruch festzunehmen.
Bei den durch die DGP verhinderten vier Grenzdurchbrüchen mit sieben Personen handelt es sich um solche Bürger, die im demokratischen Berlin bzw. in den Grenzkreisen wohnen und versuchten, unter Vortäuschung der Durchführung von Ausflügen oder dem Aufsuchen von Gartengrundstücken Zutritt zum Grenzgebiet zu erlangen.
An der Oberbaumbrücke wurde gegen 21.05 Uhr eine männliche Person von der Wasserschutzpolizei aus dem Wasser geholt, als sie schwimmend Westberlin erreichen wollte.
In den Mittagsstunden wurde der Angestellte des Militärverlages Kiessling in Berlin-Treptow in einer Gartenkolonie gestellt, als er in eine Laube eingedrungen war und sich umzuziehen versuchte, mit der Absicht, republikflüchtig zu werden.
Weiterhin konnten mehrere Personen festgenommen werden, welche versuchten, illegal von Westberlin in das demokratische Berlin einzudringen.
Am 27.8., gegen 4.00 Uhr überkletterte ein Jugendlicher die Mauer am Übergang Friedrichstraße und kam ins demokratische Berlin. Er war zuletzt in Halle wohnhaft, wurde am 7.8.1961 republikflüchtig und wollte angeblich wiederum nach Halle zurückkehren. (Entsprechende Überprüfungen wurden eingeleitet.)
Am Niederneuendorfer Kanal (im Bereich der 14. Grenzbereitschaft) wurden drei weibliche und eine männliche Person gestellt, die von Westberlin in die DDR eingedrungen waren und vorgaben, Blaubeeren zu sammeln. In ihrer Nähe konnten die Fahrräder vorgefunden werden.
Gegen 0.05 Uhr wurde am S-Bahnhof Friedrichstraße durch die Trapo ein Jugendlicher gestellt, der seit 28.5.1961 republikflüchtig war und sich in Westberlin aufhielt.
An der Staatsgrenze West erfolgten insgesamt acht Durchbrüche, davon […]3–West sieben Fälle mit acht Personen und West–DDR ein Fall mit zwei Personen. Die gesamten Durchbrüche erfolgten ausnahmslos in den Bereichen der 3. und 4. Grenzbrigade Erfurt und Rudolstadt.
Am 27.8.1961, gegen 14.45 Uhr wurde im Bereich der Grenzbereitschaft Meiningen, Komp. Ellenbogen der Bundesbürger [Name 4], geboren [Tag, Monat] 1938 in Aschaffenburg, wohnhaft Aschaffenburg, [Adresse], beschäftigt als Tankwart, nach Überschreiten der Grenze festgenommen. Nach Befragen gab [Name 4] an, dass er sich der Wehrpflicht entziehen wolle. [Name 4] war im Besitz einer Pistole, span. Fabrikat, Marke Asta, Kal. 6,35 und 33 Schuss Munition. Angeblich will er diese Waffe von einem Taxifahrer für 135 DM gekauft haben. [Name 4] wurde dem zuständigen VPKA zur weiteren Überprüfung übergeben.
Am 27.8., gegen 18.30 Uhr näherten sich im KP-Abschnitt Stolpe/GB Groß Glienicke vier Personen aus Richtung Frohnau kommend der Staatsgrenze der DDR. Während zwei weibliche Personen unmittelbar an der Grenze stehenblieben, überschritten die zwei männlichen Personen die Grenze der DDR um ca. 10 m und versuchten eine Grenzsperre zu zerstören. Diese Grenzsperre befindet sich etwa 10 m hinter dem normalen Grenzverlauf auf dem Gebiet der DDR.
Durch die Provokateure wurde die Aufforderung stehen zu bleiben, auch nach Abgabe eines Warnschusses durch den Posten der DGP nicht beachtet. Durch einen aus ca. 50 m Entfernung parallel zur Grenze abgegebenen Zielschuss wurde vermutlich eine dieser Personen verletzt oder eine Verletzung vorgetäuscht. Die verletzte Person wurde durch den 2. Provokateur daraufhin auf Westberliner Gebiet zurückgeschleppt.
Da der Postenführer auf westlicher Seite ca. 20 bewaffnete Personen gesehen und bereits verdächtige Geräusche auf dem Territorium der DDR gehört haben will, eröffneten sie das Feuer in Richtung Grenze, woran sich auch andere Grenzposten beteiligten. Im weiteren Verlauf wurde aufgrund einer Falschmeldung Gefechtsalarm in der GB Groß Glienicke ausgelöst. (Eine ausführliche Einzelinformation mit der Nr. 490/61 liegt vor.)
In der Zeit vom 27.8., 0.00 Uhr bis 24.00 Uhr, wurden insgesamt sieben Fahnenfluchten gemeldet, wovon sechs Angehörige der DGP und ein Angehöriger der Trapo waren.
Während gegenüber dem vorhergehenden Berichtstag bei den am Ring um Westberlin eingesetzten Sicherungskräften ein Rückgang von drei auf zwei Fahnenfluchten zu verzeichnen ist, ist die Zahl der Desertionen an der Staatsgrenze DDR–Westdeutschland von zwei auf fünf angestiegen.
Über die gemeldeten Fahnenfluchten ist bisher Folgendes bekannt:
An der Staatsgrenze um Westberlin:
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Am 27.8., gegen 15.40 Uhr der Angehörige der GB Groß Glienicke, Komp. Hennigsdorf Gefr. [Name 5], FDJ-Mitglied, DGP seit 3.11.1959, der als Posten im Abschnitt Bärengrund eingesetzt war und, während sich der Postenführer von dort entfernte, westliches Gebiet betrat.
Nach Mitteilung einer Zivilperson ist er mit einem Pkw der Stupo auf westlicher Seite abtransportiert worden.
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Gegen 3.30 Uhr der Angehörige der Trapo Owm. [Name 6], der am Kontrollpunkt Bornholmer Str. eingesetzt war und sich zu dieser Zeit von seinem Dienstvorgesetzten abmeldete, um seine Notdurft zu verrichten, jedoch nicht wieder zurückkehrte. [Name 6] war ausgerüstet mit einem Karabiner, einer Pistole und einem Schlagstock.
Zwei Schwestern von ihm wohnen in Westdeutschland oder Westberlin. Der Ehemann einer Schwester dient in der amerikanischen Armee.
An der Staatsgrenze West:
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In der Zeit von 2.00 bis 6.00 Uhr bei der Ausübung ihres Dienstes die Gefreiten
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[Name 7], Kandidat der Partei, DGP seit 4.8.1959,
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[Name 8], DGP seit 3.5.1960
von der GB Schönberg, Komp. Spitzberg. Waffen und Dienstausweise haben sie am Kontrollstreifen hinterlassen.
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In den Nachmittagsstunden die Gefreiten
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[Name 9], FDJ-Mitglied, DGP seit 9.6.1959,
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[Name 10], FDJ-Mitglied, DGP seit 9.6.1959
während der Ausübung ihres Dienstes in der BG Halberstadt, Komp. Blend. Die Waffen wurden von ihnen am Kontrollstreifen hinterlassen.
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In der Zeit von 13.30 Uhr bis 21.30 Uhr war
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Soldat [Name 11], FDJ-Mitglied, DGP seit 4.5.1961
als Posten an der Staatsgrenze des Komp. Karoline der GB Oschersleben eingesetzt.
Um 14.55 Uhr meldete der Postenführer, Gefr. [Name 12], dass er auf den Beobachtungsturm Posten bezogen hat, während der Soldat [Name 11] am Schlagbaum steht. Nach einiger Zeit stellte er fest, dass er seinen Posten verlassen hat. Untersuchungen über die Ursachen der Fahnenflucht werden noch geführt.
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Wie weiterhin bekannt wurde, konnte die geplante Fahnenflucht des Angehörigen der BP der 1. Abteilung, 2. Komp., Wm. [Name 13], FDJ-Mitglied, VP seit 19.4.1960 verhindert werden. Er wurde aus der Sicherungslinie zurückgezogen.
Außerdem konnte am 27.8., gegen 15.00 Uhr im Bereich der 10. Grenzbereitschaft Hirschberg der ehem. DGP-Angehörige [Name 14], geboren [Tag, Monat] 1940, mit seiner Verlobten festgenommen werden. [Name 14] war am 18.4.1961 fahnenflüchtig geworden und hatte sich am 27.8. mit seiner Verlobten an den Kontrollstreifen begeben und von westlicher Seite nach der DDR gerufen. Durch eingeleitete operative Maßnahmen konnte er zum Betreten der DDR veranlasst und inhaftiert werden.
Stimmung und Vorkommnisse in den Einheiten
In allen im Berliner Raum zur Grenzsicherung eingesetzten Einheiten kann die Stimmung für die Berichtszeit weiterhin als positiv eingeschätzt werden. Vonseiten der Kommandeure und Politorgane wurden auch weiterhin verstärkte Maßnahmen zur Festigung der Einsatz- und Kampfbereitschaft der Einheiten durchgeführt.
Große Aktivität ist bei den militärischen und politischen Leitungen der Truppenteile und Einheiten zur Weiterverpflichtung von solchen NVA- und DGP-Angehörigen, deren Dienstzeit im Herbst dieses Jahres abläuft, zu verzeichnen. Die Verpflichtungsbewegung wird gleichzeitig zum Anlass der weiteren Festigung der Kampfkollektive ausgenutzt. Weiterhin erhöht sich ständig die Zahl der Antragsteller um Aufnahme in die Partei sowie in die FDJ. Trotzdem kam es im Berichtszeitraum zu Verstößen gegen die Disziplin und Vorkommnissen besonderer Art, von denen das Wesentlichste nachstehend angeführt wird:
Am 27.8., gegen 21.10 Uhr verließen acht Angehörige des Pionierzuges der III. Abteilung der I. mot. Brigade der BP ohne Erlaubnis das Objekt Basdorf. Als der Posten bemerkte, wie sie über den Zaun kletterten, gab er zuerst einen Warnschuss ab, und da sie nicht stehen blieben, anschließend drei gezielte Schüsse. Alle drei Schüsse trafen den Wm. [Name 15], geboren [Tag, Monat] 1941, der mit Hals- und Oberschenkelverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert wurde, jedoch sich außer Lebensgefahr befindet. Bei der sofort in diesem Objekt durchgeführten Überprüfung wurde festgestellt, dass 16 Angehörige der BP fehlten, die jedoch im Verlaufe der Nacht selbstständig in die Einheit zurückkehrten. Nach ihren Angaben hielten sie sich in Lokalen und bei weiblichen Personen auf. Maßnahmen zur Auswertung wurden eingeleitet.
5. Besondere Vorkommnisse
Am 27.8.1961, in der Zeit von 16.15 Uhr bis 17.45 Uhr, erfolgte im Hafen Gedser/Dänemark eine Provokation gegen das MS »Warnemünde«. Ca. 300 im Hafen anwesende Personen forderten die Reisenden aus der DDR auf, gegen die Maßnahmen vom 13.8.1961 und gegen die Regierung Stellung zu nehmen. Im Hafen lagen Boote mit Losungen gegen die Regierung der DDR und Walter Ulbricht. Dabei handelte es sich vermutlich um westdeutsche Boote.
Auf dem Gebiet der DDR kam es am 27.8.1961 zu einigen bedeutsamen Diversionshandlungen bzw. Unfällen bei der Reichsbahn.
Am 27.8.1961, gegen 23.22 Uhr entgleisten auf der Strecke Karow–Wismar, in der Nähe des Bahnhofes Sternberg, die Lok und fünf Wagen des leeren Kalizuges 10 192. Die Lok sowie drei Wagen kippten in den an den Bahndamm angrenzenden Sumpf ab. Die Strecke ist vorläufig blockiert; der Sachschaden beläuft sich auf ca. 70 000 DM.
Als Ursache wurde festgestellt, dass die rückwärts fahrende Lok des genannten Zuges mit dem Tender auf ein 3,2 m langes und ca. 3 Ztr. schweres Eisenstück aufgefahren war, das zwischen die Brückenkonstruktion und das Gleis geklemmt worden war. Derartige Schienenstücke werden ca. 400 m vom Bahnhof Sternberg entfernt an der Landstraße gelagert. (An der weiteren Aufklärung wird vom MfS in Verbindung mit der Transportpolizei gearbeitet.)
Auf dem Rangierbahnhof Bernau wurde festgestellt, dass eine Kreuzungsweiche durch eingeschlemmte Mauersteine außer Betrieb gesetzt, die Sicherungen für die Entladeaggregate entfernt und ein Kran des VEB Kohlehandel beschädigt worden waren. Ein mit Kabel beladener C-Wagen war geöffnet worden, sodass es zur Sperrung eines Gleises kam.
Als Täter wurde der ehem. Rangierer [Name 16], wohnhaft in Zepernick, [Straße, Nr.], ermittelt und festgenommen.
Am 27.8.1961, gegen 1.14 Uhr fuhren auf dem Bahnhof Eichwalde, Gleis 3, zwei Nahgüterzüge aufeinander. Beide Lokomotiven waren ineinandergeklemmt und wurden stark beschädigt. Das Gleis 3, Strecke in Richtung Cottbus, musste bis 5.20 Uhr gesperrt werden. Schuldig an diesem Zusammenstoß sind der Fahrdienstleiter [Name 17] und die Stellwerksmeisterin [Name 18] vom Bahnhof Zeuthen, die dem Nahgüterzug 8254 in das besetzte Gleis Einfahrt gaben.
Auf dem Bahnhof Krahne – Strecke Brandenburg–Belzig – entgleisten am 27.8.1961 gegen 12.30 Uhr zwei Wagen eines Durchgangsgüterzuges und beschädigten ca. 25 m Gleis. Die Strecke war deshalb bis gegen 20.20 Uhr gesperrt. Ursache war vorzeitiges Auflösen der Fahrtstrecke und Stellen der Weichen unter den rollenden Fahrzeugen durch den Fahrdienstleiter.
Am 27.8.1961 kam es im Verbundnetz der DDR durch die Explosion eines 220 KV Spannungswandlers im Umspannwerk Berzdorf zu einer Stromunterbrechung. Die Stromzufuhr in das Netz konnte nach kurzer Zeit wiederhergestellt werden. Untersuchungen werden noch geführt.
Balloneinflüge wurden am 27.8.1961 an folgenden Punkten festgestellt: südlich von Lübeck, ca. 40 bis 50 Ballons in Richtung Schönberg, und ein Ballon aus der Richtung von Göttingen nach Nordhausen fliegend.