Lage nach dem Bau der Berliner Mauer (15)
31. August 1961
[Bericht] Nr. 510/61 über die Situation aufgrund der Schutzmaßnahmen der DDR
1. Gegnerische Pläne und Aktionen in Westberlin
Der westdeutsche Bundespräsident Lübke sprach am 31.8.1961 nach seiner Rede auf der improvisierten Kundgebung auf dem Rudolf-Wilde-Platz in Westberlin (35 000 Zuschauer, davon überwiegend Jugendliche und Kinder aus den Schulen Westberlins) über die Westberliner Rundfunkstationen.1 Darin dankte er den USA für ihre »Hilfsbereitschaft« und »Entschlossenheit«, besonders hinsichtlich des Besuches von Vizepräsident Johnson und der Berufung des Generals Clay zum Bevollmächtigten des Präsidenten Kennedy.2
Der Terror auf der Berliner S-Bahn in Westberlin hält an. Am 31.8. wurden in Westberlin 17 S-Bahn-Beschädigungen festgestellt. Ein S-Bahn-Zug zwischen Schulzendorf und Tegel wurde durch unbekannte Täter mit Steinen beworfen, wobei eine Tür zerschlagen wurde. Personen kamen nicht zu Schaden.
Im demokratischen Berlin wurden in der gleichen Zeit zwei S-Bahn-Wagen beschädigt. (Aufschneiden von Sitzpolstern)
Auf dem U-Bahnhof Rosenthaler Platz wurde aus dem durchfahrenden Zug 123 Gleimstraße/Gesundbrunnen von einer männlichen Zivilperson eine halbgefüllte Bierflasche auf die dort anwesenden Trapo-Angehörigen geworfen, ohne dass diese verletzt wurden.
In der Berichtszeit kam es wiederum zu einer Anzahl provokatorischer Handlungen an der Staatsgrenze Berlin, an denen besonders Jugendliche beteiligt waren. Dabei ist festzustellen, dass die Methoden der Aufforderung zur Desertion gegenüber unseren Sicherungsposten verstärkt weitergeführt werden, wobei sich Lautsprecherwagen mit Sendungen des »Radio Stacheldraht« an mehreren Grenzabschnitten westlicherseits fast pausenlos im Einsatz befanden. Die Lautsprecherwagen wurden besonders gegenüber dem Machnower Busch, an der »Brücke der Einheit«, am Bahnhof Düppel, in Kleinmachnow, an der Philipp-Müller-Allee, gegenüber dem VEG Carolinenhöhe, gegenüber Großziehten, an der Sonnenallee und Heinrich-Heine-Straße eingesetzt. In den Mittelpunkt der Hetzsendungen wurde weiterhin die Erschießung der Person am Teltow-Kanal am 29.8. durch unsere Sicherungsposten gestellt,3 wobei die Belohnung von 10 000 DM bei Ergreifung und Zuführung des »Täters« in Aussicht gestellt wird. Diese Festlegung wurde in zahlreichen Plakaten und Transparenten, die in Grenznähe aufgestellt wurden, bekundet.
Die Transparente wurden auch häufig von Jugendlichen getragen, die gleichzeitig Schmährufe an unsere Sicherungskräfte richten.
Durch einen Angehörigen der Stupo wurde 0.30 Uhr an der Grenze in der Markgrafenstraße/Ecke Zimmerstraße ein Plakat angebracht, auf dem ein Genosse der Kampfgruppe abgebildet ist. Dieser wird als »Täter« bezeichnet und soll in Westberlin zugeführt werden. Durch die Sicherungskräfte wurde das Plakat mittels Bajonett abgekratzt.
Gegen 5.25 Uhr erschien gegenüber dem KP 69 ein Pkw der Stupo mit Kennzeichen B 32–15. Drei Stupos versuchten unsere Posten durch Hetzparolen zu provozieren und verwiesen mehrmals auf ein oben erwähntes Plakat.
Gegenüber dem Bereich der 11. Komp. (Teltow-Kanal/GB Blankenfelde) wurde zwischen 18.30 Uhr bis 18.55 Uhr unter Beteiligung von ca. 30 Zivilisten, acht Stupo-Angehörigen und fünf Presseleuten eine Kranzniederlegung zu Ehren »des unbekannten Bruders« durchgeführt.
Gegen 11.30 Uhr wurden in Kleinmachnow/Wolfswerder unsere Grenzposten durch Westberliner Bauarbeiter mit Ziegelsteinen beworfen.
Um 13.10 Uhr beschimpften gegenüber der Lohmühlenstraße ca. 100 Personen, die sich unmittelbar an der Grenzmauer befanden, unsere Posten und bewarfen sie mit Steinen.
Um 21.30 Uhr wurden unsere Sicherungsposten an der Jerusalemer Straße (KP 41) von Jugendlichen mit Steinen beworfen.
Gleiches ereignete sich um 21.40 Uhr am Potsdamer Platz/Posten 36. Die Jugendlichen riefen unter anderem, dass sie morgen wiederkommen würden. Sie erhielten vermutlich Anweisungen von Insassen des dort parkenden Opel-Kapitän B-AM 821.
Am 31.8., gegen 19.00 Uhr wurden unsere Posten in der Nähe des Waldkrankenhauses Spandau von einer Person zur Fahnenflucht aufgefordert. Diese Person gab sich als ehem. Offiziersschüler der NVA aus und zeigte ein Dienstbuch der NVA sowie Offiziersschüler-Schulterstücke. Diese Person trat in diesem und in dem anliegenden Bereich bereits zum sechsten Mal in Erscheinung und wird meistens durch vier Engländer und einen Angehörigen der MP gesichert.
Die Kontrollen der Personen, die aus Richtung demokratisches Berlin den Westsektor aufsuchen, werden weiterhin verstärkt. Ein Zollbeamter in Zivil nimmt Überprüfungen anhand mehrerer Listen vor.
Dem MfS wurde bekannt, dass der SPD-Arbeitskreis 19314 für den 1.9.1961, 19.00 Uhr, im Ratskeller Schöneberg eine Veranstaltung einberufen hat. Es spricht Oberregierungsrat Helmut Sieglerschmid (Verfassungsschutz) zu dem Thema »Der kommunistische Angriff auf das freie Berlin«. Aus der Einladung geht hervor, dass dieses aktuelle Thema von einem Fachmann behandelt wird, der über große Erfahrungen verfügt. An der Veranstaltung nimmt nur ein geladener Kreis teil.
Einschätzung der taktischen Handlungen der westlichen Besatzungsmächte
Von den Besatzungsmächten in Westberlin wurde die bisher in den taktischen Handlungen durchgeführte Streifentätigkeit weitgehend eingeschränkt. Von den US-Streitkräften scheint lediglich noch ein Jeep im direkten Einsatz an der Staatsgrenze im Stadtgebiet zu stehen. Die französischen Streitkräfte haben die bisher üblichen Fuß- und SPW-Streifen ebenfalls zurückgezogen und führen nur noch mit einigen Jeeps, die mit Nachrichtengeräten ausgerüstet sind, in längeren Zeitabständen Grenzkontrollen durch.
Bei den britischen Truppen befindet sich eine Fußstreife in Stärke von sechs Mann in größeren Zeitabständen im ständigen Einsatz zwischen Zeltplatz vor dem Reichstag und Linkstraße. Die Abschnitte Kieler Straße–Reichstag und Reichstag–Linkstraße (Potsdamer Platz) wurden alle 40 bis 60 min durch MTS- und SPW-Streifen abgefahren.
Mehrmals gelangte entlang der Staatsgrenze zum englischen und amerikanischen Sektor ein Hubschrauber zum Einsatz. Gegen 10.35 Uhr flog ein Hochdecker die Grenze zwischen Potsdamer Platz und Brandenburger Tor ab.
Um 14.25 Uhr fuhren am Brandenburger Tor sechs SPW der englischen Besatzungsmacht mit Front zur Siegessäule auf. Nachdem die Wagen in dieser Stellung fotografiert wurden, erfolgte gegen 15.00 Uhr Abzug.
Um 16.40 Uhr fuhren am KP Brunnenstraße ein Pkw, zwei Jeeps und drei SPW bis auf 80 m an die Grenze heran. Dem Wagen entstiegen sechs höhere Offiziere, die Eintragungen in Messtischblätter vornahmen. Bereits gegen 10.10 Uhr wurden durch britische und amerikanische Offiziere am Potsdamer Platz Karteneintragungen vorgenommen.
Der bisher auf dem Reichstag stationierte britische Beobachtungsposten wurde gegen 18.00 Uhr zurückgezogen.
Provokationen und Grenzverletzungen durch Angehörige der Besatzungstruppen traten im Berichtszeitraum nicht auf.
2. Gegnerische Provokationen im demokratischen Berlin
Die gegnerische Tätigkeit in den Stadtbezirken Berlins kommt neben Hakenkreuzschmierereien und Anschmieren von Hetzparolen besonders darin zum Ausdruck, dass angetrunkene Personen in Gaststätten und auf der Straße Genossen der SED provozieren und gegen unseren Staat und Funktionäre hetzten.
So beschimpfte in den Abendstunden des 31.8. der 39-jährige [Name 1] in einem Lokal des Stadtbezirkes Friedrichshain einen Genossen der SED in übelster Art und verleumdete den Vorsitzenden des Staatsrates und die Regierung der DDR. Festnahme durch VP erfolgte.5
Ein Kraftfahrer des VEB Taxi hetzte im angetrunkenen Zustand in einer HO-Gaststätte in Pankow gegen die bewaffneten Organe der DDR. Festnahme durch VP ist erfolgt.6
Ähnliche Vorkommnisse waren im HO/Lichtenberger Straße in Weißensee und im Omnibus der Linie 46 zu verzeichnen, wo Angehörige der Kampfgruppe beschimpft und VP-Angehörige angegriffen wurden. In beiden Fällen erfolgte Festnahme durch die VP.7
Im VEB Motorenwerk Johannisthal wurde eine vermutliche Diversion an einem 800-PS-Dieselmotor festgestellt. Schaden konnte verhindert werden.
3. Grenzdurchbrüche und Desertionen
In der Berichtszeit gelang fünf Personen der Übertritt über die Staatsgrenze in Richtung Westberlin. Drei Personen wurden wegen versuchten Grenzdurchbruchs festgenommen.
Zu den Durchbrüchen im Einzelnen:
Um 15.45 Uhr verließen zwei Jugendliche (Namen nicht bekannt) das Volkshaus Staaken durch das Fenster der Garderobe und begaben sich zum Grenzzaun. Dabei wurde ein Sicherungsgerät ausgelöst. Der alarmierte Posten stellte fest, dass die beiden Grenzverletzer den Drahtzaun bereits überstiegen hatten.
Gegen 18.50 Uhr verließ der Student [Name 2], geboren 1939, das demokratische Berlin bei Alt-Glienicke, Nibelungenweg, mittels Durchschneiden des Drahtzaunes. [Name 2] war vorher Student der »FU«. Der Grenzdurchbruch wurde von unserem Posten erst bemerkt, als [Name 2] bereits auf Westberliner Gebiet war.
Bei den versuchten Grenzübertritten handelt es sich um drei Jugendliche – ehem. Grenzgänger8, bisher kein Arbeitsverhältnis im demokratischen Berlin –, die am KP Drewitz/Ost/GB Blankenfelde die Grenze überschreiten wollten.
Eine Grenzverletzung WB/DDR wurde gegen 10.00 Uhr festgestellt und daraufhin der österreichische Staatsbürger [Name 3], 21 Jahre, im KP-Bereich Drewitz festgenommen. [Name 3] hatte sich inzwischen mit Bauarbeitern der DDR unterhalten und Fotoaufnahmen getätigt. Er gab an, in Westberlin zur Funkausstellung zu wollen.
An der Staatsgrenze West nach Westdeutschland erfolgten in der Berichtszeit fünf Grenzdurchbrüche mit 14 Personen, davon ein schwerer Grenzdurchbruch durch drei Personen unter Mitnahme von zwei Pferden und eines Wagens. (GB Hildburghausen)
Schwerpunkt bildet weiterhin die 3. Grenzbrigade mit drei Fällen und zehn Personen. Bei den Republikflüchtigen handelt es sich in allen Fällen um Bewohner des 5-km-Sperrgebietes. Die Grenzdurchbrüche wurden z. T. durch Unachtsamkeit der diensttuenden Posten begünstigt.
In der Berichtszeit erfolgten vier Desertionen nach Westberlin von um Berlin eingesetzten DGP bzw. BP-Angehörigen, wodurch sich die Gesamtzahl der seit dem 13.8.1961 fahnenflüchtig Gewordenen auf 74 erhöht.
Zu den vier Desertionen im Einzelnen:
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Am 31.8. hatten die Wm. [Name 4], geboren [Tag, Monat] 1942 in Eisenach, VP seit 26.4.1960 und Wm. [Name 5], geboren [Tag, Monat] 1940 in Jena, VP seit 5.5.1959, von der 1. mot. Brigade Berlin, 2. Abteilung, 2. Komp., Dienst als Posten am KP 46. Gegen 1.20 Uhr wurden sie aus dem Postenbereich unter Zurücklassung der Waffen, Munition und Stahlhelme fahnenflüchtig. Ursachen bisher nicht bekannt.
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Seit 31.8., 9.45 Uhr, ist der Gefr. [Name 6], geboren [Tag, Monat] 1940, DGP seit 5.5.1959, Postenführer 14. GB Groß Glienicke, 7. Komp. Schönwalde vom Postenbereich mit Karabiner und 60 Schuss Munition fahnenflüchtig. Bisherige Untersuchungen ergaben, dass vorher zwei Kontaktaufnahmeversuche durch Angehörige der Stupo unternommen wurden.
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Am 31.8., gegen 20.00 Uhr wurde der Uwm. [Name 7] geboren [Tag, Monat] 1943, VP seit 10.4.1961, noch nicht vereidigt, fahnenflüchtig. [Name 7] war Angehöriger der 2. Batterie der Artillerie-Abteilung der Lehrbrigade Basdorf, er hatte allein Standposten in Berlin-Schönholz/Provinzstraße. Er hinterließ Waffe, Munition und Stahlhelm. Untersuchungen über die Ursache sind noch im Gange.
An der Staatsgrenze West (nach WB) erfolgte in der Berichtszeit eine Desertion und zwar durch den Gefr. [Name 8], geboren [unleserlich], Angehöriger der DGP seit 2.5.1959, in der GB Salzwedel, Komp. Redigau. [Name 8] hatte bis 0.03 Uhr Kontrollstreife im 10-m-Gebiet. Während sich der 2. Posten für kurze Zeit entfernte, wurde [Name 8] unter Mitnahme seines Karabiners sowie der MPi des 2. Postens flüchtig.
Mängel im Grenzsicherungssystem
Ungünstig im Sicherungssystem wirkt sich aus, dass nachts keine einheitliche Parole bei den Einheiten der BP und Trapo, die die Grenze am Bahnkörper bewachen, besteht.
Während die BP-Angehörigen auftauchende Personen nach dem Kennwort fragen, rufen die Genossen der Trapo diese Personen nach einer Kennziffer an.
Aus einer Information geht hervor, dass der Friedhof in der Ackerstraße, N 4, für Grenzdurchbrüche geeignet ist. Angeblich soll an der Mauer der Grenze nur ein Posten pendeln, der das Gebiet nicht vollkommen überblicken kann.
Vorkommnisse an der Staatsgrenze
Aus Berlin-Treptow wird bekannt, dass Bürger des demokratischen Berlin aus den Lauben von Westberlinern, die in den letzten Tagen nicht mehr in ihren Grundstücken gesehen wurden, Einrichtungsgegenstände und anderes Eigentum herausholen. Außerdem liegen Anzeichen vor, dass auch Obst aus solchen Laubengrundstücken geerntet wird.
In der Bernauer Straße 7, 2. Stock, werden Lebens- und Genussmittel mit Westberlinern ausgetauscht. Der Austausch erfolgt mittels eines Körbchens, das an einem Strick rauf- und runtergezogen wird.
In der Bernauer Straße 44 wurde von bisher unbekannten Tätern versucht, die zugemauerten Kellerfenster Richtung Westberlin zu durchbrechen.
Lage in den bewaffneten Organen
Nach wie vor gibt es starke Diskussionen der Angehörigen der bewaffneten Organe über Ausgang und Urlaub. Besonderer Schwerpunkt war im Berichtszeitraum die 2. Komp. der 14. Grenzbereitschaft.
In einigen Bereitschaften werden häufig Vergleiche gezogen zur Bereitschaft der Offiziere, die in Abständen von vier Tagen Ausgang erhalten, die Mannschaften nur einmal wöchentlich.
Der Kommandeur der 2. Grenzabteilung, 14. Grenzbereitschaft, schätzte in einem Gespräch die Hetztätigkeit des sog. Sonderstudios »Stacheldraht«9 als eine politische Offensive ein, der wir Gleiches bisher noch nicht entgegengesetzt haben und beurteilte die Wirksamkeit der gegnerischen Argumente auf die Sicherheitskräfte als stark. Darauf seien auch solche Beispiele zurückzuführen wie Empörung über das Löschen von Tonbändern mit Westschlagern u. a.
Am 31.8. kam es zu einem Vorkommnis im Abschnitt I, 2. Komp., 4. Abteilung Neun Genossen dieser Abteilung hatten seit 9.00 Uhr mit kurzen Unterbrechungen Alkohol zu sich genommnen, begaben sich aber gegen Mittag nach Aufforderungen des stellv. Polit-Leiters in ihre Unterkünfte. Um 15.00 Uhr wurden alle Genossen der Abteilung zum Appell gerufen. Genosse Wm. [Name 9], der am Vormittag mit gezecht hatte, widersetzte sich jedoch zunächst und leistete später nur widerwillig den Anordnungen Folge. Für sein Verhalten sollte Wm. [Name 9] vom Genossen Oltn. Blum vor der Einheit verwarnt werden. Wm. [Name 9] weigerte sich jedoch, vor die Einheit zu treten, beschimpfte seine Vorgesetzten und erklärte: »Ich trete vor, wann es mir passt«, was Oltn. Blum zum Anlass nahm, die Waffe des Wm. [Name 9] zu fordern. Da sich dieser weiter widersetzte und hetzerische Reden führte, zog Oltn. Blum die Pistole. Zu gleicher Zeit pflanzte auch Wm. [Name 9] das Bajonett auf, ging in Verteidigungsstellung, wobei ihn Wm. [Name 10] und Wm. [Name 11] (gehören zu den neun erwähnten Genossen) unterstützten. Die übrigen Genossen der Abteilung verhielten sich neutral, sodass zehn Kampfgruppenmitglieder, die sich in der Nähe aufhielten, herbeigeholt wurden und die am Vorfall beteiligten Mannschaften entwaffneten. Die neun Genossen wurden arrestiert, wobei Wm. [Name 9], Wm. [Name 10] und Wm. [Name 11] als Beschuldigte vernommen werden. Die Untersuchungen werden weitergeführt.
Am 31.8., gegen 21.40 Uhr wurde der Soldat [Name 12], geboren 1942, 5. MSB Prora, zzt. in Weggun, Kreis Prenzlau, bei der Durchführung seines Wachdienstes beschossen und an der Schulter verletzt. [Name 12] wurde in das Krankenhaus Prenzlau eingeliefert, Lebensgefahr besteht nicht. Nach den ersten informatorischen Befragungen soll der Schuss von außerhalb des Objektes abgegeben worden sein. Nach Rekonstruktion muss jedoch angenommen werden, dass [Name 12] von einem anderen Posten angeschossen wurde. Die Untersuchungen durch eine Gruppe von Spezialisten sind noch nicht abgeschlossen.
Am 31.8. verübte der Angehörige der BP Owm. [Name 13], 2. Abteilung der 1. mot. Brigade Bln. einen Selbstmordversuch mit einer Pistole durch zwei Schüsse. An den Folgen ist er verstorben. [Name 13] war von der 3. Bereitschaft Potsdam-Eiche zur Brigade Bln. versetzt und arbeitete als Sachbearbeiter des Kommandeurs der Abteilung. Die Ursachen werden durch eine Kommission der Einheit geklärt. Bisher gibt es keine näheren Hinweise.
4. Vorkommnisse in der DDR/demokratischer Sektor
Am 30.8., gegen 14.30 Uhr wurde bekannt, dass sich der Facharzt für Lungenkrankheiten, Dr. [Name 14], geboren 1911, Bln. N 4, [Straße, Nr.], durch Erhängen das Leben genommen hat. Nach den Angaben der Ehefrau soll Dr. [Name 14] aufgrund der Maßnahmen unserer Regierung vom 13.8. unter starken seelischen Depressionen gelitten haben. Der Tote war stark westlich eingestellt, sein Sohn ging in Westberlin zur Schule und [Name 14] war davon überzeugt, dass man ihm in der weiteren Folge seine Praxis entziehen würde. (Bisher liegen nur die Angaben der Ehefrau des Dr. [Name 14] vor.)
Am 29.8., gegen 17.00 Uhr suchte eine bisher nicht bekannte männliche Person die Poliklinik Wernshausen/Suhl auf, um sich angeblich behandeln zu lassen. Der Arzt war nicht anwesend, und die Ehefrau des Arztes ließ den Unbekannten in den Behandlungsraum eintreten. Dort wurde die Frau von der männlichen Person mit einer Pistole bedroht sowie mit den Worten: »Wir brauchen keine Kommunisten, gehen sie sofort aus Wernshausen, wenn nicht, werden wir sie erschießen.« Die Arztfamilie ist vor Kurzem aus der ČSSR in die DDR übergesiedelt und wurde in die Wohnung eines r-flüchtigen Arztes eingewiesen. Ermittlungen nach dem Täter werden von einer Einsatzgruppe geführt.
Am 31.8., 7.00 Uhr, wurde das westdeutsche Küstenmotorschiff »Delphin III« aus Hamburg vor Rügen durch ein Schiff der Volksmarine mit Schüssen vor den Bug zum Halten gezwungen. Das Schiff befand sich auf der Fahrt von Hamburg nach Stettin und hatte keine Fracht an Bord. Es fuhr innerhalb der 3-Meilen-Zone und in einem Gebiet, das für die internationale Schifffahrt durch die DDR gesperrt wurde. Der Frachter hatte keine Flagge gesetzt. Nachdem das Schiff gestoppt hatte, ging ein Prisenkommando10 an Bord. Der Kapitän von »Delphin III« gibt an, dass er immer so gefahren sei und sich diese Route eingebürgert habe. Nach Zurechtweisung wurde das Schiff zur Weiterfahrt auf dem Zwangswege aufgefordert. Die Kontrolle des Küstenmotorschiffes durch unsere Volksmarine erfolgte zu Recht.