Lage nach dem Bau der Berliner Mauer (16)
1. September 1961
[Bericht] Nr. 514/61 über die Situation aufgrund der Schutzmaßnahmen der DDR
Zur diplomatischen und politischen Aktivität des Gegners in der Woche vom 27.8. bis 2.9.1961
Die westliche Reaktion auf die sowjetische Erklärung über eine Wiederaufnahme der Kernwaffenversuche1 gleicht der Reaktion auf die Schutzmaßnahmen der DDR in der Westberlin-Frage unter einem generellen Aspekt: die gesamte diplomatische Planung insbesondere der USA und der Bonner Regierung wurde über den Haufen geworfen. Die Sowjetunion und die DDR sind sowohl dem Versuch zuvorgekommen, die DDR unter Ausnutzung Westberlins »sturmreif« zu machen als auch vonseiten der USA dann die Kernwaffenversuche wieder aufzunehmen, wenn die forcierten militärischen Anstrengungen der Regierung Kennedy es verlangt hätten. Entsprechende Forderungen vonseiten der amerikanischen Atomenergie-Kommission waren schon seit längerer Zeit erhoben worden.
Die gesamte westliche Reaktion auf die Erklärung der Sowjetunion ist darauf ausgerichtet, einen »augenblicklichen propagandistischen« Vorteil zu erzielen,2 während in realistischen Analysen westlicher Korrespondenten bereits jetzt zum Ausdruck kommt, dass die militärischen und auch die weitergehenden diplomatischen Vorteile sowohl in der Frage der Kernwaffenversuche als auch eines deutschen Friedensvertrages im Zusammenhang mit den Schutzmaßnahmen der DDR aufseiten des sozialistischen Lagers sind.
Es heißt in den Korrespondentenberichten, dass die Erklärung der Sowjetregierung in einem engen Zusammenhang mit der Westberlin-Frage und der provokatorischen Haltung Bonns und Washingtons in dieser Frage zu sehen ist. Die Stärke der sowjetischen Verhandlungspositionen in der zu erwartenden Konferenz über die Deutschland- und Westberlin-Frage sei deutlich unterstrichen worden.
In führenden politischen Kreisen Bonns wurde erklärt, der sowjetische Schritt sei der Auftakt für baldige Aktionen gegen Westberlin. Der Westen müsse nunmehr zu Gegenaktionen übergehen. Auf einer Wahlkundgebung forderte Adenauer eine Verstärkung der westdeutschen Aufrüstung für die nächsten vier Jahre.3
In den Auseinandersetzungen zwischen den Westmächten über die Frage, ob und unter welchen Bedingungen der Sowjetunion neue Ost-West-Verhandlungen vorgeschlagen werden sollen, wurde in der vergangenen Woche eine Kompromisslösung erzielt. Für den 14.9. hat Kennedy die Außenminister Englands, Frankreichs und der Bundesrepublik zu einer Konferenz nach Washington eingeladen.4 Eine bereits entworfene Einladung an die Sowjetunion in der Form einer offiziellen westlichen Note scheiterte am Widerstand Frankreichs.
Insgesamt zeigt die Reaktion der Westmächte auf die Schutzmaßnahmen der DDR keine grundsätzlich neuen Momente. Sie versuchen weiterhin, die Schutzmaßnahmen zu verleumden und »propagandistische Vorteile« zu gewinnen sowie ihre wesentlichsten Positionen in Westberlin zu halten. Zugleich geht aus Korrespondentenberichten und aus internen Informationen hervor, dass sie den weitreichenden strategischen Vorteil, den die DDR und das gesamte sozialistische Lager mit den Schutzmaßnahmen erlangten, nicht verleugnen können.
Nach dem Bericht einer zuverlässigen Quelle sind führende Kreise der US-Mission in Westberlin der Auffassung, dass gegen die Schutzmaßnahmen der DDR nichts unternommen werden kann und dass es wegen Westberlin nicht zu einem Krieg kommt. Die bereits beabsichtigte Verwirklichung des Evakuierungsplanes für die Familienangehörigen der amerikanischen Streitkräfte in Westberlin wurde wieder zurückgezogen. Der französische Botschafter Seydoux erklärte während eines Besuchs in Westberlin am 26.8., es gebe keinen Grund zur Beunruhigung.5
Leitende Mitarbeiter des Quartier Napoleon in Westberlin zeigten sich unzufrieden darüber, dass die Regierung in Paris sie weitgehend ohne konkrete Richtlinien lasse. Sie hätten auch kein Verständnis für das französische Zögern in der Frage neuer Ost-West-Verhandlungen.
Auf einer Sitzung des Bundeshauptausschusses der FDP am 24.8. in Hannover erklärte Mende, der Westen sei sich durchaus darüber im Klaren, dass er auf die sog. Agententheorie bei der Kontrolle der Verbindungswege nach Westberlin zurückgreifen müsse.6 Die »Gefahr« sei, dass es kurz über lang zu einem Arrangement zwischen der SU und den USA über die »endgültige Teilung Deutschlands« (d. h. über die De-facto-Anerkennung der Existenz zweier deutscher Staaten) kommen wird.
Es zeigt sich, dass die Kommentare besonders der britischen und französischen aber auch teilweise der westdeutschen Presse sich immer stärker auf diese Fragen konzentrieren. So heißt es beispielsweise, die »Berlinkrise« sei aus nichts anderem als der Notwendigkeit heraus entstanden, die DDR anzuerkennen (»Liberation«). Die DDR stehe vor ihrer Anerkennung als Staat (»Westdeutsches Tageblatt«). Anstatt in der Lage zu sein, irgendeine Konzession für die Anerkennung der DDR zu verlangen, stehe der Westen vor einer vollendeten Tatsache, an der er nichts mehr ändern könne (»Sunday Telegraph«).
Die Bonner Regierung und die Bonner Parteien haben ihre Taktik offensichtlich darauf ausgerichtet, die nicht mehr aufzuhaltende Anerkennung der DDR durch ein überraschendes Drängen auf neue Ost-West-Verhandlungen soweit wie möglich hinauszuzögern, indem sie diese Verhandlungen, wie es vor allem Brandt fordert,7 mit den illusionären Verlangen blockieren wollen, dass die Schutzmaßnahmen der DDR rückgängig gemacht werden sollen. Gleichzeitig versuchen sie, die Bedeutung der weltpolitischen Anerkennung der DDR als souveräner Staat durch eine maßlose Hetze gegen die Schutzmaßnahmen der DDR herabzumindern. In der Westberlin-Frage sind sie weiterhin bestrebt, die sog. Rechte der Westmächte für ihre provokatorischen Umtriebe auszunutzen.
Die Westberlin-Frage ist in den Mittelpunkt aller Wahlreden der führenden westdeutschen Politiker gerückt, und diese Taktik kommt dabei deutlich zum Ausdruck. Dabei verstärken sich aufseiten der CDU die Befürchtungen, dass die SPD mit ihrer chauvinistischen Stimmungsmache in der Westberlin-Frage zu Stimmengewinnen kommen könnte. Deshalb erklärte Adenauer auf einer Wahlkundgebung in der vergangenen Woche, die Schutzmaßnahmen der DDR seien eine Wahlhilfe für die SPD gewesen. Brandt reagierte darauf mit der Aufforderung, eine Regierung auf »breitester Grundlage« unter Einschluss auch außerparlamentarischer Kräfte zu bilden.
Auf einer gemeinsamen Sitzung des Westberliner SPD-Landesausschusses und der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses machte Brandt am 28.8. längere Ausführungen zur gegenwärtigen Situation.8 Vor allem forderte er, dass sich künftige Ost-West-Verhandlungen nicht auf die Frage der Verbindungswege nach Westberlin und insbesondere der Luftkorridore beschränken dürften, sondern auf »ganz Deutschland« ausgedehnt werden müssten. Die Westmächte forderte Brandt erneut auf, sich durch den sog. 4-Mächte-Status nicht ihre Handlungsfreiheit einschränken zu lassen. Nutznießer dieses Status sei vor allem Adenauer.
Zur Belgrader Konferenz der neutralen Staaten erklärte Brandt, sie bereite ihn »einige Sorgen«. (Da bisher offiziell nur die Rede Sukarnos mit seiner Befürwortung der Anerkennung der Existenz zweier deutscher Staaten vorliegt, geben wir eine Einschätzung der Belgrader Konferenz erst in der nächsten Wochenübersicht.)
In Anbetracht der Tatsache, dass am Ergebnis der Schutzmaßnahmen der DDR nichts mehr zu ändern ist und auf der Suche nach neuen provokatorischen Manövern erklärte Brandt, die Funktion Westberlins müsse geändert werden. Es habe keinen Sinn mehr, von einem »Pfahl im Fleische der Sowjets« zu sprechen. Westberlin müsse zu einem »Kulturzentrum«9 und zu einer »Zentralen Bildungsstätte« Westdeutschlands und des gesamten Westens ausgebaut werden.
Es wurde im Einzelnen dazu bekannt, dass sich zwei Senatskommissionen bereits mit dieser Frage und zum anderen mit der weiteren Entwicklung der Westberliner Wirtschaft beschäftigten. Nach einer internen Information wurden den Referenten des Westberliner Senats für die Betreuung von Besuchern Westberlins Einzelheiten über die Pläne des Senats bekanntgegeben. Danach sollen die Universitäten und Kultureinrichtungen vergrößert werden, um mehr Studenten vor allem aus sog. Entwicklungsländern unterzubringen. Die Finanzmittel dafür erwarte man von Westdeutschland. An die Presse sei die Anweisung ergangen, sog. Zwischenfälle an der Grenze zur DDR in den Hintergrund treten zu lassen, um den Anschein einer Normalisierung der Lage in Westberlin zu erwecken. Durch eine bedeutende Erhöhung der Zahl der Besucher Westberlins soll vor allem in Westdeutschland aber auch in allen übrigen westlichen Ländern die Erkenntnis verbreitet werden, dass mit Westberlin auch Westdeutschland fallen würde.
Aus führenden FDP-Kreisen wurden Einzelheiten über die geplanten wirtschaftlichen Maßnahmen bekannt. Es zeichneten sich bereits jetzt ein Mangel an Arbeitskräften, ein Rückgang der Aufträge aus der Bundesrepublik und eine Geldverknappung bei den Westberliner Banken ab. Mit Vertretern der westdeutschen Wirtschaft soll die Möglichkeit erörtert werden, junge Arbeitskräfte nach Westberlin zu bringen. Es werde auch die Forderung erhoben, dass Westdeutschland auf das Steueraufkommen aus Westberlin verzichten soll.
Auf der Landesausschusssitzung der Westberliner SPD am 28.8. sprach der DGB-Vorsitzende Sickert10 über den vom DGB organisierten S-Bahn-Boykott. Er musste zugeben, dass der DGB damit besonders im Verhältnis zu den Vorstellungen der Vertreter der Westmächte vorgeprellt sei. Das Landesvorstandsmitglied Edith Krappe forderte, niemand dürfe mit ungesetzlichen Aufrufen an der Benutzung der S-Bahn gehindert werden.
Wie Sickert weiter erklärte, beschäftigt sich der Westberliner DGB gegenwärtig mit der Situation der in Westberlin wohnenden Angehörigen der Reichsbahn, nachdem die Westberliner Lohnausgleichskasse ihre Tätigkeit eingestellt hat. Es herrsche die Tendenz vor, der Reichsbahndirektion ein Ultimatum zu stellen, entweder die Löhne der Eisenbahner voll in Westgeld auszuzahlen oder auf ihre weitere Arbeit verzichten zu müssen.
Auf einer Kreisvorstandssitzung in Reinickendorf wandte sich der ehem. Landesvorsitzende Neumann11 gegen die Auflösung der SPD im demokratischen Berlin. Aus verschiedenen internen Informationen wird bekannt, dass die Mitglieder und Funktionäre im demokratischen Berlin versuchen, ihre Tätigkeit illegal fortzusetzen. Die Funktionäre wurden aufgefordert, ständigen Kontakt zueinander zu halten. In den Kreisverbänden Friedrichshain und Pankow wurden die Wohnungen der Kreisvorsitzenden als illegale Treffpunkte bestimmt. In Friedrichshain wurden die Funktionäre aufgefordert, am 17. September nicht für die Kandidaten der Nationalen Front zu stimmen und jegliche Kontaktaufnahme mit Vertretern der Nationalen Front abzulehnen.
Gegnerische Pläne und Aktionen in Westberlin
Wie bisher, wurden auch im Berichtszeitraum mehrere Grenzprovokationen, hauptsächlich von Jugendlichen, durchgeführt. Schwerpunkte ergaben sich an den KP Lindenstraße/Jerusalemer Straße und Alte Jacobstraße. Hier kam es zu Menschenansammlungen von jeweils ca. 100 Personen, meist randalierende Jugendliche, die vereinzelt Steine nach unseren Posten warfen. In zwei Fällen wurden Zigaretten und Westzeitungen über die Grenze geworfen. Am KP Jerusalemer Straße musste ein Wasserwerfer eingesetzt werden, um die Menge zu zerstreuen. Ein Sicherungsposten wurde am KP 27 durch Steinwurf am rechten Auge verletzt und musste zur Behandlung ins VP-Krankenhaus gebracht werden.
Am 1.9.1961, gegen 10.30 Uhr hielt am KP Lindenstraße auf westlicher Seite ein Moped-Fahrer, der aus einer Pistole einen Schuss auf unseren Posten abgab. Das Geschoß schlug in eine Mauer ein, der Posten wurde nicht verletzt. Das Kennzeichen des Mopeds konnte nicht festgestellt werden. (Zur Untersuchung wurde ein Genosse der Abteilung K eingesetzt, weitere Bearbeitung erfolgt durch eine Einsatzgruppe der VPI Mitte.)
Nachträglich wird bekannt, dass am 28. und 29.8.1961 zwischen Wredebrücke und Massantebrücke Pioniere des 1. Pionierbtl. der 1. mot. Brigade bei ihren Arbeiten ständig von jugendlichen Rowdys zur Fahnenflucht aufgefordert wurden.
An der Brücke der Einheit in Potsdam erschienen Lautsprecherwagen mit einer Sendung vom Studio »Stacheldraht«. In der Sendung wurden alle Angehörigen der DGP aufgerufen, nicht länger auf ihre Landsleute zu schießen, mit der Ankündigung, dass die Posten, die auf Grenzverletzer schießen, in Westberlin gerichtlich zur Verantwortung gezogen würden.
Der Stupo gelang es in der Nacht zum 1.9.1961, gegen 1.30 Uhr am Posten 17 (Gleimstraße), wahrscheinlich durch falsches Verhalten unseres Grenzpostens, Kenntnis des Kennwortes und der Parole zu erhalten.
Im Berichtszeitraum wurden die Hetze und Provokationen durch den Einsatz von Lautsprecherwagen auf westlicher Seite gegen unsere Posten an den KP Kopenhagener-, Invaliden-, Heinrich-Heine-Straße und Sonnenallee fortgesetzt.
An mehreren KP wurden Plakate von 2 × 2 m Größe angebracht. Inhalt: »10 000 Mark Belohnung …«. Diese wurden von unseren Posten z. T. mit Stangen abgekratzt.
Von einer Quelle wurde berichtet, dass an der Filmbühne am Steinplatz in Westberlin ein Anschlag mit der Aufforderung angebracht wurde: »Berlins zornige junge Männer treffen sich freitags und sonnabends um 20.00 Uhr zum künstlerischen Protest und zur kulturpolitischen Diskussion im Club ›Kulturkeller‹ – das Massengrab, Berlin-Charlottenburg, Schillerstr. 40.«
Einschätzung der takt. Handlungen der westl. Besatzungsmächte
Die takt. Handlungen der Besatzungsmächte an der Staatsgrenze im Stadtgebiet von Westberlin sind erneut durch eine verstärkte Streifentätigkeit gekennzeichnet. Die Streifen wurden im Allgemeinen in unregelmäßigen längeren Zeitabständen mit Jeeps (zwei mit rückstoßfreien Geschützen), SPW und MTW, die mit Nachrichtenmitteln ausgestattet sind, durchgeführt. Hervorzuheben ist, dass die französischen Streitkräfte in zwei Fällen auch jeweils zwei Panzer (vermutlich vom Typ AMX 13) zum Einsatz brachten.
Außerdem wurde die Staatsgrenze nach Westberlin im Stadtgebiet und im Bereich zwischen Klein-Glienicke und Kleinmachnow mehrmals durch Hubschrauber abgeflogen.
Nach Schätzung dürften die im unmittelbaren Grenzgebiet eingesetzten Besatzungsstreitkräfte folgende Stärke aufweisen:
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Franzosen:
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Etwa eine mot. Schützen-Komp., verstärkt durch zwei Panzer (vermutl. vom Typ AMX 13). Zum Einsatz gelangten außerdem Jeeps, MTW und SPW. Häufig wurde jeweils ein Jeep zusammen mit ein bis zwei SPW einsetzt. Die Fahrzeugbesatzungen sind mit üblicher Inf.-Bewaffnung und Nachrichtengeräten ausgestattet. Gegen 15.30 Uhr und 17.00 Uhr fuhren jeweils zwei Panzer am KP Chausseestr. auf.
An der Staatsgrenze der DDR/Westberlin bei Lübars gingen in der Zeit von 11.15 bis 12.00 Uhr zwei französische SPW in Stellung, deren Besatzungen aufmerksam das Gebiet der DDR beobachteten. Schon vorher wurde in diesem Raum eine Inf.-Fußstreife in Gruppenstärke mit der üblichen Bewaffnung und Nachrichtengerät festgestellt.
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Engländer:
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Etwa 1 bis 2 Züge SPW sowie Jeeps und MTW. Die Fahrzeuge wurden überwiegend einzeln zur Grenzkontrolle eingesetzt. Die Fahrzeuge waren auf dem Platz vor dem Reichstag stationiert und fuhren von dort aus die im Bericht vom 31.8. genannten Streifenwege ab.
Zusätzlich pendelte eine Fußstreife, wie bereits in den Vortagen, zwischen dem Reichstag über den Tiergarten in Richtung Linkstraße.
In der Zeit zwischen 7.00 bis 12.00 Uhr patrouillierten in Abständen von etwa einer Stunde ein britischer Jeep gemeinsam mit einem SPW zwischen der Enklave Eiskeller und Westberlin. Gegen 12.05 Uhr hielten sich am Verbindungsweg zur Enklave (engl. Weg) vier britische Jeeps und zwei SPW auf. Die Offiziere der Fahrzeugkolonne fotografierten das Gelände der DDR und nahmen Eintragungen vor.
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Amerikaner:
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In der Berichtszeit traten in längeren Zeitabständen vier Jeeps, die mit Funkgeräten ausgestattet waren, davon zwei mit rückstoßfreien Geschützen im unmittelbaren Grenzgebiet zum demokratischen Berlin in Erscheinung. Außerdem gelangten zwei Hubschrauber zum Einsatz, die entlang der Staatsgrenze im Stadtgebiet einschließlich des englischen Sektors flogen. Ein weiterer Hubschrauber flog mehrmals die Staatsgrenze der DDR nach Westberlin im Raum Klein-Glienicke und Kleinmachnow ab.
Der am 31.8. auf dem Reichstag aufgelöste Beobachtungsposten war seit etwa 6.00 Uhr den ganzen Tag über mit zwei bis fünf britischen Soldaten besetzt.
Das vor dem Reichstag befindliche Zeltlager wurde seit 12.00 Uhr abgebaut und gegen 16.10 Uhr geräumt. Auch die dort befindliche Funkstation wurde zurückgezogen.
Provokationen und Grenzverletzungen durch Angehörige der Besatzungstruppen wurden im Berichtszeitraum nicht bekannt.
Gegnerische Provokationen im demokratischen Berlin
In der Berichtszeit ereigneten sich mehrere Provokationen in Form von Hetze, Schmierereien und Abreißen von Plakaten.
Der Schauspieler [Name 1] aus Lichtenberg hetzte z. B. auf der Straße gegen den Genossen Walter Ulbricht. (Bearbeitung durch VPI/K, Lichtenberg)
Unbekannte Täter schmierten im Gaswerk Dimitroffstraße mehrere Hakenkreuze an die Fenster der Koksförderanlage. (Bearbeitung durch VPI/K, Prenzlauer Berg)
Die Schülerin [Name 2] riss am Stützpunkt der Nationalen Front in Berlin-Mahlsdorf, Georginenweg zwei Wahlplakate ab. Sie erklärte, dass sie von ihrer Großmutter dazu beauftragt worden sei. (Bearbeitung durch VPI/K, Lichtenberg)
In der Einbeckerstraße in Bln.-Friedrichshain wurde ein Plakat mit dem Bild des Genossen Titow12 abgerissen. (Täter wurde der VP zugeführt)
Grenzdurchbrüche und Desertionen
In der Berichtszeit wurden mehrere Grenzdurchbrüche und Desertionen nach Westberlin und Westdeutschland gemeldet. Zwei Personen wurden beim versuchten Grenzdurchbruch festgenommen.
Schwerpunkte für die Grenzdurchbrüche in Berlin ergaben sich in der Bernauer-, Harzer- und Boyenstraße, wo die Häuser unmittelbar an der Grenze liegen.
Von insgesamt 100 Grenzdurchbrüchen mit 158 Personen seit dem 13.8. bis 31.8.1961, 24.00 Uhr gelang allein 41 Personen der Durchbruch nach Westberlin in den genannten Straßen.
Am 1.9.1961, gegen 0.10 Uhr wurde im Abschnitt Hennigsdorf/GB Groß Glienicke Grenzalarm ausgelöst. Im Verlauf der Aktion wurden die Jugendliche [Name 3] und der Jugendliche [Name 4] aus der Ortschaft Legebruch beim Versuch, die Grenze nach Westberlin zu durchbrechen, festgenommen. Einer dritten Person, dem Jugendlichen [Name 5] ebenfalls aus Legebruch, gelang der Durchbruch nach Westberlin.
Im Verlauf der Aktion wurden 27 Schüsse abgegeben. Ob der [Name 5] verletzt wurde, konnte nicht festgestellt werden.
Ebenfalls wurde im Bereich der GB Groß Glienicke am 1.9., 19.00 Uhr, ein schwerer Grenzdurchbruch festgestellt, bei dem der Bauer [Name 6] mit Ehefrau und zwei Kindern nach Westberlin flüchtete. Ein Pferd mit Wagen und drei Fahrräder wurden an der Durchbruchstelle zurückgelassen. Das Drahthindernis war zerschnitten worden.
Ein weiterer Grenzdurchbruch im Bereich der GB Groß Glienicke erfolgte am 1.9., 10.30 Uhr, wobei einer Person der Durchbruch nach Westberlin gelang.
An der Staatsgrenze West der DDR wurden acht Grenzdurchbrüche mit insgesamt 13 Personen festgestellt, wobei es sich zu 80 % um Bewohner aus der 5-km-Sperrzone handelt.
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GB Oschersleben, KP Wahlbeck ein Fall mit vier Jugendlichen aus dem Grenzgebiet.
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GB Halberstadt, KP Abbenrode ein Fall mit fünf jugendlichen Bauarbeitern, die im Grenzgebiet mit Grenzbauarbeiten für die DGP beschäftigt waren.
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GB Mühlhausen, KP Austenfelde ein Fall mit einem LPG-Bauern aus dem Grenzgebiet.
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GB Dermbach, KP Buttlar und Wiesenfeld – zwei Fälle mit zwei Mähdrescherfahrern und einem Jugendlichen aus dem Grenzgebiet.
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GB Meiningen, KP Behrungen13 – ein Fall mit einer Person.
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GB Zschachenmühle, KP Hönbach und Neuhaus-Schierschnitz je ein Fall mit einer Person.
Bei dem Grenzdurchbruch im Bereich der GB Dermbach, KP Wiesenfeld handelt es sich um den Jugendlichen [Name 7] aus dem Grenzort Geisa, der mit seinem Motorrad flüchtete. 6 m auf westlichem Gebiet stürzte er und ließ die Maschine liegen. Das Motorrad wurde durch eine Uffz.-Streife vom westdeutschen Gebiet zurückgeholt.
Grenzdurchbruch vom Westsektor nach dem demokratischen Berlin
Am 1.9.1961 durchbrach der Westberliner [Name 8] aus Neukölln, am KP 62, Kiefholzstr. die Grenze WB/demokratisches Berlin.
Am gleichen Tage meldete sich die [Name 9] bei der Trapo auf dem Bahnhof Friedrichstraße und bat um Wiederaufnahme in die DDR. Die [Name 9] hatte im Mai 1960 illegal das demokratische Berlin verlassen. Beide Personen wurden nach Überprüfung der Aufnahmestelle Berlin zugeführt.
Vorkommnisse in der DDR/demokratisches Berlin
Am KP Friedrichstraße wurde bei der Kontrolle durch das AZKW ein holländischer Staatsbürger festgestellt, der Zeugnisse und andere Dokumente der DDR-Bürgerin [Name 10], beschäftigt beim DIA, bei sich trug. Da er außerdem einen holländischen Pass ohne Lichtbild bei sich hatte, wird vermutet, dass er die [Name 10] nach Westberlin schleusen wollte. (HV A wurde verständigt)
Bei Abrissarbeiten am Ballensteg KP 8 wurde ein Jagdgewehr gefunden. (Bearbeitung durch Abteilung K)