Medienwirksamer Vorfall in der Berliner S-Bahn
3. November 1961
Einzel-Information Nr. 687/61 über Vorkommnisse auf der S-Bahn im demokratischen Berlin
Am 29.10.1961, gegen 14.20 Uhr teilte der Westberliner Zeitungsträger des »Neuen Deutschland«, [Name 1], geboren [Tag, Monat] 1927 der Transportpolizei auf dem Nord-Süd-Bahnsteig des Bahnhofes Berlin-Friedrichstraße mit, dass er im vorletzten Wagen des S-Bahnzuges PS 06 440 auf der Strecke Frohnau-Wannsee von einer männlichen Person belästigt wurde. Diese Person habe ihm angeblich einen Ausweis vom Verfassungsschutz gezeigt und ihm seine Tätigkeit vorgehalten. [Name 1] will sich aber auf kein Gespräch eingelassen haben.
Durch den VP-Hwm. der Trapo, [Name 2], wurde aufgrund dieser Angaben eigenmächtig und ohne Verständigung seines Dienstvorgesetzten die Dispatcherleitung der S-Bahn angewiesen, vorgenannten Zug auf dem Bhf. Potsdamer Platz anzuhalten.
Da die in der Zwischenzeit erfolgte Befragung des [Name 1] keine konkreten Ergebnisse brachte, weil er sich im angetrunkenen Zustand befand, wurde er durch den Ltn. der Transportpolizei, Schlenzig, nach Hause entlassen. Ltn. Schlenzig hatte keine Kenntnis von der Anweisung, den S-Bahnzug anzuhalten.
Aufgrund der Weisung des VP-Hwm. [Name 2] wurde der S-Bahnzug auf dem Potsdamer Platz um 14.20 Uhr für neun Minuten angehalten. Im Ergebnis der durch die auf dem Bahnhof Potsdamer Platz stationierten Transportpolizei-Angehörigen durchgeführten Kontrolle, wurde das Ehepaar [Name 3], wohnhaft: Berlin H 31, [Straße, Nr.], der Wache Potsdamer Platz zugeführt.
Gegen 18.30 Uhr erfolgte die Überführung des Ehepaares zur Abteilung K des Bahnhofes Friedrichstraße. Die unter Teilnahme eines Mitarbeiters des MfS getrennt durchgeführte Befragung beider Personen ergab, dass es sich bei dem Mann keinesfalls um die von [Name 1] angegebene Person handeln konnte.
Trotzdem konnte keine Entlassung vorgenommen werden, weil beim MfS Archivmaterial gegen [Name 3] vorlag, das inhaltlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt war.
Um 22.15 Uhr wurde bekannt, dass es sich bei dem Archivmaterial um eine Polizeiakte aus dem Jahre 1947 handelt und dass [Name 3] von 1945 bis 1947 als Wachhabender auf dem Berliner Polizeirevier 3 tätig war.
[Name 3] war nicht politisch organisiert, und seine Entlassung erfolgte aus gesundheitlichen Gründen auf eigenen Wunsch. Da diese Angaben von [Name 3] im Verlauf der Befragung bestätigt wurden, erfolgte 22.55 Uhr die Entlassung des Ehepaares. Eine Begründung der Zuführung wurde dem [Name 3] nicht gegeben. (Das Vorkommnis wurde am 30. und 31.10.1961 von der Westpresse1 zur Hetze gegen die DDR ausgenutzt.)
Am 1.11.1961, gegen 2.00 Uhr wurde auf dem S-Bahnhof Nordbahnhof, bei Aussetzen des S-Bahnzuges der Westberliner [Name 4], geboren [Tag, Monat] 1946 in Berlin, wohnhaft: Spandau, [Straße, Nr.] schlafend im Zuge angetroffen. [Name 4] wurde vom VP-Revier Friedrichstraße überführt, wo sich bei der Befragung herausstellte, dass er geistesgestört ist.
[Name 4] wies sich mit einem Schülerausweis aus und wurde um 9.30 Uhr dem Roten Kreuz am Bahnhof Friedrichstraße mit der Weisung zugeführt, die Übergabe des Jungen an das Rote Kreuz in Westberlin zu organisieren.
Vom OSL Schmeißer, Abschnittsleiter der Trapo, wurde mitgeteilt, dass kein Bürger namens Peter K. (wie in der Westpresse vom 3.11. veröffentlicht2) angefallen ist.